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Sonnadeiill V lanuarls:7 UniervaUung uncl IvMcn in Wort una vua Nummer l Zeile l II IIlitt U III» »I!»»litt «» N» litt litt litt litt litt «ll litt litt litt «II litt litt litt litt II» litt litt «II litt litt litt litt litt litt litt litt litt litt litt llil«»II» «II llil litt litt litt« IIII, IIII litt litt litt litt litt litt litt II» litt litt lli, II Die Insel -er Aussätzigen Aus dem Tagebuch einer Ärztin Von Dr. T. Ern st Im Bahnhof von Kalkutta herrscht reges Leben. Die Pilger, die zum heiligen Strome wallfahren, haben sich mit Sack und Pack, mit Kind und Kegel in den wei ten Hallen des Bahnhofs niedergelassen, um die Zeit bis zur Abfahrt ihres Zuges schlafend zu verbringen. Ein in teressantes Bild! Auf Decken und Mänteln haben sie sich ihr Lager eingerichtet und träumen den Stunden sorglos entgegen. Obwohl sich stets einige Tausende Zusammen finden. Menschen, die einander nie gesehen, von denen man weiter nichts weis;, als das; sie znm heiligen Strome pil gern wollen, überlässt man sich doch dieser beispiellosen Sorglosigkeit. Aus irgendeiner Ecke tönt lärmendes Ge schrei. Schon ahnt man einen Diebstahl oder ähnliches, aber es ist nichts. Irgendeine Kleinigkeit gab die Veran lassung zu einer für europäische Begriffe ungewöhnlich lebhaften Auseinandersetzung, die in wilde Tätlichkeiten auszuarten scheint. Ein Polizist erscheint: doch ehe er noch ein Machtwort sprechen kann, haben sich die beiden Parteien schon geeinigt, um gegen den Beschützer der hei ligen Hermandad Front zu machen. Nun kommt ein anderer Polizist mit einem bebrill ten Herrn, dem man trotz seiner Bronzefarbe den Englän der auf Kilometerweite ansieht. Sie schreiten auf die Gruppe zu, die sich scheinbar verborgen halten will. Ver brecher! denkt man im ersten Augenblick. Doch bald be merkt man/wie die benachbarten Gruppen eilig die Flucht ergreifen — der freie Raum um das kleine Häuflein Men schen wird immer grösser: ein kleiner verdeckter Wagen fährt vor — vermummte Gestalten laden die vier Men schen auf einen Karren und fort gehts in rasendem Galopp. Au s s ä tz i g e ! Es mar eigentlich nur einer, den die Familie zu den heiligen Wassern des Ganges bringen wollte, dort Heilung von der schrecklichen Krankheit zu suchen. Aber das sorgfältig gehütete Geheimnis wurde offenbar. Schneller als der Kranke es ahnen konnte, bringt man ihn nach dem Leprosarium. Nahe bei Bombay liegt eine kleine Insel, die die Aussätzigen aufnimmt, wo sie von Aussätzigen umgeben, von Aussätzigen gepflegt, unter Aussätzigen begraben werden. Kein Arzt, kein Wärter, keine Pflegerin bleibt vor der Ansteckung bewahrt. Und es gibt viele Leproso- rien, Stätten der Weltabgeschiedenheit, wo Lebendigbe grabene ihrem Ende entgegenharren. Denn es gibt keine Heilung für den Aussatz. Ueber die Pforten eines jeden Leprosoriums könnte man Dantes Worte aus seiner Ti- vina comedia setzen: „Voi oh' entrate, lasciate ogni spe- ranza!" (Lasst alle Hoffnung fahren!) Endlos weit dehnen sich die Täler von Kaschmir, strotzend in ihrer Fruchtbarkeit, malerisch in ihrer wilden Romantik. Am Dschelamflusse breiten sich weite Felder, saftige Wiesen, aus der Ferne ragt das Haramakgebirge und wie zur Vervollständigung des farbenprächtigen Bil des steigt der Schäfer in seiner bunten Tracht mit seiner Ziegenherde an den Hängen empor. Wie aus der Spiel zeugschachtel liegen die Hütten der Eingeborenen auf der Flur zerstreut, kleben regellos an den Bergwänden und durch die feierliche Stille tönt das monotone Klipp-Klapp der Webstühle. Die Kaschmirziegen liefern eine beson ders feine Wolle, aus der der weltbekannte Stoff, nach seinem Ursprung Kaschmir genannt, hergestellt wird. Die nun ganz aus der Mode gekommenen Kaschmir-Schals werden dort auf Handwebstühlen gewebt, und es bedarf einer besonderen Geduld und Ausdauer zur Herstellung eines solchen Schales. Für manche Stücke waren Jahre erforderlich, durchschnittlich webt ein Eingeborener 6 bis 8 Monate an einem Tuche. Eine medizinische Expedition durchstreift das Tal, das in seiner lockenden Schönheit nichts ahnen lässt von seinen traurigen Geheimnissen. Je höher es hinaufgeht, desto schwieriger wird der Weg, desto versteckter liegen die Hütte». Vor einer kaum noch Hütte zu nennenden Behausung sitzt ein Weib von abschreckender Hässlichkeit. Gesicht, Hände und Arme sind mit eiternden Beulen bedeckt, bei nahe blöden Blickes starrt sie den Ankommenden entge gen. Sie stößt Reis, und während ihre Hände den Topf umklammern und den Stampfer halten, schaut sie aus druckslos ins Weite. Zuerst will sie den Eingang zur Hütte verwehren — nur eine halbe unwillkürliche Bewe gung, ein kurzer fast klarer Blick — dann verliert sich ihr Auge wieder ins Weite. Im Innern der Hütte liegt auf Stroh ein Mensch, fast nur ein Gerippe — in dem Gesicht fehlen Nase und Augen, an deren Stelle starren eiternde Löcher, die Nägel an den formlosen Fingern sind nicht mehr sichtbar und aus der geöffneten Mundhöhle quellen unaufhörlich unartiku lierte Laute, wie die eines schmerzgeplagten Tieres. Man ist in Versuchung, zu fragen, ob dieses Häuflein Elend Go bekanni volksiiiinlich der Sistvesterlag ist. der i» vielen Ländern nn! allerlei volkstümlichen Gerbräuchen begangen wird, so unbekannt ist derjenige, der das Jahr znm Abschluss brachte und dessen Namen mir diesen Tag verdanken. Es ist -dies der Papst Sylvester l.. der Held der Geschichte von der Konstantini- schen Schenkung, der um :>11 - ans dem Papstthron jass. Unser Bild zeigt das Porträt Papst Sylvesters I. Mensch oder Tier sein mag. Er sieht es nicht, daß zwei mit Gummihandschuhen bekleidete Hände sich seinem Kör per nahen, er fühlt auch nicht die Spitze der Nadel, die seine Haut durchsticht — langsam ersterben die Laute, die seinem entstellte» Munde entströmten, während draußen der kleine Wagen herannaht, umfängt ihn wohliger Schlummer. Nur einmal blickt das Weib auf, als man die Bahre vorüberträgt. Es blitzt für eine Sekunde ein Heller Funke auf, dann stößt sie wieder Reis, unregelmäßig, bald ha stig. bald langsam und müde. Bei ihr ist die Krankheit bereits in das Stadium der geistigen Umnachtung getre ten, und darum macht es auch keinen Eindruck auf sie, als man ihr den Mörser abnimmt. Mechanich steigt sie auf den Wagen und wendet nicht einmal den Blick zu ihrer Be hausung zurück. Die Expedition macht gründliche Arbeit. Bald steigt dunkler Rauch auf an der Stätte, wo die Hütte der Aussätzigen stand. Höher hinauf! Im Tale unten spinnt sich das Leben in gewohnter Weise weiter. Auf einem kostbar aufge- züumten Elefanten kommt der Maharadschah mit seinem Gefolge. Edelsteine blitzen, goldene und silberne Spangen funkeln im Sonnenlichte — Reichtum, wohin das Auge blickt, überfliessender Reichtum. Der Zug wendet sich dem Palaste des Maharadschah zu; Marmorsäulen, kostbare Teppiche und Behänge, goldfunkelnde Gerätschaften, ge pflegte Tiere — nirgends eine Spur von Elend, Krankheit und Not. Auf dem Markanal schwimmen zahlreiche Boote mit Waren beladen, am Landungsplatz stehen handelnde Eingeborene und Markibesucher in grossen Haufen zu sammen. Mit lautem Geschrei und lebhaften Gesten wird um einen Krug, ein Stück Zeug oder eine Flasche angeb licher Arznei gefeilscht. Der Weg hinauf wird steiler, schwieriger, die mäch tigen Farmen des Kukrau-Gletschers werden sichtbar, die brütende Hitze des Tales weicht einer angenehmen Kühle. Vereinzelte Bergbewohner steigen mit schweren Bürden beladen empor und schauen sich verwundert nach der klei nen Gesellschaft Europäer um, denen nur einige Gepäck tragende Eingeborene zngesellt sind. „Medizinmänner", sagt einer und nun wird der Schritt der Aussteigenden langsamer, sie bleiben absichtlich siehe» — suchen in die Nähe der Expedition heranzukommen und bald wird ein lautes Debattieren vernehmbar, von dem man zunnüchst nicht weiß, ob es friedlich oder feindlich gemeint ist. Aber man hat die Situation richtig erfaßt, besser gesagt, nicht richtig erfaßt, denn mit Windeseile verbreitet sich unter den teilweise sogar weit voneinander entfernt wohnenden Eingeborenen die Nachricht: Weiße Meüizinleute sind da — sind gekommen, unseren Kranken zu Helsen! Nun wer den alle gesund! Und man kam doch nur. die von dem Aussatz Befallenen zu holen, sie von ihren Lieben zu tren nen — sie fortzubringen nach der Insel der Ausgestosze- nen. Mit rührendem Vertrauen blickt uns eine junge Mutter entgegen, sie hält einen Säugling auf dem Schoß, zu ihren Füßen kauern zwei vielleicht ein- und zweijäh rige Kinder. Alle drei sind schon von der schrecklichen Krankheit ergriffen — an den zarten Gelenken sind dicke Beulen zu sehen, und die junge Mutter erzählt ahnungs los, dass das von selbst wieder wegginge. Das Gesicht ist noch blühend — nur zögernd zeigt sie die eiternden Stel len an ihren Glieder». Aber mit zuversichtlichem Lächeln meint sie in ihrer Muttersprache: Nund seid ihr gekom men, uns wieder gesund zu machen! Die weisse Frau wird helfen! Aber die weisse Aerztin steht traurig und verzagt. Helfen, ja helfen können. Wie muß man dies kindliche Vertrauen enttäuschen! Der Leiter der Expedition schüttelt den Kops: „Hier sind Gefühlsduseleien nicht am Platz. Unsere Ausgabe ist. rasch eingrcifc»..um das Verbreiten der Seuche zu ver hindern. Wo ist der Mann? der Vater?" Sic sind zum Markte gegangen, offenbar aynungslos, wahrscheinlich auch bereits infiziert, um die Ansteckung Ein Spiel ums Leben Von Karl Drernp. Kein Sport ist das, kein Rennen und Wetten nin Rekorde. E.n Spiel nin das Leben, ein Spiel mit dein Tod in unglaublicher Schönheit ist es. Stiere »ist der unbewussten Kraft fiunlos gereizter Geschöpfe, Tiere einer Ebene, die plötzlich, von einem Tag zuin andern auf ein begrenztes, unerbittliches Rund gelassen werden. Das Zirkusrund cr'chrcckt d:e Tiere durch den verwirrenden Lärm, die Farben und das plötzliche 'Alleinsein, denn Jahre hin durch lebten Ne in Herden arglos ans stillen und unermess liche» Weiten. Und Pferde -! Mit solch tänzerhnften Leichtigkeit, mit Mut und Feuer, wie j:e nur Andalusiens Sonne beicheint, und mit Eleganz ziehen diese Tiere Bogen, Haken und Sprünge durch den gelben Sand, dass ich glaube, selten Schöneres in Spanien gestehen zu habe». Spanien feiert heute immer noch wie schon seit Jahr hunderten seine St'.erkämpfe. Mögen auch Sporrs aller Art die Jugend des Landes begeistern — der Stierkampf bleibt das bunteste, heißeste und aufregendste Spiel der Spanier: es ist das Nationalspiel. In früheren Zeiten, be sonders ln seinen ersten Anfängen, spielte inan das Stier gefecht nur zu Pferde, und es war auch nur das Vorrecht der Ritterschaft. Dieser Stierkampf zu Pferde ist seit estttgen Jahren wieder aufgekvnimen. Gewiss ist der Mensch, der Reiter, nicht den Hörnern des Stieres so unmittelbar ans- geseyt wie der Fechter zu Fuß. Doch es gilt hier, den Instinkt des Pferdes, das ohne Zweifel am sichersten die Bögen und Sprünge e.bznschätzen weiß, mit dem Verstand des Mensche», >er die Abstände jo berechnen muss, um feine Messer und ganverlllas richtig änzubringen, miteinander zu verbinden. Uuch diese Stierkampfart ist, Wiedas Stiergesecht zu Fuß, ungeteilt indr -st Teile. Im ersten Teil vernicht der Reiter zwei oder drei kurze Messer, die an bunten, langen Estcheustäben befestigt sind, dem Stier immer dann in den Nacken zu stoßen, wenn der Stier allzuhart das Pferd bedrängt. Sitzt nämlich solch' ein Messer oder ein Paar Banderillas, so lässt der Stier meist für einige 'Augenblicke vom Pferd und Reiter. Der Schmerz lässt ihn dann verzweifelte Sprünge machen. Diesen Augenblick benutzt der Reiter, mm ich von der Umzäunung ein neues Mvrdstistruinent zu holen, nachdem er den zer brochenen Stab möglichst elegant irgendwohin seitwärts geworfen hat. Im zweiten Teil versucht der Reiter drei Paare Banderillas nnzubr.ngen. Etwas sehr Schwieriges, denn sie inüfien möglich weit auf die Rackenspiye gesetzt werden und sind dabe: so kurz. Im dritten Teil nimmt der Fechter wieder ein Mes.er. Dieses Mal nun ein ziemlich langes und flaches, das auch auf solchem bunten Stock befestigt ist. Er versucht, das Messer zwischen die Schulterblätter des Stieres in das Herz oder die Lunge zu stoßen, woran dann meist das Tier nach kurzen Sätzen verendet. Das gelingt jedoch selten, und häufig steigt der Reiter vom Pferde. Während Vieles hinailS- geführt wird, tötet er dann den Stier, wie die Fechter zu Fuss. ES Zieht eigenartig aus. Ein Manu im hohen Som- » ero, andalusifcher kurzer Jacke, mit Lederschurz vor deu Beine» und :n einer Art Stiefel — sein buntes Satteltuch benutzt er als inuleta — und so erlegt er den Stier gleich jede», anderen Fechter mit dem Degen. Dieses Spiel passt in de» heiteren Himmel Süd- spanieu-s, zwischen jene leidenschaftlichen Menschen, die derart aufgeregt darauteilnehinen, als ginge es um ihr eigenes Leben. Wären die Fechter, sowohl der Torero als auch der Caballero, eben jener Reiter, nicht >o streng an eine Spielregel gebunden, die ihnen ihre Wendungen und Figuren sogar nach bestimmter Reihenfolge vorschreibt, so würde ihr Spiel nur ein Hinschlachten armer Stiere sein. Dadurch aber, dass alles nach Sp:elge!etzen geht, — Regeln, die jeder kleine -Panische Bub' schon kennt und aus den Strassen mit seinen Kameraden spielt, — Regeln, die Generationen hindurch die gleichen waren und deren genaues Befolgen das Publikum auf das strengste bewacht, wird dieses Morden zum Kampfspiel von seltenster Schönheit. Das gähnende Rund der 'Arena durchschneidet >e»er sausende T rich, der im wundervollen Bogen von der Höhe der einen Plauer durch den gelben Sand die andere Mauee hiiiaufläuft. Er te il den Zirkus in eine violette Schatlen- und eine glitzernde Sonnen'cite. Es ist von llncrbittl'chkeit und Schärfe — ja Härte. Und diese Figuren, angetan mit Phantastischen Kleidern, bewaffnet mit Degen, mit bunten Stöcken, daran Widerhaken und Me ier befestigt sind und farbige Seidentüchcr, dahinter -ich nichts anderes verbirgt w:e List und Tod. Die Retter. Mensch und Tier gespannteste Aufmerksamkeit, den aiifeucrnde» und witzigen, auch bttsigcn Zurufen eines ganz unnachsichtlich kritischen Publikums aus gesetzt. Und dann diese Stiere! Schaurig ist es zu sehen, wie man die schönste Eigenschaft, ihre immer gleiche und mutige Angriffslust, schuldlos reizt — wie ihr ehrliches Stürmen nur einem Gaukelspiel gilt und wie all' ihre Wucht fast immer in das Leere stützt. Wehe aber, wenn ihre r:c ige Kraft einen Reiter zu fassen bekommt! Pferd und Mensch und Stier sind ein Wirbel nn gelben Sand — — und dann ahnt inan dem grossen Spielleiter all' dieser Leidenschaften auf lenem Rund: den Tod. So geht cs immer um das Ganze, um das Leben des Eine» oder des Anderen. ES ist eine der furchtbaren mensch lichen Leidenschaften, nämlich der Blntrausch in einer schönen Form. Uns ist es fremd, Tiere zu quälen und schön dabei bleiben zu wollen. In Spanien ist es der 'Ausdruck des Volkes und scheint selbstverständlich, wenn man die leb haften Scharen sieht, die an grossen Festtagen den Kampf plätzen Zuströmen — um der Leidenschaft des graziösen SvieleuS mit dem Tode zu leben.