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Mexiko und Nordamerika Die Sorge um den Panama-Kanal — Das Pekroleum-Gesetz des General Calles Was für Pläne hat Washington? (Nachdruck verboten.) Die Beziehungen zwiichen Mexiko und Nordamerika siKd trotz der zurückhatteccdeu Eeclärungen, die die amevi'- kaiistscheu Staatsmänner in den letzten Tagen abgegeben haben, keineswegs beiferc gewordrn. ES zeigt sich hier, daft der N t c a r a g u a - Z w i i ch e n s al l nur een Ausdruck für den tiefen Gegensatz ist, der zwilchen den Bereinigten Staaten und Lateinamerika besteht. Man versteht diesen Zw. sch e »fall nur in dem großen Zusammenhang der Ri valität Nordamerikas und Mexikos um die Borherrfchaft in M : t t e l c> m e r i k a. Daß die Amerikaner den konservativen Präsidenten von Nicaragua, Daz. und di« Mexikaner keinen Gegner, de» „konstitutionellen Präsidenten" der Liberalen Dr. Inan Sarai« unterstützt haben, ist lediglich der Ausdruck jenes Kainpses n,n die Vorherrschaft in diesem mitbelamerlkanischeic Staat. — Die Bereinigten Staaten sehen iimmer mehr in dem Dasein eines politisch selbständigen mexikanischen Staates e-n politisches und strategisches Hemmnis, das sich zwischen ihr eigenes Gebiet und den für sie äußerst wichtigen Panama- kanal schiebt. Der Panamakanal ist der einzige Weg, ans dem Nordamerika die gewaltige Mayr seiner Schlachtschiffe für den Fall eines Krieges im Stilleit Ozean (Japan!) schnell von dem Atlantischen Ozean nach diesem Kriegsschau platz der Zukunft schaffen kann. Dazu kommt natürlich noch die außerordentlich große wirtschaftliche Bedeutung die,er Verbindung zwischen zwei Weltmeeren. Alles dies har dazu geführt, daß Nordamerika seine Diplomatie dem Staate Panama gegenüber auf ein: politische und wirtschaft liche Unterwerfung dieses Staates einstellte. Heute führt der Staat Panama nur noch rin Scheindasein, die tatsächliche Herrschaft über sein Gehret ist durch verschiedene Verträge auf das 'Auswärtige Amt iu Washington übergegangeu. Auch die übrigen fünf zrntralamcrikanichen Republiken — Honduras, Guatemala, Costarwa, Nicaragua und El Sal vador —sind von dem reichen Nordamerika schon jetzt wirt schaftlich weitgehend abhängig und wären für die amerika- nischen Wünsche kein ernsthaftes Hindernis, wenn sich nicht Machen diesen Staaten und Nordamerika das große Land der Mexikaner ausbreitete. Mexiko -.st viermal so groß wie Deutschland und wird von einer revolutionär-sreihe:ilich gesinnten Bevölkerung von nur 14 Millionen Meirichen bewohnr; deren eigene und oft eigenwillige Politik den Männern, die in den Heeres- n„d Marineümtern der Vereinigten Staaten sitzen, ein Dorn im Auge ist. Zu diesen Gründen der Feindschaft zwischen Mexiko und Nordamerika tritt noch ein weiterer hinzu, der alle anderen an überzeugender Wirkung für ein Nankpwehirn bedeutend übertriifft: das mexikanische Oel. Mexiko steht nämlich unter den Erdölländern der Erde an zweiter Stelle. Das -ist Grund genug, um es den 'Amerikanern be gehrenswert erscheinen zu laisen. So haben denn auch ge schäftstüchtige Amerikaner nach den 'Angaben des ameri kanischen Senators King über eineinhalb Milliarde Dollar zur Verwertung der Bodenschätze in Mexiko in- vestert. An der Spitze Mexikos aber steht heute die sozia listische Regierung Calles, die im Hinblick auf Grund und Beden die sozia.istische Theorie schrittweise zu verwirk lichen strebt und besonders die Ueberfremdu ng mexi- kanr,chen Landbesitzes vermeiden will. Sv be stimmt bereits die mexikanische Verfassung in ihrem Ar tikel 27, daß ein Streifen von 50 Klm. längs dem Meere und ein Streifen von 106 Klm. längs den Landesgrenzen als „verbotene Zone" zu gelten hat. in der Ausländer überhaupt weder Besitz noch Rechte erwerben können. Sollten solche Rechte vor 1917 erworben worden sein, so müssen sie gegen aiigeme'sene Entschädigung aufgepbeu werden. Daneben bestimmt der Artikel, daß alles, was unter dem Boden liegt, nicht dem Landbesitzer, sondern der mexi- kaniichen Nation gehört. Das P e t r o l e u m g e sc tz vom 25. Dezember 1925 bestimmt ferner, daß Oclrechte, die vor dem 1. Ma, 1917 auch wirklich ausgeübt worden sind und sei es auch uur durch Mutungen oder durch Anlagen zur Oelförderung, 50 Jahre gelten sollen. Nach dem 1. Mac 1917 (rückwirkende Kraft!) können 'Ausländer nur noch OekkonzeMoncn — also kein volles Privateigentum — er langen, aber auch dies nur unter Berzicht ans Anrnsung der heimischen Regierung. Das sind die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen, die mau kennen muß, um die Lage genauer erfassen zu können. Daß sie den amerikanischen Erdölinteressenie» außevordend- lich unangenehm sind, kann man sehr wohl verstehen. Di« mexikanische Regierung aber steht auf dem Standpunkt, daß sie -lm eigenen Lande nach eigenem Belieben schalten und toasten rönne, während die Amerikaner zwar nicht von einer Gefährdung ihrer Geldinkeresfen reden, sondern die Heilig keit des Privateigentums für eine Einrichtung erklären, die auch zwischenstaatlich geachtet und garantiert werden müsse. Mit diesem Argument suchen die amerikanischen Erdül- interesseilten ihre heimische Regierung gegen Mexiko anfzu- hetzen, nur mit deren Hilfe durch diplomatischen Druck eine Aeirderung der Bestimmungen herbeizuführen. ES ist be kannt, daß sich die mexikanisch: Regierung diesen Be mühungen energisch Widerwtzk, Wie die Dinge stehen, darf es als unwahrscheinlich angenommen werden, daß .m gegenwärtigen Moment ein offener Konflikt entsteht. D.e Bereinigten Staaten haben sich aber durch die inzwischen erfolgte völlige Besetzung Nicaraguas ein Faustpfand gesichert, dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Quer durch N caragua geht das zweite Kanalprojekr, für Vas das Baurecht bereits der amerika nischen Regierung zugesichert -st. Sollte dieser zweite Bail zur 'Ausführung kommen (es sind hier allerdings min destens ebenso große Schwcierigkei'leu zu überwinden wie -n Panama), dann hätte die amerikanische Flotte eine doppelte Ausmarchlinie gewonnen. Außerdem ist Nicara gua höchst geeignet, etwaige merikan-iche Anschläge gegen den Panamakanal abznfangen. In Mexiko selbst wird nach bewährter Methode das amerftanische Geld arbeite». Die blutigen Aufstände in der Sonora (von wo fast alle mexikanischen Revolutionen gekommen sind), die Calles den Katholiken zuchiebt. dürf ten weit eher auf das Konto des amerikanischen Einflu'fes zu setzen ieui. Sollten diese Bewegungen zu einer ernst lichen Bedrohung oder gar zum Sturze der Regierung Calles führen, dann werden die Bereinigten Staaten nicht ver fehlen, ihre Einwände gegen das Petroleumgesetz inner halb Mex'.kos durchznsetzen. Herrn. W. Reuß (Hamburg). Das jiunge Zentrum; Das „Junge Zentrum" beginnt mit dem Januarheft einen vierten Jahrgang. Wie bisher, so wird auch in diesem Heft in den „politiichen Notizen" zur politischen Gegenwärt ige Stellung genommen: zur Negierungskrüe, zur Reichs wehr, zur Frage „Nationaler Gedanke und Republikanische Staatsform". Sehr lebendig wirb hier di« Auffassung ver treten, da ßbeide eng zusammen gehören. Das Heft enthält ferner einen Briefwechsel zwischen dem aLndtagSabgs- ordneden, Regierungsrat Schäfer und der Baprischen Volks partei und dein Reichstagsabgeordneten Dr. Krone über das Verhältnis zwischen Bayrischer Volksvartei und Zen trum. insbesondere über di« Frage der Weltanschanungs- partei. Cs würde zu wett führen, in dieser kurzen Besprechung den Briefwechsel wieder zu geben. Nur darauf sei kurz ver wies«», daß Dr. Krone zum Schlüsse seines Brieses stark betont, daß der katholische Politiker und die Partei, die sich kn ihrer übergroßen Mehrzahl aus deutschen Katholiken zusaminenseht, ans Grund ihrer Weltanschauung niemals konkreten polnischen Enticheidnngeu answeichen bars, wäh rend die bayrische Auffassung in dem Briefwechsel dahin- geht, in bestimmteil politischen Fragen seitens der Partei keine Entscheidung zu treffen. Für die Arbeit in den Windthorstbnnden selbst i st von besonderem Werte ein Brief, an den Herausgeber, der sich mit der BÜbungsarbeit im Reichsverbalid befaßt. Er will die Bnndesarbccht stark auf Politiichen Willensbildung und aus di« Erkenntnis der politiichen Zusammenhänge ein stellen. Gegen die bisherige Weste, Festabende zu veranstalten, wendet »ich ein Aufsatz von Direktor Ritter, dem Leiter der Bilduii'gsarbeit dm katholischen Jugend- Jungmänner- verband in Düsseldorf. Ritter gibt Ratschläge, wie ein Bund-essest in den Rahmen der politischen Bi Übungsaufgabe eingesügt werden muß: es soll Höhepunkt der geistigen Bewegung sein. Das Heft schließt mit Berichten aus Nieder- chlefien, Westfalen und Rheinland, sodann mit einer „Um schau", die sich unter anderem mit der Frage der Grundrente und der Bodenreform, sowie der Kundgebung der Bischöfe gegen die Verlängerung der Polizeistunde besaßt. Im Reklameteil der Nummer stöht ein Aufruf zwecks Werbung für das „Junge Zentrum". Seitens der Reichs- gechäftsstclle, Berlin W. 8. Französische Straße 62. lll., werden für neugewvrbene Bezieher der Zahl entsprechend Wevbepramien ausgeletzt. Bemerkt sei auch noch, daß der zwsite und dritte Jahrgang des „Jungen Zentrums ge bunden zu je 5.— Mark zuzüglich Porto voll der ReichS- gejchästsstelle zu beziehen sind. Tie Versorgungsberechtigken Ferner hat der Nechsarbeitsminister dem Reichstag «ine Uebers.cht über die Ergebnisse der Zählung der Kriegs beschädigten, Kriegshinterbliebenen und sonstigen Versor- gungsberechtigten vom Oktober 1926 übersandt. Diese Zäh lung ergab 736 867 Beschädigte und 55 276 Kapi tulanten. zusammen also 7S2143 Bcrsorgungsbevcchtigtc. Ein« voranfgegangene Zählung im Oktober 1924 ergab 780 931 Beschädigte und 50 428 Kapitulanten, zusammen 771 353 V«r so rgungsber echt igle. Die Steigerung ist im ive- sentlichen darauf zurückzufnhren, daß jetzt in der Zeit der großen w'.rrschaftlichen Not viele, die früher keinen Wert auf eine Rente gelegt haben, s: ch,nachträglich noch darum bemühen: auch versucht ein Teil der f. Zt. Abgefundenen wieder in die Rentenversorgnng hineinzukommen. Nach der Uebers.cht hat die Zahl der Rentcn- anträge z n g e n om in e Im Kalendervierteljahr Juli- September 1924 waren 23 401. im gleichen Zeitraum 1925 !I 678 Anträge gestellt. Für 1926 betrug diese Zahl 42 070. Noch u»erledigt waren am 1. Oktober 1926 62 678 Anträge. Die Zahl der Todesfälle bei den Beschädigten ist erfreulicher weise von jährlich rund 14 000 auf rund 9 400 herabgc- sainken, sodaß auch noch für die nächste Zeit mit einer Er höhung der Zahl der Beschädigten gerechnet werden muß. Stach der Zählung vom Oktober 1924 betrug der Durch- schnittssiatz der Minderung der Evwerbsfähigkeit 46,3 Pro zent. Nach der Zählung vom Oktober 1926 46,8 Prozent. Die Zahl der Schwerbeschädigten ist verhältnismäßig stärker gestiegen als die Zahl der Leichtbeschädigten. Der Durch- schnitdssatz der M'.nderung der Evwerbsfähigkeit wird auch weiterhin steigen. Kumor „Was für einen reizenden Jungen Sie haben!" rühmte der Bescher, indem er einem kleinen Jungen, der mit einer Katze spielte, liebkosend über die Haare fuhr. „Was soll er denn einmal werden?" — „Ja," antwortete die Blat ter geschmeichelt, da er so lieb zu Tieren ist, haben wir daran gedacht, ihn später Schlächter werden zu lassen." » In einem Städtchen drüben im Schwäbischen iist ein Brand ausgebrochen. Die Hauptspritze der Feuerwehr ist rasch am Platze und spritzt darauf los, was das Zeug hält; ebenso rasch ist aber auch der pflichteifrige Schulze zur Stelle und sicht im brennendem Speicherraum noch allem, was er für die Braudurfache zu erkunden für nötig hält. Als die Sprctzmannschast bereits alle Aussicht hat, des Feuers Herr zu werden und zu diesem Ende die letzte Anstrengung mach:, da ertönt aus dem qualmenden Giebel fenster d-.e Stimme des Schulzen; „In drei Teufels Namen", rnsc er, „höret emol auf m:t eurem Spritzen,- ihr spritzt mir jo den ganzen Tatbeschdand weg!" Dies geschah in der Straßenbahn: Er war ein sehr kleines, schmächtiges Männchen und saß. Sie war ei» Koloß und stand. Der kleine Herr erhob sich und stieß die Dame, doppelt so groß als er, zweimal an, bis sie ihn bemerkte. Dann wgte er hösftch: „Wollen Sie nicht meinen Sitz haben?" — Sie bl.ckte in der Richtung des Platzes, den er veela"cn hatte, und schien überrascht. Schließlich fragte sie: „Auf welchem Schoß haben Sie gesessen?" Romola Ei» Renaissance-Roman von George Eliot. Fre: nach dem Englischen von H. Riesch. (Verlag Joseph Habbel, Regensburg) (17. Fortsetzung.) „Zweiimal war Mas» schon da, um nach Euch zu fragen," empfing ihn der Barbier, „er hinterlieh die Bot schaft, Ihr möchtet Erich ungesäumt in der Loggia des Hau ses Bardc «infinden." Was tun? Zagenden Herzens folgte Tito Romolas Ruf. Er hatte „och keinen Augenblick zu hoffen gewagt, Romolas Liebe zu hm könnte so groß sein, daß sie die Entdeckung seines Geheimnisses nicht auszulöschen vermöchte. BardoS Tochter war keine zärtlich hingebende Braut, nur selten gewährte sie -.hin eine» Kuß, einen Händedruck. Wie oft hatte er sich danach gesehnt, allein mit ihr zu sprechen — nun sollte ihm das zuteil werden, aber wie bangte ihm davor. Und doch tr.eb es ihn unwiderstehlich, ihren Wunsch unverzüglich zu erfüllen. Er zuckte zusammen, als sich die Türe öfsnete — — aber welche Wonne, im nächsten Augenblick schmiegte sich Romola in seine Arme und barg das verweinte Gesucht an seiner Schulter. Wie groß war ihre Sehnsucht d.e lange, wache Nacht hindurch, TitoS Hel les, freundliches Ges chl zu sehen! Der Todeskampf, desien Zeuge sie gewesen, die fremde Gedankenwelt ihres Bru ders, die seltsame Bifwn, die sie durch seine Schilderung gleichsam mit erlebte, all das Düstere quälte sie, und sie verlangte nach Tito, nach ihm, der den ersten tvarmen Sonnenstrahl in ihr Leben gezaubert. Ihm konnte sie alles tagen, niemandem sonst, und die stolze, scheue, zurück haltende Romola bedurfte heute der Aussprach«. „Du Liebst«, du mein Abgott," murmelte Tito voll loidenschaftlcchen Entzückens, di« Lippen auf ihr Gold haar drückend. Ihm war. als >et er im Paradiese, erläst von aller Furcht vor Schande und Trennung. Er stthlte sich allzu glücklich, um daran zu denken, daß Romolas Vertrauen ein Irrtum war, daß er es nicht verdient«. Das «inizige, was er bedauerte, war di« unnütz« Furcht, von der er >:ch pe.nigen hatte lassen. Romola erhob den Kopf, aber noch schwiegen beide und blickten s'ch nur stumm an, i» dem holden Staunen, das junger Liebe e gen lst. «in jedes schien dem andern unbeschreiblich schön. Endlich brach sie das Schweigen. „O Ttzto, Dino ist tot! Ich will dir alles lagen, denn du mutzt mir helfe», den düsteren E ndruck abzuschütteln. Er war so -a„z verändert, sei kalt, so fremd und doch tat er mir unsäglich leid, als er mühsam nach Alem rang und mit de» Augen das Kruzifix luchte — ich werde dieen Augen blick nie vergessen. Dino erzählte mir eine Bision. Wie seltsam! Er wußte doch gar nicht, daß ich verlobt sei, und doch bezog sich diese Erscheinung aus unsere Heirat." „Was für eine Vision war es denn? Komm, sehe dich und erzähle mir." Tito führte das Mädchen zu einer Bank, und eng an den Verlobten geschmiegt, berichtete Romola Dinos Worte, die lich ihrem Gedächtnisse tief einge prägt hatten. „Ich nahm das Kruzifix mit mir," schloß sie die lange Erzählung, „es ist unten in meinem Schlaf zimmer." „Nun aber, mein? Romola, wirst du diese traurigen Gedanken zu besiegen fnchen," mahnte Tito. „Du wirst doch den Fieberphantasien eines kranken, fanatischen Mönches keine Bedeutung be:me.s,en!" „Nein, Tito, das gerade nicht. Aber der arme Dino war fest überzeugt, dieses Gesicht sei eine Botschaft Gottes. Wie sonderbar ist doch das Geistesleben mancher Menschen. Dino war noch dazu kein Fanatiker und Phantast gewöhn lichen Schlages. Und dieser P. Hieronymus! In einer Stimme lag geradezu Ueberwültigendes. Etwas Wahres muß doch cn der Ideenwelt dieser beiden sein!" „Du meinst das, weil du in großer Erregung warst. Deines Bruders Geisteszustand entspricht jener Teofophiie grübelnder Menschen, die es zu allen Zeiten gab. Was aber Pater H.eronymus betrifft, lo ist er nichts weiter als «in engherziger Mönch, der es versteht, die Menge in Ichrek- ken zu verletzen. Jede Stimme, jedes Wort hätte dich unter diesen Umständen erschüttert. Später wirst du ruhi ger darüber denken und urteilen wie zuvor." „Nicht über den armen Dino. Ich zürnte ihm, selbst als ich mit ihm sprach. Aber seither habe ich mich be müht, ihn nicht nach meiner Art zu messen, sondern in seinen Geist eenzudringen. O Tito, es war ergreifend, seinen TodvSkampf zu >ehen. Dieser sehnsüchtige, bittende Blick ans das Kruzif.x. Heute nacht sah ich das Kreuz lange an und veriucht« zu verstehen, daß es ihn tröstet«, und schließlich schien es mir in der Tat, als schaute mich der Gekreuzigte mitleidsvoll an." „Romola, versprich me, solchen Ideen nicht nachzu- hängen. Sie passen für Nonnen, aber nicht für mein« goldhaarrge Aurora. Denk jetzt nicht daran, wie werden nicht mehr lang« allein beilammen sein!" Tito sprach di« letzten Worte in zärtlich bittendem Ton« und hob ihr Gesicht empor. Romolas Augen schweiften abwesend in di« Weit«, -!e gewahrte aber nicht di« Landschaft vor ihr, sie war im Sterbezimmer ihres Bruder». Titos Stimme rief sie in die Wirklichkeit zurück und nun iah sie im warmen Sonuen- lichr sein dunkles, schönes Gesicht inmitten von all dem kraft- und freudevollen Leben der Natur, den purpurnen Weintrauben aus dem Hügel, dem fruchtichwereu Korne, den farbenprächtigen Schmetterlingen und fröhlich dingen den Vögeln. Welch ein Gegensatz zwischen dem Schmerzens- antlctze des Bruders und Seinem Sehnen nach dem Unsicht baren mtt dieser lebenbejahenden Schönheit ringsum. „Deine Gedanken lind nicht hier, uichl bei un'erer Liebe — hast du mich vergelseu, Romola?" fragte Tito vorwurfsvoll. Stille blckte sie in seine Augen, bis die Trauer aus ihren egencn schwand, und frohlockend erklang ihre liefe» klare Stimme: „Du meine Freude!" „Liebst du mcch wirklich hinreichend, um jene düste ren Phantasien zurück,zuweilen, oder hast du mich noch ein wenig im Verdacht, der böse Feind zu -ein?" „Wie solltest du m r nicht mehr bedeuten als alles andere auf der Welt? Mein ganzes e u'ames Leben war eine Vorbereitung ans die Liebe zu dir. Du würdest lachen, Tito, wüßtest du, welchen (Satten .ch iür mich er wartete — irgende neu Gelehrten mit tiefen Furchen !m Ge sicht, ivce Alamanno Riuuceiiii. der gleich meinem Barer ein Anhänger Aristoteles' ist und cinw i'gt. mtt ihm zu- sanimenzuivvhiien. Ich dachte lnSweilen nach über die Liebe, welche bie Poelen 'chttdern. aber nie hätte ich mir träumen lassen, daß sie mir selbst zuteil werden könnte. Und dann kamst du, Tito, und warst meinem Vater io viel, daß ich zu glauben begann, auch mein Leben köniue ein glück! cheS werden." „Du Groß«. Schöne, kann es noch eine Frau geben, die dir gliche? Aber, Liebste, wenn dir mehr au un'erer Verheiratung läge, würdest du deinen Baker und Me er Bcruardo del Nero überzeugen, daß kein langer Aut'chub mehr nötig :st." „Doch, es liegt mir daran, aber du weißt, mein Pate lst der Ansicht, wir »süßten warten, bis du ein Iahe rn Florenz bist. Jetzt, so bal)> mach DinvS Tod, wird er auf keinen Fall etwas von der Hochzett wü.en wollen, er hat es nie gebilligt, daß der Pater ihn verstieß. Denke nicht schroff über Bernardo, er mag engherzig fein, aber ec ist doch edel. Wie oft hat er es eine Torheit genannt, daß mein Pater will, die Bibliothek solle seinen Name» auf immer tragen und keiner anderen eingereiht werden, und doch würde er alles tun. um dwlen Wunsch zu verwirkliche». Das ist's, was ich groß und edelmütig an ihm finde — seine Achtung vor fremder Eigenart und fremdem Willen, wenn «r auch nicht damit übcreinstinnnt." «Fortsetzung folgt.)