Volltext Seite (XML)
Sonnabend, den 25. Dezember 1926 Weihnachtsbeilage Nr. 292: Sekte 6 ————————NM (Meißnachken im akten Gokkeörauch (Von Dr. Pauk I. von Lone Rücken kick bei dem raschen Niederdunkeln der Abends kaum noch von den verschneiten Fluren abhob. Das Gchneogetvim- mel wurde langsam dünner und hörte schließlich ganz auf. Am .Himmel begannen immer mehr Sterire zu funkeln, als ob droben ein riesiger Lichterbaum angezündet würde. Eine Gabelung des Dammes ließ den einsamen Wan derer zögern. Am Ende beider Weg« schimmerten Lichter eines Dorfes. Welchen sollte er gehen? Di« ihn einholenLen Mitfahrer teilten sich gleichfalls und gingen beiden Dörfern zu. Ihre schwarzen Gestalten, die sich noch gute Wünsche fürs Fest herüber- und hinüberriefen, wurden rasch kleiner, wie be: einem Film und verschwanden zuletzt. Fast gleichzeitig Huben die Glocken der beiden Dörfer an, den Heiligen Abend einzuläuten. Heller und heiler strahlte der funkelnde, flimmernde Himmel, daß ein dunkler Schatten sich dem Einsamen gesellte. Hilflos schweiften seine Augen durch das sprühende Gewimmel, bis sie von einem großen, rnbinleuchtenden Stern sich gebannt fühlten. Der solle sein Wegweiser sein, entschied er, und trug einen schwachen Hoffnungsschimmer mit sich fort. Klopfenden Herzens trat er in die Dorfstraße ein, deren weiße Sternenhelle erfüllt war von Giockenklängen und Lichterglanz und hellsingenden Kinderstimmen aus den kleinen Häusern her. Er hatte das Gefühl, er schnitte in einer Kirche und empfand seinen einsam hallenden Tritt störend. Ein großes Aushängeschild „Bäckerei und Wirtschaft" veranlaßte ihn, stehen zu bleiben. Nach einigen unschlüssigen Augenblicken drückte er zaghaft die Haustürklinke nieder und tat ein paar Schritts in den dunklen Flur. Da knarrte eine Tür auf und Glanz und jubelndes Kinderglück guvllen heraus. Das ernste Gesicht des Mannes, der aus Ihn zutrat, erhellte sich, als er die stammelnde Frage gehört hatte. „Sollst Arbeit haben", sagte er, dem Bangenden gütig auf die Schulter klopfend. „Frau!" rief er in die Stube hinein, „da hat uns halt der Herrgott einen anderen geschickt statt unseres Sohnes!" und führte ihn in den warmen Schein des brennenden Weihnachtsbaumcs. Ta sank der Glückliche lautlos auf einen Stuhl, und «eine Augen giänzten feucht vor Dankbarkeit. Vre (Hrippensänoer Eine Weihnachtsgeschlchte. Von Irma S i e g e r t. Hans Behrens klappte das Buch zu und drehte die Schreibtischlampe aus, so das; es in seinem Arbeitszim mer dunkel wurde. Draußen kroch die Winterdämme rung über die Dächer herauf und warf Schatten auf Schatten über die weißen Flächen. Grüngelb flammten dir Gaslaternen in der Straße, hohe Bogenlampen war fen ihren Hellen Schein dazwischen, und das Gelb und Not der Lichter malte bunte Flecken ans die weiße Schneedecke. Die Gehsteige waren fast menschenleer, denn man schickte sich an, den heiligen Abend zu feiern; nur hie und da lief eine vermummte Gestalt, mit Päck chen und Paketen beladen, vorbei. Hans Behrens lehnte sich im behaglichen Klubsessel zurück. -,Die Umrisse der Einrichtungsgegenstände verschwamme» iiy,. Dunkel. nur das Gluteude der Zigarre stand glühend in dem Raum. Das Fest der Liebe und des Beglückens! lieber das Gesicht der Einsamen huschte ein fades Lächeln. Wäh rend er hier als Berbanuer, ja Ausgestoßener im eigenen Heim saß, waren drüben in den Festräumen alle Hände tätig. Frau und Töchter packten Sachen in knisterndes Seidenpapier und putzten den hohen Tannenbaum mit glitzerndem Flitterwerk. Geschäftige Dienerschaft eilte hin und her, stellte zierliche Gläser und blinkende Kri- stallschaleu auf den blendend weißen Damast der Gedecke. Weihnachtsgernch strömte durch das ganze Hans, der kam von Tannenzweigen und süßein Gebäck, das hochgetürmt in reichverzierten Schüsseln der Gäste harrte. In Küche und Speisekammer klapperten Teller und Bestecks, zisch ten brodelnde Bratpfannen, rief die Köchin nach den Ge hilfinnen. Alle waren tätig, alle, nur er allein saß im Dunkel, niemand konnte ihn brauchen, überall war er im Wege. Das war Jahr um Jahr der Auftakt zum hei ligen Abend. Nicht einmal das Zimmer durfte er ver lassen! Borhin, als er sich nur im Nebenranm eine neue Zigarre holen wollte, lief ihm gerade Friedl, seine Jüngste, über den Weg. Die quietschte laut auf und ver barg irgendein buntfarbiges Ungeheuer, so gut es ging, vor seinen Blicken. Er hatte natürlich nichts gesehen, nein gar nichts; es hätte nicht einmal des schmollenden: „Aber Papa", bedurft. Nein, er war artig, recht artig, saß schon wieder mutterseelenallein in seinen vier Wän den, die sonst Zeugen seiner anstrengenden Tätigkeit sein mußten. Es war doch eigentlich reckt fade, so ein Weih nachtsgetue, da las man nur immerzu von Herzen und Kerzen, von Tannenduft und Lichterglanz und wie das Zeug alles heißt. Tie Hauptsache waren ja doch die Ge schenke. Mas er nur wieder alles bekommen würde? Zwölf Schlummerkissen ans einmal wie im vorigen Jahr, ein paar unmögliche Selbstbinder, Zigarren, die selbst für Gläubigerbesuche zu schlecht waren. Das nannte man Weihnachtsglück! Hernach ging es erst recht an, da mußte der rote Nock in einen blauen umaetauscht werden, die Armbanduhr in einen photographischen Krimskrams, die Schinncksachen waren nicht echt genug, da hatten Hinz und Kunz noch weitaus schönere; so ging es endlos wei ter, überall unzufriedene Gesichter und riesige Posten im Kontobuch. Und der Festabend selbst! Da kamen Gäste aus aller Welt. Leute, die man kaum richtig kannte und dennoch einladen mußte, weil es die Hausfrau so befahl. Blumensträuße gab es und geheucheltes Bewundern, kicherndes Geflirte der jungen Dinger, ein liebenswürdi ges Getue von den männlichen Gästen gegen die Damen des Hauses, das im Grunde doch nur dem Geldbeutel des Vaters galt. Hans Vehrens war unzufrieden mit sich und aller Welt. Was sollte er tun, ruhig sitzen bleiben und den Dingen ihren Lauf lassen oder einmal ordentlich hinein- sahrcn und die ganze erlogene Wcihnachtsstimmung nus kehren aus seinem Haus? Doch er mar kein Spaßver derber: mochten sie das Fest begehen, wie sie wollten, er störte sie nicht, aber dableiben wollte er auch nicht, ein geschlossen wie im Gefängnis. Es trieb ihn fort unter Menschen, er wollte doch sehen, ob er der einzige wäre, der mißmutig den heiligen Abend erwartete. Tief stülpte er den Hut in die Stirn, zog den dicken Pelzmantel über und stapfte lautlos durch Yen frischgesallenen Schnee. Ion Arnason erzählt in seinen isländischen Volks sagen von der heiligen Eberesche, die in der Iul- nacht erstrahlt, auf allen Zweigen voller Lichter, die der Wind nicht auszulöschen vermag. So stark war die Hoff nung unserer Altvorderen in der Urzeit, — daß aus der düsteren Unheimlichkeit der Wintersonnenwende das Licht doch wieder in seiner ewigen Kraft ausstrahlen werde. Mochten sie in diesen „wichen (heiligen) Näch ten", wo der Natur der Atem stockt, wo „zwischen den Jahren" Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinan der übergehen, sich auch ängstigen wie bei einer Sonnen finsternis: die Stechpalme, die Mistel, die Eibe, der Buchs- baum und die Tanne hielten ihre Hoffnung wach wie auch der „Iulblock", der im Kamine flackerte und schwelte. So wurde die Tanne Gegenstand der Verehrung gleich der Birke im Mai, wie der Straßburger Theologe Daunhauer um 164st schalt. Man betete in ihr die Kraft au, die dem harten Winter standzuhalten und die Schrecken des To des zu überwinden vermochte. O Tannenbaum, du edles Neis, wie „treu" sind deine Blätter! Mi" ihnen bekränz ten noch in Spanien die wandernden Sueven im 6. Jahr hundert zu Weihnachten die Häuser, was für unsere Hei mat etwa Bischof Vurckhard von Worms oder Sebastian Brant für das 15. Jahrhundert bezeuge». Diesem Tan- iieiibnum brachte man seine Gaben dar als Pfand für die Zukunft: Aepfel und Nüsse; und den Stamm selbst, als den Sitz der geheimnisvollen Kraft, speiste man durch einen Umguß von Teig, woraus die sog. „Baumho ch e n" entstanden. Nock ein stärkeres, ein geradezu magisches Zeugnis für die nie sterbende Kraft des Lebens war die Mistel. Sie, die ohne Samen entsteht und sich fortpflanzt, die nicht einmal Wurzeln in das Erdreich senkt, vielmehr vom Him mel selbst auf andere Bäume herabgefallen zu sein scheint, sie wurde des Jahres Wende von den Priestern in den heiligen Hainen mit geweihtem Messer abgenommen und als kostbarer Talisman für Glück und Zukunft heimge- tragen. So wie noch heute am Weihnachtstage in Eng land drückte man sich unter ihrem hochhängenden Kranze die Hände, und auch das sprödeste Mädchen durfte darun ter dem Jüngling den Kuß nickt versagen, ohne fürchten zu müssen, sich den Groll der Liebesgöttin zuzuziehen, der die Mistel sinnvoll geheiligt war. Aehnlich wird in Schwa ben der Mistelzweig um Weihnachten an die Obstbäume gebunden, um ihre Fruchtbarkeit zu steigern, wie man in Schleswig und Holstein in der Ehristnacht heute noch an die Bäume klopft und ruft: „Freut ju, si Bäum, freut ju! Der heilige Christ ist kommen!" Selbst Nosenkranz kugeln soll man ehemals aus dem Holze der Mistel ge macht haben. Ein Schlag aber mit einer Rute aus ihren Zweigen übertrug nach altem Glauben die Lebenskraft, und so findet sich noch heute die „Christrut e" als Weih- Iedem, der vorbeiging, schaute er fest ins Gesicht, obwohl ein Stückchen Weibnachtsglück darin zu lesen wäre. Doch es begegneten ihm nicht viele. Ein Gepäckträger kam daher, zählte im Schein der Easlaterne das Trinkgeld, das er eben empfangen hatte; seine gefurchte Stirn hellte sich keineswegs auf. und er raunte eilig weiter, um neuen Verdienst zu suchen. Eine Frau lief vorbei mit tausend Päckchen beladen, doch in ihren Zügen stond mehr Un mut über die Unbequemlichkeit des Tragens als Freude über die Gnade des Veglückenkönnens. Unwillig schob sie die Last von einem Arm aus den anderen. Ein Dienst mädchen schleuderte über die Straße und zog einen un geduldigen Köter, der nicht folgen wollte, an der Leine hinter sich her. Ein paar Gassenbuben stritten sich und warfen einander mit Schnee. Eben verließ eine Frau ein einsames Borstadthaus, eine Putzfrau anscheinend, die Feierabend machte und nach Hause drängte, um der eigenen Familie das Weihuachtsfest zu richten. Fröstelnd zog sie den Wollschal fester um die Schultern, so daß Hans Behrens ihre Züge nicht erforschen konnte. Und er kam weit hinaus, die Straßen wurden ein samer; er ging langsam dahin. Nun überholten ihn eilige Schritte, zwei Knaben waren es, die hatten blanke Augen, lachten und kicherten und hatten es gar wichtig. Es kamen mehrere, hier und dort ein paar, begrüßten sich und schienen einem gemeinsamen Ziel zuzustreben. In aller Augen lag ein sonniges Leuchten, das waren die ersten Weihnachtsmenschcu. Er folgte ihnen, die Straße wurde belebter. Kinder kamen von allen Seiten herbei, auch Erwachsene waren dazwischen. Hans Behrens frug einen der nächsten Buben, wohin sie gingen. „Zum Krip pensingen", mar die Antwort und etwas zutraulicher fügte er hinzu: „weil heute Abend das Christkindl kommt." Dann rannte er wieder den anderen nach. Von der nahen Schulhausuhr schlug es !^6 Uhr; ein dünnes Kirchenglöckchen setzte ein. Unwillkürlich folgte Hans Behrens den eilenden Fußgängern. Helle Kirchen- senster leuchteten durch das Dunkel und spiegelten sich im Schnee: es war genau wie auf den mehr oder minder schönen Bildern in den Schaufenstern. Ohne es eigent lich zu wollen, trat er mit den anderen ein. Tannenduft erfüllt das Kirchlein; ein paar Lichtlein flackerten auf dem Altar. In der Ecke stand die Krippe fertig ausge- baut; dunkle Tannen ragten rechts und links auf und spannten die weiten Aeste darüber. Ein Gewinde um rahmte das Ganze, Lichter brannten dazwischen und war fen Hellen Schein auf die kleine Darstellung: den arm seligen Stall mit dem schadhaften Dach, das holdselige Kindlein in den schneeweißen Windeln, die liebreizende Jungfrau und den alten Mann, die ganz versunken vor dem Wunder knieten. Ochs und Esel im Hintergrund hoben neugierig ihre Köpfe. Auf dem weichen Moostep pich lagerten die Hirten.mit ihren Lämmern, Rindern und Hunden: ein goldstrahlender Engel verkündete ihnen eben die frohe Botschaft. Im Hintergrund sah man schon die Weisen aus dein Morgenlande über den Berg herauf kommen. Ganz versunken in den Anblick stand Hans Behrens. In seinem nüchternen Werktagherzen voll Zahlen, Konto büchern und Tippbuchstaben, war eine kleine Saite ange» nachtsgabe, freilich nun als Schulmeisterwerkzeug mißver standen, wie wir schon einmal in einer Chronik des 17. Jahrhunderts lesen: „damit die Kinder sich bei aller Freude aus Furcht vor Schlägen leichter am Zaum halten und leiten lassen, damit sie lernen, daß dem Guten sich stets auch etwas Schlimmes beimische." Auch der bekannte „Weihnachtsstollen" hak seinen ursprünglichen Sinn verloren. Man erkennt ihn sofort aus dem schwedischen Brauche, dem Stollen noch einen Schweinskopf anzuformen, wie er denn dort auch „Jul-Bulle" genannt wird. In der Tat, in diesem Gebäck — man denke auch nur au seine eigenartige Form — lebt das alte Opfertier noch^ort: der Sühne-Eber, der zur hei ligen Zeit der „Wihennachten" vor dem Hochsitz des Kö nigs im Kreise der Mannen geopfert wurde. Auch im Marzipan wird uns heute noch der Kopf des glückbringen den Opferschweins erhalten. — Ter besonders in Berlin so beliebte W e i h n a ch t s k a r p f e n geht dagegen auf die Zeit des jungen Christentums zurück. War doch der „Heilige Abend" für die Kirche als Vigil ein Fasttag. Heute dagegen muß man ihn in Norddeutschland schon den „Bull"- oder „Dickebuuk-Abend" nennen, wegen der vielen Speisen, ohne die man nicht glaubt, fröhlich sein zu können. Man hat ja die Weihuachtstage nicht mit Un recht „Cchlaraffentage" genannt, und doch ist es eine ur alte. allerdings wohl aus dem südlichen Europa kommen de Sitte, sich in diesen Tagen mit Pfeffer- oder Leb kuchen oder sonstwie gewürztem Gebäck den Magen zu stopfen. Da sind selbst die Häuser mit Leckerli be deckt, sodaß auch unsere „Knusperhäuschen" zu Weihnachten ihre alte Bedeutung haben. Wer so sieht, wie in neuerer Zeit bei alledem der Sinn für das alte Christfest immer mehr verloren geht, hat als Freund des Erbes im Väterbrauch seine Helle Freude daran, wie eben heute der Sinn für das K r i p p e n s p i e l wieder auflebt, sei es nun im wirklichen Bühnenspiel oder nur im Aufbau der Figüren-Krippen. Daß in früheren Jahrhunderten auch Männer in bedeutender Stellung sich des Weihnachtsfestes als des hochheiligen Tages der Got tesgeburt frueteu, und zwar kindlich und ausschließlich in diesem Sinne, beweist uns die Notiz des Kölner Rats herrn Hermann Weinsberg: „Anno 1581, den 25, Decem- bris usf den hilligen Christach . . . Hab ich Hermann, mpn Broker und spn Hausfrau) und mpn Suster Sibilla und ander Gesinde den Abendt under unß daß Kyndtgin gewieget, gefangen und mit Ihesulein frolich gewest." So wiegen noch heute die Kinder auf dem Turm des äl testen westfälischen Gotteshauses, der Petrikirche zu So - e st, „das Christkind in den Schlaf", wenn sie ihre Lämp chen heben und senken im Takte des „Gloria", das sie nach allen vier Himmelsrichtungen in die Weihnacht erschallen lassen. klungen, eine längstvergessene, die sang und sang von fernen Tagen. Bon einem alten Mütterlein wußte sie zu erzählen, von einem drallen Buben, der sehnsuchtsvoll des Christkindleins harrte, von Lichterbäumchen und Weihnachtszauber. Von einem Buben, der neugierig staunend sich au das Kripplein drängte, genau so wie die zappelige Schar da vor seinen Füßen. Ein Helles Glöckchen erklang, rasch huschten alle in die Bänke, ein dünnes Orgelchen begann zu spielen, einige Violinen be gleiteten und frische Knabenstimmen fielen ein: „Sei willkommen. Trost der Frommen!" So hell und freudig klangen die Stimmen, so glücks froh, wie der lichte Weihnnchtsglanz, der in ihren Augen lag. Eine kurze Ansprache folgte: einige Worte vom rechten Weihnachtsmenschen mit dem echten Weihnachts herzen: nur wer das besitzt, kann das Wunder von Beth lehem erleben, das sich erneuern will in der heutigen Nacht. Und die Kinderaugen leuchteten und sie stießen sich heimlich an und lächelten sich zu. Jetzt, jetzt vielleicht ist gerade das Christkind bei ihnen zu Hause und putzt das Lichterbäumchen und baut die Sachen auf, die Pup pen und Küchen oder Pferd und Kaufladen und noch was und noch was. Allzuviel wird es nicht sein, denn es sind armer Leute Kinder, die da knien. Doch was es sei, ein Zauber liegt darüber gebreitet, ein Hauch vom Himmels land, ein Staubsädlein von goldenen Engelsflügeln und ein Restchen vom Sternenglanz dort oben. Und die Stimmlein fielen wieder ein: „Laßt uns das Kindlein wiegen!" Flattern nicht musizierende Englein durch den Raum, hocken sie nicht auf den goldenen Spitzen des Al tars und baumein mit den Beinen, klettert nicht eines am Kronleuchter empor? Huscheln sie nicht unter den Tannenzweigen und lugen neugierig nach dem Iesus- kindlein, das seinen ersten lieben Weihnachtssegen der wuseligen.Kinderschar zuteil werden ließ? Wäre nur Altmeister Dürer zur Stelle, er würde malen, malen Getrippel der scharrenden Kinderfüße riß den Träu menden aus seinen Gedanken: sie drängten, schoben und rannten zuk Türe; Heini, schnell, heim, das Christkind ist dagewesen! Hans Behrens stand unter dem Tor. halb verlegen, halb unschlüssig und kramte in seiner Brieftasche. Da polterten sie auch schon über die hölzernen Ehortrepplein herunter, die Sänger mit ihren Geigenkästen. Hm's Behrens begann auszuteilen: jedem der Buben drückte er ein Silberstück in die Hand. Die sahen ihn ein b'ß- cken verwundert an, dann langten sie unbekümmert zu. Wer weiß, wer der Fremde war in seinem Pelzmantel, am Ende gar der Weihnachtsmann selber. Sie nahmen und dankten mit herzlichem „Vergelt s Gott!" Das klang laut hinaus in die Winternacht. Und Hans Behrens schämte sich, daß er nichts anderes zu geben hatte, wie dieses kalte, nüchterne- Geld, das ihn schier an den Fin gern brannte. So arm Kain er sich vor gegen den Reich tum, den diese da oben an ihn verschwendet hatten, ans ihrem übervollen Knabenherzen. Stillbefriedigt ging er nach Hause; nun hatte er doch seine Weihnacht erlebt und er wußte jetzt, daß es ein jeder konnte, wenn er nur wollte; nur das Herz mußte man dazu haben: so ein echtes, rechtes Weihnachtsherz.