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Nummer 288 — 25. Jahrgang »mal wöch. Bezugspreis siir Dezbr. 3,00 einsclst. Veliellpelo Sinzcigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 30^. Stellengesuche 20 H. Die Petitreklmnezeile. 8g Milli» meler Lieit > Osseriengebühren siir Selbstabholer 20 .Z. bei llebersenüung ourch oie Post anßeroen» Partozuschlag, Einzel-Nr. 10 >Z. Eonnlags-Rr. lk Geschäft! Teil' Friedrich Nieser in Dreeüen. SttckWie Dienslaq, 2l. Dezember 1926 Am Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v Schadenersatz. Für unoeutl. u. s. Fern ruf llbermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung, Unverlangt eingefanüle u. m Rückporto« nicht versehene Manuskripte werü. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert, Dre^e» rsiii'i'sai»!' prellt«, krgzlrteüs billigst LUN Uresüen - >K lVsliinsrstrsSv 43 volmeliung k«l. 1M>»ll1 0rs««ien-A. p rsger Ltr. 34 »siulbeliulis Ltriimpli »»teschästSstelle, Druck und »Verlag > Saionia- Buchdruckern GmbH., Dresden««. I, Polierstruhe 17» Plerurus 21VI2. Poslscheckksulo Dresden I47V7. Biuikkoiilm Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Politik und Kuliur MMM «IltSÜlWlIilMlI rc«ii.okir - nlnvsk».LL0«i« f-i-nspr-ckei-17S72 pillnii-er Sii-aNe 1S kill!« VImMWi' i-.I. MUMsWlIen UkMkWe, Aial- uiid KkimWliier Po» Abgeordnete» A » d r e - Stuttgart „Das Zentruin hat es wieder geschafft", sagte dieser Tage ei» demokratischer Abgeordneter zu einem Mitglied der Zentrumsfrahtian. Er meinte dabei die Erreichung von W e i h n a ch t s b e i h i l f e n für Erwerbslose, So zial- und Kleinrentner. Anläßlich der Verabschiedung des Nachtragsetats zum Neichsarbeitsministerium wurden zu einmaligen Notstandsmaßnahmen für langfristige Er werbslose, Sozial- Md Kleinrentner 25 Millionen Mark bewilligt. Die Verteilung der Summe ist so gedacht, daß etwa 18 Millionen Mark auf die Sozialrentner, 5,5 Mil lionen auf die Erwerbslosen und 3,5 Millionen auf die Kleinrentner entfallen. Ter Zentrumsantrag selbst lau tete: „Aus dem Betrage von 25 Millionen Rm. sollen als bald als einmalige Notmaßnahine gezahlt werden: t. an die Hauptunterstützungsempsänger ans der Er- werbslosenfürsorae, soweit sie über 28 Wochen er werbslos sino, elnschllegllcy oer Zuschlagsempsän- ger, sowie an die Empfänger von Unterstützungen, die auf Grund der Krisenfürsorge gewährt werden, ein Betrag in Höhe einer halben Wochenunterstüt- zung. 2. an die Empfänger von Renten aus der Invaliden versicherung ein Betrag von je 6 Reichsmark auf jede Invaliden-, Witwen- und Witwerrente und von je 3 Mark auf jede Waisenrente. 3. an die zum Empfang von .Kleinrentnerfürsorge be rechtigten Personen ein Betrag von je einem'Drit tel der Monatsunterstützung." Bevor der Antrag im sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags gestellt und im Hauptausschuß endgültig ver abschiedet worden ist, wurden über die Gewährung dieser Weihnachtsbeihilfen eingehende Verhandlungen mit der Reichsregierung geführt. Die Zentrumsfraktion lehnte es zwar ab. diese Weihnachtsbeihilfeaktion mit jener siir die Beamtenschaft zu verbinden, weil die rechtlichen Bor aussetzungen ganz anderer Art sind. Unbestreitbare Tat sache ist aber, daß die Zentrumsfraktion ganz allge mein die Gewährung der Weihnachtszulagen für die langfristigen Erwerbslosen, die Sozial- und Kleinrentner angeregt und auch allein durchgesetzt hat. Erst als die Vereinbarung mit dem Neichskabinett vorlag, brachte das Zentrum den Antrag der Abgeordneten Teusch, Andre. Esser und Kerp im sozialpolitischen Aus schuß des Reichstages ein. Die Regierungsparteien wur den zuvor eingeladen, den Antrag mit zu unterzeichnen. Die Deutsche Bolkspartei wollte zwar die Weih nachtsbeihilfe für die Sozial- und Kleinrentner bewilligen, nicht aber für die langfristigen Erwerbslosen. Das Zen trum hielt jedoch an seiner Auffassung fest und so wurde zuletzt ein Einverständnis mit dem Hauptausschnß bei der Vorwilligung der Mittel innerhalb der Regierungspar teien erzielt. Wie stets, versuchten auch hier die Sozialdemo kraten und Kommunisten das Wasser auf ihre Mühlen zu lenken. Die Sozialdemokraten haben es aber unterlassen, bei den Verhandlungen über die Weihnachts zulagen an die Beamten auch nur mit einem Wort ein malige Beihilfen für Erwerbslose, Sozial- und Kleinrent ner für Weihnachten zu fordern. Als aber das Kompro miß mit der Reichsregierung sin Höhe von 20 Mill-rnen Mark) fertig war, brachten Sozialdemokraten und Kom munisten weitergehende Anträge ein. Es ist das unbe strittene Recht der Opposition, so zu handeln. Darüber kann aber kein Zweifel bestehen, daß ohne das Vorgehen des Zentrums weder die kommunistischen noch die sozial demokratischen Abänderungs- und Erweiterungsanträge gestellt worden wären. Die Sozialdemokraten wandten sich insbesondere dagegen, daß den Kleinrentnern ein Drittel ihrer monatlichen Bezüge gemährt werden solle. Statt 25 Millionen wollten sie 80 und die Kommunisten 30 Millionen bewilligt haben. Wie ernst der sozialdemo kratische Antrag auf Bewilligung von 60 Millionen Mark für diese Notstandsaktion von der Sozialdemokratie ge meint war, ließ der Abgeordnete Hoch in seiner Rede durchblicken, in dem er der Frau Abgeordneten Teusch zu rief: „Wenn Sie wüßten, daß Sie 60 Millionen durch- brächten, hätten Sie doch auch diesen Antrag gestellt!" Das ist die beste Selbstkritik gegenüber dem sozialdemo» Die »Bescherung" Nötige Betrachtungen zur drillen Weihnachtskrise — Die Deutschnatiouaten haben ihre grosse Stunde versäumt — Abermals eine MindeiheitsregieiunZ? Aus pnilamentarischrn Kreisen wirb uns geschrieben: Was sink wir Deutsche vach sür ein ..politisches" Volk! In einem Augenblick, in welchen» die deutsche Außenpolitik mit einem unzweiselhaslen Erfolge «bschließt. in diesen» Augenblick, in welchem die s r a » z ö s i s ch e Regierung alle Mühe. Hai. sich zu halten, aber trotz schärfsler Opposition tatsächlich auch ge Halle» wird, in diesem selben Augenblick stürzt der deutsche Reichstag seine Regierung, die diesen Erfolg errungen hat und de» Außenminister, der nicht zuletzt wegen dieser Regierungs« Politik den Nobslprei s erhalten hat! Uno nun erleben wir zun» dritte» Riale das Schauspiel, daß gerade zu Weihnachten das deutsche Volk eine „Bescherung" in Gestalt einer Regierungskrise erhält. In keinem anderen parlamentarischen Lande wäre es auch möglich, daß eine Gruppe von Parteien eine Regierung stürzt uns oast oa»„ oiese Parteien das Parlament ans Wochen ci»s- einandergehen lassen, wie wenn nichts geschehen wäre! In einen» anderen parlamentarisch regierte»» Lande wäre cs freilich auch nicht möglich, daß eine Regierung gestürzt würde, ohne oaß die- jenigen Parteien, die die Ursnäp: dafür abgeben, nicht zuvor sich auch überlegten, was danach kommt, und wenn sie nicht schon vorher die Vorbereitungen für die Bildung einer neue»» Negierung und die Uebernahme der Verantwortlichkeit für die Führung der Geschäfte träfen. lieber all diese, unter dem parlamentarischen Spstem Selbstverständlichkeiten darstellende Frage hat man sich im deutschen Reichstage gar kein Kopfzerbrechen gemacht. Und wie wenn nichts geschehe»» wäre, so hörte man unmittelbar nach den» Sturz der Regierung auf die Frage, was soll nun wer den: eine Negierung der Rütte! Also um eine Regierung der Mitte zu schassen, soll die Re gierung der Mitte gestürzt werden, und das ist der Weisheit letzter Schluß für die Politik der Regierungsstürzer! Allerdings war das Bild, das die Vorgänge um den Sturz der Regierung Marx boten, recht ku»nerb»»!t. In de»» der Ab stiinniung über das Mißtrauensvotum vorangegangcncn Eiats- abstimmungen und besonders bei den übersteigerten, rein agi tatorischen Anträge», die weit über die Regierungsvorlage hin ausgingen, haben sich D e u t s ch n a t > o n a l e. 2 o z ia ld e m o- kraten und Kommunisten »»inner wieder zusammen gekniden. uni »ege n die Regierungsparteicn und gegen dis Regierung zu stimmen, Wie märe es. wenn man. »vie das unter parlamentarischem Snstem ganz selbstverständlich wäre, diese Parteien eine neue Koalition bildeten, »m ihre Aussassungen zum Durchbruch zu bringen? Den» nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Deutschn.ilionalen muhten in» innersten überzeugt sein, und sie waren auch davon über zeugt. daß diese Aniiöge nicht verwirklicht werden können, ja, daß ihre Aussiihrnng die schwersten Schäoen siir die Gesamtheit des Volkes und des Landes mit sich bringe» müßte. Und seunoch wird lediglich aus reii» agitatorischen Gründe»» solchen Anträgen Beihilfe »»ach den» Vorgänge beim Reich und Staat gewährt zugestiinint. Das ist doch keine sachliche, verantivortungsbewußb', sondern eine unsachliche, agitatorische und den» Staatswob> ab trägliche Politik. Tie Teutschnationalen habe»» wieder einmal eine große Stunde ungenutzt gelassen. Jetzt wäre oer Augenblick gewesen, in dem sich aus der großen einheitlichen nationalen Linie die Tcutschnationalen mit den Mitlelparteien hätte»» sindcn kön nen. Tie ganze Krise erwuchs, abgesehen von der tatsächlich ihren letzte» Ausgangspunkt bildende» Rede des volksparteilichen Führers Scholz in Insterburg, aus dein Kampf der Sozialdemo kraten gegenüber der Wehrmacht. S ch e iü e »na n n zerschlug dann noch aus oisener Reichstaas.trib,in» -NloL aas übrig geblieben war. und die einhellige Empörung des gan zen Reichstags war gegen ihn, so daß die Sozialdemokraten tat sächlich im Parlament völlig isoliert waren. Aber das sozialdemo kratische Mißtrauensvotum richtete sich, »venu auch daneben »och ein eigenes Mißtrauensvotum gegen Ge ß l e r lies, gegen die Re gierung Marx, »veil eben Gehler dieser Regierung an- gehörle und »veil die Reichsiveblpolitik dieser Regierung von den Sozialdemokraten bekämpft wurde. Und »un sieht man die Dentschnalionale» in der Abstim mung über das sozialdemokratische Mißtrauensvotum Hand in Hand mit den Sozialdemokraten! Das ist ein geradezu niederschmctternoes Viid gewesen, als sich die Teutschnationalen mit den Sozialdemokraten für Scheide m a n »» und gegen die R eichs »v e h r erhoben. Selbst di« Deutsche Volkspartei hat in ihrer Pressekorre- spondcnz ausgesprochen: „Was werden die Teutschnaiionalen iw»? Werden sie die Negierung im Kamps um die Reichswehr im Stiche lassen, so. »vie sie im Mai Dr. Luther im Kampse un» die Hanoelsslagge falle» ließe»? Wer jetzt gegen das .Kabinett stimmt, der stimmt sür Scheideman n !" In einer ander-:.» offiziellen Erklärung, die die Deuisclie Volkspartei noch dein Sturz der Regierung abgab. wird aus gesprochen. daß die Deutschnationalen den» Abgeordneten Scheide- man zu einem unverdienten Erfolge verholse» hätten. I» der Tat: s a liegen die Dinge. Mögen oie Deutschnatio- „aien das mit aller Uebcrredungskunst zu bestreben suchen. Der Effekt ist da. die Deulschnationalen liaben i m B »»»de mit den Sozialdemokraten und den Ko m n» u n i st e n die Re gier u n g M a r x g e st ü r z t. die in einem unsagbar schweren Kamp» um die Erhaltung der Reichswehr als ein nationales In strument mit den Sozialoemokraten und den .Kommunislen lag! Und für diese „Bescherung" muß sich das ganze deutsche Volk bei den D e u t s ch n a t i o n a l e » bedanken! lrratischeii Antrag! Er würde zu Agitationszwecken ge stellt, an sein „Durchbringen" glaubten die Antragsteller selbst nicht. Iin Plenum des Reichstages führte die ganze An gelegenheit zu einer ebenso gründlichen wie stellenweise scharfen Auseinandersetzung zwischen der So zialdemokratie und dein Zentruin. Auf die zum Teil irreführende Sachdarstellung der Abgeordneten Hoch und Frau Schröder sbeide Sozialdemokraten) ant wortete in klarer und überzeugender Rede namens des Zentrums die Frau Abgeordnete Teusch Gegenüber den sozialdemokratischen Verdunklungsmanövern betonte sie einleitend, daß es Zeit sei, die breiteste Oesfentlichkeit über das Zustandekommen dieser Weibnachtsnotstands- aktion zu informieren. Sie stellte unter starkem Beifall des Reichstages fest, daß die gesamte Initiative sür diese Notstandsmaßnahmen vom Zentrum ausgegangen ist. Die 25 Millionen wären n,i ch t in den Etat hineinge- komwen. w e n n n i ch t d a s Z e n t r u m s i ch f ü r d le se A c r m stender A r inenals P arteiundFr a k- t i o n i n z ä h e in K a m p f e i ii g e s e tz t h ä t t e. Frau Teusch legte sodann im einzelnen dar. daß. als die Be amtenaktion vor Weihnachten gefordert wurde, sich die Zentrumsfraktion darüber klar war, daß diese nicht ge macht werden könnte, ohne auch an die Kreise zu denke», die man nach der Fürsargepflichtverordnung unter die So- zialhedürftigen zählt. Im weiteren Verlaus ihrer Ausfüh rungen wies sodann Frau Teusch die Unzweckmäßigbeit und sachliche Unmöglichkeit, den sozialdemokratischen Antrag zur Annahme und raschen Durchführung bringe» zu können, nach. Der Zentrumsanirag verbürge allein die Möglichkeit der Durchführung noch vor Weihnachten. Es würde zu weit führen, auf weitere Einzelheiten cinzugehe». Hier kommt cs nur darauf an, sestzusteilen, daß der Frau Abgeordneten Teusch der Beweis völlig ge lungen ist, dahingehend, daß ahne die Zentrnms- initiative die langfristigen Erwerbslosen, sowie d>e Klein- und Sozialrentner ü b erha n p t k c i n e W cih- nachtszulage erhalten haben würden. Gewiß sind die Beihlifen im Einzclfall gering. Ein Spatz in der Hand ist aber mehr wert, als eine Taube auf dem Dache. So kann ich diese Sachdarstellung mit den Warten der Frau Teusch im Reichstag schließen: „Ich werde an dem. was ich gesagt habe, festhalten, in dem Bewußtsein, das Beste gewallt, und das Gute, was eben möglich w a r und i st, er- reicht zu habe n." .Ä