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^Donnerstag, den 20. Januar i»27 Nr. 15: Seite'3' Der Personalskan- bei den Reichsverwalkungen am 1. Oktober 1S2K — Die Denkschrift des Reichssinanzminislers Der R e i ch s f i n a n z m l n l st e r ha! dem Reichstag Uevcrsichlen über den P e r s o » a l sta n ü nach dem Stande vom 1. Oktober 1926 iibermittelt. Diese Darstellung entspricht eine:» vom Reichstag ausgesprochenen Wunsche. Es ergib! sich daraus folgendes: Am 1. April 1926 befanden sich: a> bei den Hohsitsoerivaliungen: 97 318 Beamte, 20 Mg An gestellte, 43 470 Arbeiter, b) bei der Deutschen Reichspost (cinschl. Reichsdruckerei): 243 609 Beamte, 4 277 Angestellte, 40 966 Arbeiter. Deingegenuber betragen die Kopszahlen am 1. Oktober 1926 a> bei den Hoheilsverwallungen: 96175 Beamte. 20 916 An gestellte. 49 632 Arbeiter, b> bei der Deutschen Reiüpspost seinschl. Reichsdruckerei): 252 093 Beamte, 1353 Angestellte. 39 903 Arbeiter. Es sind also in der Zeit vom 1. April bis 30. September 1926 folgende Stender ungen eingetreten: a> bei de» Hoheitsvermallungen: 1173 Beamte Personal verminderung, 827 Angestellte und 6159 Arbeiter Personalver mehrung. bj bei der Deutschen Reichspost seinschl. Reichsdruckerei): 2 184 Beamte Personalvermehrung, 2 924 Angestellte und 1083 "Arbeiter Personalverminderung. Die Vermehrung der A n g e ste l l t e n za h l bei den haupt sächlich in Betracht kommenden Hohcitsvernvaltungen betrügt: 265 Köpfe beim Reichsmirtschaftsministerium, 111 Köpfe beim Reichsarbeitsministerium, 286 Köpfe beim Reichsmehrministe rium, 711 bei der Reichsschuldenverivaltung. Die Erhö h u n g der Zahl der Arbeiter erklärt sich aus der bei der Reichs- ivasserstragenverivaltung d>cs Reichsverkehrsniinistcriums not- mendig gewordenen Verstärkung der Zeitarbeiter mährend der Hauptbautütiglieit in de» Monaten Mai bis November 1926. Di« Zahl dieser Arbeiter beträgt 6605 Köpfe. Der Zugang an Beamte» bei der Reichspost ist in der Hauptsache in der Uebernahme von Reichsbahnbeamten, der Wiederanstellung von Wartestandslxamtcn und der Rückiiber- nahine früherer Postbeamten von anderen Reichsvcrwaltungen auf Grund der Reichstagsentschliehung Nr. 1763 begründet. So weit Neueinstellungen zur Sicherung des Beamtennachmuchses stattgefunden haben, halten sie sich im Rahmen der Bewilli gungen des Unterausschusses des 5. "Ausschusses des Reichstages für den RrichshauLhalt. Der Vermehrung des beamteten Perso nals steht eine Verminderung der nichtbeamteten Kräfte gegen» über. Hinsichtlich der bei den Hoheitsverwaltungen und bei der Deutschen Reichspost beschäftigten Wartegeldempfänger und kom missarisch tätigen Landes- und Gemein de beamten er gibt sich folgendes Bild: Stand am 1. Oktober 1923 2 360 Köpfe. Stand am 1. Oktober 1924 1 252 Köpfe, Stand am 1. April 1925 1 299 Köpfe, Stand am 1. Oktober 1925 2 782 Köpfe, Stand am 1. April 1926 2 225 Köpfe. Stand am 1. Oktober 1926 2 160 Köpfe. Der Stand der weiblichen Beamten stellt sich ivie folgt: Bei de» Bei der HoheitSverwNtuiitien deutsche» Reichspost Zahl darunter Zahl darunter verheiratet verheiratet ani 1. Okt. 1923 578 93 60 881 2718 am 1. Okt. 1924 476 10 49 781 80 a-m 1. April 1925 461 9 51147 110 am 1. Okt. 1925 448 6 48 028 63 am 1. April 1926 451 11 46 628 133 am 1. Okt. 1926 448 19 45 886 362. Ferner sind weibliche Angestellte vorhanden ge- wesen am 1. April 1926 bei den Hoheitsverwaltungen 6922 darunter 130 verheiratete. Davon Lei der Rcichspost allein 3293 und zwei verheiratete, am 1. Oktober 1926 bei den Hoheitsver maltungen 7R1, darunter 150 verheiratete, und bei der Reichs« post allein 802, jedoch keine verheirateten mehr Wartegeldempfänger gab es am 1. Oktober 1926 bei der allgemeinen Reichsverwaltung 1099, kommissarisch be schäftigte Landes- und Gemeindebeamte 336. Bei der Reichspost stellte sich die betreffende Ziffer aus 626 und 89 Im Reichsdienst beschäftigte Angestellte waren am 1. Ok tober 1926 vorhanden 20 916 bei der allgemeinen Rrichsverwal- tung, und 1353 bei Reichspost und Reichsdruckerei. Die Zahl der in den Betrieben des Reiches beschäftigten Arbeiter betrug am 1. Oktober 1926 bei der allgemeinen Reichsverwaltung 49 832, bei der Reichspost und der Reichsdruk- kerci 39 903, zusammen also 89 535. Onkel Sam besinn! sich Dr. Nikolaus Murray Butler, der Rektor der Colom- b ra-Universität in Neuyork, einer der führendsten wissenschaft lichen Anstalten der Vereinigten Staaten, unterzog kürzlich bei seiner öffentlichen Antrittsrede die konfessionelle Schul- erzieh» ng in Amerika einer scharfen Kritik. Er sagte u. a.: „Es herrscht in unserem Staate eine aufsallcnd überein stimmende Ueberzeugung vieler, daß die moralischeUnbot- mähigkeit unserer Bevölkerung, die uns in den Augen der ganzen Welt blohstellt, aus viel tiefere Ursachen zurückgesührt werden muh, als man es gemeiniglich annimmt. Die Ver mehrung der Gerichtshöfe, die Beschleunigung des Prozehversah- rens in Kriminalfällen und die Verhängung schwerer Strafen über die Schuldigen, all das kann in keinem Falle das Fortschreiten des Verbrechertums in einer merklichen Weise unterbinden. Die Verstöhe gegen die Besehe gehen auf den Mangel an Diszi plin und an Selbstbeherrschung zurück, was wiederum aus den Mangel einer wirklichen Erziehung zurückzusühren ist. Wir kön nen keine Besserung erwarten, solange diese Mängel nicht be hoben sind. Unsere Verbrecher sind säst ausnahmslos durch un sere staatlichen Schnlen gegangen und haben sogar oft eine höhere Schule genossen. Diese Tatsache ist vielsagend. Sie wurden also iveüer zuliause. noch in den Volksschulen und höhere» Lehran stalten in einem wirklichen Sinne erzogen, geschult und diszipliniert. Sie haben es nie gelernt, sich selbst zu mei slern. obgleich doch dis Selbstbeherrschung den einzigen, wirklichen Schuh gegen Unmoral und Unbotmähigkeit darstellt." Dr. Butler führt weiter aus. üah wen» die staatliche Er ziehung sich so wenig in der Erziehung von Charakteren bewähre, die grossen Mühen und Auslagen, die man auf Sie Staatsschulen verwendete, eigentlich zum grohcn Teil vergeblich seien. Die Ausfassung, daß die jungen Leute schon richtig zum Leben vor bereitet seien, wenn man ihnen eine gewisse Summe von Kennt nissen auf einzelnen Wissensgebieten vermittelt habe, ist nach Dr. Butler „eine groteske Absurdität". Das Einzelwisse» ohne eine tiefere, philosophische Grundoricntierung in den letzten Fra gen des Lebens und der Menschenseele ist in jeder Weise unge nügend. Da kann nur die religiöse Erziehung durch die Kir chen Helsen. Butler, der Protestant ist, führt zum Schlüsse aus: „Die Welt von heute braucht vor allem wieder graste Apo stel und Helden des Glaubens, Männer wie St. Dominikus oder Franz von Assisi." Die Worte sino sehr beachtenswert für die Deutschen, die bei ihrem Kampf für die weltliche Schule so gern auf das ameri kanische Vorbild Hinweisen. Ihnen dürften Butlers Worte etwas laut in den Ohren klingen. Gefährlich für die letzten Reste europäischer Kultur ist cs, Amerika schlechthin als das wirtschaft liche Muster hinzustelle». Gefährlicher aber ist es noch, in kul tureller Beziehung Anleihen in Amerika maci>en zu wollen. In dieser Branche ist Amerika sicherlich nicht der Kreditgeber der Welt! Auch ein „Theakerskandal" Im Stadtthcatcr zu Osnabrück spielte sich neulich fol gendes graziöses Intermezzo ab, das Bevölkerung und städtische Behörden in Hellen Aufruhr versetzte: Regierungspräsident Dr. Sonnenschein hatte am 30. Dezember gelegentlich einer Aufführung die von ihm gemieteten beiden Plätze in der Proszeniumsloge durch die Eltern des niitwirk.'nüen Sängers Hummelshcim besetzt gefunden, die im Besitz ordnungsmäßig be zahlter Karten für die betreffende Loge waren Dem Regie rungspräsidenten war durch ein Gewohnheitsrecht zugestauden worden, dast auch die übrigen bciden Plätze, die er nicht gemietet hatte, sreigelassen wurden. Als der Regierungspräsident seine beiden Plätze besetzt sand, wachte er den Logenschließer darauf aufmerksam, um die R ü umung der ganze» Loge z u v eranIa s s e u. Als die Eltern Hummelsheim sich auf die Aufforderung des Lo-zenschlieszers weigerten, soll der Regie rungspräsident nach den übereinstimmenden Aussagen zweier Logenschliester und einer Garderobesrau die Aeuszerung getan haben: „Holen Sie die gr ü ne Poli ze i!", während der Regierungspräsident selbst erklärt, dast er gesagt habe: „I st Senn keine Polizei da?" Die Eltern Hummelshcim haben dann die Plätze räumen müssen, wobei die Schutzpolizei ncch eine Personalienfeststeiluna vorgcnommcn habe» soll in An- belracht der sich etwa „ergebenden strafrechtliche» Folgen", wie es in eitler Auslassung der Schutzpolizei hciszt. Dast der Regie rungspräsident auf Räumung der Loge bestand, mährend noch zwei Plätze frei waren, lzatte einen E n t r ü st u n gs st » r m entfacht. Die Sitzung der städtischen Kollcgie n. die fast zwei Stunden dauerte, gestaltete sich zum Teil sehr lebhaft. Tie Ermittelungen des Magistrats habe:, ergeben, dast sich d ie Aus sagen des Regierungspräsident-.'» und der beteiligten Logen- schliester direkt ge g e n ü b e r st c h e n. So geschehen — nicht etwa im Italien Mussolinis, auch nicht unter sranzösischem oder anderem „ancien regime" — son dern in der deutschen Republik des 20. Jahrhunderts! — Mussolini — der Netter der Dar Das Land Mussolinis scheint eine Metropole inter essanter Verordnungen zu werden. Neben Tanz, Jung gesellen und anderen staatsfeindlichen Elementen werden in Italien neuerdings auch die Fremdwörter bekämpft (eine Tatsache, die in »ns kindliche Reminiszenzen an den letzten Kriegsbeginn weckt). Dieser Kampf wird jedoch isicht de» ad hoc gegründeten Vereinen überlassen: Mussolini ist sein eigener Purist, und wie er glaubt, die Hagestolze mit einer Steuer zur Vernunft bringen zu können, so ruht ans jeder ge'chästl ch.n Bezeichnung, auf Laden'childern und Reklamen in einer sremden Sprache eine hohe Abgabe. Auf der Liste vieler steuerpflichtige» landfremde» Worte stand bisher auch das Wort „Bar". Der italieni che Finanzmini- ster hat nunmehr zugunsten der „Bar" eine "Ausnahme ge macht, mit der Begründung, dast das Wort nicht übersetzbar ist, und dast es ein italienisches Wort, das sich mR diesem Begriff deckt, nicht gibt. Auch die Vvrgc'chlageiie Bezeich nung Taverne triist nach ministerieller Ansicht nicht das Richtige. Tie Gemeindeverwaltnngen sind angewiesen wor den, kn,sing die Ladenschilder, die den Verkauf von amercan drinks, Cocktails, Flips u,w. vcrheisten, nicht mehr zur Srnier hcrangezogen werden. Man möchte Verdeckt -chöpse», dah der Duce selber kein „Bl>r"-Perächtcr ist — denn warum wäre er sonst auf ein mal so delikat? s Wegen Rauschgiftschmuggels verhaftet. Der Italiener Giorgio Alvazzi ist in Hamburg unter dem Verdacht des Raiischgissichimiggels verhaftet worden. Er hatte aus Paris 10 Kilogramm Morphium bezogen, die von ihm i„ kupfernen Säu len versteckt über Antnuirpen nach Habana versandt werden soll ten. Alvazzi lzatte eine weitere Sendung dieser Art nach Ant werpen leiten lassen. Er scheint einer internationalen Schmngg- lcrbande anzugehören. s Schweres Automobilunglück. Im Schocketal stürzte ein mit mehreren Damen besetztes Auto bei dem Versuch, einem ent gegenkommenden Auto auszuweichen, iu der gefährlichen Serpen tine, die schon oft Anlost zu Unfällen gegeben lM. die 10 Mctei hohe Böschung hinab. Ein zwanzigjähriges Mädchen wmd' tödlich verletzt, die übrigen Insassen kamen mit leichteren Be» letzungcn davon. Hochwasserschaden der Reiste. Die Kosten für die Regnlie rungsarbeiten, die durch de» Tammüruch in Zittau notwendig waren, betragen 15 000 Mark. Ein Drittel des Betrages dürft« vom Staate gedeckt werden. — Wen die Schuld an der kostspie ligen Katastrophe trifft, ist noch nicht erwiesen. ^ Nächtliches Feuer in der A. E. G. In der Nacht zum Miti woch gegen 2 Uhr ist in den Werken der A. E. G. in der Brunnen straste in Berlin ein Grostfeuer ausgebrochen. Fabriksenerweh und städtische Feuerwehr hatten mehrere Stunden lang zu tu, um den Brand zu löschen. Die grosze Montagehalle, in der de Brand auskam, ist zum Teil ausgebrannt und schwer besckäüis worden. Die Beschädigungen sind derart, dast etwa die Halst der in der Halle beschäftigten Arbeiter heute vormittag bei» Arbeitsantritt wieder nach Hause geschickt werden musste, wei für sie keine Arbeitsstätte verfügbar mar. Der cnisianoene Schä den ist bedeutend, -f Die Elbschiffahrt bei Magdeburg eingestellt. Die Schiff fahrt auf der mittleren Elbe ist wegen des Hochwassers eingestellt worden. Die Schleppzüge können nicht die Brücken passieren, da das Wasser zu hoch steht. Bei Magdeburg liegen viele Damp fer und Kähne und warten das Ende der Hochwasserwclle ab. Die Keimkehr Vvn Hermann Bah r*) Man fordert mich immer wieder neugierig auf, meine „Konversion" darzustellen. Das ist mir nicht möglich: ich bin kein Konvertit, und das Ergebnis, das inan von mir geschil dert h-aben will, war keine Konversion. Wenn man es schon irgendwie besonders feierlich benennen will, mag man allen falls von einer Neversion sprechen; ich bin nach mancher treulosen Extratour einfach heirngekehrt. Mein Pater stammt väterlich von chlesischen Webern, guten Karh-vliken, wie ihre vom Rhein her zugewanderten Voreltern, mnttorl:ch ober aus Salzburg: mein Urgroßvater Caspar Nei'-inger ist Büchsenmacher auf der Hohen Feste gewesen und hat sch dann in der Gnigl draußen angekauft. Auch meiner Mutter, der Tochter eines schlesischen Ltatthal- tere-rats, Vbrsahre», aus Franken stammend, waren alle durchaus unverdächtige Katholiken. Vom Vater her wie von der Mutter Katholik, ein geborener Katholik, empsing ich am zwo'ten Lage meines Lebens das heilige Sakrament der Taufe von eines ratholi-che» Priesters geweihter Hand, und gefirmt hat m ch, als ich in die Jahre dazu kam, des seligen Franz Josef Rudigicr, des gewaltigen Bi'chofs von Linz, Master Backenstreich. L»z, damals ein Lansstädtchen van noch nicht viorzigtausend Einwohnern, war eine durchaus tatha- li'che Stadt; die paar Juden und Protestanten wurden als Kuriositäten angcstaunt, und man wunderte sich, dast ji' L-rch obenhin e:gent'sich ganz me» chenähnlich ausiahc». Dieses durchaus kalholi-che Linz wurde sreisich von einer Oberschicht beherrscht, die cs mit der Ausübung ihrer kathvli'chen Pflich te» nicht eben sehr genau nahm: zwar die Frauen die'er .Doktoren" (denn aus Jur stcn. mit einem Anhang von Kaisi- leute», bestand d:e den Gemeinderat beherrschende Pa: e , 'elsiten Sonntags >-in Hochamt nicht, doch die „Doktoren" -st ier begnügten sich, ihre Damen vor dem Dom zu erwar.eu; :rst später änderte sich bas zuweilen: wenn Anton Bruckner rn der Orgel fast. Mein Vater war ein Führer der Libe ralen, und i-m Landtag konnte man. wenn der große Bischof )vn Linz das Wort nahm, sicher sein, baß sich sogleich der *) Entnommen der Schöneren Zukunft, Heft 12 vom IS. Dezember. Notar Tr. "Alois Bahr zum Wort gegen ihn melden und die Schule gegen die „klerikalen Ma-chtgelüste" schützen würde. Doch kein Tag verging, ohne daß vieler typi'che „Josefiner" sich abends am Bette vor dem Krurifix niedergekuiet und sein Abendgebet verrichtet hätte, wie er es nun einmal von klein auf von >e:ner frommen Mutter her, gewohnt war; er hat sich d:ese G.wohnheit bis an sein seliges Ende bewahrt. Ich war, was man einen guten Schüler nennt: ich hatte die Schwächen der Professoren ans den ersten Blick los, und so merkten sie den Lausbuben nicht, der das Steckenpferd eines jeden mit so täuschender Bravour zn reiten verstand; ich habe später die Men chheit niemals mehr so verachtet wie damals ans dem Linzer Gymnasium, als ich über sie bloß nach dem Vorge chmack urteilte, den mir unsere Prozessoren von ihr gaben. Das ward anders, als ich dann nach Salzburg kam, :n die wüsste Kl-siie des Gymnasiums. Hier fand ich den Lehrer, der mein ganzes Leben entschied, der mich f.i e so daß mir in allen geistigen und sittlichen Unwettern fortan n:chc mehr viel oe-ch-hen konnte, denn durch ihn ward ich einer reinen, meiner nii - bestimmten inneren Form bewußt und damit hieb- und stichlest gegen allen Andrang äußerer Verwirrungen: ich habe mich in so viele "Abenteuer der Ver nunft wie per Unvernunft getrost wagen können, denn irgend etwas iin Grunde meines W: ens blieb seitdem immun, es gab fortan Tiefen in mir, i-n die nichts von dem Unsinn, ja dem Irrsinn des Zeitalters drang, dem ich mich jahre lang, jahrzehntelang lachend überließ. Jahrelang, jahr zehntelang, von 18sil b:s zu meiner schweren Erkrankung 1904, habe ich außer nur verbracht, in Anwesenheit meiner Seele. Jener Lehrer, dem ich d-os Erwachen meiner inneren Form schulde, war unser Professor iu Griechisch, Josef Sieger, esu Weltgeistlicher, ein Mau» von einer inneie» Schönheit, einem festen Maß, einem »isichlbaren Herzensta-kt, wie mir in moi-ncm ganzen Leben kein anderer von solcher Vollendung mehr begegnet :st. Se n Blick allein schon, vor dem isichts Unechtes bestand, genügte, »ach Jahren in der bloßen Er innerung allein, mich oft genug im letzten Augenblick noch vor der letzten Versuchung, vor völliger Lelbstzerstörung zn bewahre». Ais ich mch dann cnt'cheidend wieder aut 'mich be,a-un, kam :ch iustiusii-a dahin zurück, wohin Josef Steger mich geführt hatte: zu Plato. Wie der heilige Thomas von Aquim ein nristotesicher, so war Josef Steger ein platoiii'cher KaHoltk; ja — wenn man das nur nicht am Ende mißver steht! — ei» homersichcr. Dies kam meiner Natur 'ehr ge legen, denn ich bin von Natur, was der heilige Paulus in se-ner Rede auf dein Areopag deisidämoni cy nennt: das Wort läßt sich kaum recht verdeutschen: „überabergläubig" könnte man es noch am ehesten über-etzen, «s nu-inr Men sche,, von solcher Gottesfurcht, daß sie der Gestalte», der Zeichen der Er-cheiiiungen Gottes gar nicht genug kriegen können. Auch wenn :ch Gottes zuweilen ganz vergaß, blieb ich dennoch den Göttern treu, den Göttern Griechenlands, und zunächst war's denn auch Dionysos, von dem aus meine lang'ame Heimkehr zum angestammten und in meiner inne ren Lebensform niemals völlig erloschenen, tvenn auch jahre lang verschütteten, von meinem Verstände dreist ve, leugne ten katholischen Glauben begann. Ich hatte, um he raten zu könne,i, unsere Kirche verla sen und war, weil es schließ lich doch nieniand aushält. Atheist zn sein, allmählich in einen albernen Wald- und Wiescnmonismus Haeckelischer Pro venienz geraten, :n dem ans die Tauer zu verweilen, sich doch mein Kopf zu hell, mein Verlangen nach Klarheit z» stark erw:es. Meinem unvergeßlichen Freunde Mar Bnrck- hard, der von einer so weiten geistigen Spanne war, daß es :hm gelang, sich ans dem Burgtheaterdirekior über "Nacht unbeschädigt :n einen Hofrat am Verwaltnnqsgerkch-shos zn verwandeln, erging cs offenbar um dieselbe Zeit ähnlich wie mir, er schlug mir eines Tages unversehens vor, Plato »,i, si),n zu lesen, und so saßen wir einen Winter lang jeden Abend ützer dem Symposion. Damit begann meine Reversion. Z,vei Jahre -pater fiel mir in Rom angenehm auf, daß es dorr eine Kirche gab. die Maria -vpra Minerva heißt. Ja, das wär's! dachte -ch uuwsilkürlich. Aus meiner alten Liebe zu des .Herakles kluger Schutzpatron:,! glomm ein neuer Funke, an dem sich, freilich nach Jahre» erst, die Andacht zu unserer lieben Frau entzünden sollte. Von Rom fuhr ich damals nach Neapel und erwarb dort, ich kann heute noch so wenig als damals sagen warum, einen bärtigen Dionysos, der dann jahrelang in meinem Garten in Ober-St. Veit stand, von blutrot blühenven Ro->en nniran-kr. Zuweilen üverkam es mich bei seinem Anblick wunderlich, und ich war oft ,'ast daran, betend vor ihm »iederznsinken, und nur mci» Gefühl für Humor bewahrte mich davor, auf einer Höhe des Wiener Waldes den asiati-chen Heidengvlt anznbeten. Es mußte nach stärker über m:ch kommen, ich ergab mich nicht »o leicht; erst als ich dem Tode in Angesicht ,ah. schrack ich auf. Ich erkrankte 1904 schtver und war von de» Aerztcn aufgegeben.