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Nummer 19 — 26. Jahrgang 6mal wöch. Bezugspreis für Januar 3,00 eiuschl, Vcsteltgelü Anzeigenpreise: Die Igesp Petitzeile 30.Z, Stellengesuche 20-L. Die Pctitreklamezeile. 89 Milli meter dreit, 1 Ostcrtengebllhren für Selbstabholer 20 «Z. bei Uebersenoung durch die Post außerdem Portozuschlag Einzel-Nr. 10 .Z. Sonntags-Nr, 15 4. Geschästl. Teil: Friedrich Nieser in Dresden. küstM!«« in rolle Srveelce in s!!«n prsislsgen im lorrlsIsttM v. ÄSllvNltiöS Dre»<Ien--V, 8cbreidergssse 4, «Lebst ü.Xumsrkt tScschäfisftelle, Truik und Bcrlaa: Saionta- Buchdruckcrei «nibH.. Dresden A. I, PoNerstrobc 17. gcrnrnt ei012. Postscheckkonto Dresden 147S7. Bankkonto: Dresdner Bank. Dresden. Dienstag, 25. Januar 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieserung sowie Erfüllung v Anzeigenaufträgen u. Leistung o Schadenersatz, Für unüeutl u. o. Fern» ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung, Unverlangt eingesandte u, m Rückporto nicht versehene Manuskripte merd nicht aufbewahrt, Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden p»lrmo«l«n Für christliche Politik un» Kultur Redaktion der Sächsische» Bolkdzettuua DreSüen-Altstadt 1. Potteistratze 17. Fernruf L071I »lusikksur <Uri>5 vrsreisn Niiltestelle I. 5. 14. >« ^SrscKsttLtl'SKe 31 v (Lcke Ocricht88t,-., Neubau) l-eil^UIu,^ bi8 l2 Nonale r - Deit^tzlunL ki, 12 konnte riiintli«»,« 8«1,siipls„,n un«1 Kuknskmsn «1«r vsoiliiis UN«I Kupslls PSsiHVL unei klüge? m groke»' s1u5wZ,ki lemwe ttllsinvsrrrstung von .M...S-M-.S- ^ ^ »äg ^ Ein großzügiger Organisattonsplan zur Vorbereitung auf kommende Kriege — I der Franzose „zur nationalen Verteidigung verpflichtet". — Kein Unterfchied zwifchen Zivilisten und Militär — And Deutschland? Nun sotten sie Farbe bekennen! Von parlamentarischer Seite wird uns aus dem Reichstag geschrieben: Das Zentrum hat niemals auf dem Standpunkt ge standen, daß irgendeine Partei, die sich zum Staate be kennt, van der Verantwortung für die Regierungs geschäfte ausgeschlossen sein soll. Das Zentrum hat ganz im Gegenteil immer und immer wieder als das Ziel sei ner politischen Arbeit bezeichnet: die Volksgemein schaft. Die Verwirklichung dieses Zieles, das die Parole unseres Führers Marx und die nationale Forderung der Zentrumspartei d.arstellt, setzte vielmehr voraus, daß alle positiv schaffenden Kräfte, ob sie nun in der Mitte oder rechts oder links stehen, zu der Negierungsverant wortung herangezogen werden. Der Ausschuß irgendeiner Partei, die auf dem Boden der Verfassung steht, wäre ja töricht, weil man der ande ren Partei, die an dieser Regierungsverantwortung teil nimmt, geradezu einen Freibrief für alle Forderungen geben würde. Es würde das Verantwortungsgefühl die ser Partei gar nicht mehr in Funktion zu treten brauchen, denn sie könnte ja dann darauf rechnen, alle ihre Forde rungen erfüllt zu erhalten. Deshalb ist es absolut not wendig, daß ein Gegengewicht von der anderen Seite her besteht und der nötige Ausgleich kann eben nur von der Mitte vollzogen werden, und als Partei ist für diesen Ausgleich das Zentrum geradezu prädestiniert. Nun sollen die D e u t s ch n a t i o n a l e n einmal zeigen, was sie wissen, was sie wollen, was sie können. Sie werden Farbe bekennen müssen. Und es wird gut sein, daß sie einmal dazu gezwungen werden. Das Zen trum wird die historische Aufgabe haben, diese Klärung des Verhältnisses der Teutschnationalen zum Staat und zum Volke durch die praktische Arbeit der Teutschnatio nalen unter Belastung mit der Negierungsverantwortlich keit herbeizuführen. Von dem Ergebnis dieser Entschei dung wird viel abhängen. An den Dentschnationolen wird es nunmehr liegen, diejenigen Möglichkeiten auf zuzeigen, die sie ins Feld führen, um ihre Forderungen überhaupt als berechtigt zu erklären, und zwar für alle diejenigen Ansprüche, die sie bisher immer wieder er hoben und wegen deren Nichterfüllung sie seit dem Aus tritt aus der Negierung wegen Locarno in ständiger Op position gestanden haben. Das Zentrum wird den Deutsch- nationalen dabei nichts schenken, es wird sie zwingen, klar und deutlich in Theorie und Praxis Stellung zu neh men zu all diesen Dingen. Man wird von diesem Prozeß eine Reinigung unserer politischen Atmosphäre erwarten dürfen und müssen. Wir würden es nur begrüßen kön nen. wenn die in der Deutschnationalen Partei zweifellos vorhandenen wertvollen politischen Kräfte bei diesem Um bildungsprozeß sich durchzusetzen vermöchten, das würde dem Staatsganzen, vor allem dex Festigung des neuen Staates ganz außerordentlich zugute kommen. Das Zentrum wird dabei dafür sargen, daß diesem- gen Sorgen und Befürchtungen, die notwendigerweife aus dem Verhalten der Teutschnationalen in ihren poli- tisäzen und wirtschaftlichen Ansprüchen sich bisher ergeben mußten, die strengste Beachtung finden so zwar, daß von der Betätigung der Deutschnationalen keinerlei Beein trächtigungen der Rechte des Volkes in all seinen Stän den und Schichten, aber auch keine Beeinträchtigung der Stellung Deutschlands nach außen hin erfolgt. Wenn irgendeine Partei die Garantie für eine solche Politik und Taktik geben kann, dann ist es die Zentrumspartei, und wenn irgendein Führer dieser Partei, dann nur Marx. Er, der Vertrauensmann der vierzehn Millionen Republikaner, die bei der Reichspräsidentenwahl für ihn eingetreten sind, bietet durch seine Persönlichkeit und seinen Charakter die absolut sichere Gewähr, daß die Rechte dieses Staates und derer, die für ihn eintreten, Paris, 2 t. Januar. Der Sozialist Paul B onco u r hat in einer der letzten Sitzun gen der Heereskommissian der Kammer den Gesamtbericht über das Gesetzesprojekt der Organisation der Nation f n r die Kriegszeit erstattet. Der erste Teil aes Berichtes war der Gesch-chte der schon durchgesiihrten Arbeiten gcw'üniel. Hierauf führte Paul Boncour die hauptsächlichst m (SedanKen an. die der Ausarbeitung des Regierungstextes als Unterlage ge dient haben. Er unterschied folgende Punkte: 1. Trotz der Entwicklung der internationalen Solidarität und der friedlichen Bestrebung Frankreichs bleibtdcrKrieg möglich. Ein zukünftiger Krieg wird die frühere Unterselsei- dung zwischen Zivi'partei und Kriegführenden ausheben und alle Quellen der ganzen Nation in Anspruch nehmen. Die Vor bereitung der nationalen Mobilisierung muh sich auf alle Farmen der TäiigKeit des Landes erstrecken. 2. Die Organisation zur Kriegs,zeit muh der politischen Ber- waltnngs- und Wirtschaftsorganisation der Friedenszeit derart angepatzt werden, datz der Ucbcrgang von der einen in die andere sich leicht vollzieht. Für diese» Zweck mutz von vorn herein ein genauer Plan ansgesteiit sein, und die Vorbereitung der nationalen Verteidigung darf der Friedcnstatigkeii des Landes keinen Abbruch tun. 3. Die vorgesehene Oroanisaiio:- »nutz schmiegsam genng und in genügend allgemeinen Grenzen gehalten sein, uni sie den Um ständen anznp.tssen. Das Projekt stellt nur einen allgemeinen Rohmen dar. Paul Boncour legte dann dar. datz nach diesem Projekt sich die Vsticht der nationalen Verteidigung aus aNe Franzosen be- derlei Gesch'echts sowie aus alle gesetzliche,, Gruppen erstrecke. Die Pflicht der nationalen Verteidigung nmsatzl alle Unter peliinen. die über die »otmendigen Nlatcrialancllen für die Ber teiüigimg verfügen. Falls sreundschafUiche Abmachungen »ich! zustande komme», oder die erbnltenen Hilstsgueüe,, ungenügend sind, kann die Regierung zur R e g niri e r u n g schreiten. Alle Ministerien können dsmgematz stnniiiche Hilssaucllen an Per sonal und Material beschlagnahmen. Endlich hat die Regierung die Möglichkeit, sich das Eigentum aller die nnlionule Verteidi gung betreffenden Erfindungen ,n> sickern. Die allgeincine Leitung und Koordination ist der Regierung Vorbehalten, die hierbei von dem Verteidigungsräte und der Stndienkoinniission nicht im geringsten geschniätert, svnbern vielmehr erst recht anerkannt und sichergesteltt werden. Das ist nur möglich, wenn auch die Deutschiialianalen sich zu diesem Staat bekennen, seinen Schutz zu übernehmen sich ver pflichten und in ihrer ganzen innen- und außenpolitischen Betätigung sür die Kousvlidieruna dieses Staates, für die Festigung der Wirtschaft auf der Grundlage des gerechten und versöhnenden und sozialen Ausgleichs zu arbeiten entschlossen sind. Aber..darüber kann es weder in unse ren Reihen, nach in den Reihen derer, die in anderen Parteien zu dein neuen stehen, einen Zweifel geben, daß das Zentrum und sein Führer Marx entschlossen die Kon sequenzen ziehen würden, wenn irgendeine Gefährdung der Volks- und Staatsinteressen sich dabei ergeben würde. Man wird nun aber auch einmal feststellen können, wie sich in der Praxis das Berlangen der Deuts ch e n Volkspartei. mit den Deutschnativnalen zu arbeiten und die Deutschnationalen zu den Negierungsgeschüften heranzuziehen, auswirkt. Es ist doch wirklich nicht so. daß in allen politischen und wirtsäsaftlichcn Fragen, ge schweige denn in allen kulturpolitischen Fragen Deutsche Polkspcirtei und Deutschnationale eines Sinnes und einer Seele wären. Wir haben sozialpolitische Dinge in der letzten Zeit mit den Deutschnativnalen viel eher machen können als mit der Deutschen Volkspartei, in der die und dem ständigen allgemeine» Sekretariat unterstützt wird. Die Oberbefehlshaber der Land- und Marinetruppen führen die all gemeine Leitung der militärische» Operationen nach den Direk tiven der Regierung durch. Die Kontrolle steht der Regierung zu. die der Kammer verantwortlich ist. Was die smriamen- tarische Tätigkeit zur Kriegszeit anbelangt, überlätzt es Paul Bonconr der Heereskonimission, das heikle Problem der Militär- dicnslpslicht der Parlamentsmitglieder zu lösen. Zur» Schluß prüfte Paul Bonconr die finanziellen Rückwirkungen des Pro jektes. Mit Rücksicht darauf, datz die Einmütigkeit über dieses Projekt bis zu den Sozialisten geht, kann ein Zweifel über die An nahme in der Kammer wohl nicht bestehen. Umso mehr verdient der Gesetzentwurf die Aufmerksamkeit der Oefsentlichkeit auch in Deutschland. lieber die Richtigkeit der Grundgedanken dieses Planes der nationalen Verteidigung kann ein Zweifel wohl nicht bestehen. Ein Krieg, wenn er in den nächsten Jahrzehnten aus- brcchen sollte, wird in der Tat eine Untersciwidnng zwischen Zivilisten und Soldaten nicht mehr kennen. Die Luftwaffe und die chemische Masse kenne» eine solche Unterscheidung in ihrer Anwendung kaum. (gegen wen aber rüstet Frankreich? Durch Völkerbund und Locarno Verträge sollten die Verhältnisse in Europa als genügend gesichert angesehen werden können. Wenigstens ver- langt man van Deutschland, datz cs diese Sicherungen als genügend ansieht. Mit Deutschland wird gegenwärtig in Paris um ei» zwar Betonunterstande an der polnische» Grenze ver bände!!. In dem gleichen Paris legt man gleichzeitig der Kam mer einen Entwurf vor. der eine grotzartige Organisation der gesamten Nation für den Kriegsfall varsieht. Hier ist ein Widerspruch, de» niemand übersehen kann, wenn er aufrichtig den Frieden will. Bor dem Forum des Bö!- krrbundes mutz mit Nachdruck die Forderung erhaben werden, datz Deutschland auch in dieser Beziebnng die Gleichberech tigung erteilt wird. Das kann dem Stande der wirlschast- lichen Not in Europa entsprechend wirksam nur dadurch ge scheuen, das; die Nachbarmächte das im Vertrage van Versailles enthallcnc Beriprrchen der A b r ii st n n g , das dort zur mora lischen Rechlsertignng der deutschen Entwaffnng gedient hat. end lieh erfüllen. kapitalistischen Interessen viel stärker sich geltend macben als bei den Deutschnativnalen. Fast nach mehr gilt das noch für gewisse kulturpolitische Fragen. Man darf doch nicht vergessen, daß in der Deutschen Bolkspartei die Ver treter des alten Liberalismus, und zwar in seiner schar fen knitnrkämpferischen Schattierung auch beute nach sitzen Man wird ja einmal sehen, wie sich beim Schul gesetz diese Dinge entwickeln und ab dabei die Deutsche Volkspartei ganz bei der Stange bleibt und ob die Deutschnativnalen es fertig bringen. Leute wie Everiing zur Ordnung zu rufen. Uns scheint, daß die Deutsche Volkspartei es eines Tages nach einmal mit dem Granen zu tun bekommt, wenn sie sehen wird, ivas sie mit ihrer Taktik angerichtet hat. Man hat in parlamentarischen Kreise» die politische Situation scherzhaft dahin gekennzeichnet, daß Marx eiink Rechtsregierung zu bilden und zu führen hat. die Links politik machen würde. Etwas Wahres ist daran. Freilich lehnen iv i r das Wort von der Linkspolitik ab. Es wird aber gar kein Zweifel darüber sein, daß diese Rechtsregierung die P o l i t i k d e r M i t t e machen muß oder sie wird nicht existieren. Und an dem Zentrum wird es liegen, durch seine führende Mitarbeit von der verhängnisvollen Idee des Bürger- oder gar Besitzbloches abzutenken