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Nummer 137 - 25. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis für Juni 3.- einschl «estellaels. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile »0L. Stellengesuche 20 L. Die Petitreklamezeilr. 8V Milli. Meter breit. 1 Offertengebiihren für Selbstabholer 20 L bei Uedersendung Lurch die Post außerdem Pvrtozusch^S. Einzbl-Rr 1« Sonntags-Nr. 13 Tciüiattl. Teilt I. Htllebrand in Dresden. söcklMe Mittwoch, 23. Juni 1926 Im Faste höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werü. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags. Hauptschristlett.: Dr. Joseph Albert. Dresden Kämpfe Imllsn. Mnlml k (sm dleumsrlrt) Sün- UNII tesileismildil neu unct xedrsuctit volrsmmna lSeschitUsfteUe, Drult und Verlag, Sanoma- vuchdruckere, GmbH.. Dresden.», l, Polierslrake 17. gernrni 21VI2. NolNcheikkoiilo Dresden 14727 Bankkonto: Bassenge 6- tkrlnkiiie. Dresden. Für christliche Politik und Kultur Bedaktion der Sächsischen Bolkszettung Dresden.Attskadt 1. Polierstrnhe 17 Fernriik 2071s und 21012. Das Zentrum hat die Führung OessenUiche Kundgebung Die Einlösung der Versprechungen «aion vor dem Zusammentritt der gestrigen ersten Vollversammlung im Reichstage hat sich dieZentrums- fraktion in außerordentlich starker Besetzung zu- sammengefnnden und über die nach dem 20. Juni ge schaffene politische Lage eingehend zu beraten. Man kam dabei zu der Auffassung, daß gegenüber den Par teien, der eigenen Wählerschaft und schließlich gegen über dem ganzen Volke nun sofort ein Schritt unternommen werden müsse. Es dürfe kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß die Frage der Fürstenabfin dung nunmehr mitgrößterBeschleunigung und unter Anspannung aller Kräfte erledigt werden solle. Zu diesem Zweck beschloß die Fraktion eine Kund gebung zu erlassen, worin die geplanten Maßnahmen des Zentrums mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck kom men. (Die Kundgebung befindet sich nebenstehend.) Da von der Deutschen Bolkspartei sehr starke Perschleppungs absichten sich bemerkbar macken, wurde diese Kundaebung des Zentrums umso notwendiger. Man ist entschlossen, allen Hindernissen mit größter Entschiedenheit entgeaen- zutreten. In der Kundgebung kommt klar zum Aus druck. daß das Zentrum durchaus gewillt ist. die Füh rung in der gegenwärtigen politis chen Si tu a t i o n a u ch w e i t e r h i n b e i z u b e h a l t e n. Sie geht dabei von dem Gedanken aus, daß sie dein Volk gegenüber vor dem 20. Juni ihr Wort gegeben hät.dassieunbedingtjetzteinlösenmüsse. Im Einklang mit früheren Erklärungen hält das Zen trum es für seine politische Pflicht, seine vollste Aktivität für das Zustandekommen des dem Neiäistage vorliegen den Kompromißgesetzentwurfes einzusetzen. Und zwar soll der Abschluß dieses Gesetzgebungswerkes unver züglich,jedenfalls noch vor dem Beginn der parlamentarischen Sommerferien er folgen. Man kann sich dabei auch auf die Erklärung des Reichskanzlers Marx stützen, der ja bei den letzten De batten im Reichstag namens der Regierung keinen Zwei fel darüber ließ, daß unter Umständen auch von den Mitteln der Reichstagsauflösung Gebrauch ge macht werde. Um die politische Basis für das Zustande kommen des Gesetzes zu schaffen, hat der Kanzler bereits Fühlung mit anderen Parteien genommen und zwar sowohl mit den Sozialdemokraten als auch mit den D e u t s ch n a>t i o n a l e n. Falls das Ge setz wieder für Verfassungsänderung erklärt werden sollte, wäre ja eine Zweidrittel-Mehrhcit des Reichstages zur Annahme erforderlich. Deshalb sind neben der gesamten sozialdemokratischen Fraktion auch noch Deutschnationale für das Zustandekommen des Gesetzes notwendig. So weit man bis beute urteilen kann, ist bei den Deutsch nationalen — aus Grund der Aeußerungen ruhig denken der deutschnationaler Männer — die Stimmung nach dem 20. Juni äußerst stark h e r a b g e d r ü ck t. Daran ändern alle Iubelfanfaren beflissener Rechtsjournaiisten nichts. Man erkennt eben zu klar, daß bei einer etwaigen Neichstagsauflösung unter der Parole der Abfindungs frage die beiden Rechtsparteien so ge waltige Perluste erleiden würden, daß sie für eine Mehrheit des Reichstages sozusagen überflüssig werden. Unter all diesen Verhältnissen ist es äußerst begrü ßenswert, daß die politische Mitte, das Zentrum d i e FllhrunginderPalitikfürsichbeansprucht. Rur so können wir in der Tat aus dem gegenwärtigen Wirrwar herauskommen. Die Zentrumswählerschaft im Lande kann mit Befriedigung von dieser entschlossenen Handlung der Zentrnmsfraktion des Reichstages Kennt nis nehmen. Wir wollen nur das eine bemerken, daß uns dieseAK- iivität in der Vergangenheit — trotz des guten Willens mancher Führer — nicht immer'binreichend vorhanden zu sein schien. Ueber „die Sprache der Zahlen", der beim Volksentscheid abgegebenen Stimmen, geben wir nachfol gende Ausführungen eines parlamentarischen Mitar beiters wieder: Wenn man die Tragweite und Bedeutung der Fol ierungen fick vergegenwärtigen will, die auf Grund des Ergebnisses des Volksentscheids nach der politischen und Eine in der gestrigen Sitzung der Zentrumsfraktion einmütig beschlossene Kundgebung hat folgenden Wortlaut: Durch den Volksentscheid ist die entschädigungslose Enteignung des gesamten Eigentums der ehemaligen Herrscherhäuser abgelehnt worden. Auch nach dem Volks entscheid hält die Zentrumsfraktion des Reichs tages an der Ueberzegung fest, daß die vermägens- rechtliche Auseinandersetzung zwischen Fürstenhaus und Land die derzeit wichtig st e politische Frage bleibt. Im Hinblick auf die notwendige Beruhigung des innerpolitischen Lebens und des gestörten Rechtsempfin dens im Volke, erträgt die gesetzgeberische Lösung der Aussindersetzung keinen Aufschub mehr. Noch vor dem Zusammentritt des Reichstagsplenums hat die Zentrumsfraktion in einer besonderen Sit zung zu dieser Frage Stellung genommen. Es wurde einstimmig beschlossen, den Vorstand der Fraktion zu be auftragen. mit allen parlamentarischen Mit teln auf die schleunigste Verabschiedung des vorlie genden Regierungsentwurfes hinzuwirken. Dabei darf unter k e i neu Umständen die in der Sitzung vom 10. Juni 192k durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion namens und im Aufträge der Regierungs parteien abgegebene Erklärung abgeschwächt werden. Diese Erklärung legt folgendes fest: „Das Gesetz wird den Fürsten nur das Vermögen belassen, welches sie als unzweifelhaftes Eigen tum erworben haben. Den Folgen des verlorenen Krieges, der Verarmung des Volkes und der gesam ten Vermögenslage der Fürsten wird ausreichend Rech nung getragen. Den Ländern soll zugeteilt werden, worauf sie aus Gründen der Kultur oder der Volks gesundheit Anspruch haben. Den Fürsten wird keine bessere Aufwertung zuteil als anderen Staatsbürgern." Die Zentrumsfraktion steht zu dem gegebenen Wort. Der Vorstand wurde bevollmächtigt, zur Erreichung die ses Zieles erforderlichenfalls alle politischen Folgerungen zu ziehen. Die Beratung im Rechksausschutz Berlin, 22. Juni. Der Rcchtsnnsschuß besckiistigtc sich heute zunächst mit dem völkischen Anträge auf Aushebung des Repnblitschutz- gcsctzcs. Der E n te i g n n n g S« n t w n r f, der heute eben falls zur Beratung kommen soll, wird, wie das Rachrichtcn- bnreau des B. D. I. ans varlamentarischen Kreisen hört, auf Wunsch des Reichskanzlers voraussichtlich von der heutigen Tagesordnung abgcseht werden, da vor der Be ratung eine politische Basis geschaffen werde» soll und der Kanzler vorher noch einmal Fühlung mit ocn Deutsch nationale», der Bayrischen B olkspars tei und den Sozialdemokraten nehmen will. * Die Zentrnmsfraktion hat in den Rechts« aus schuß des Reichstags zu den bisherigen Vertretern den stellvertretenden Vorsitzenden Herrn von Gnerard delegiert. Der Abgeordnete'B nch h o lz, der nach wie vor dem Rechtsausschuß angehört, ist durch die Führung der Geschäfte im Sozialpolitischen Ausschuß namentlich im Hinblick auf die wichtigen Beratungen des Arbeits« gerichtsgesetzes derart überlastet, daß sich eine Ver tretung für ihn im Rechtsausschuß im Hinblick auf die rasche Erledigung des Fürstenabfindungs« gesehes empfahl. Stellung -er Parteien Berlin, 22. Juni Die sozialdemokratische Fraktion des Reichs tages beschäftigte sich gestern in einer Sitzung mit den be vorstehenden AuSschußverhandlungen über den Gesetzent wurf zur Fürstenabfindung. In der Sitzung kam zum Aus druck, daß die Sozialdemokraten sich einer sachlichen Mit arbeit an dem Entwurf nicht cntzlehe» «nd an einer schnellen und befriedigenden Lösung der Frage Mitwirken würden, andei-scits aber ans B erbess er ungsanträge nicht verzichten könnten. Eine En-bloc-An»ahme de» Regierungsentwnrfes komme für sie nicht kn Frage. Die Fraktionen der Deutschen und der Bayrischen Volks Partei hielten eine möglichst rasche Erledigung der Fürstenabfimdnngsvorlage für geboten, llm 7 Uhr emp fing Reichskanzler Marx nacheinander die Abg. Grafen Westarp (Du.), Müller-Franken (Soz.) lind Dre witz (W.V.) zu einer Aussprache über die Fürstenabfindung. Der Abg. Müller-Franken teilte dem Reichskanzler den Be schluß der Fraktioussitzung der Sozialdemokraten mit. Di« Führer der Regierungsparteien hielten nach Schluß der Plenarsitzung eine Besprechung über die Frage der Erledi gung des Regierungsentwurfes zur Fürstenabfindung ab. Sie beschlossen einstimmig, an diesem Gesetzentwurf fest zuhalten und alle Aenderungsanträge abzulehnen. Die Deutsch nationalen haben nach der Kanzler« bcsprechnng eine Fraktionssitzung abgehalteu. in der der Vorsitzende Graf Westarp über seine Besprechung mit dem Reichskanzler Dr. Marx und dem Reichsinneuminister Dr. Külz berichtete. Man beschloß, zunächst die Entwicklung der Dinge im- Rechtsausschuß des Reichstages abzu warten. Die Kom m unisten fordern NcichstagSauslüsung. Die kommunistische Neichstagsfraktion teilt mit: Die kommu nistische Rcichstagsfraktion ist der Auffassung, daß das Mil lionenvotum für die entschädiguugslose Enteignung der Fürsten eine klare Entscheidung der Mehrheit des werk tätigen Volkes gegen Hindenburg. gegen die Regierung Marx und gegen den Reichstag ist. Die kommunistische Reichs- tagssraktion fordert deshalb die sofortige Auflösung des Reichstags und die Durchführung des Enteignungsgesetzes, parlamentarischen Seite hin getroffen werden müssen, so wird man an der Betrachtung einiger Zahlen nicht vor übergehen können. Der Volksentscheid brachte rund 15 Millionen Stim men auf, das Volksbegehren 12>l Millionen Stimmen. Die Anträge für das Volksbegehren wie für den Volks entscheid waren von der sozialdemokratischen und kom munistischen Partei gemeinsam gestellt. Die für diese bei den Parteien bei der letzten Reichstagswahl vom 7. De zember 1024 abgegebenen Stimmen beliefen sich auf knapp 10,7 Millionen. Es haben also mehr ols 4 Millionen Deutsche aus den bürgerlichen Parteien diesmal für den Volksentscheid gestimmt, und die sozialistisch-kommuni stischen Reichstagsstimmen vom 7. Dezember 1924 sind damit um mehr als 60 Prozent gesteigert worden. Schon diese Tatsache ist von einer ganz außeror dentlichen Bedeutung. Sie zeigt, daß die Wähler heute zum großen Teil ihre eigenen Wege gehen. Zweifellos wäre die Zahl von 15 Millionen Stimmen noch wesent lich erhöht worden, wenn nicht durch Ausgabe der Parole der Stimmenthaltung mit der Androhung, jeden, der zur Wahl geht, zu kontrollieren und ihn als Bolschewisten zu brandmarken, namentlich in den ländlichen Gegenden ein starker Druck ausgeübt worden wäre. So ergibt sich, daß in den hauptsächlich ländlichen Kreisen Pommerns. Meck lenburgs u. Ostpreußens die Sozialdemokraten und Kom munisten noch nicht einmal die Stimmziffer van 1924 aus gebracht haben. Trotzdem hat aber Ostpreußen gegenüber dem Volksbegehren rund 100 000 Stimmen mehr für den Volksentscheid erzielt. Das ist eine außerordentlich be deutungsvolle Tatsache. Aus den Stimmziffern in den westlichen Wahlkreisen, namentlich Westfalen-Süd, aber auch Westfalen-Nord, Düsseldorf-West, ferner Köln- Aachen ergibt sich, daß großeTeile der katholi schen und Zentrumsbevölkerung ihre Stim men für den Volksentscheid abgegeben ha ben. Ganz überraschend groß ist ferner auch die Zunah. me der für den Volksentscheid gegenüber dem Volksbe gehren abgegebenen Stimmen in Obcrbayern-Schwaber als einem ebenfalls fast ausschließlich ländlichen Kreis, ir welchem sich die Zunahme auf noch mehr als 100 OOl Stimmen beläuft. In Niederbayern-Oberpfalz sind ge genüber dem Volksbegehren nunmehr zum Volksentscheid 50 Prozent Ia-Stimmen mehr abgegeben worden. Aus den Stimmziffern von Berlin, Potsdam 1 und Potsdam ll, namentlich bei dem letzteren, ist einwandfrei nachzuwei sen, daß viele Hunderttausende von Stimmen aus den Rechtsparteien bis in die äußer st e Rechte hinein, für den Volksentscheid abgegeben worden sind. Alle diese bürgerlichen Wähler haben sich sicherlich nicht für die Antastbarkeit des Privateigentums schlechthin aus- sprechen wollen, sie wollten vielmehr die politische