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Nummer 272 - 25. Jahrgang «mal Ivöch. Bezugspreis für Dczbr. 3,00 ^ ciiischl« Pcstellgeto Anzeigenpreise: Die lgelp. Petiizeile 30.^, Stellengesuche SO .Z Tie Pelilreklamezeile. 98 Milli« neier dreil. 1 ^ Oisertengebühren für Selbstabholer SO bei Uebersenüung öurch sie Post anßerociu jtoriozuschlag Einzel-Nr. 10 Sonntags-Nr. 15 .Z. Scschästl. Teil: Friedrich Nieser in Dresden. Kristall unä (Uns >0r jecie'I aiel o 9. stILNIQ (irunaerLIr. 23 Oresüvn -2t SiitdlWw Mittlvoch, t. Dezember 1926 Jin Falle höherer Gewalt erlischt jede BerpflichtunO aus Lieserung sowie Erfüllung v An,eigenauftrügen n. Leistung v Schadenersatz. Für unoeutl u. S. Fern« rus übermttt. Anzeigen übernehmen wir keine Per« anlworinng. Unverlangt eingesansle u. m Rückporto^ nicht versehene Manuskriple wcrs nicht aufbewahrt, Sprechstunde oer OicSaklion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptjchrislleit.: Dr. Joseph Albert. Tressen, vresetnei« kisikksUsn Wvti'-rixaskie >7 ^ V. /Vtim. L. I. SeitO ^ t'er'sus 2I0Z4 tlcschasiSsirlle, Druik und Verla«: Saroma. Vuchdruckerci GmbH.. Dresden A. I. Poliers»-!,e 17, Ucliirui 210,2. Posischedkonio Dresden I17S7. PanNonIo: Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volks,eitung DrcSden-ÄUiiodi 1. PoUegirotze ,1. ßernrni 20,11 »nd V0I2. Linoleum (. knsekütr okeroeu. /mmsrKZis l.3ufsr5tokks Hsissctsckon kslls Bayerische Wandlungen Es ist in Bayern üblich, jedes Jahr im November, des H itlerputsches von 1923 zu gedenken, rückblickend, kritisierend oder enthüllend. Denn immer noch wühlt die Neugier in den verwickelten Vorgängen dieser Tage. Unter ernsthaften Leuten freilich steht das Urteil über die damaligen Ereignisse und ihre Folgen fest. Zu diesen Fol gen gehört die entscheidende Schwächung des bayri schen politischen Eigenlebens. Hitlers und Luden- dorsfs Scharen haben Berlin in die Hände gearbeitet, demselben Berlin, gegen das sie losmarschieren wollten. Damit verbunden ist eine Schwächung des bayrisclzen An sehens und Einflusses im Reich. Die sorgsam ausgearbei teten Denkschriften zur föderalistischen Umgestaltung der Verfassung von Weimar hatten keinen Erfolg. Die Be suche van bayrischen Ministern in Berlin und von Neichs- ministern in München zeitigten nichts Greifbares, lind heute steht Bayern im Verzweiflungskampf um einen er träglichen Finanzausgleich. Wie kommt es, dass ein Land von 7 Millionen Ein wohnern, seit der Regierung Held auch innerlich be ruhigt und gefestigt, so wenig Einfluß übt? Bayern wollte der Hort des deutschen Föderalismus sein und konnte es. Die meiste Aussicht dazu bestand unter Eis- n e r. Nur sein jüdisches Literatentum hinderte ihn, einen volkstümlichen Bayern- und Baucrnstaat zu schaffen. Es ward eine Räterepublik daraus, besieat mit norddeut scher Hilfe. Aus der dann folgenden Reaktion entstand das, was von Kahr bis Knilling den bayrischen Födera lismus vorstellte. Es mar äußerlich sehr stark und laut. Vlan denke an den bayrischen Widerstand, gegen das Ge setz zum Schutze der Republik. Innerlich war es schwach. Tenn in diesem Auftrumpfcn mit bewaffneten Verbän den, schwarz-weiß-roten Fahnen und Polneischikanen gegen Fremde kämpfte nicht Altbayern. Oder es be fand sich höchstens als willenloser schwerer Sturmbock in der Front. Die Führung hatte dl eubaye r n. der napo- leonische Staat einer lieberalen Bürokratie. Seine Ten denzen hatten sich verstärkt seit den Tagen Max >l., der die Nordlichter an Münchens Hochschule berief, dann seit der Neichsgründung und zuletzt mit dem Einströmen norddeutscher Junker und Militärs ins gelobte Land des fränkischen Protestanten Kahr. Altbayern ist anders. Es ist katholisch, konservativ, bäuerlich. Es ist Altötting, Tberammergau, Frauenchiemsee. Neubayern ist Ansbach. Bayreuth, Erlange», sind die Schlösser Ludwcks tl. und die Staatskanaleien in München Diese Richtung, die schon das Königreich beherrschte, ist n i ch t d e u t s ck- föderalistisch, sondern romanisch-zentralistisch und nach außen p a r t i k u l a r i st i s ch. Sie hält auf den bayrischen Staat, versteht aber darunter nicht das schlitzende Haus eines kernigen Volkstums, sondern ihre b ii r o k r a t i s ch e n M a ch t b e f u g n i s s e. Der Föde ralismus im übrigen Deutschland ist Ihr gleichaültig, ja verdächtig. Denn Artikel 18 der Neichsverfassung könnte auch einmal auf die Pfalz aiwewandt werden. Und so gebt man im entscheidenden Augenblick lieber mit dem glühten Partikularismus, dem preußischen, als mit den Föderalisten in Hannover oder mit dem reicbssrohen Zen trum. Becke denken zwar nicht daran, die Trennung der Pfalz von Bayern zu fördern, wohl aber denkt der preu ßische Partikularismus daran, ein deutsches Land nach dem andern seinem Großstaat ein'uuerleiben. Er macht am Main nicht Halt, wenn er erst (vielleicht einmal in Hessen) am Südufer steht. Tann dürfte sich Bayern zu spät fragen, ob es nicht besser getan häUe, bei einer radi kalen Neugliederung des Reicks selbst ohne die Pcklz ins große freie Deutschland einzugehen, als mit der Pfalz in den großpreußischen Abgrund zu fahren. Es ist nun im Anschluß an die löbliche Gewohnheit, im November des Hitlerputsches zu gedenken, interessant sest'ustellen, wieviel sich seit 3 Jahren geändert hat. Ter Hitlerputsch hat den geschilderten bayrischen Partikula rismus mit seiner inneren Schwäche, ja mit seiner heim lichen Sympathie für Berlin und Preußen ad absurdum geführt. Heute steht er vor dem völligen Schei tern. Ter Boden wird hohl unter ihm. München wird nicht mehr von den schwarz-weiß-roten Verbänden beherrscht. Ihre Hochburg ist heute das von Haus aus protestantische Nürnberg. Dagegen macht in der Etne GeUer-Krise? Der Pres?efel-zug gegen den Aeichsurehrminislee — Was muf; jetzi geschehen? Aus parlamentarischen Kreise» wird aus geschrieben: Berti», 30. November. Mo» muß es zugebe»: In der Reichswehr stimmt nicht oiies. Aber um» muß auch weiter ousstnecheu, daß der amliercube Ncichaivehrintuister Ge ßler »uu auch nicht gerade als Sündeu- bock für olles dos, was sich nicht holten und verteidigen läßt, hcrangezogen werde» Kon». Mo» muß sich nur cinmol vor Augen sichren, unter welch widrige» Verhältnisse» Minister Gehler bisher arbei ten mußte. Er übernahm ein Heer, dos mindestens in seinen führenden Schichten vollständig aus der allen Tradition ruhte, dessen Führer innerlich mit dem neuen Staate nichts gemein Hollen. Und es oblag ihm die Aufgabe, dieses Heer zu einer Schutztruppe und Wosse gegen innere und äußere Gefahren zu machen, denen dieser neue Staat ausgesetzl ist. Daß in all den Fahren, in denen Geßler unter den schmierigste» Verhältnissen sein Amt führte, es ihn, gelungen ist, solche Prüfungen zu ver meiden, wie sie uns der Kapp Putsch bereitete, daß es ihm ge lungen ist, über den Lud.mdarfs- und Hitler-Aufstand hinweg- zukowinen ß er es verstanden hat, die Zerselzungserscheinun- gen. die ost genug die Reichswehr zu zerreiße» drohte», wieder zu meistern, alles das bedeutet ein Verdienst, das nur die- uigen gerecht würdige» können, die sich ein Vild über die un geheure» Widerstünde und Schwicrigheiteu zu mache» vermögen. Eine Reichswehr aber, die ,,-cht das V vIksuert ra u e u sich zu erwerben vermag, wäre eine »»länglich,' Waste. Tis Art, wie Geßler dieses Veriranen sür die Reichsnoehr z» sichten suchte, machte seine Persönlichkeit nur noch nmsa snmpalhischer. Tie schwerste Belastungsprobe, die Entlassung des Geneats Seeekt, hat G ßler ausgezeichnet bestanden. Tos war der Moment, in welchem die Reichswehr unter Geßters Führung zweiseilos den kritischen Punkt der Verlrauenskrisis überwunden halte. Nun aber mehren sich tu der letzten Zeit immer wieder van den Li » ksparteie n her Mate,iaiverössenttichimgen über Zustände innerhalb der Reichswehr, namentlich über eine unheil volle Zivillerralle bestimmter in der Reichswehr sührenöer Per- di c> i ch s b o n n e r 2 ch w ci r z - rot - Fortschritte. Der Femeausschuß tagte Hauptstadt dos g o l d merkliche völlist unstcstörl. Und was früher nicht denkbar stewesen wäre: die Universität flaggt dieser Toste zu ihrer Hundertjahrfeier s ch iv a r z - r a t - g o l d. Die stärkste Partei im Lande, die Bayrische Bolks- vartei, ist auch schon lauste kritisch stewarden. Laut regen sich in ihr die Stimmen, daß bayrischer Föderalismus doch etwas anderes sei als eine Zuflucht zur Bismarck- scken Neichsidee. Die Parteipresse in Nordbanern. im Süden die ..Auasbnraer Vostzeltung" und die Münchner Wachenschrist „Allgemeine Rundschau" betauen dies im mer wieder. In letzterer bat z. B. Professor F. Ist Hoer- mann. ein Publizist, den man als den leisten Altbayern bezeichnen könnte, in eckem Artikel „Die Entbayerung Bayerns" seinem Volk einen Spiegel varaehalteii. — Wie bekannt, spricht man ancb wieder freundlicher van einer Annäherung oder sogar Rückkehr zum Z e n t r » m. Hier aus ist ein Konflikt entstanden zwischen der Bäurischen Balkspartei und dem H eimat - und K ö n i g s b u n d. Ein Konflikt, der die Lage überaus grell beleuchtet. Der Heimat- und Königsbund hatte in seinem Bercinsblatt äußerst scharf Stellung genommen gegen jede Gemein schaft der Volkspartei mit dem Zentrum. Die Partei würde dann nickt mehr ans die Stimmen der Biindcsmit- glieder rechnen können. Der Artikel erregte in den lei tenden Kreisen der Bayrischen Polksparte! schweren An stoß und gab Anlaß zwischen ihr und dem Heimat- und Königsbund, wie er neuerdings geworden ist. eine scharfe Grenze zu ziehen. Seit zu Beginn des Jahres 1925 auf Dr. Heims Machtspruch die alte großdentsch-föderalisti- sche Bundesleitung verdrängt wurde, ist der Heimat- und Königsbund einem rein reaktionären Mon- sönlichkeiten, über Maßnahmen und Einrichtungen, so namentlich über unbefugte Gelösammlungen und unerlaubte Bildungen von sogenannten Sportverbinonngen mit uuktaren Zwecken, daß neuerdings wieder eine lebhafte Debatte über die Reichswehr im allgemeinen und über die Stellung Geßters im besonderen sich entwickelt hat. Via» spricht auch bereits wieder van einer G.'ßter-Krise. Wir müssen allerdings auch zugcben. daß gewisse Tinge vorliege,, die einfach nicht mehr gerechtsertlg, werdet können, aber wissen andererseits auch, daß der Reichswehr- minister mit aller Energie aus die Abstellung dieser Mängel hin« arbeitet. Richtig ist, daß Geßler vielfach sich zu entgegenkom« mend und zu weich verhallen hat und daß dieses Entgegen, kommen und diese Nachsichtigkeit bestimmte, sicherlich auch heute noch in der Reichswehr vorhandene, dem neue» Staat feindlich gesinnte Kräfte ermutigt habe». Hier wird der Reichswehr- minister ohne Sä,>on»ng von Ansehen und Person durchgrcise» iniissen. Daß er das vermag und daß er oas will, hat er ja i»l Fall Seeckt ganz deutlich gezeigt. W ir we h r e n u n ö iv e n d e » n n s g e gen die Geß . ler-Krisis, denn wir sehe» nicht de» Mann, der eine Per sönlichkeit wie Geßler in dieser Zeit zu ersetzen vermag. Nicht nur die Zeitverhältnissc, unter denen Geßler arbeitet, svnöern auch die tauge Tauer seiner Amtsführung trvtz aller innerer und äußerer Schwierigkeiten, >» deren Mittelpunkt immer wieder die Reichswehr stand, beweisen, daß Genier der richtigr Manu au der richtigen Stelle ist. Wir haben zu Geßler das Zutrauen, daß er Mihhrlligkeiten, die zweifellos vorhanden sind, avszuräuine» weiß, denn die ganze bisherige Tätigkeit Geßters war ein Be weis dasür, daß er die Reichswehr zu einem sicheren und brauch baren Instrument znm Schutze des Staates hernnbttdele. Nun liegt es bei Geßler selber, daß er, getragen von diesem Vertraue», das ihm trotz aller Bekämpfung von links her die weitesten Kreise der deutsche,, Bevö'kccnng entgcgenbringeii, mit Energie durchgrrist und diejenige» Widerstände beseitigt, die de», restlosen Vertrauen der Bevölkerung zur Reichswehr heute noch in, Wegs stehen. archismus anheim gefasst'». Ec scheint die beste Ge währ für die Auferstehung des Königreichs Bayern in einer Rückkehr des preußisch deutschen Kaisertums zu erblicken. Sein Geschäftsführer Erweck Freist v Are« t i u hat in Dr. Eberles Wochenschrift „Schönere Zukunft" eine» Aufsatz über Föderalismus veröffentlicht, worin er die Unantastbarkeit Preußens verficht. Die Wünsche der Haniwveraner nennt er ethisch wertvoll, weist sie aber politisch ab. Man muß wissen, daß Freist v. Aretin der Nachkomme eines der talentvollsten .Heiser des Grasen Mantgelas in der Organisation des Königreichs von Na« poleons Gnaden und in der Säkularisation der Kircheu- aüter ist. sDem Katholizismus des lebenden Aretin wal len wir dabei nicht zu nahe treten.) Er sitzt ferner im Aufsichtsrat der Kreuz,eituug. Da der Heimat- und Kö- iftgsbund saust nicht über allzu viel Köpfe verfügt, darf man aus dieser Charakteristik auf seine Gesamtrichtung schließe». Das; sie den katholische» Payern nicht Zusagen kan», widerlegt selbst nicht die große Eintagsverbreitung dieser mit allen Mitteln des schnielternden Bereius- ketriebs arbeitenden Organisatianen. Imnierbin braucht die Klärung Zeit. Wie weit der Parteitag der Bayrischen Balkspartei am 4. und 5. Dezember sie fördert, muß ab- gewartet werden. Für die Zukunft muß man ganz sicher mit bedeutenden Wandlungen in Bayern rechnen. Tee Preußische Landtag tritt am heutigen Dienstag zu fammeii, nni nvch eine Neihe von Vollsitzungen vor Lei W-'ihnachtsserst'» abzuhalten. Ans der Tagesordnung de: ersten Sitzung steht eine große Anfrage der Kommunisten die s ch gegen den Vorsitzenden des Landsberger Schwinge richt-s ruhtet. Außerdem stehen kleine Vorlagen zur Ver Handlung.