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vonnaoeno. den 1. Januar El Sl«^ayr»»enas« Stl. i; seile 8 Silvester in -er Pirtzla Von Ella Triebnigg-Pirkhert. Wie c:e l,eilige Weil,Nachtzeit vor hundert und etlr- cycu Jahren gefeiert wurde auf den altadeligen Gehüsten tn Ungarn, davon weis; inan heutzutage nur mehr vom Höreniagcn! Da kamen von allen Seiten Gäste, scharenweise und mit ihrem Gesinde, denn man blieb doch gleich über Neujahr, wenn man ichon die beschwerliche Reise von vielen Meilen oft im größten Schneegestöber und auf ver wehten Wegen, die ja zuerst ansgeschauselt werden mußten, unternommen hatte. Und die gastfreundlichen Hausfrauen hatten schon Wochen vorher alle Hände voll zu tun, be sonders aber an den Vortagen, da hatten sie geradezu zaubern und hexen sollen .... ' Au; der Puszta Kaldh war damals gerade »m die Weihnachtszeit ein strammer Bub zur Welt gekommen und d:e Hausfrau lag im Wochenbett. Was behinderlich war, sonst aber nichts zu sagen hatte, denn sic war nicht umsvnst weit und breit als eine der großartigsten Wirtinnen be kannt. Wo die Hände und die Füße nicht dabei sein konnten, da san-d das Wort noch immer hin und der Kopf leitete und lenkte vierzig Dienstboten, die durch den besonnenen Willen zur gedeihlichen Arbeit gezwungen wurden, so daß alles klappte! Und das war keine Kleinigkeit! Denn die vorhandenen Vorräte mußten übersehen und ciugeteilt, die sohlenden Zutaten für schon lange vorher bestimmte Ge richte rechtzeitig beichasft werden und cs gab weder Eisen bahnen noch einen Telegraphen und von einem Fern sprecher träumteil selbst die verwegensten Phantasten nicht, da man kindische Märchen ja bereits überwunden hatte! Man konnte bei den schlechten Wegen nur mit reitenden Boten oder m:t Stafetten arbeiten, die alles herbeizu- schafsen hatten, was in der Stadt zu haben war, denn in den Dörfern gab cs ja überhaupt nichts für Herrculeutc: Bevor einer der Diener, der Pali oder der Peti, sich auf den Weg machte, mußte er zuerst zur Frau. Denn bei der Arbeit ist das so, die Dienerschaft versteht sie, wenn si« alles Dazugehörige vor sich hat, was aber dazugehört, das muß d.e Frau Wilsen, und mich wie viel. Da muß man den ganzen Tag reden, fragen, Weisungen erteilen und ermahnen. „S:nd die Fi-che beim Fischer bestellt und haben wir noch Limonen in der Speisekammer? Ist die Wildsall gesenkt und sind d:e Kalbschinken in die Reize gelegt? Gebt acht, daß die Hefe n.cht zu sauer wird und daß das Obst in der Kammer n.cht gefriert! Und vergesst nicht: Vir brauchen zu den Honigkuchen Zimt und Nägelein und Orangenblüten für die Karpfen. Schließlich aber durfte man sich selbst auf den besten der Diener nicht verlassen, leicht konnte sein Gedächtnis versage», und so wurde alles sauber auf ein Papier auf gemerkt, das steckte man ihm noch für den Kaufmann zu, denn doppelt genäht hält besser! Die Unterhaltung der Gäste übernahm der Hausherr, die Kinder aber wollten bei der Mutter Trost oder Rat in ihren Streitigkeiten holen und die lieben Märchen hören, die nur d:e Mutter erzählen konnte. Und so wurde das Wochenbett gleichzeitig zum Thron, zum Nichtstuhl, Beicht stuhl und zur Kanzel. So kam der Silvesterabend heran Die große Festtafel in der Spersehalle war gerüstet, Kristall und Silber stand auf schneeigen; Damast, auf der Anrichte drängten sich die Schüsseln mit den kalten Ge richten, die Aufsätze mit Backwerk und Körbe mit Obst und die großen Weinkrügc dazwischen. Und statt der selbst- gezogenen Unschlittkcrzcn, die für gewöhnlich gebraucht wurden, staken duftende Wachslichter in den schweren Arm- und Wandleuchten;, die heute beim Nachtessen, welches dcr Silvesterandacht folgte, augebraiiut werden sollten. Da begann auch schon die Kapellenglocke zu lmiien. Mit eine»; befriedigte» Lächeln faltete die ruhende Hausfrau die Hände: es ist alles in Ordnung. Alle Gäste, Familienmitglieder und der größte Teil des Gesindes geht jetzt in die Andacht. Vorher waren sie alle gekommen und hatten der gädigcn Frau die .Hände geküßt und ihren Segen mitbekommen und nun schlagen noch Türen zu, Schlösser schnappen ein, Schlüssel knirschen und viele Schritte stapfen auf dem hartgefrorenen Schnee im Hofe, bis sie dann verklingen. Und dann folgt plötzliche Stille, tiefe, heilige Stille. Oer Säugling schläft in der Wiege und die Wartesrau ist auch im Lehnstuhl neben dem Ofen eingcnickt. Da kau» die Wöchnerin auch ihre Augen schließen und nur die Ohren lauschen dem anschwellenden, weihevollen Orgclklang und dem Gesang, der inbrünstig aus vielen Kehlen zur Höhe anfsteigt, dankend, bittend. Dir Hände der Wöchnerin falten sich. — Da knackt es plötzlich beim Fenster. Das konnte nur die Blechtafel sein, mit der inan ein zerbrochenes Fensterglas der Stube ersehen mußte, denn im Winter kamen die Slowaken nicht auf die Pußta, die mit Glasscheiben handelten. Diese Blechscheibe mußte jetzt jemand von draußen eingedrückt haben, die ruhende Frau hörte es sofort und fragte laut: „Wer ist denn das?" Gelobt sei Jesus Christus!" rief «ine rauhe Stimme herein. „Der Angyal Vandi ist's mit seinen Dreizehn!" Der Anghal Band; war damals der berühmteste Bethar, d. i. Bandit, der Gegend. Die Hausfrau richtete sich etwas in den Kiffe» empor und sagte entschieden: „Du lügst! Der Angyal Band! ist Unser Bethar, dein wir regelmäßig Konvention zahlen, und die hat er sich schon geholt. Der hält ettvas auf seine Ehre und kommt jetzt vor Aschermittwoch nimmer!" Das entlprach der Wahrheit. Die adeligen Familien- hesokdeten den beim Volke so ungeure-'.n beliebten „Ka- dalier-Betyar" und sie batten dann von '4m Nickis zu befürchten. V.>er ganze Speckseiten, zwei Eimer Wein und fünfundzwanzig Randgulden vierteljährig betrug die Kon vention. Es gab aber außer den geordneten Banden auch gewöhnliche Wegelagerer, darunter «inen entlaufenen Klo sterschüler, dem die strenge Zucht im Kloster nicht behagt hatte und der sich mit lichtscheuem Gesindel Herumtrieb als gemeiner Räuber. Der Gruß jetzt hatte ihn verraten und die Wöchnern; sagte: „Du bist gewiß der Karako!" Dem war es n:cht recht, erkannt worden zu lei», seine Stimme klang unsicherer und verlor sich in ein Gemurmel, das man nicht verstehen konnte. „Was willst du denn jetzt hier?" „Geld, gnädige Frau!" „Hja, Geld! Ich habe doch selber keines!" Das brachte den Räuber in Wut. „To? Und was machte der Jude gestern hier? War das nicht der Wein- Händler, der sich die vorjährige Lese holte? Und hat er sic vielleicht umsonst bekomme;;?!" „Nein, gewiß nicht. Aber ich liege da im Beite doch nicht auf Dukaten, wie kann ich dir welche geben?" Ein Gemurmel drang von draußen herein, die an deren schienen ihren Führer zu bedrängen. Da ries der barsch und befehlend: „Here:;; lassen sollen Sie uns! Und gebe;; Sie uns die Kafseuschlüssel, sonst schieße ich!" In; gleichen Augenblick knackste die geborstene Blech tafel und durch die klaffende Lücke wurde ein Grwchrkauf he re! »geschoben. Aus der Kapelle klang wieder voller Orgelton und die Wartesrau schnarchte unentwegt weiter. „Nun?" klang cs ungeduldig von draußen. >r! Die Zeit ist nur ein Wanderkleid. Das soll uns nicht beschweren. Es schützt dich nicht vor Leid und Sle.nl, Du selbst, Herz, mußt dich wehren! Sich wehren bringt zu Ehren! Die Zeit ist nur ein Bettelklcld Und muß zu Staub zerfalle.;; Lin Nichts im Licht der Ewigkeit, Wenn wir nach Hause wallen. Zu Gottes ewigen Hacken. Drum laß nicht Zeit, laßst Ewigkeit Dir Herz und Sin» bewegen. In Liebe, treu und weltcnweit. Geh deinem Heil entgegen, bleibt dein Weg im Segen. Fl sc Frauke. „Tu wirst lieber nicht schießen," sagte die Wöchnerin ganz ruhig. „Dein; damit lärmst du dir doch nur die Hauslcute auf den Hals. Tu wirst ruhig bleiben, denn sonst weint das Kind und die Wärterin schreit, wem; sie rrwacht, und die Kassenschlüssel sind beim Herrn. Ich rate dir gut: packt euch jetzt, den» die Andacht ist bald zu Ende." Die Orgel aber verstummte Plötzlich. Da gröhlte der draußen höhnisch: „Die Andacht geht noch nicht zu Ende, denn sie fangen ja erst die Predigt an." Nun war die Frau ganz, sicher. „Du bist also richtig der Karako und nicht der Anghal Band':, den» der wetß nicht, ob heute Predigt ist oder nicht. „Spielen Sic nicht mit uns! Wir wollen ins Kastell, daun könne» wir ja weiter plaudern. Sonst brechen wir das Tor ein und dam; bekommen nn'erc Messer das Wort! Also wollen Sie gutwillig ausmnchcu oder nicht?" „Das fällt mir nicht ein. Und i chkönnte es au chuicht. Wecke ;ch aber die Wartesrau, so macht sie ein Gezeter, daß man's bis in die Kapelle hört." „Dam; schieße .ch sie nieder!" „ .... und ihr könnt erst recht nicht herein." Nun erhob sich vor de»; Fenster ein drohendes Ge murmel, d.e Gitterstäbe aber waren stark und eng neben einander eingelassen. Schwere Trttte stampften aus, dann ertönte c.» Chor: „T:e Schlüssel! Her mit den Schlüsseln!" Darauf aber erhielten sie von der Frau, die ihren Gedanken nachguig, überhaupt keine Antwort mehr. Die Räuber berieten sich, dann erhob sich wieder die Sl.mme des Karako. „He, Band,! Halte du das Gewehr! Immer aus die Frau gezielt! Und muckst s:e, so weißt du schon . . . .l Ihr anderen m'k mir ans Tor!" Das Tor war eu; braver Hüter, Schweres Eichenholz, mit armdicken Eilenbänder». Und Beschläge wie die Hand fläche. Und das Schloß ebenfalls aus Eilen und ansehn lich wie ein Wchrschild. Außerdem die von innen ange brachten mächtigen Querbalken aus Eichenstämme» und Eisen. Ans der Kapelle kamen ab und zu einzelne Laute, herüber, dazwtlcken knirsckten die Brechwerkzeuge, mit Vene» die Räuber das Tort bearbeiteten. Und di« Wüch» nerin lag regungslos und mit geschlossenen Augen inj Bett. Aber sie war ein einziges, angestrengtes Lauschen; was wird länger dauern, die Andacht oder der Widerstand des braven Tores? Qualvoll langsam schlich die Zeit hin; manchesmal knackste die geborstene Blechtafel und dann warf die Wöch nerin wohl unter den halbgeöffneten Augenlidern einen zärtlichen Blick nach dem Säugling, der ahnnnaslos mit sestgeballten Fäustchen friedsam schlummerte. Er schlummerte, wie wenn er ferne von jeder Gefahr wäre und dcrwerl arbeiteten draußen Räuber am Tor. Der Gedanke schoß der Frau durchs Gehirn: Der Bethar Anghal Band; hätte das nicht getan! Er nicht . . . En: Bild tauchte oor dem geistigen Auge der lerau aus. Sie sah sich plötzlich in einer Kutsche, die sich rasch fortbewegtc. Au sie schmiegte sich ein kleines Kind . . . ihr ältestes Töchtcrchen, das damals kaum dreijährig war . . . Eine Botschaft war gekommen von ihrer schwer erkrankten einzigen Schwester, zu dieser eilte sie. . . Das war im Sommer vor einigen Jahren. Damals war ihr Gatte nicht daheim, sie aber konnte nicht warten, bis er znrückkam und nahm sich darum nur den Haiduken mit, der neben dem Kutscher auf dem Bocke saß . . . Ach, die Sorge um die Kranke, ob man sie noch am Leben trifft? Ta merkt man nicht auf, denkt an nichts . . . Schon über eine Stunde fuhren sie durch die Puszten, da stieg eine große Staubwolke aus . . . Und dann war die Kutsche auf einmal von einer Schar Berittener umgeben, die waren alle vom Kopf bis zu den Füßen in weite schwarze Gewänder gehüllt und ihr Anführer saß auf seinem Rappen, w:e mit dem feurigen Tier verwachsen, wie aus schimmerndem Eisen gegossen .... Die Wöchnerin zuckte leicht zusammen, das Aechzen des schweren Toros wurde lauter, und die Orgel beaann wieder zu spielen. „Gott se; Dank, die Predigt ist aus. Nun singen noch den Lobgcsaug, dann der Segen mit dem Allerheilig- stcu" — Wieder spielte die Erinnerung weiter: Die Schar der Männer taucht auf, die rutzgeschwärzte Gesichter hatten, ihr Anführer aber trug eine schwarze Samtmaskc vor- gebundeu Sie reiten wortlos neben der Kutsche, der Anführer immer dicht beim Wagenschlag .... Sein weitärmeliges Hemd Ist aus schwarzer Seide, ebenso die franse,ibesetzteu weiten Hosen .... Im Gürtel stecken kost bare, silberbeschlagene Pistolen, die Rechte hält den Fo- kosch und unter den; mit Reiherfedern besetzten runden Kolpak quellen goldblonde Ringellocken hervor, fast bis zu den Schultern herab .... Das alles hatte sie gut gesehen, denn sie war wie i»; Schrecken erstarrt, hatte nur ihr Kind fest an sich gedrückt und streichelte immer wieder dessen Köpfchen, zärtlich beruhigend: „Fürcht' dich nicht! Weine nicht!" Und ihr selbst saß doch das Herz im Halse . . . Wie wird das enden? .... Sie hatte nur gehört, w:e der Anführer den; Kutscher ein herrisches „Porwärrs!" zngernfei; hatte und sah, daß dieser ohne Widerspruch gehorchte . . . und daß sie fuhren . . . endlos ichien diese Fahrt . . . Bis aus einmal der Anführer ein „Halt!" ge bot .. . Er neigte sich mit Anstand über den Wagenschlag: „Gott zum Gruß der gnädigen Frau! Man sieht schon den Kirchturm, es ist keine Gefahr mehr!" ... Er stieß einen ichrstlen Psiff aus und seine Gefährten, aber auch die Kutschcrpferdc blieben Plötzlich wie angewurzelt re gungslos. Nur sie selbst fand dann den Mut zu fragen: „Was wollen Sw? Wer sind Sie?" „Der Anghal Bandi!" kan; es stolz zurück. „Wir wollte,, die gnädige Frau nicht belästigen, aber wir muß ten Sie beschütze», denn das ist mein Gebiet hier! Es gibt Schufte, d:c nennen sich auch Betharen, sic machen uns aber Schande. Wenn wir aber da sind, dann getrauen sie sich nicht heran. Gott besohlen, gnädige Frau, »nd eine glückliche Weitersahrt!" . . . Co lernte s:c damals den Anghal Bandi kennen . . Dann verschwand er mit seinen dreizehn Gefährten wie von; Erdboden verschluckt .... wie eine Erscheinung in der Unendlichkeit der Tiefebene . . . Und wenn er wieder sq auftauchei, wurde, jetzt . . . Jetzt war es wieder totenstill geworden. Dann läu teten die Glocken zum Segen, und ein inbrünstiges Gebet stieg im Herzen der Wöchnerin auf. Plötzlich dröhnte Karakos Baß wieder herein. „Nach zehn Minute;; ist die Andacht zu Ende, was ist'- mit den Schlüsseln?" Nichts rührte sich in der Stube. „Also gut: Sturm! Vorwärts, Burschen! Trans los!" Jetzt hieben sie mit ihren BeÜstöcken drein. Das Holz splitterte, das Schloß knackte, wich aber nicht. Und das schwere, brave Tor gab auch nicht nach. Noch einige wütende H:cbe, tolles Flüchen und Schimpfen, dann mußten sie einsehen, es ging nicht! Ueberrascht aber wollten sie n'ckil werden. „Auf, Burichon, fort! Schnell" Ter Anführer aber kam noch ans Fenster gelaust,; stieß das geborstene Blcchstück ganz in die Stube, sinnlos vor Wut, während er, sich jetzt zu erkennen gebend, mehr mals seinen eigenen Name» krähte: „Karako, Karako, „Deo gratias!" sagte die Wöchnerin laut und seufzt« erlöst ans. Dann fiel ihr Blick ans den noch immer Ichln»;- mernden Säugling, den sic glücklich anlücheltc: Es ist eine: über uns, der wehrt die Gefahren ab und seine Weg, sind oft seltsam! Ein letztes Aufbrauicn der Orgel, laufende Schritte verhallten :m Hof, und dann strömten sie alle wieder herein. Sie wußten von nichts, hatten nur einen rechischaf. fencn Hunger. „Das glaube ;ch gerne!" sagte die freundliche Haus frau, „Geht jetzt nur ra'ch essen, die Andacht war recht lang — ich fürchtete schon, daß der Braten verdorben werde- könnte . . Dann, als s,e gegessen hatten, erzählte sie . . »