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Sonnabend, den 25. Dezember 1926 Unterhaltungsbeilage In Winters Märchenland Slrenger Winter? — Schnee in den Bergen Das Eisschloß .^Propheten, die Gelehrten von den Obser vatorien. w.e die Bauernpropheten haben diesmal über einstimmend einen langen und harten Winter verkündet. Noch ist es nichts Rechtes mit der Erfüllung ihrer Pro phezeiung. Der erste Anlauf, den der Winter nahm, hat nur wenige Tage gedauert und das herrliche Schneemeer im Niesengebirge und im Schwarzwald ist schnell wieder zu Wasser geworden. Aber neue Frostwellen lassen für die Festtage, für die traditio nellen Winterferientage zwischen Weihnachten und Neu jahr auf einen echten, rechten Winter mit Schnee und Eis hoffen. Die Sportbegeisterung unserer jungen Generation, die Sehnsucht der Großstädter, in wiedergewonnenem, en gerem Kontakt mit der Natur aus den Fesseln der ewi gen Eintönigkeit und nervenaufreibenden Intensität des Großstadtverkehrs sich zu befreien, die langsam einsetzende Wicderbesinnung ans die erzieherischen und Menschen bil denden Werte der Natur haben schon in den letzten Jah ren eine starke Belebung des Wintersports aller Art mit sich gebracht. Die weite, weiße Fläche der verschneiten Berge lehrt den Blick weiten, macht unfern Horizont wieder weit und klar, schasst in nns die Gewißheit ewiger, reiner Schön heit, eine Gewißheit, die gar oft im Lärm und Qualm der Maschinen zu ersticken droht. Ein Tag nur auf den Kamm des Riesengebirges in der kalten, klaren Winterluft mit ihrer Härte und Fri sche gibt für viele Tage des kommenden Jahres neue Le benskraft und inneren sittlichen Halt. Schon in Hirsch- berg beginnt das Treiben der sportfrohen Menge, die nicht nur aus ganz Schlesien, die auch aus Berlin, aus Sach sen und Thüringen herbeieilt, um gerade in diesem, ver kehrstechnisch günstig gelegenen deutschen Mittelgebirge für wenige Tage in den Freuden des Wintersports sich zu erholen. Die offizielle Sportsaison hat noch nicht begonnen, und doch schon überall Skifreudige und Rodelschlitten. Eifrig wird diskutiert, wie tief die Schneegrenze schon reicht, wie weit man mühsam Rodel und Skier aufwärts schleppen muß. denn hier unten sind noch einige Grad über Null und manchmal rieselt feiner Regen hernieder. Aber schon im Krummhübeler Talkessel liegen weite Schneefelder und der Niesenkamm ist ein einziges, großes, weißes Tuch gehüllt. Die ganze Schönheit des Winters wird erst der harte Frost und der Nauhreif bringen. Wenn die mäch tigen Tannen unter der gewaltigen Last des Schnees sich beugen, geheimnisvoll schweigend wie weiße Gespenster durch die sternklare Nacht leuchten, wenn des Rauh reifs Milliarden zarte Nadeln die köstlichsten Gemälde an jedem Baumstamm hervorzaubert, wenn die Signal stangen der Hörnerschlittenstraßen die meterhohen bis auf wenige Zentimeter im Schnee versinken, wenn aus der Schneegrubenbaude ein geheimnisvolles Eisschloß geworden ist, dann geht das ganze Wunder der großen Natur uns in unendlicher Klarheit auf. Leider fehlt an den verantwortlichen Stellen noch immer viel Verständnis für die große Bedeutung, die auch nur wenige Tage der Erholung in den Schneefeldern unserer Gebirge für die Volksgesundheit und für die Volkswirtschaft bedeuten. Nur wenige Sportarten stärken Nerven, Muskeln und Lungen gleichzeitig in solchem Ma ße wie Ski- und Nodelsport oder auch nur die Fußwan derung durch die verschneiten Berge es tun. Umso bedau erlicher ist die Tatsache, daß die Eisenbahnverwaltung sich noch immer nicht entschlossen hat, zu den Zentral punkten der für den Wintersport in Frage kommenden deutschen Gebirge brauchbare Nachtverkehrsverbindun gen zu schassen. In ganz besonderem Maße gilt das für das Riesengebirge und seine Verbindung mit der Reichs- Hauptstadt und den anderen größeren Städten des Sach senlandes, aber es gilt auch die Verbindungen von Nord- deutschland nach den bayrischen Bergen und nach dem Schwarzwalde. Im Interesse der Volksgesundheit muß verlangt werden, daß eine noch größere Verbilligung der Fahrpreise für die Sonderfahrten eintritt und daß vor al lem auch die regelmäßigen Berkehrsverbindungen so ge staltet werden, daß von den großen Städten aus mit einem Abend- und Nachtzuge die nächstgelegenen großen Winter sportplätze der deutschen Gebirge erreicht werden können. Für das Riesengebirge hat diese Frage noch einen besonderen nationalen Charakter. Die alten Freunde des Riesengebirges konnten in den letzten Jahren bemerken, wieviel stärker das tschechische Element unter den Nie- sengebirgswanderern hervortrat. Die tschechoslowakische Negierung macht alle Anstrengungen, uni einen Strom von Ausflügler«, Erholungsreisenden und Sportlern in das Riesengebirge zu lenken. Man hat Automobilverkehrslinien geschaffen, die blendende Verbin dungen nach den Eisenbahnknotenpunkten Herstellen. Alan hat eine Automobilstraße, die sicher keine Bereiche rung des Riesengebirges darstellt, bis zur Spindlerbaude gebaut. Mar. gewährt weitgehende Fahrpreisermäßi gungen, veranstaltet besonders billige Touristenausfiüge, kurzum sorgt mit Eifer dafür, daß die tschechische Sprache nicht nur im tschechoslowakischen, sondern auch im deut schen Teil des Niesengebirges möglichst viel gehört werde. Auch aus diesem Grunde ist es dringend erforderlich, daß die zuständigen Behörden für eine Erleichterung und Ver billigung des Verkehrs nach den schlesischen Bergen Sorge tragen. Die Tage des Wintersports liegen vor uns und von ihnen gilt, daß ein Tag Winterurlaub zwei Tagen Sommer- urlaub gleichzusetzen ist. Wem irgend Arbeit und Mittel es gestatten, den Lärm der Städte gegen den Frieden der verschneiten Berge einzutauschen, darf um seinetwillen und um der Volksgesundheit willen, keine Stunde zögern. Ob Rodel oder Skier, ob in sausender Fahrt über die verschneiten Hänge oder langsam durch die Wunderpracht der schnee beladenen Wälder, jeder Tag in der Winterpracht von Eis und Schnee ist Gesundung an Leib und Seele. Bergaufwärts. Von Schreiberhau aus werden die Rodelschlitten n jiöhlicher Fahrt zur Berghöhe auswärts geschleppt, von der «s dann in sausender Fahrt zu Tale geht. Die Schneepracht. Aus oem Kamin des Niesengebirges haben die Schncemasseu aus den Bäumen seltsam geheimnisvolle Kestallen gesonnt. Unser Bild zeigt die Neisträgerbaude. Die Eisburg. Die Schnecgrnbcnbaude im Niesen- l Schrciberhaus, vom Nauhrcis völlig cin- aebirge, IllOü Meter über dem Meeres- gehüllt, bietet einen phantastischen An. spiegel, auf der Kaminhöhe oberhalb I blick. Auch die Schuljugend führt schon auf Skiern. Ein Winterbild aus Altenau im Harz.