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Sächsische Volkszeitung : 13.01.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192701135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270113
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270113
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-01
- Tag 1927-01-13
-
Monat
1927-01
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.01.1927
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Donnerstag, den 13. Januar 1927 Nr. S; Serie ? Mo-enamen von einst Von 'Archivdirektor Armin Tille, Weimar. Man konnte glanven. doß die ocamoigebung etwas rein Pcr'önUches und darum Willkür! ches sei. Aber jeder, der nur die letzte» fünfzig Jahre überblickend, irgend einen Lebenskreis daraufhin prüft, findet ohne weiteres, das; es gewisse Modenamen gibt, die binnen weniger Jahre ma'senhast erscheinen, während andere allmählich absterben. Geistige Einslässe bewirten diesen Vorgang: beS ins 17. Jahrhundert vor allem die Kirche, und in jüngster Zeit ist eine Besrnchtnng des Niinenr-vorrates durch Romane und Bübnenwerkc nnveriennöar. Ist erst ein 'sicher neuer Name einmal ansgclaucht, dann vervielsältigt der natür liche N'chahmnngStr'cb rach seine Anwendung, und zwar unbekümmert um die wörtliche Bedeutung oder die Gc- dnnkenc chknng, durch die der Raine eingcführt worden ist. Ta sich die Z e i t ü r ö in n n g e n i» der Namengebung ivieder siegeln, la sen sich inancherlci Einflüsse und örtliche Besonderheiten durch die Untersuchung der Vornamen er kennen. Deshalb tollte jede Lrtege'chichte s e berücksichtigen, und ebenso sollte die Familiengeschichtsiorschung dem Wan ket ln der Namengebung noch mehr Aufmerksamkeit schenken, ch.'eignet zur Bearbeitung find natürlich nur solche Zw- n'minengclliingen und Listen, die eine größere Menge von Verwnen mit Vornamen nusführen, vor ollem alio die Taun'egislcr. Aber es gibt auch noch manches andere Ver zeichnis, das ich i» dieser Rchtung ansbentcn läßt: es u'i nur an Tt.uerlistcn erinnert. Ta«rcgrster sind stets örtlich ihrem Inhalts nach begrenzt nnv können leicht Attonderheften Nachweisen, die in den Dörfern ringsum nicht gelt:». Deshalb ist es gut, wenn man auch Men chen- ernppen unt.r »cht, die einem geographisch größerem Krei e eiilstainmcii. Vor Ni r liegt ein Verzeichnis der Pfarrer und Tchul- diener des Landes W.uniar, das I62t ausgestellt ist und 124 Orte umfaßt. Bis etwa 1650 reichend, haben wir hier ein Verzeichnis der Pfarrer und Schulmeister ans den Tagen des Dreißigjährigen Krieges mit über 370 Namen, dcx.n Träger der bürgerlichen und bäuerlichen Bevölkerung entstammen und sich über da-S ganze Herzogtum in seinem damaligen Um ange verteilen. Die meiste» Perwnen haben nur einen Vornamen: bei den wenigen mit zwei Vornamen ist jeder der beiden für sich gezählt worden. Wir finden im ganzen 390 Namen, aber eine Anzahl kehrt so häufig wieder, daß wir nur 34 verschiedenen 'Namen begegnen. Fast die Hälfte, nämlich 41, komme» nur einmal vor, näm lich: Abel, Adria», Augustin, Bernhard, Blasins, Boni- satius, Daniel, Diony ins, Eckhardt, Eli-säus, Enoch, Fabian, F-'lir, Fivejustns, Franc, Gallus, Gottfried, Günther, Hans, Hermann, Jmmanue!, J'aac, Jeremias, Job, Jobst, Karl, Ludwig, Lukas, Paneratius, Panthaleo», Quirinus, Salo mo», Severus, Thcodorwus, Tobias, Urban, Valerius, Vic- tvrinu-s, V.luS, Volkmar, Wendelin. Dagegen trägt mehr als ei» Viertel aller Perionen den Namen Johann, der 113>nal vorkommt, und zwar lOOmal alle.» und 13mal in Verbindung mit anderen Namen. Johann ist also der vorherrschende Modename jener Zeit. In weitem 'Abstand folgen dann 21 Georg (18 allein und 3 in Verbindungen), 17 Nikolaus, 17 Heinrich (14 und 3>, 15 Andreas, je 1k Martin (10 nnv 1) und Michael. Dann folgen 10 Wolf gang (8 und 2l, 9 David, je 8 Kaspar, Christoph (7 und 1) und Friedrich (4 »nd 4), je 7 Peter und Valentin, 6 IustuS, je 5 Bartholomäus. Elias (4 und 1), Jakob, Zkephan, je 4'Adolar, Christian, Philipp, Sebastian, Limon und Wilhelm (4 und 11, je 3 ChriacuS, Hieronymus, Kon- rad. Laurentius, Matthias, Paul und Thomas, je 2 Abra ham, Adam, Balthasar, Gabriel, JoMim, JonaS, Mat thäus. Melchior (nur in Zusammensetzungen), Samuel, Theo dor, Zacharias. Obwohl der Personenkreis, der betrachtet worden ist, vergleichsweise klein ist, so st mint doch das Ergebnis mit sonstigen Beobachtungen überein: Numenarinut ist das kenn zeichnende Merkmal, und e i n Name herrscht so gewaltig vor, daß ihn jede dritte bis vierte Person trägt; neben wenigen vergleichsweise immer noch recht ost verwendeten Namen kommt eine beträchtliche Anzahl (41) nur einmal vor; Namen, die je 2mal Vorkommen, tragen 22 Perionen, solche, die je 3mal auftretcn, 21, solche, die je 4mar anf- lrcten, 24, solche, die je 5mal erscheinen, 20, solche, die je 8 mal beobachtet werden, 24. Es liegt darin eine gewisse Besetzmatzigkeit. Wie schon oben bemerkt ist, haben in der Liste di« Sei weitem meisten Personen nur einen Vornamen. Da mit ist natürlich nicht gesagt, daß sie in der Taufe auch nur -'inen erhalten haben, aber der angeführte ist jedenfalls ihr Rufname, der täglich gebraucht wurde. Nur eine kleine Anzahl (20) Personen hat zwei Namen, und :n diesen Fällen haben wir es mit Nainenverbindungen zu tn», die )c„ modernen Bindungen wie HanS Heinz oder gar Anne marie nahe kommen. Davon enlhalten nicht weniger als l3 wieder den Namen Johann an erster Stelle, und zwar ist er verbunden 4mal mit Friedrich, 3>»al mft Georg, 2mal mit Melchior und je Imal mit Christoph, Hcftirich, Martin und Wilhelm. Heinrich ist ltmal mit Wolsgana, fr Imal mir Christoph und Gottfried verbunden, und als selbständige Nainenverbindungen, d. h. solche, bei denen die Modenamen Johann u. Heinrich nicht Vorkommen, begegnen uns nur Adolar Günther, Jeremias Quirinus und Niko laus Elias. Die weit überwiegende Menge aller Name» ist bib lischen oder doch kirchlichen Ursprunges, und die Nachwirkung der einst üblichen Benennung »ach Heiligen ist noch zu empfinden; dies ist bei Personen, deren Ge burtstag durch chnittlich nur 75 Jahre nach der Reformation liegt, nicht wunderbar. Solche Heilizennamen sind: Blasius, Chriacns, Dionysius, Gallus. Laurentius, Panthaleon, Pan- cratius. Vitus. Von gute,, deutschen Namen finden sich nur 13, und von diesen sind nur Heinrich (17> und Wolf gang (10) einigermaßen beliebt. Ferner gehören hierher Friedrich (8), Wilhelm (4), Konrad (3) und Bernhard, Eck hardt, Gottfried, Günther, .Hermann, Karl, Ludwig »nd Volkmar (je 1). Von diesen 13 Namen gehören 0 in 12 Fällen Namenverbindnngcn an. Eine gewisse Verbreitung kann man nach diese» B-'obech ungen nur Heinrich, F i'drich, Wvltgang, Welheim und Konrad zusprechen. Weibliche Vornamen begegnen uns, >ven» wir von den Taniregistern absehen. naturgemäß viel seltener in solcher Masse für einen kurzen Zeitraum, daß sich eine staristi che Bearbeitung lohnt. In Frankfurt a. M. wurde 1385 — entgegen der sonstigen Gewohnheit — der den Frauen gehörige Schmuck als Vermögen besteuert, und diesem Umstande verdanken wir es, daß das Steuerregister lLandbuch) dieses Jahres eine große Anzahl Frauen mit Vornamen nennt. Es werden 1662 Frankfurterinnen na mentlich ausgcführt, die sich aber mit 83 Name» begnügen mussten. Der Löwenanteil fällt ans den Modenainen Else (EOechin, Elial, der 360mal vorkommt; Katharine wird 192. M-'tze (Mezcchin, Meza) und Gude (Gndel, Gndechin) je lOlmal verwendet. Dürfen wir den 78mal vorkom menden Namen Kedor (Kedir. Kadir, Kaderchi») als be sondere Nebensorm von Karherine ausfassen, dann genügen diese 4 Namen zusammen zur Bezeichnung von fast der Hälfte (772) aller genannten Perionen. Nehme» wir noch die nächsten acht häufiger bezeugten Namen dazu — näm lich Greve (88,, Alheid (67),' Gel- (66), Knntzc (55), L-.ieeard (46), Hille (43>, Jrm.-le (40) und Elft (30) - so sind das alles in allem 12 Namen für 1207 Personen, also durch'chnittlich fällt gerade auf 100 Zeitgenossinnen >e ein einziger Name oder 72 v. H. aller genannten Frauen haben zusammen nur 12 Namen. ES ergebt sich also für die Stadt Frankfurt von 1385 und die weibliche Bevölkerung in ganzen dasselbe Bild wie für das Land Weimar 1620—1650 und seine männlichen Einwohner: Namenarnmt oder — anders ansgedrückt — ein auffallender Mangel an Phanta'ie in der Namengebung. Nur in einer Hinsicht ist ein Unterschied zu beobachten: der Anteil der deutsche» unter den weiblichen Vornamen Frankfurts ist wesentlich größer. Wir finden neben Else und Alheid »och Adelind, Damburg, Demud. Emelud, Engel, Fraderun, Girtrud, GirhuS, Gisela, Godelind, HartmudiS, Hedwig, Heidindrnd, Jrmcle, Irmengard, I indrud. Liobiste, Licpmnnd, Mergart, Ostcrlind, Ortrun, Rainhcft, Walpnrg, Windrud und Wolpnn. Aber 'ehr Verbreiter sind auch diew Namen nicht gewesen, die meisten kommen nur ein- bis zweimal vor. Das Schnäpperle und die Kornbrille Bekanntlich gibt es bei jedem rechten Schwaben in einem gewissen Lebensalter einen Ruck, ein Schnäpperle. W-nn daS erfolgt ist. ist die Intelligenz angekommen. Aber e-S gibt Fälle, wo s.e aiisbleibt. Ta-- war bei meinem Landsmann Hörn'Ie der Fall. An seinem 40. Geburtstag lauerte er ans das Schnäpperle, aber es kam nicht. — Von diesem Tage an ward Herr Hörnle menschenscheu. Er ging zum Arzt. Der fand ihn normal. Aber Hörle gestand ihm unter Tränen, was ihn bedrückte. Der Arzt war in der nördlichen Zone geboren, wo man kein Schnäpperle braucht, um intelligent zu werden. Er wußte also sofort Rat. Er nahm ein Rezept und verschrieb dem Patienten eine extra große Hornbrille mit dick-r Einfassung. Seitdem .Herr Hörnle diese trug, hörte das Getuschel über 'einen geistigen Defekt auf. Man hörte seine Aussprüche mit Respekt an und wählte ihn sogar in den Stadtrat. Kullurspiegel Sind Frauen von Natur k-eidnischcr als Männer? Eine Statistik aus dem MissionSgeüiet von Katanga (im Kongo tal, Zentralasrika) bringt Angaben über die Anzahl der Ncugetauften, aus denen sich ergibt, daß auf 500 bekehrte junge Männer immer nur 10 neugelaufte Mädchen kom men. — Dieses sonderbare Verhältnis hat seinen Grund keineswegs darin, daß etwa das weibliche Ge-chlecht dar christliche» trtzr« «««iOe, »S», wnder» d-> Eltern lassen ihre Töchter nicht gern au-S der Hand, weil sie mit ihnen ein gutes Geschäft machen können. Sie ver kaufen sie an irgendeine» der reichen Heiden, d-e bis weilen eine ganze Schar Frauen ihr eigen nennen. — Wollen die Missionare eines dieser unglücklichen Mädchen vor seinem entwürdigenden Schicksal bewahren, so müsse» sie es loSkaufen. Ueber den Preis, der selten unter 60 'Mark, oft auch mehr als das Doppelte beträgt, wird mit den Eltern oder dein zukünftigen Herrn ganz offen verhandelt. Ost wird auch anstatt des Geldes der Gegenwert in Stof- fen, Z:egen usw. verlangt. — Die Losgekauften werden im MissivnSschwesternhaus nntergebracht, und fast jede Woche finden sich dort auch Flüchtlinge ein, die in der Mission Schutz und Freiheit suchen. Für solche „Ware" muß natür lich der doppelte Preis bezahlt werden. — Ein Beispiel dafür, wie manchmal selbst das Heil der Seele vom Gelds abhängt! Ein Denkmal für Papst Pins XI. Am 20. März 1927 soll ein Denkmal des Papstes Pius Xl. im großen Saale der Bibliotheca Ambrosiana in Mailand der Leffentlich- keit übergeben werden. Im Sommer des letzten Jahres k:eß der Präsekt der Ambrosiana, Prälat Giovanni Gal batt Einladung und Aufruf an die Gelehrten der ganzen Welt ergehen, deren Unterschriften jetzt mehr als fünf Dcuckwiten füllen. Auch protestantische Gelehrte aus Den:sch raub und den nordischen Ländern haben sich beteiligt. — Das Standbild, das von dem bekannten italienischen Bild hauer Quattrini geschaffen ist, stellt den Papst als Bibliothekar auf einein Sessel fitzend dar, in der Rechten hält er ein Buch, mit der Linken scheint er jemand herbei« znwinken, um ihm eine Entdeckung darin zu zeigen. — Ter Erzbischof von Mailand, Kardinal Toji hat an den Präfekten der Ambrosiana ein Schreiben gerichtet, in dem er sagt, daß das Denkmal Pius Xl. eine wahre öffentliche Kundgebung für den sein möge, der im Dienste der Kultur, des Studiums und der gelehrten Forschung einen so großen Teil seines Lebens verbracht habe. Kirchcnuni»» in Polen? In Wilna fand eine Ken« ferenz von römisch-katholischen Bischöfen und Prälaten statt, die sich mit der Frage der Kirchen Union in den östliche» Ge bieten Polens befaßte. Eine Anzahl griechisch-orthodoxer Priester ist in letzter Zeit zur römisch-katholischen Kirche ü b er ge t r e t e n, und zwar mit der Begrün dung, daß d:e römisch-katholische Kirche einen wesentlichen 'Anteil an der Rettung Polens vor dem Bolschewismus habe, während die orthodoxe Kirche Rußlands unrer dem Bvl'che- wiSinns znsamincngebrochen sei. Der hervorragendste För derer der polnischen Unionsbestrebnngen ist der römisch- katholische Erzbischof RoVP. — Sollt« die Politik stark genug sein, dogmatische Gegensätze zu vereinen? Vorträge für Ungläubige in Paris. Während der 'Ad vents- und Fastenzeit hält in der Pariser Trinite-(Dretsaltiz- keitS-) Kirche der R. P. Dicux, ein erfolgreicher nab be kannter Prediger, Vorträge für Ungläubige. Bei diett'in imeressanken Versuch handelt eS sich darum, „die wissen schaftlichen Methoden in den Dienst des Glaubens" zu stellen. Besonders eingehend werden Physik und Natur wissenschaften behandelt. Ei» Teil der Vorträge befaßt sich mit der men chlichen Unzulänglichkeit und Bangigkeit, die besonders zutage tritt vor Problemen, die die nien'chliche Natur selbst zu lösen aufgibt — ein anderer Teil behandelt das Elend der modernen Welt, die sich von Gott loszulösen strebt, — 'chließlich sollen noch die nationalistischen Doktrinen zur Sprache kommen und in ihrer Hohlheit und Trostlo'iig- keit gezeigt werden. — Die „Ungläubigen", die diese Por trüge des R. P. Dieux besuchen werden, sind im Grunde wohl gar keine „Ungläubigen" mehr, wndern irgendwie schon vom Lichte der Wahrheit gestreifte Wahrheirssucher die schreckliche Masse der wirklich und ganz Glaubenslosen aber wird eine noch >v ideale »nd geistig hochstehent-e Aktion wohl nicht erreichen. Gründung eines katholischen Frauenbundes in Ru mänien. Dank der Arbeit der „Gesellschaft der Sozialen Schwestern" in TemeSvar (Rumänien) ist nnnniehr die Gründung eines katholischen Frauenbundes in Rnmäiiien zusianvügckommen. Der Bund umfaßte bei seiner Gründung 29 000 Mitglieder — ohne Unterschied der Nation und ist dem Internationalen Katholischen Frauenbund (Amster dam) angeschlossen. (Die „Internationale Liga Katholische, Frauenvrrbände zählt zurzeit 8 Millionen Mitglieder.) Nvmola Ci» Renai,sa»ce-No»,an von George Eliot. Frei >«ach dem Englischen von H. Riesch. lVerlag Joseph Habbel, RegcnSbnrgs (7. Fortsetzung.) 4. Kapitel. Gelchrtenzwist. Farloivmmev Scalch Sekretär der Republik Florenz, bewohnte nahe bei der Porta (Tori P.nti einen schönen Palast, der heutigentags den Namen Eas-a Gherardesca trägt. Scalas Wappen, eine hellblaue Leiter ans goldenem Felde, mit dem Motto: Gradatim*) bekundete, der Müllers- sohn wollte es keineswegs verhehlen, daß er von niedriger stufe aus eigener Kraft cmpvrgcstiegen war. Er war ein eitler, hochtrabender aber aufr chtiger Man». Ehrlich über zeugt von der Größe feiner eigenen Vorzüge und Verdienste, konnte er diese selbstbewußte tteberzeugung nicht verhehlen. Seit 20 Jahren bekleidete er fein Amt in Ehren, hielt vor fürstlichen Personen Reden, denen das ganze Bvlk Beifall klatschte, war als Gesandter nach Nom gekommen und dorr zum apostolischen Sekretär, zum Ritter vom goldenen Sporn ernannt worden, »nd selbst die Würde eines Gon- faloniere (Bannerträger), dieses höchste Ziel des Ehrgeizes eines Florentiners, blieb ihm nicht vorenthalten. Immer größere Neichtümer wurden ihm zuteil, aber leider auch immer ärgere Gichtschmerze», und oft mußte der Ritter vom goldenen Spor» hilflos mit weich gebetteter Ferse auf seiner schönen Loggia verweilen. Dort befand er sich auch an dem Tage, an welchem ei', Bardis Empfehlung zufolge, dem Grieche» Tito Meleina eine Unterredung gewähren wollte. Maiensonrn: leuchtete auf Flur und Stadt, darum vertauschte er sein schweres Seidengewand mit einer leich teren Hülle; neben ihm saßen seine gelehrte Tochter Ales- wndra, ihr Gatte, der griechische Poet Marullo, und noch ;wer Freunde, nicht gerade große Gelehrt«, aber deshalb »»'so bessere Zuhörer. ft Sckinttwett- Toch auch abgesehen von dem Gichtleiden war Barto- lommeoS Glück nichts weniger als vollkommen. Vor ihm lagen Papiere, deren Inhalt ihm viel Bitterkeit bereitete: die Briefe Angela PolizianoS an ihn. Es war eine mensch liche Schwäche der damaligen Zeit, Streitigkeiten vom Zaune zu brechen und in längerem Beiefwechs.'l auszufcchke». Die Korrespondenz zwischen Scala und Poliziano bietet dafür ein typ.'cheS Beispiel*). Pvliz.ano, der sich vergebens um Herz und Hand der Tochter Scalas beworben hatte, spähte wachsamen 'Auges nach jeder Gelegenheit, cs dem anmaßenden Sekretär yeim- zuzahlen, daß er !h», den „größten Gelehrten des Jahr hunderts", nicht zur» Schwiegersohn haben wollte. Scala hatte unbestreitbare Verdienste um die bürgerliche Wohlfahrt und war ein Liebling FortunaS, aber — o gerechter 'Aus gleich! — ihn gelüstete nach Schriftstellerrnhm und er war nicht einmal ein mittelmäßiger Autor, sondern siner von der Sorte, die sich in poetischen Nichtigkeiten gefällt, und diese, ohne Anspruch auf die öfseatliche Ansrkennnng der großen Menge, anserwählken Freunden zur Bewunderung vorlegt. Er be aß eine große Anzahl von Freunden, die geneigt waren, seinen lateinischen Stil elegant und kraftvoll zu finden. Aber wann begnügte sich je ein Autor allein mi>t dem Lobe der nächsten Freunde? Der hämische, hochmütige Poliziano sollte erfahren, welche Fertigkeit i»» Perse'chreibe» Barlolommco Scala besaß! Hcrzersrencnder Augenblick, wenn uns der 'Mann, den wir insgeheim hassen, ein lateinisches Epigramm zusendet mir einem unrichtigen Genus, zweifelhafter Eliston in den elfsilbigen 'Versen, mindestens einem Fuße zu viel und offenkundigen Sprachfehler» in den Meiaphern. Dieser Au genblick war für Poliziano gekommen, als er Scalas Reime erhielt. Indem er Gebrauch machte von der „Freiheit des Freundes", erlaubte er sich in Form eines scherzhaften Epigramms die Fehler zu verbessern und culex (Schnake) — ein an den Ufern des Arno nur allzu gut bekanntes *) Angela Poliziano, gcb. 1454, gest. 1494, war einer der bedeutendsten Kenner der alten Literaturen und Pro fessor derselben an der Universität Florenz. Er machte sich namentlich durch Einführung der Tertkritik In der klassischen Philologie verdient Insekt — dem schwächeren, das heißt weiblichen Geschlecht zuznrechnen. Scala antwortete mit einem schlechten Witz« in wohlges,elften lateinischen Strophen, die eine zart« An spielung auf PolizianoS einstige erfolglose Werbung ent hielten. Tic,er fand die Verse sehr hübsch, sehr witzig, mir tejder inkorrekt, und da Scala, seiner eigenen Angabe gemäß, 'ich ein griechisches Epigramm zuin 'Vorbild genommen hatte, gestattete sich Poliziano — ihre Beziehungen waren ja so herzlicher Art! — ein selbstverfasfteS griechisches Epigramm zu übersenden. Der Streit wollte kein Ende nehmen. Poliziano berief sich auf Pergil, der die Schnake eine Pflegetochter der Ge- wä-jer nennt, fand es aber trivial, Kleinigkeiten so anszu- banichen und aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Eine zarte Anspielung auf Scalas Abstammung erklärte diesen schließlich der langohrige» Beamten seiner väterlichen Mühle für würdig. Nicht absichtslos halte der Sekretär diele Korrespondenz gerade an dem Tage, an welchem er Tito Meleina erwartete, hervorgeholt, war dieser doch ei» griechischer Gelehrter, dessen Fähigkeiten ans die Probe gestellt werden sollten, «nd nichts wün chte Scala mehr als ein unparteiisches Ur teil über PolitianS griechiches Epigramm. Nach angemcs- scnen EinleitnngSworten über Titos Reisen und Prüfung seiner Gemmen ergab sich eine Erwähnung des EijerS LorenzoS, des iVelbeweinten, für Sammlungen alter Kali werke, w:c diese Gemmen es waren, ganz von selbst, und als dann von klassischer Kunst, klassischen Studien und ihrem gegenwärtigen Stand in Florenz gesprochen wurde, war es ganz unvermeidlich, PolizianoS zu erwähnen, dieses eminent begabten, freilich auch etwas eingebildeten Mannes, der sich selbst ein Herkules dünkte und sich verpflichtet glaubte, alle literarischen Ungeheuerlichkeiten des Jahr hunderts zu vernichten. Waren aber schließlich nicht seine Kritiken dock) oft anfechtbar und sein Geschmack crderbt? War jeder Punkt, in seinen vielgerUhmten „Miszellaneen" halt bar? Tito hatte diese eben gelesen und fand so viel zu sage», was Scala angenehm tn den Ohren klang — er hatte so gesprochen lediglich aus dem einfachen Wunsche, um zu gefallen und gesällig zu sein, ohne weitere Motiv« — daß de, Sekretär ihn ft'tr würdig erachtete, Schiedsrichter in de, denkwürdigen Korrespondenz über di« culex zu sein. ^Fortsetzung folg«.)
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