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Nummer 3 — 26. Jahrgang kmal wöch. Bezugspreis für Januar 3,00 ^l einschl. -BesteNflelo «nzrigenpreife: Die Igesp. Petitzeile 30.;. Stellengesuch« Lü Die Pelitreklamezeile. 89MiNi. meter dreit. 1 ^<l Offertengebühren für Selbstabholer Lü L. bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel»Nr. 10 L. Sonntags-Nr. 15 L. Geschäft!. Teil: Friedrich Nieser in Dresden. iüMiiirtliiiWle stier ^rt »ovie Tudeköi' uncl Neparaturen bei r.onenr Oresclen I.ÜMeI»»ii»Ii'.6 SiiÄlMe Mittwoch, 5. Januar 1927 Im Faste höherer Gewalt erlischt se8e Derpslichtuntz auf Lieferung sowie Erfüllung v Anzeigenaufträaer» u. Leistung o Schadenersatz. Für undeutl u. d Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Be antwortung. Unverlangt eingesandte u. m Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht ausbewahrt/ Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresdett, k>»irmoä»n Umsrdeilung stepaiatur ^nlbexviibrung a. Vonien llrescte» 8t,el>lener3tr.8 kut 43477 tUeschüst-fteUe, Drink »nd Bcrlaa: Sarouia- Bochvruckerei GmbH., Dresden A. I. Policrürabe 17. Kernruf 21012. Poslschcittonlo Dresden I47S7. BanNonIo: Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen BolkSzettung DreSden-iUtsiadt I. Polieislratze 17. Fernrilf 20711 und »1012. Ostssciens scrkiänsiss ^sinpssiaui'Lnt Saison-Oslikaissssn Orssctsn 46 tNsi'lensti'aKe 46 Orssrtsn l^itiassAscjsoks kleine Küobis l'äAlioti ^bsncjkonrspil Das Reichsarbeils- gerichlsgesetz Von B. BuchhoIz, M. d. R. Den beiden bisher erschienenen Artikeln soll heute eine abschließende Darstellung folgen. Dabei soll, da das Arbeitsgerichtsgesetz jetzt bereits das Plenum des Reichs tages passiert hat und Zur Annahme gelangt ist, auf die hervorragendsten Streitpunkte besonders eingegangen werden. Es handelt sich noch um die wichtigsten Fragen, die Umgrenzung des A u f g a b e n k r e i s e s, die Einordnung in die Gesamtgerichtsbar- keit und um eine dritte sehr wichtige Frage, dieZulas - sung d e r R e ch t s a n w ä l t e. Für die Amtsgerichte ist im Gesetz bis auf wenige Ausnahmen die Zuständigkeit für die gesamten persön lichen Rechtsstreitigkeiten ausdrücklich festgestellt. Hier bei handelt es sich nickt nur um Streitigkeiten aus dem einzelnen Arbeitsverhältnis, sondern grundsätzlich um alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus den besonderen Rechtsverhältnissen -des Arbeitslebens. So die Streitig keiten aus dem Gesamtvereinbarungsverhältnis wie aus Vereinbarungen und tatsächlich bestehenden Arbeitsver- hältnissen zwischen einzelnen Arbeitgebern und Arbeit nehmern. ferner Streitigkeiten aus gemeinsanier Arbeit und aus dem Vereinbarungsverhältnis zwischen den wirt schaftlichen Vereinigungen der Arbeitgeber oder Arbeit nehmer und ihren Mitgliedern. Das derzeitige Arbcitsrecht kennt als Gesamtverein barung die Tarifverträge und die Betriebsvereinbarun gen. Streitigkeiten aus diesen, und zwar sind dieses wohl die wichtigsten des gesamten Arbeitslebens, unterstehen also selbstverständlich fortan den Reichsarbeitsgerichten. Die Arbeitsgerichtsbarkeit soll aber nach dein Gesetz entwurf nicht nur die Rechtsprechung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten umfassen, sondern dazu eine Reihe von Aufgaben, die denen der ordentlichen freiwilligen Ge richtsbarkeit teilweise verwandt sind und darum als frei willige Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen bezeichnet werden können. Es bestand kein Anlaß, auf dem Gebiete des Arbeitsrechts in dieser Beziehung von der allgemeinen Rechtsauffassung abzuweichen und die Be handlung derartiger sogenannter Verwaltungsstreitigkei ten etwa den Verwaltungsbehörden vorzubehalten, son dern sie waren entsprechend der ordentlichen Gerichtsbar keit den Gerichtsbehörden zuzuweisen. Im wesentlichen sind es alle die durch das Betriebsrätegesetz geregelten Fälle, welche nach der Ordnung über das Schlichtungs wesen vom 30. Oktober 1923 bereits zur Zeit von den vor läufigen Arbeitsgerichten erledigt werden. Die wichtigste und darum auch so heiß umstrittene Frage ist die des Verhältnisses der Arbeitsgerichts- varkeit zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Sie ist die Kernfrage des ganzen Gesetzes. Das Gesetz hat die Arbeitsgerichte 1. Instanz als selbständige Gerichte, d. h. losgelöst von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, aufgebaut. Diese grundlegenden Bestimmungen sind durchaus unzu treffend als Abrücken von der ordentlichen Gerichtsbar keit hingestellt worden. Insbesondere hat noch kurz vor Erlaß des Gesetzes der deutsche Richterbund und der deut sche Änwaltsverein in einer Erklärung dagegen Stellung genommen. Und doch trifft der Gesetzentwurf in dieser Fassung eben nur das Richtige. Bisher waren die Träger der Arbeitsrechtsprechung die Gewerbe- und Kaufmanns gerichte. von der Justiz völlig abgetrennte kommunale Ein richtungen. An diese, in manchen Gegenden viele Jahr zehnte hindurch bestehende Gerichte, mußte angeknüpft werden. Die Selbständigkeit dieser Gerichte war im Rechtsbewußtsein der Beteiligten fest verankert. Es war daher eine Unmöglichkeit, und würde als ungeheurer so zialer Rückschritt empfunden worden sein, wenn man das historisch gewordene völlig unberücksichtigt gelassen hätte. Die Selbständigkeit der Arbeitsgerichte trägt diesem Rechtsbewußtsein Rechnung. Sie war aber zum weiteren auch deshalb zweckmäßig, weil die untere Instanz der Ar beitsgerichtsbarkeit als eigentliche Vermittlungs- oder Vergleichsinstanz, d. h. eine Stelle für die Herstellung des Arbeitsfriedens zugleich in den eigentlichen Verwaltungs bereich des Arbeitslebens hineinragt, ja vielleicht darin ganz ursprünglich steht und zu stehen hat, und darum dort Nicht entbehrt werden kann. In 2. und 3. Instanz sind die Arbeitsgerichte in die ordentliche Gerichtsbarkeit völlig eingegliedert. Die San- s«. Haltlose Komblnakionen und überflüssige Ratschläge - Noch keinerlei Klärung Seit dein Sturz -es Kabinetts M a r x, dos -ein Mutwillen -er Sozialdemokratie und der Deutschuationalen zum Opfer gefallen ist, nahm das Rätselraten um die Zusammensetzung -er neuen Regierung kein Ende. Sofort ain ersten Tage -er Krise wurden allerhand mögliche und unmögliche Kandidaten genannt, die gewagtesten Kombinationen tauchten auf. Besonders eifrig wurde mit dein 8 -er Neichsverfassung gespielt, un- der Name -es Reichspräsidenten, -er nicht nur Kraft seines Amtes, son dern auch seiner untadeligen Geschäftsführung hoch über den Parteien steht, wurde von verschiedenen Seiten in die Debatte geworfen. In den letzten Tagen -es vergangenen Jahres riß -er Faden nicht ab. Immer wieder wurden neue Konstellationen erörtert, ohne -aß jedoch irgendjemanü mit exakter Bestimmtheit halte sagen können, die Patentlösung sei gesunden. Genau wie das alte Jahr zu Ende ging, sing das neue an: die Frage -er Regierungsbildung ist -as Hauptthema Ser poli tischen Presse. Eine endgültige Antwort kann aber von keiner Seite gegeben werden. Dies ist auch gar nicht zu verwundern. Pan den maßgebenden Parlamentariern weilen nur noch wenige in Berlin. Tie Fraktionen sin- über haupt nicht versammelt un- werden kaum vor -ein 19. Januar Gelegenheit zu Sitzungen finden. Reichspräsident von H-udeu- durg, in dessen Händen -ie wichtigste Entscheidung, -as heißi -ic Betrauung einer Persönlichkeit mit der Bildung eines Kabinetts, liegt, hat bisher noch durch keine offizielle Verlautbarung eiuer sichtbarcn Handlung erkennen lassen, in welcher Richlung sich seine Gcdaukeugänge bewegen. Es ist daher nichts a!s Sen sationshascherei, wenn -as „Montag- M o r g e n - B l a t t " -es iiberdemokratischen Pazifisten von Gertach folgende Weisheit vom Stapel läßt: „Sicher scheint zu sein,-aß zunächst Herr Curtius. der bisherige volksparieiliche Wirtschastsminister. den Auftrag er hält. sich um die Schaisuug eines neuen Kabinetts zu bemühen. Bielleicht wird er der Form halber zunächst den Versuch machen, eine Negierung -es Biirgerblocks ans die Beine zu stellen. Ta aber ein Ersoig so gut wie ausgeschlossen ist. Hai Herr Enrtius, wie es heißt, eine zweite Idee parat, nämlich die eines sogenann ten Kabinetts -er Persönlichkeiten, in dem Vertreter aller Par teien, von den Deutschiiationalen bis zu den Sozialdemokraten, zusaminensitzen sotten. Die Verwirklichung dieses nicht ganz neuen Gedankens wird nicht nur an der Sozialdemokratie, son dern auch, nachdem diese abgclehnt hat. an Zentrum und Demo kraten scheitern. Tann würde -er Moment gekommen sein, wieder an die Bildung einer Mittclregiernng heranzugehen. Diese Ausgabe wird jedenfalls aber nicht Herrn Marx, sondern Herrn Sieger wald Angewiesen werden." Ein Blinder fühlt cs mit dem Krückstock, daß hinter diesen, nach Wisse» aussehenden, Behauptungen nichts steckt als völ lige Unwissenheit. Es ist nämlich heute noch nicht ss weit, daß -er kommende Reichskanzler bereits mit Rainen ge nannt werden Könnte. Zunächst muß der Reichspräsident für eine bestimmte Persönlichkeit sich entscheiden, dann erst kann man wcilergchen. Bei dem ganzen schwierigen Problem der Schaffung eines neuen Kabinetts handelt es sich um eine i n n e r p o I i t i s ch e Angelegenheit oes deutschen Volkes. Man sollte der Ansicht sein, daß das nicht besonders betont werden müßte. Tenn genau so wenig, wie Deutschland sich in die inncrpoiitischen Vorgänge ande rer Staaten einmischt, können wir außerdenischcn Beeinslussun- gen ein Recht aus Milgestallung unserer Reichsregiernng ein räumen. Selbst noch so gut gemeinte Ratschläge müsse» wir ab- lehnen. Und wenn sich ein deutsches Organ zum Sprachrohr von außenpolitischen Stimmen, die in einer ganz bestimmten Rich tung auf die Bildung eines neuen Kabinetts einzuwirken ver suchen. hergibt, so müssen wir ein solches Unterfangen ebenfalls zurückweiscn. Das gilt zum Beispiel für den „Vorwärts", der in seiner Nummer 2 vom 3. Januar 1027 schreibt: „Deutschiand muß sich jetu bei der Lösung der Negierungs. Krise entscheiden, ob es nach rechts oder nach links gehen will. Gerade Frankreich wartet mit Spnnunnp aus diese Entscheidung. Ucbcrcinsiiminend erklären alle verständignngs- und räninnngs- bereitcn Blätter der französischen Linken, dab von der Lösung der deulschen Regierimgskrise die weitere Entwicklung der deutsch sianzöslscheu Frage abhön.?.. Daß ein Deutsch:'.nd. dessen Negierung sich aus die nationaliz:sch'a Parteien sliuz-'n und da durch im schärfsten Gegensatz zur Eoüaidrmolualle be kiden würde, kein Entgegen.om- n jäude. weil es ne» Be'wanen genießen würde, wird in asten Ou.ane» der fr an >,mischen Linken ausdrücklich betont." Unseres Erachtens wäre es angebrachter gewesen, wenn die Blätter der französische» Link'» den d-uitsche» So-lalaemokra- len rechtzeitig in? Gemstsen .»'reck' h'l.wn, siel, dar Ga-'s,.ui Koa- luir-ii gegen!.--..'a e e::!.-.egenl:a uw u-z: ou -.v.:::. und wenn sie vor allem ib.rr warnende S'iunncr Hütte., er-i» »lasten, bevor die sozialdemokratische Rekii'wgsirak.w:, sich zu» Sturz» des Kabinetts Marx anschickte. Es höbe sich dabei nicht um die Einmischung in deutsche inner-politische Dinge gehandelt, sondern nur um einen guten Ra! a» die deutschen Freunde, Ans wohl wollende Ermahnungen, die „nach dem Feste" komme». kö»»eu wir verzählen. u»o a u ch der „Bor w ä r! s " joI! te ein- s e h e n . daß wir eine außerdenis ch e B e v o r m un - ünng n i ch nur ö t i g habe». Tic deutsche Republik hat in den letzten Jahren gezeigt, daß sie das Geben gcixrnt bat Sie wird auch über den vor »ns liegenden Berg, genau»! Schonung eines neuen Kabinetts, hoffentlich ohne jedwede» Schaden hin- überkommen. desarbeitsgerichte sind weiter nichts wie arbeitsrecktliche Zivilkammern des Landgerichts, in denen der ordentliche Richter im Nahmen seiner Nmtsbefugnis amtiert und le diglich durch die Beisitzer aus Arbeitgeber- und Arbeit- nehmerkreisen in der Beurteilung der tatsächlichen Fragen und Auslegung der rechtlichen Materien unterstützt wird. Der jetzt durch das Gesetz geschaffene Zustand bedeutet also in weitgehendem Maße eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung lind des Verfahrens. Wir hat ten bisher in Deutschland Gemerbegerichte. Kausmanns- gerichte, Innungsschiedsgerichte. arbeitsrechtliche Kam mern bei den Schlichtungsansschüssen. Diesem Zustand gegenüber bedeutet die Einfügung der Landesarbeitsge richte in die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verbin dung der allerdings selbständigen Arbeitsgerichte durch den ordentlichen Richter als Vorsitzenden mit der ordent lichen Gerichtsbarkeit eine feste Verbindung und durch ihre Geltung für das gesamte Gebiet des Arbeitsrechtes eine iveitgehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Die letzte außerordentlich umstrittene Frage ist die der Zulassung der Rechtsanwälte. Der Ent wurf der Regierung sah für die 1. Instanz die völlige Ausschließung der Anwälte vor. Diese Bestimmung hat sich duräMsetzt. Der Reichsrat hatte dem Regierungs entwurf gegenüber eine Aenderung dahin beantragt, die Anwälte in über 300 Mark hinausgehenden Streitigkei ten zuzulassen. Dieser sowohl im Ausschuß wie bei der Beratung im Plenum von den Juristen aufgenommene Antrag konnte eine Mehrheit nicht finden. Die Tendenz des Gesetzes geht entsprechend der Stellung der Arbeits gerichte in 1. Instanz dahin, daß die 1. Instanz ihrem We sen nach das Forum für den Vergleich ist. Zwar wird eine rechtliche Würdigung dieser Instanz nicht zu entbeh ren sein, diese vermittelt aber ein ordentlicher Richter als Vorsitzender, und das erscheint für den Zweck des Ver gleichs durchaus genügend. Dem Vergleich aber Kann die materielle Belastung mit den Kosten und Gebühren der Rechtsanwälte sehr leicht hinderlich sei», indem zwar nicht der Anwalt, wohl aber die Partei, welche einen Anspruch auf Erstattung der Kosten nicht hat, wegen der besonder.'» Auflage für den Anwalt ihrerseHs leicht einem Vergleich abgeneigt sein kau». Andererseits soll der unvermögen de Arbeitnehmer bei Verfolgung und Verteidigung sckues Rechts vor den Schranken des Gerichts dem vermögende» Arbeitgeber gegenüber absalut gleich sei». Dar»!» ist eine Vertretung !» erster Instanz durch Rechtsanwälte ausge schlossen. Anders liegen die Dinge allerdings in der 2 Instanz. Diese ist, nachdem die Verglcuchsmöglichbeit erledigt er scheint. das wichtigste Forum für die Rechtssiuduua- und Begründung. Dort ist der Anwalt als Organ der Rechts pflege schlechterdings nicht zu entbehren, ganz, abgesehen davon, daß die Zivilprozeßordnung für die Landgerichte, deren Teile die Landesarbeitsgerichte ja sind, den An waltszwang ausdrücklich vorschreibt. Das Gesetz erscheint also in seine» Grundlendeuzcil und seinen Auswirkungen, sicherlich bestimmt und geeig net, von der Gerichtsstelle aus au der Arbeitsstelle zur Befriedigung beizutragen. Es wird auch durch die Ein- und Angliederung an die ordentlichen Gerichte eine wich tige neue Möglichkeit bieten, unserem Nichterstande das Verständnis für weite Gebiete des Arbeitslebens zu ver» mittel» und zu erhalten.