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Weihnachten ^926 Das Wunder Bom Himmel in die tiefsten Klüfte ein milder Stern herniederlacht: vom Tannenwalde steigen Düste und hauchen durch die Mji^erlüste, und Kerzenhelle wird die Nacht. Mir ist das Herz so froh erschrocken, das ist die liebe Weihnachtszeit! Ich höre fernher Kircl^englocken mich lieblich, heimatlich verlocken in märchenstille Herrlichkeit. Ein frommer Zauber hält mich wieder, anbetend, staunend muß ich stehn: es sinkt auf meine Augenlieder ein goldner Kindertraum hernieder, ich fllhl's, ein Wunder ist geschehn. Theodor Storni. Das GeßeimnisdersKrippe Bon IosefFeiten Es gehörte ein größeres Licht dazu, von dem gött lichen Geheimnis der Krippe, der Menschwerdung des ewigen Sones zu schreiben. Ein anderes Geheim nis, ein Wunder l e i ch t e r e r Art um die Krippenszene, um den Stall von Bethlehem ist von uns gemeint, zu dem das Kerzenlicht einfältiger Besinnlichkeit leuchten und er wärmen mag. Schöner als mit schwarzer Tinte und oarzen Buchstaben haben es so oft die Meister des Bil- es wie mit rotgelber Kerzenflamme und blaugrünem Lichthof gemalt. Immer stand und steht diese zaubervolle Begebenheit nicht allein am Anfang unserer Heilsge- fchichte, auch zu Beginn der kindlichen Weltanschauung und als letztmögliche Verwirklichung menschlicher Le bensganzheit. Dies ist ein köstliches Geheimnis des Evangeliums, daß diegroßen Wahrheiten alle mit elementarer Gewalt in solch überzeugenden Bil dern aufgetreten sind, sei es die Hochzeit zu Kanaa, der Iakobsbrunnen, der Berg der Seligpreisungen, Golgatha, sei es die Krippe. Im Krippenbilde zumal ist uns ein Werk von einer Geschlossenheit und Beschlossenheit, das ist von einer menschenmöglichen, lebensmöglichen Fülle, Vollständigkeit gegeben, wie es kein Bild der Geschichte mehr zu zeigen vermag: Erde und Himmel, Geschöpf und Gott. Menschen und Engel, Feld und Haus. Ding und Tier, Hirt und König. Eltern und Kind sind im Nahmen der Sinne eingefangen, ein kleines Spiel von der großen Lebensspannung im Daseinsbereiche. „Wennihrntchtwerdetwie die Kinder," wenn ihr nicht mit ungelähmter kindlicher Gläubigkeit sehen u. begreifen lernt.. I Denn was das göttliche Kind hier vollbracht, an die Lebensrettung mit Selbsthingabe zu glauben, das ist jedem Menschenkinde zur Vollendung dargestellt. Dem Menschenleben ist nichts Geringeres we sensgemäß und wesensnötig, als was sich hier in Eintrachtzusammen findet. Ein Leben ohne den Himmel, ohne die Natur, ohne den Mitmenschen wäre ein verkümmertes, versündigtes, ungedeihliches Leben. Was im Paradiese gottgeschaffen lebte, im Zeitalter der Dornen und Disteln verzweifelt oder sehnsuchtsvoll krankte, hier wird es in neuem Bunde wiederhergestellt, um in die werdenden Zeiten als ermunterndes, aber auch als gebie tendes Borbild §>u leuchten. Das Geheimnis der Krippe stellte nicht die paradiesische Ordnung selbst wieder her, sondern gab uns die Kraftzu ihr in die Hand. Wie ist dein Leben, wie stehst du zu den Ord nungen des Lebens, zu Gott, zur Natur, zum Mitmen schen? Jede neue Zeit bringt aus dem Erbalter der Di steln und Dornen neue Lebensgefahren auf, in jedem erb- schuldgeschwächten Menschenkind versuchen die lebens schädlichen Keime ihren Mißwachs. Lebst du da in dem Krtppenbild, lebt das Krippengeheimnis in dir? Schaut unsere Zeit in das Krippenbild, sieht das Krippengeheimnis aus unseren Zeitverhältnissen, aus un serem Volksleben hervor? Du und dein Volk, — mit dir leidet dein Volk, mit deinem Volke leidest du; mit dir lebt auf dein Volk, mit deinem Volke gedeihst du. Alle unsere ge ehrten Fragen des Volkswohles, all bricht zusammen wie Göt» diese Theorie und Philosophie zenbilder vor der e nfältigen Lebensweisheit der Krippe. Hier verstehen sich Gott und Geschöpf, Men schen und Tiere, Hirten und Weise. Sieh hier im irdischen Raum Menschen und himmlische Wesen beseligt und be seligend vereint! In das Dunkel der Erdnacht läßt sich die Engelschar strahlend nieder, und Ihr Glanz verblaßt noch vor dem menschgewordenen Gottessohn. Ein schlichtes Elternpaar dient der Ankunft des Heils, Hirten Knien entzückt vor der Uebernatur, Könige, Gelehrte folgen dem Wunderstern. EinneuesLebenist aeboren. das ver- ME Die Mirkkichkeit des Lßriskkindee (von (Pfarrer Joseph Merke Wen» heute ein Bischof am Weihnachtsmorgen die Tore seiner Kathedrale schließen ließe, um in Pontifikal- gewändern mit großer Assistenz und der gläubigen Ge meinde in einem Stall die Metten zu feiern, so empfin den wir diese Handlung als unwürdig, anstößig: viele Christen feierten s o die Weihnacht nicht mit. Und sie hätten hierin ein berühmtes Vorbild. Wenigstens waren einige Goltesgelehrte der Meinung, die Sünde der En ge! sei ein Verweigern der Huldigung an das im Stalle öeborene Christkind gewesen. Aber die erste Weihnacht ist wirklich in einem Stall g'efeiert worden. Wir erleben Weihnachten als Poesie, als Abglanz der Wirklichkeit. Das Kindlein in der Kriv- pe mit Maria nnd Joseph, mit den armen Hirten, das ist uns W e i h n a ch t s z a u b e r, Weihnächte r omanti k — süße, angenehnie Stimmungen ziehen durch innere Seele, sie aber sind leider so unwirklich und bleiben unwirksa m. Die Poesie der Weihnacht er leben ist etwas anderes als die Wirklich keit der Weihnacht erleben. Nnd doch ist die erste Weihnacht nicht nur eine historische Tatsache, sondern ein Symbol, und doch ist Christus nicht einmal geboren worden, sondern er wird in der Taufe i m in crwieder - geboren: denn jeder Getaufte ist Christus, ist es we nigstens solange die Taufgnade in ihm als neues Leben sich regt. Anstößig, ä r g e r n i s e r r e g e n d ist die erste Weih nacht für die Menschen gewesen. Wie anders wäre Jesus von Nazareth als Messias in Israel ausgenommen worden, wenn er in einer reichen Priesterfamilie geboren worden wäre! Der M a k e l d e r A r m u t, der ihm an haftete, ist ein Hindernis für seine messianische Sendung gewesen. Wir Christen sind noch nicht völlig in unserem Denken und Empfinden über dies Hindernis hinweg. Der historische Christus erregt durch seine Armut bei den anderen Aergernis. Er s e l b st aber, eingeweihk in die Gedanken nnd Absichten des Vaters, n i m m t k e i n Aergernis an seiner Geburt. Ja die Armut, als köst liche Morgengabe ihm in die Wiege gelegt, bleibt dauernd seine innige Liebe, Mährend der Reichtum von ihm mit einem vielfachen Wehe bedacht wird. Der „zwestte Ehrt st ns", der Getaufte, ist nicht allein ein Asraernis der anderen, falls er arm ist, sondern er nimmt selbst An stoß an seiner Armut: denn die Armut erscheint ihm als Hindernis für seine messianische Sendung. So ist auch der Christ dazu gekommen, ein Gläubiger d e-s moder nen Reichtums im Sinne unbegrenzten Gewinnstre bens zu werden. Und er bedauert, daß in diesem Punkte die Weltmenschen uns zum Schaden des Gottesreiches überflügelt haben. Wie ganz anders könnte die Kirche, so meint dieser Christ, auf erfolgreiche Eroberungen ous- ziehen, wenn die Geldquellen reichlicher flössen. — O Men schentorheit, die weiser sein will als die aus dem Urquell geschöpfte Weisheit des Menschensohnes! Ihm sind nur die in der Armut gewonnenen Erfolge wertvoll für das Kottesreich. Und seine Armut ist das genaue Gegenteil nickt etwa irgendwelchen Besitzes, wohl aber des sich selbst vermehrenden Besitzes, also des Reichtums unserer kapitalistisclzen Zeit. Ihr ist nicht zu hel fen, wenn man zum falschen Glanz des Reichtums noch den Lichterglanz der Weihnacht fügt, auch nicht. wenn man Franziskusjubiläen feiert und von dem gotischen Hei ligen schwärmt, dabei an der W i r k l i ch k e i t der Weih nacht, an dem bitteren und unerbittlichen Ernst eines hl. Franziskus vorübergeht, wie die große Mehrzahl der Christenheit es liebt. Die herrlichen Feste des Christenheit bedeuten erst dann etwas für den Fortschritt der Christen, wenn sie z u d e n g a n z e i n f a ch e n ch r i st l i ch e n T a t s a ch e n zurückkehren und sic ernst nehmen. Vorläu fig nehmen wir es noch nicht ernst, wenn mir die Verwäs. serung des Heroischen im Christentum herabstimmen sehen zur sauberen, glatten Bürgerlichkeit. Wir sollten es beispielsweise nicht ernst nehmen, wenn Volks wirtschaftler uns klar machen wollen, das System der ka- pstilistischen Ausbeutung könne nicht übe.wunden wer den. well sonst e'n großer Teil der Menschen verhungern müsie. Ais ob nicht gerade dieses Wirtschastsstrstem diese Mensche > mehr als ein'-::! ohne Not hätte bitteren Hun- ge iden lassen! Man führe auch nicht an. daß die Kirche gegen das Herzstück dieses Systems, gegen das Zinsneh- wrn längst nichts inebr einzuwenden Hobe, den» daß die Kirche nichts daoegen einzuwenden Hobe, ist Lüge. So hat auch Gott nichts einznweuden gehabt gegen die Viel weiberei der Inden, s o Hot die Kirche nichts einzuwen- den gehabt gegen die Sklaverei. Und heute sollte die gei stigste Macht nichts einzumenden haben gegen die Skla verei des Geldes, gegen eine Dünwnie, die den Menschen die Seele aussaugt, die die Menschen in Klassen auseinanderjagt, die einen znm Verkommen in äußerster Not, die anderen zum Verkommen in Ueberfluß! Wer das glauben kann, der gebe den Glauben ans an das C h r i st k i n d im Stalle von Beth lehem und an den unter uns fortlebenden Christus: der höre aber auch auf, Weihnacht zu feiern, für Franziskus zu schwärmen: denn das ist stillos, solches zu tun muß der Geschmack verbieten. Ich weiß, daß inan den Prediger in der Wirtschafts welt nicht schätzt: auch die katholischen Wirtschaftler schät zen ihn nicht, weil „Ideologien" auf diesem Gebiete har ter, unerbittlicher Tatsächlichkeit wertlos wären. Man kann diese Leute, die sich nur überzeugen lassen, wenn eine Maschine läuft, nicht überzeugen. Dafür ist ein Men schenleben meistens zu kurz, die Macht der „Ideologien" ersahrungsgemäß festzustellen. Wir aber wollen in aller Bescheidenheit dqran sesthalten, das nur die großen Prediget wild nicht die großen Bankiers und Techntck-er dem wirklichen Fortschritt gedienthabem Wir werden die Techniker nicht schel ten; aber wir müssen uns dagegen wehren, wenn man uns glauben machen will, daß das kapitalistische Zeitalter der Technik das Christkind des avouiert habe, weil es das Christkind desavouieren wußte. Die Prediger in Wort und Tat gegen den furchtbaren Weltunsinn der Vernachlässigung des Christ kindes nnd der ewigen Anbetung des Kapitals in asten, auch den fluchwürdigsten Farmen, fehlen uns gar sehr. Hier und da steht einer ans, aber seine Stimme verhallt im Orkan der sausenden Maschinen und der Schrei derer, die von der Maschine Brot haben wollen. Auch über die meisten Prediger ist an Stelle des Gott vertrauens eine Welt- und Lebensangst seine Folge der berühmten Weltanschauungen!) gekommen. „Betrach tet die Lilien des Feldes" ist ihnen ein unmögliches Pre digtthema geworden. Aber Welt- und Lebensangst sind untrügliche Zeichen des Heidentums, die finstere, uner trägliche Tragik ist hier zu Hanse. Im Christentum spielt das Kind, die Weisheit, zu Füßen des Baters. Im Zeichen dieses Spiels, im Zeichen der Weisheit desKindesist ein Sieg möglich über jede Welt- und Lebensangst. Das Christkind ist Wirklichkeit! Daß wir sie doch erleben könnten! Daß die Kinder-Christen Wirk lichkeiten wären! Wann wird es sein? Dann, wenn wir wieder ganzes Vertrauen haben werden. Kümmerte Leben der Vorzeit hat wieder Licht und Blüte erhalten. Mit vollem Einklang, mit ganz menschlicher Einsicht wird das kindliche Gemüt dieser Lebensfülle inne: dies war dein Glück, als du einst an der Weihnachtskrippe die Engel singen hörtest. Und heute, und immerdar, was ist dein, was ist unser Leben ohne die ewige Christnachts glorie? So wohnt ein Gottessohn: die Wiesen Beth lehems wachsen zur Türe seines Hauses herein, grobes Linnen umhüllt seinen Leib. Heu und Stroh sind sein La ger, das Haus der Schafherde wählt er zu seiner Woh nung, unter dem Hauch gutmütiger Tiere sucht er Wär me. Dies istdasirdischeGeheimnisderKrlp- p e. Dies war der andere Zauber, der dein Kindergemüt bestrickte: es mar noch so schöpsungsnah, das Heil unserer Natur in der geschwisterlichen Nähe mit jener anderen Natur zu ahnen. Diese Botschaft steht nicht ausdrücklich geschrieben, sie war in jener frühen Stunde noch zu selbst verständlich. Heute, da wir groß geworden sind, da un sere Zeiten groß geworden sind, doch so klein an der Geschwisterlichkeit mit Natur, mit Gras und Stein nnd Stern und Tier, da wir so reich geworden sind, und ach o arm an Armut, Einfalt, Herbheit, Seligkeit, da wir o fortgeschritten sind, ach io weit fortgeschritten von den rdtschen Quellen des Lebens, von der Krlvpe dort - heute esen wir diese irdische Heilsbotschaft zwischen den Zeilen rer ewigen Worte, und im Krippcnbilde stand sic schon immer Strich um Strich. Farbe um Farbe Innig verwoben mit der Eingeburt des Heilands. Sieh noch im engen Hause die B r ü d e r l i ch k e i t der Menschenkinder. Nun, da sie ihren Vater an seinem etaensten Solme erkannten, wie verstanden sie ' sich da! Da kniet das königliche Mädchen aus Davids Stamm neben dem angetrante» Zimmer»,annssohn, da sind Hirten in grober Schlichtheit ihr Besuch, da gesellen sich, vergessend ihres heimatlichen Prunks, Völkersürsten zu der unansehnlichen Gruppe. Wie. gefiel nnserm Kin dersinne nicht aus ursprünglichem Herzen diese Völker familie, diese Volksfamilie! Denn das Kind ist noch so, es gibt nicht von ungefähr jedem Fremden, der ihm ja ,ein Fremder ist, verwandtschaftliche Namen, es unterhält ich mit dem Bettler an der Türe und bringt ihn zum Hau- e herein. Zug um Zug und Farbe um Farbe sind die Botschaften der astmenschlichen Lebensgemeinschaft in unserem Krip- penbilde zu innigstem Leben verbünde», lind keine die ser Lebensadern könnte hinwcggedacht werden, ohne daß die natürlich-übernatürliche Vollendung dieses Lebens- munders litte, und kein anderer Bestand könnte hinznge- dacht werden, als ob er eine Wesensverbesserung ergäbe. W a s h ä l t u n s a b. z n j e n e in Krippengehei > i- niszu gehen, uns in seine Welt zu knien, unser Le ben »ach seiner Offenbarung zu berichtigen? Die Augen unserer Zeit gehen wohl mit Verlangen nach dem Krip- peubildo, aber ihr Verstand klebt an -Veilfragen nnd ihr Herz hängt an Teilmerten. Unsere K önigeopfern nicht gern ihre Schüße, unsere Hirten be geh r e n n a ch i r d i s ch e r P r a ch t. Maliern von Men schenmerk nnd Vorurteilen hemmen ringsum, Gräben von Ungeistigkcit und Freudlosigkeit erschweren den Weg. Und doch blüht Advent wie ein Kerzennieer im Lande, lebensstarke Sucht nach Himmelsklarheit, nach Natur nnd Brüderlichkeit. Schon dämmert unsere bange Nacht — d i e C h r i st n a ch t w a r t e t. >>'