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Nummer 139. — 25. Jahrgang «mal wöch. «.zugsprel. für Juni »^- .« «mschl. Bestellgrld. «nzel^npntse: Die 1-esp. Petitzeiie »«L. StellenMsuch« A Z. Di« P«titreKlamez«U, M Milli, meter breit. 1 Ul. Offertengebühren für SelbstÄ>yok« Lv L bei Übersendung durch die Post autzerdem Bortozuschlag. Einzel-Nr. 10 L. Sonntags-Nr. 1» H. ^eiEl. Teil! I. Hillebrand ln Dresden. söctMsttie Freitag, 25. Juni 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflicht«» auf Lieferung sowie Erfüllung v. AnzeigenauftrSgeN! u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Aer«! ruf üdermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ve»y antwortung. Unverlangt eingesanüte u. m. Rückport» nickt versehene Manuskripte wer» nicht aufbemahr Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmitb HouptschrisUeit.: Dr. Joseph Albert. Dresdeck! whrk, tag^ iümlllliMiWke sller ^rt «ovie TubeliSi» unü kspsreturen bei 1-onem vrescien-^. I.üttieksu»1e.6 volrszeiiuna ves,«1ner >» kirekksll»» a.-a. 17 ^v. -Vltm. s. I. I-ernrus 210-4 .29736 IZ455 weichattSfteUe, Druü nnd «erlas! Saxonia. Auchdruikere! GmbH.. DreSden-il. I, Polierslrasie 17. stemr», 21012. PokNcheikkonIo Dresden 117S7 BanNonIo: Bagenae L irrtesikie. Dresden. Für christliche Politik und Kultur Medattton der Lnchsilmeu BolkSzettun» TreSden-AUsladt I. PoNcrllrasjk >7 gernrn« M7U nnd 21012. Kr«,» Kundert Limmer kinrietitungsn ru jeciem annehmbaren Preis ,po»tt»««IIS ,u u»r«,»u»sn >» ^vdeUnÄustrie vrercisn, PUInUrer Strsks 2S Der neue Finanz-iktawr Die Zukunft Oesterreichs Von Bundeskanzler a. D. Dr. Seipel (Nachdruck Verbote»,,.). Zu den Eigentümlichkeiten des neuen, nach dem Welt krieg geschaffenen Oesterreich gehört es, daß man sich ununterbrochen über seine Zukunft den Kopf zerbricht. Es geschieht dies merkwürdigerweise außerhalb Oester reichs selbst. Wenigstens dieser Einseitigkeit in der Be schäftigung mit unserer Zukunft ein Ende zu machen, ha ben wir im Jahre 1922 versucht. Die vielbesprochene „Ausrottung der österreichischen Frage" durch die Kanz lerreisen nach Prag, Berlin und Verona hatte wesentlich den Sinn, daß Oesterreich seinen Nachbarn klar machte, es werde von nun an nicht mehr bloß Objekt der Politik der anderen sein, sondern seine Zukunft, natürlich im Rahmen des imter den gegevenen Verhältnissen Mögli chen. selbst m i t b e st i m m e n. Dazu forderte und erhielt es die politische Unterstützung des Völkerbundes, die die Voraussetzung der finanziellen Aktion für Oester reich war, an der sich in irgend einer Form fast die ganze Welt beteiligte. Der Umstand, daß Oesterreich selbstverständlich auf dem Boden der Verträge stehen bleiben mußte, die nicht nur es selbst, sondern auch den Völkerbund geschaffen hat ten, wenn es dessen Hilfe erlangen wollte, und daß dies im ersten der Genfer Protokolle von 1922 ausdrücklich ausgesprochen wurde, war der Opposition gegen die da malige Regierung und manchen Leuten im Ausland eine willkommene Gelegenheit, um von einem Aufgeben der österreichischen Freiheit zu sprechen. Das österreichische Volk selbst dachte durchaus anders. Es hat den Zustand, in den es die Veränderungen gebracht hatten, die gleich nach dem Kriegsende faktisch vollzogen und in der Folge durch den Vertrag von St. Germain formell sanktioniert wurden, niemals als Freiheit empfunden. Aber es hatte sich der größeren Gewalt gebeugt und von Anfang an die Unterschrift, die seine Vertreter unter den erwähnten Staatsvertrag gesetzt hatten, ernst genommen und als bin dend anerkannt. Dazu hat dieses Volk einengroßen Abscheu vor dem Krieg in sich, einen geringen oder eigentlich gar keinen Glauben an einen möglichen Erfolg beim Hasardspiel eines neuen Krieges, mochte er auch von anderen, Mäch tigeren angefangen werden können, dafür aber ein un erschütterliches Vertrauen, daß sich früher oder später die politische und ökonomische Vernunft lurchsetzen werde. Daher konnte es sich ihm im Jahre 1922 — und kann es sich ihm jetzt — um nichts an deres handeln, als leben zu können und die ge liebte Heimat nicht zu verlieren. Wenn ihm dies gelang, dann war ihm die Zukunft sicher, wenn es auch nicht ganz bestimmt wußte, wie diese Zukunft be schaffen sein würde. Wir Oesterreicher sind weder in dolent noch hinterhältig, wenn wir nicht alle Tage auf den Markt hinaustreten und für diese oder jene Gestal tung unserer Zukunft demonstrieren. Wir haben nur keine Zeit für das P r o p h e t e n s p i e l — und sehen mit Humor zu, wenn es die anderen be treiben. Mit diesen Feststellungen habe ich das Wesentliche unserer Politik gekennzeichnet. Wir treiben keine Po litik der Rekrimiuationen. (Der Gegenbeschuldigungen. D. Red.) Zu erörtern, ob uns durch die Bestimmungen der Verträge, die den Weltkrieg beendeten, ein „Un recht" zugefugt worden sei, wäre Zeitverlust. Un bestritten ist zweierlei: erstens, daß das „Selbst bestimmungsrecht der Völker" uns gegenüber nicht anerkannt oder — wie selbst die eifrigsten Verteidiger der Friedensverträge zugeben — einge- schränktwordenist;zweitens, daß das heutige Oesterreich weder nationalen, 'noch geographischen, noch ökonomischen, noch historischen Tatsachen, sondern aus schließlich politischen Erwägungen zulie- begeschaffenwurde; daß wir keine eigene, von der deutschen verschiedene Nation sind,- daß Oesterreich keine natürliche geographische Ein heit, kein in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet ist, dar über braucht man kein Wort zu verlieren. Daß Oester reich nicht etwa durch die Verlegung eines Konglome rates von schon früher selbstständig gewesenen Staaten in seine wieder selbstständig werdenden Teile entstanden ist, scheint manchen neu zu sein oder neu in Erinnerung gerufen werden zu müssen. Die deutschen Alpenländer des alten Oesterreich, waren im Unterschied von Böhmen und Ungarn niemals eine staatliche Einheit, sondern stets Teil eines größeren Ganzen, die längste Zeit sogar gleich- Der Mann des Vertrauens Paris, 21. Juni. (Drahtb.) Das neu« Kabinett Briand. das gestern endlich mit dem Finanzminist. Caillaux gebildet worden ist. wird in der Presse aller Richtungen recht günstig ausgenommen. Man sieht in der neuen Regierung eine Kombination, die ausschließlich zur Rege lung der Finanzfrage dienen soll. Das Zentrum der neuen Re gierung bildet das Finanzministerium, das von einem Triumvirat verwaltet wird. Der Mitarbeiter Caillaux', P i e t r i. der den Linksrepublikanern angehört, hatte in Marokko schon eine fi nanzielle Sanierung erfüllt, als er die Ersetzung der früheren marokkanischen Währung durch den Franken leitete. Dubais hat sich besonders durch einen energischen Pressefeldzug sür die Stabilisierung des Franken bekannt gemacht. Außerdem rech net Caillaux auf die Mitarbeit Nogaros, der nach außen hi» das Ministerium für öffentlichen Unterricht erhalten lpit und als eine Autorität in Finazfragen gilt. Caillaux wird heute die Aus arbeitung seines Programms einleiten. Die „Bietoire" erblickt in Caillaux den einzigen Man.,, dck ohne Rücksicht auf Populari tät das Werk der finanziellen Sanierung durchführen könne. Der „Figaro" glaubt, daß Caillaux durch di« Mitarbeit seiner beiden Staatssekretäre gegen jede Ueberraschung gesichert sei. Das „Echo de Poris" begrüßt die Ernennung des Generals Guii- laumat zum Kriegsminister und hofft, -aß er seine große Auto rität -azu benutzen werde, die Reform des Heeres durchzu führen. Die Linkspresse bedauert, daß Painleve nicht im Kabinett vertreten sei. Der „Quotidien" deutet an, daß Cail laux das Sachverständigenkomitce auflosen werde. Die Frage sei gegenwärtig die Dringlichste. Eine andere Frage sei, wie sich Caillaux heute zu der Inflation stelle. Die „Ere Nouvelle" sagt, das Land habe Vertrauen zu Caillaux. Das Geschick Frank reichs halte er in seinen Händen. Kein Demokrat dürfe ihm das Vertrauen verweigern. Die Zusammensetzung des Kabinetts bedeutet eine ge wisse Orientierung nach rechts. Die Tatsache, daß Caillaux auch die stellvertretende Ministerpräsidentschaff eingeräumt wor den ist. ist von allergrößter Bedeutung. Dem ganzen Kabinett gibt die starke Persönlichkeit Caillaux' die Prägung. Ein zeitig Teil zweier großer politischer Gebilde, des Rö mischen Reiches Deutscher Nation und später seines Ersatzes, des Deutschen Bundes einerseits rind des die Länder um die mittlere Donau Zusammen fassenden Habsbur gischen Erbreiches anderer seits. Wir machen diese Tatsachen nicht zum Ausgangs punkt von Forderungen. Wir erinnern nur an sie, da mit man nicht etwa die andere Tatsache übersehe oder zu verschleiern versuche, daß Oesterreich rein aus Gründen der europäischen Politik geschaffen wurde. Die logische Folgerung aus der Erkenntnis und Anerkennung dieser Tatsache ist, daß Oesterreichs Zukunft mehr als die ir gendeines anderen Staates von den Interessen und der Entwicklung der gesamteuropäischen Politik abhängig sein wird. Auch jene, denen die Ursache hiervon nicht so ganz klar ist, fühlen den Zusammenhang instinktiv und sie be fassen sich gerade deswegen immer wieder mit dem Pro blem der österreichischen Zukunft. Für die Oe st er reiche! selb st bedeutet dies eine gewisse Ge fahr. Es schmeichelt ihnen, daß ihre Zukunft Gegen stand so vieler Erörterungen ist, und sie glauben die gro ßen Veränderungen in Europa, die Oesterreich eine neue Stellung anweisen sollen, umso näher, je mehr über sie geredet wird. Der naturgemäße Rüchschlag läßt dann nicht lange auf sich warten. Es ist die Verzagtheit dar über, daß die Veränderungen doch nicht so schnell kom men. In Wahrheit ist für eine solche Verzagtheit kein Grund vorhanden, wenn wir die Wartezeit nicht unge nützt verstreichen lassen. Wie immer das künftige Europa gestaltet sein wird, wir müssen es erleben, wenn wir an ihm teil haben und von der besseren Ordnung, die es darstellen wird, den Nutzen haben sollen. Und im neuen Europa oder in jenem großen Teilgebiete des neuen Europa, po litischer oder wirtschaftlicher Natur, in dem wir unsere endgültige Zukunft zu finden bestimmt sind, werden wir Teil -er Presse bürste bas richtige treffen mit der Ansicht, daß Briand dom Kabinett nur nominell vorsieht. Rechtsstehende Blätter sagen für die nächste Zeit eine Art Staatsstreich voraus, den Caillaux im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Kriegsminister ins Werk setzen würde. Die Forderungen nach diktatorischen Befugnissen begründet Caillaux mit dem Hinweis, baß den Rückwirkungen drakonischer Finan,-Maßnahmen, die zur Sanierung der Finanzen Frankreichs unerläßlich seien, mit alle» Mitteln vorgebeugt werden müsse. Man spricht von der Reduzierung der Arbeitslöhne und Beamtcngehälter. Es werden Stratzenkundgebungcn erwartet, die Caillaux auf keinen Fall dulden will. Aus der im „Journal offiziell" veröffentlichten List« der neuernannten Minister ergibt sich, daß Justizminister Laval die Leitung der elsaß-lothringischen An gelegenheit behält. Das Kabinett hält am Freitagabend seinen ersten Kabinettsrat ab und am Sonnabendvov- mittag den ersten Ministerrat. Finanzminister Caillaux erklärte, daß er mehrere Tage Zeit branche, um eine« Finanzplan ausznarbeiten. Die neue Negierung wird sich daher dem Parlament kaum vor Dienstag vorstellen. Nach Havas beabsichtigt das Ministerium, auf rascheste Verab schiedung der Finanzgesetze zu drücken, für deren Anwen dung es vom Parlament weitgehende Befugnisse verlangen werde. Nach Parteien gegliedert, setzt sich das neue Kabinett wie folgt zusammen: ü Radikale, 3 Sozialrcpublikancr, 3 Mitglieder der Radikale» Linken, 4 Links,epublikancr, 1 unabhängiger Solialist, 1 Mitglied der demokratisch repu blikanischen Linken und 1 Richtparlamentarier. Paris, 24. Juni. Das neue Kabinett setzt sich aus folgenden Persönlich keiten zusammen: Briand: Ministcrpräsidcntschast »nd Ministerium deS Auswärtigen; Caillaux: Finanz- u st llv. M'nistnp ässent Pierre Laval: Justiz: Georges L e h g n c s: Marine: General G o « h l l o u »« a t: Militär: Chalpsal: Han del: Rogaro: öffentlicher Unterricht: Perricr: Kolonien; Binet: Landwirtschaft: Durant: Inneres: Binccnz: öffentliche Arbeiten; Dnrasonr: Arbeit; Jourdain; Pensionen. nur soviel gelten, als wir fiir sie in itkrin - gen werden. Wie immer wir uns daher in Stunden des bloßen Sinnens die Zukunft Oesterreichs vvrstetten mögen, in den Tagen des Handelns müssen wir aktive österreichische, das heißt mit aller Kraft aus den Bestand Oesterreichs, die Entfaltung seiner kulturellen, politischen und ökonomischen Kräfte c'uaestellte Politik machen. K. K.V. ^rlrolun^slreim Wal^r-ieden tür »»tl>oli«ck« Keutlen«, unü vervrnäte Lcrut« I-rieilricliroil» In Thüringen UND VllNl'LL 1»«rrUet»«r, 1-«G» »» P1»t,«. »» ^»16 MM