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Nummer 273 — 26. Jahrgang giiml wöch. Bezugspreis für Dezbr. 3,00 einschl, Licstellgelo Anzeigenpreife: Die lgesp. Potilzeile 30^. Sikllengesiiche 20 F Die PetKreklamezeile, 98 Milli« meier breit, 1 .31. O'°eri.'ngebnhren für Selbstabholer M F, be» Ueberleneung ourch die Post auheroem Poriozuschlag Ei»zcl-Nr. 10 L. Sonnlags-Nr. 15 H. Eeschäjtl. Teil: Friedrich Rieser in Dresden. Donnerstag, 2. Dezember 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt se5e Verpflichtung aut Lieferung sowie Erfüllung v Anzeigenaufträgen u, Leistung o Schadenersatz, Für undeutl, u, d, Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Per- anlworlung. Unverlangt eingesanöle u m Rückporto nicht versehene Manuskripte werd nicht ausbewahrt, Sprcchstunüe oer Reoaktion 2—3 Uhr nachmittags Haupljchrislleit.: Dr. Joseph Albert. Dressen,, Für christliche Poliiik und Kultur Niedaktton der «üchstsii,,'» Volkezcl«»»» DreSdeii-Aiistadt 1, PolieUic»sje l7. gerurui ÄNll und riv>2. Deuk'chlan-s Skan-punlrk in -er Kontrollfrage — E ne Note an -en Generalsekretär -es Völkerbundes — Auch im besetzten Gcbieke nur Untersuchungen von Fall zu Fall Ne WMM Ze§ ZeMW Sie MUMM Von zentrumsparlamentarischer Seite wird uns ge schrieben: Zivei Vorwürfe hat der Abgeordnete Dr. Spahn als Redner der Teutschnationnlen Volbspnrtei von der Tribüne des Reichstages gegen die Schulpolitik des Zen trums geschleudert 1. Das Zentrum mißt der Durchberatung des Reichs- schulgesetzcs nicht die nötige Dringlichkeit bei und hat in der leb,ten Zeit nichts dafür getan, auch nicht gesagt, was es tun will. 2. Das Zentrum hat sich durch seine Linkspolitik in seiner kulturpolitischen Betätigung die Hände gebunden und gibt Anlas; zu der Besorgnis, es werde im schulpoli- tischen Kampf versagen. Gewollt oder ungewollt, beide Thesen sind geeignet, das Zentrum in den Augen der Katholiken hera'ozusetzen und die katholischen Wähler kopfscheu zu machen. Beide Thesen sind das Gegenteil der Wahrheit. Was hat es mit der Untätigkeit, mit dem mangelnden Eifer für das Zustandekommen des Neichsschulgesetzes auf sich? Ange strengte Arbeit für Schaffung des Reichsschnlgesetzes war in allen Jahren nach dem Zusammenbruch eine politische Selbstverständlichkeit für das Zentrum. Herr Spahn hat selbst von hundert und mehr Sitzungen gesprochen, die im Reichstage seit 1920 der Borbereitung des Schul gesetzes gegolten haben. Er mutz ja auch wissen, das; in allen diesen Sitzungen die Vertreter des Zentrums in vor Regel führend und richtunggebend, immer aber im Sinne einer christlichen Gestaltung des Schulgesetzes tätig gewesen sind. Er mutz auch wissen, datz in der Vorberei tung des Gesetzentwurfes, der nach dem Rainen seines Parteifreundes Schiele benannt wird, das Zentrum in hervorragender Weise mitgearbeitet hat. Warum ver schweigt er diese Tatsachen? Warum hebt er nur die rührige Tätigkeit seines Parteifreundes in den hundert und mehr Sitzungen rühmend hervor? Herr Spahn mutzte auch, das; der Reichskanzler Marx in der Re gierungserklärung ein Reichsschulgesetz, das auf der Grundlage des Elternrechts und der Gewissensfreiheit aufgebaut werden soll, angekündigt hat, und datz der Reichsinnenminister diesen angekündigten Entwurf aus- cnbeitet und dem Reichstag bald vorlegen wird. Das Zentrum will heute wie bisher im Interesse der christlichen Jugenderziehung ein Schulgesetz schassen auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung. N chtig ist freilich, datz die Partei dem deutschnationalen Drängen, die Schulfrage zum Gegenstand eines Volks entscheids zu machen, Kühle Zurückhaltung entgegen- gcstellt hat. Nach Auffassung des Zentrums sind Volks begehren und Volksentscheid erst dann zu erwägen, wenn andere verfassungsmützige Möglichkeiten zur Erreichung eines Reichsschulgesetzes nicht mehr gegeben sind. Ohne Rot sott man die Volksleidenschaften nicht anrnfen. Aber gerade diese Aufrüttelung der Massen scheint der Gegen seite Hauptsache zu sein, und das Reichsschulgeset; ü n r Mittel z u in Z w e ck. Wer das bezweifelt, der lese in der Wochenzeitschrift „Das deutsche Volk" (Nr. 17, 1. Jahrgang) den Artikel „Von der Fürstenenteignung zum christlichen Neichsschulgesetz" von Pros. Dr. Spahn, M. d. N., Gednnkengang: Die Linke hat den Volksent scheid volkstümlich gemacht,- sie will ihn wiederholen, um neue Mitläuferscharen zu gewinnen. Die Rechte mutz zi ch vom Volksentscheid Gebrauch machen, wenn sie nicht allmählich unter die Rüder kommen will, denn es reitzt heule nicht mehr wie bei der Präsidentenwahl breite kreise der Zentrnmsarthünger nach rechts hinüber. Die Rechte mutz zum Gegenstände des zweiten Volksentscheids die christliche Schule machen. Diese Frage pack! das Volk: es wird sich mit dieser Frage ebenso tief ansrütteln lassen wie mit der Frage des Eigentums bei der Fürsten- enieignung. Das Volksbegehren nach einem solchen Volksentscheid in die Wege zu leiten, soll gemeinsame Sbigelcgenheit des Zentrums und der Neckten sein Und so wird der Faden meitergesponnen. Hier ist doch der religiös-sittliche Wert der Volksschule erst in die zweite Linie, ihr A g i t a t i o n s w e r t für die Dentschnationale Polkspartei an die e r st e Stelle gerückt. Und die Zen trumspartei sott Hilfe leisten. Durch den Mitzbrouch des Schulgesetzes zur Aufrüttelung der Massen sott es seine Rnhüngersclxift zur Rechten Hinüberreitzen lassen, über haupt die Trennungsliuie zwischen beiden Parteien aus- radieren helfen. Das ist allerdings eine starke Zumutung. Letzten Endes sott diese Aufrüttelung der Massen das Mittel seiir zum Zweck der Machtgewinnung der Deutsch- nationalen Partei. Daran hat das Zentrum kein Inter esse. Der Vorwurf der Untätigkeit des Zentrums im Schnlkampfe gewinnt in diesem oben genannten Artikel leine richtige Beleuchtung. — Wie steht es mit der Wahr heit und Stichhaltigkeit des zweiten Vorwurfs? London, 1. Dezember. Der diploiiiatstchc Korrespondent des „Dailh Telegraph" veröffentlicht heute folgendes Memorandum, Vas die deutuhe Negierung bereits vor längerer Zeit an den General le kretär des Völkerbundes gerichtet hat: „D:>e dcnstche Negierung hat auf das Sorgfältigste die Beichlüste des Völkerbundsrates und die anderen Tokumeiüs geprüft, sie p.ch auf die Anwendung des Artikels 2!3 des Vcrjaillcr Vertrages beziehen und die der deutschen Negie rung in ihrem Schreiben vom 19. März »nd 10. June vergangenen Jahres mitgeteilt wurden. Tic deutsche Regie rung ist bereit, in Uebercinstintinnng mit A li.1 213 des V.r,a!iter Vertrages sich j der Investigation §,Kontrolle) zu fügen, die der Bölicrbttnvsrat mit Mehrheit>b,'fch!nst für notwendig erachtet. Sie ist weiterhin bereit, jede Erleichte rung für die Ausübung dieser Koiitrollmastnahmon innerhalb der Grenzen des Veriniller Veetrages zu gewähren. Die Möglichkeit einer derartigen Kontrolle gewährt der deut schen Regierung eine gewisses Mag von Schuh gegen unge rechtfertigte Anschuldigungen. Die Beschlüsse und dK' -Bokuiln-nie, dis uns vorliegen, veranlassen uns indessen zu folgenden Bemerkungen: 1. Nach Inhalt und Wortlaut kann der Artikel 213 die .Kon- trol!tt>ag»ohnic„ nur in g-wissc» Falten rechtfertigen, näm lich, wen» bestimmte ilmnände zu dem Glauben berechtigen, das; DeuOchland es nnterlaisen hat, die Verpflichtungen ans- znsühren, die ihm nach den Eiuwafsiinngs- besiimmnngcn des Vertrages anferlegt sind, aber er kann keine danerndc oder periodisch sich wiederholende .Kon trolle rechtfertigen. Tie deutsche Regierung seht voraus, das; die Beschlüsse des Völkerbundsrates ebenfalls auf die ser An'chanung über den betreffenden Artikel nufgebaut sind. Indessen kan» das ausführliche Programm für die Kvnlrvllkvmmisston und ihr zahlreicher Stab den Grund zu der Befürchtung geben, das; die Absicht bestände, die von Artikel 213 vvrge'eheue Kontrolle in eine beständige Kon trolle nmznwnndeln. '2. Tie Massnahmen hinsichtlich d-r Einrichtung von ständigen Kontrollorgan » in entnUtt- >- sierten Zonen, wie sie im Kapitel 3 der Beschlüsse des Völ- kerbundsrates vom 27. September vorgesehen find, können keine Ainvendinig ans die entmilitarisierte Rt i ilandzone finden, da die Rechte des Völkerbundes ans Grund des Artikels 2l3 ans die Bestimmungen des fünften Teiles des Versailler Vertrages beschränkt »nd nicht anwendbar Das Zentrum st'-t nicht erst fest den Tagen von Wei mar »nr das eine Scbnlziel im Auge: Erhaltung und Förderung der konfessionellen Schule nach dem Witten des christlichen Volksteils zum Heile unserer Jugend und des deutschen Volkes. Der Vorwurf, es habe sich durch die „Liul'spolitik" von diesem Ziele akdräiigen lassen, weil es außen- und innenpolitisch mit der Linken hie und da Tuchfühlung hält, ist unbeweisbar, und die im mer wiedcrkehrende dentschnationale Behauptung, die Linkspolitik des Zentrums lähme seine schulpolitische Ak tivität. gehört — schonend ausgedrückt — in das Reich der politischen Fabel. Die Verhandlungen im Bildnngs- ansschtih des Reichstages bei der Beratring des ersten Neichsschulges'etzentwurfes bezeugen unwiderlegbar, das; die Zentrumssraktion ohne Rücksicht ans Koalitionsbil dung mit allen Kräftegrnppen Hand in Hand arbeitet, die für eine wahrhaft christliche Jugenderziehung arbei ten. Mit der Deutschen Volkspartei, auch mit den Deutsch nationalen, die damals iw Opposition standen, hat das Zentrum gekämpft gegen die Sozialdemokraten und die Demokraten, die zur Koalition gehörten. Das Neichs schulgesetz ist dem Zentrum in erster Linie eine Sache des christlichen Volkes, die dem innersten Kern seines Wesens entspricht, nicht eine Sache von zeitlich be grenzten Parteigruppierungen, die nach anderen als kul turpolitischen Gesichtspunkten zusammengesatzt sind. Wo es der Verwirklichung seines Schnlideals näher kommen kann, da betritt das Zentrum unbedenklich die Brücke zu den Parteien, die ihm Hilfe bieten, selbst wenn diese Parteien in anderen politischen Fragen ihm schroff gegen- überstehen. Das Zentrum ist für sich allein eine schwache Minderheit im Parlament, und mus; die Hilfe nehmen, wo sie ihm geboten wird. Nicht am Zentrum liegt es, find inioweit, als der dritte Teil des Vertrages von Ver sailles wcitcrgchende Bestimmungen hinsichtlich desjenigen! Gebietes enthält, von dem die Rede ist. 3. D:e deutsche Regierung ist bereit, deu Mitgliedern der Kvntrvllkommiision des Völkerbundes jede zur Durch führung ihrer Ausgaben notwendigen Erleichterungen zu gewähren, aber die Machtbefugnisse, welche der Kontrollkominissiion vom Völkerbund für ihre Bezie hungen zu deutschen Behörden und in gewissen Fällen zu dentichen Bürgern gegeben werden sollen, gehen beträcht lich über dasjenige hinaus, was die deutsche Verfassung zulätzt und was zur Erreichung des angestrebten Zielest notwendig ist." Die französische Austastung Paris, 1. Dezember. Nach übereinstimmende» Meldungen der Morgeublätier aus London haben die zwischen Paris und London gepflogenen diplomatischen Verhandlungen über die MililürkontroUe bereits zu einer säst vollständigen Einigung zwischen England und Frankreich geführt? An emo Abberufung der Interalliierten Miiltärkolitrolikommisfion sei vor März 1927 nicht zu denkenl Bis zur endgültigen Regelung der Frage der Miliiäriwntrolle durch den Völkerbund werche das InvestigaliansprolokoU von 1624 funktioniere». Für die K o » l i n n i I ä t ü e r Militär kontrolle habe nach dem offiziösen „Peiii Parisien" die eng lische Regierung oorgeschlagen. das; der Uebergnng der Kontrolle von der Interalliierten Militärkonirollkommission ans die Bist- kerbundskonnnission nach den gleichen Regeln geschehen möge, wie sie seinerzeit bei der Konlroile des Flugwesens dnrchgeführt wurde. I„ alliierten diplomatischen Kreisen der englischen Haupisiadl stelle man sich den Verlauf der bevorstehenden Völker- b.mdsratstugung so vor, das; Deuischlond am i>. Dezember ein- gcladen werde, allen Forde-ungen der Botschafterkonserenz »ach- znkaninicn. so das; der Völkerbund auf seiner Tagung im März 1927 in der Lage sei. den guten Wille» Deulschlands festzustellen und ohne weileren Verzug die Interalliim!e Militärkonirolikom- inission durch die VölkerdundskontroUkommission ersetze» könne. Die französische und deutsche Auffassung sind also noch recht weit von einander verschieden. Deutschland lehnt jede ständige Konirolle ab. Frankreich aber legt den grössten Wert ans die Konlinnität der Kontrolle. Die Möglichkeit einer Einigung ist hier sehr schwer aöznsohen. Viel wird nntnrlich von England abhängen. Immerhin kwin gesagt weriw». das; nunmehr die Aushebung der bisherigen Kontrollkommission vor Mär; 1927 nnivahrschmnbch geworden ist. Damit ist selbstverständlich auch gesagt, das; vor diesem Zeitpunkt an ein Verschwinden der Be satzung nicht zu denke» ist. das; ein christliches Schulgesetz nicht zustande gebracht ist. Es »i"tz einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen wer den: Wir hätten längst ein christliches Schulgesetz, wenn die D e u t s ch n a t i o n a l e Partei ernstlich ge wollt hätte, Sie ist jedoch im Spätherbst 1923 aus der Negierung ausgetreten, als die außenpolitische Linie von ihr abgelehnt wurde, dieselbe Linie, die sie beute nicht mehr ablehnen Kanu. Niemals ist die geringe Rücksichtnahme der Dcutschnatioiialeu Bolkspartei auf die christliche Schule so klar zutage getreten, als in der Behandlung des Schiel eschen Entwurfes des Reichsschnlgesetzes. Das Zentrum hatte diesen Entwurf in der Vorbereitung gestützt, ihn im Kampfe der Par teien mit verteidigt und würde Hand ln Hand mit allen Freunden der christlichen Schule für diesen Schieleschen Entwurf gearbeitet haben, wenn nicht die Deutschnatio nale Partei selbst die Negierung samt ibrem feierlich an gekündigten Schulgesetzentwurf schmählich im Stich ge lassen und dann sang- und klanglos eingesargt hätte. Das Zentrum wird, sobald der neue Entwurf vor liegt. mit aller Energie und mit allen ehrlichen Freunden einer christlichen Kulturpolitik ein gutes Reichsschulgeset; zu schassen versuchen. Die Dentschnationalen. einerlei, ob Mumm oder Spahn sie fübrt, sollen willkommene Mitarbeiter sein, wenn sie ohne alle Hinter gedanken, ohne p a r t e i e g o > st i s ch e Ziele und ohne vom Zentrum politische Zugeständnisse irgend welcher Art zu verlangen, zu uns stoßen wollen. Dazu gehört freilich der Entschluß, selbstlos der Sache zudiene n, um der christlichen Schule, um der Perwirk, lichnng der großen kulturpolitischen Ziele, »in der s i t t l i ch e n W o h l f a h r t des Volkes Wille»». Unser Zukunstsvolk sott auch ein christliäzes Volk sein.