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Nummer 263 — 25. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis für Novbr. 3,00 einschl. Bestellgeld Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 80^. Stellengesuch« 20 Die Petitreklamezeile, 98 Milli meter breit. 1 Offertengebühren für Selbstabholer Lg bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Ei»zel-Nr. 10 Sonnlags-Rr. 15 L. Geschästl. Teil: Friedrich Nieser in Dresden. pelZttvsrsn Umarbeitung Ke paraturen ^uldevealirung c> «-.V/inlO-e Kürscbnermstr. vrestlen-^. zVodergasa» 2 r^r>»N und <.c,:u«r Luxo,na- Buchdruls'»- - 'l-ülierilrake 17. ^erm- ! - o ri'sden I47i)7 Bcrulloiuo: Dresdner u t , Dresden SötKlWw Sonnabend, 20. November 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt je8e Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anzeigenaufträgen u. Leistung u Scliadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u.m. Rückporto nicht versehene Manuskripte wcrd. nicht aufbervahrt. Sprechstunde der Neoaklion 2—3 Uhr nachmittags. Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. Menm UM küelliliSri! u resäen Struvsrlrs», 7 beste (ZusiitSten btiecirigste Kreise Für chrisNiche PoliNK und Kultur M«dak«t»„ der Sachs«,che« Volk«,ei»«»« Dresden-MUladl >. Paiierstrat!- 17 gernni» rv7Il und eioie. Der letzte Widerstand Schwache Mehrheit -er englischen Bergarbeiter sUr Fortsetzung -es Streiks Das Kohlenproblem eine europäische Frage Die Kulturpolitik -es Zentrums Von zentrumsparlainentarischer Seite wird uns ge schrieben: Seit Jahren gehen von der d e u t s ch n a t i o n a l e n Seite Angriffe gegen die Kulturpolitik des Zeu - tru»,s. Sie sind äußerst bequem, weil mau in der Op position verharrt, und iveil man übersieht, das; es in den letzten sechs Jahren immer wieder Minderheitsregierun- gen gab, die mühsam die Politik des Reiches überhaupt zusammengehalten haben. Ader auch sachlich sind die An griffe nicht zutreffend. Seit der Verfassung von Weimar ist das Zentrum unablässig bemüht, mit positiven An trägen und Entschließungen, mit sorgfältiger Förderung des kirchlich-kulturellen Lebens christlich-kulturelle Poli tik zu entwickeln. Man vergleiche etwa die Darlegungen und umfassenden Mitteilungen, die in dem Politischen Jahrbuch 1925 (M.-Gladbach, Volksvereinsverlag) ge geben sind. Seit mehreren Monaten gehen diese Angriffe van deutschnationaler Seite mit besonderer Lebhaftigkeit vor sich. Aber man erkennt überall in den Anklagen das Geflissentliche und das Forcierte. Bemer kenswert ist auch, daß unter dem Druck der deutsch nationalen Angriffe die kleinere Wirtschaftspa r- t e i nunmehr ihrerseits den Mut findet, die Kulturpolitik des Zentrums anzugreifen, wie das der Abgeordnete Dr. Bredtin der Sitzung vom 12. November 1926 im Reichs tag ja bekanntlich besorgte. Er beschwerte sich darüber, daß der von ihm vorgelegte Entwurf des Reichs schul g e s e ß e s nicht in den Bildungsausschutz zur Be ratung überwiesen sei, da das Zentrum gegen die Ueber- weisung gestimmt habe. Der Abg. Dr. Vre dt mußte sich aber von dem Zeutrumsredner Dr. S ch r e i b e r sage» lassen, daß der Reichsschnlgesetzentwurf der Wirt- schastspartei nicht geeignet war, als eine brauch bare Verhandlungsgrundlage im Bilduugsausschuß zu dienen. Unter großer Anteilnahme und Heiterkeit des Hauses mies der Zeutrumsredner nach, daß diesem Ent wurf nach dem Zeugnis Sachverständiger jeder origi nelle Charakter a b g e h e. Gleichzeitig machte aber auch der Abgeordnete Dr. Schreiber den D e u t s ch n a t i o n a l e n gegenüber grundsätzliche Ausführungen über die Kulturpolitik seiner Partei, die eine besondere Beachtung verdienen. Seine Gedankengänge sind folgende: „Es hat der Abgeordnete v. S i n d ei n e r - Wildau kulturpolitische Fragen der Zentrumspartei berührt: ge wiß in einer ruhigen, konzilianten Form, aber nach der sachlichen Seite können wir diese Ausführungen nicht un widersprochen lassen, da sie einen Vorwurf enthalten. Herr v. Lindeiner erachtet es als notwendig, Ermahnungen au uns zu richten wegen unserer Haltung zum Reichsschul gesetz und zur Kulturpolitik. Er gebrauchte dabei die eigenartige, merkwürdige Wendung: „Mau hat mir ge sagt, daß auch die große katholisch Elternorganisation durch ihren Generalsekretär, den Herrn Böhler, sehr energische Forderungen au die Zentrums;>artei gerichtet hat." Es liegt in dieser Charakteristik doch eine gewisse Apostrophierung, eine gewisse Vorhaltung, ein bestimm ter Tadel, der um so bemerkensiverter ist. ols seit Wo chen und Monaten in der deutschnationalen Presse An klagen gegen das Zentrum erhoben werden, die heute eine grundsätzliche Stellungnahme von unserer Seite not wendig machen. Wir müssen unsererseits derartige Er mahnungen und Anklagen rundweg ablehnen. Unsere kulturpolitische Linie ist zu alt, zu stolz und z u tief eingewurzelt, um sich von einer derartigen Vorhaltung beirren zu lassen, um uns von einer anderen Partei belehren zu lassen und Vorhaltungen über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit unserer Kulturpolitik ent- gegenzunehmen. Wir haben unserer kulturpolitischen und kirchenpolitischen Ueberlieferung wegen jahrhun dertelang gekämpft und Schweres getragen zu einer Zeit, wo wir völlig einsam auf der kulturpolitisch« Flur stan den. Tausende von unseren Vätern sind wegen ihrer kulturpolitischen Ueberzeugung sozial, gesellschaftlich, ver waltungspolitisch zurückgesetzt oder gar geäch tet worden. Die Zentrumspolitikk ist für uns nicht bloß Progranunpolitik, unsere Kulturpolitik ist nicht bloß der naturgemäße Weltanschauungsausdruck, souderu e i u tiefes und inneres Erlebnis von Genera tionen, von mehr als einem halben Säkulum. Wer da glaubt, dein Zentrum kulturpolitische Ermahnungen und Vorhaltungen näher bringeil zu sollen, verkennt völ lig die Psychologie unserer Partei. Diese Eigenart der Kulturpolitik des Zentrums ist auch außerhalb unserer Partei von Männern, die nicht spezifisch parteipolitische Hemmungen hatten, weithin anerkannt worden. Ich verweise sie auf das Urteil eines führenden deutschen Kulturpolittkers, des preußischen Kultusministers Becker, von dessen Welt« Anschauung uns eine tief« Kluft trennt, der über, tn seiner London. t9. November. Die Schlußergebnisse der Dislrikitabstiiumuiigeu im Bergbau habe» ein« ausjerocdentlich schmierige Lage geschossen. Mit einer vom Sekretär der Bergarbeiter Cook aus rund 100 000 geschätzten Mehrheit Hab«» sich die Bergarbeiter für eine Ab lehnung d«r Negierungsvorschliig« entschiede». Di« iveitere Ent scheidung liegt nunmehr bei der Delegiertenkonferenz, die heute abermals Zusammentritt. Eine führende Persönlichkeit der Berg arbeiter erklärte auf die Frage »ach der praktische» Bedeutung der Ablehnung der Negicrnngsvorschläge, bas Abstimmungs- ergebenis stelle eine Demonstration gegen die Regierungs- bebingungen fest. Die Delegiertenkonferenz iverbe jedoch die Distrikte amveisen, bie Berhanblungen distriktweise auszu nehmen. Mehr als eine Demonstration wird bie Ablehnung Ser Re- gierungsvorschlüqe in ber Tat nicht bedeuten. Denn die Berg- orbeiterschast ist zu erschöpft, um deu Kamps — ber nun sieben Monate bauert — auch nur wenige Wochen weiter führen zu könne». Der Wiberstaub der Arbeilerschst gegen bie Vorschlag« ber Regierung ist freilich begreiflich, beuu wenn ein Abkom men zustande kommt, werde» sie in jcber Beziehung schlechter gestellt sein, als vor dem Streik. Einstündijfe Mehrarbeit, zehn prozentige Lohnkürzling und breijährige Distrikts-Kontrakte sinb in dem Memorandum ber Negierung vorgesehen, davon erfährt üie Festlegung ans 3 Jahre bie schärfste Ablehnung. Mit ber Einführung ber bistriktweisen Abkommen ist auch die wichtigste Forderung der Bergarbeiter und bie tragende Bestimmung der bisherigen Regelung, das „nationale Lohnabkommen", b. h. die Regelung der Lohn- und Arbeithz'''7frage für ganz England zugleich fallen gelassen worben. Eine solä-e Regelung wird natürlich nicht ohne Rückwir kungen auf den kontinentalen Kohlenbau. vor qllem auf de» in Deutschland bleiben. Der Kohlenpreis dürfte, sobald die englische Produktion wieder lieferungsfähig wird und da mit bie gegenwärtige starke Nachfrage schwindet, sehr rasch sinken. Damit wirb sich die Lage in den europäischen Kohlen- inüustrien erneut verschlechtern. Es ist der Versuch zu erwarten, auch außerhalb Englands die Arbeitszeit im Kohlenbergbau zu verlängern. Wie lauge die Arbeiterschaft in England sich dieser Ver gewaltigung wibersetzt, ist nur eine Frage der Zeit. Täglich wird die Zahl der Arbeiter, bie freiwillig in die Grübe» zurück- kehren, größer. Anfang September waren es -10 WO. Anfang Oktober 150 000, Anfang Noo-miber 300 000. Die Bergarbeiter geistvollen und interessanten Studie über die Kulturpoli tik des Reiches zur Kulturpolitik des Zentrums folgende demerkenswerte Sätze nusspricht: Nur einheitliche Ideen führen zu einer einlzeit- lichen Kultur. Diesen kulturpolitischen Zielen gebührt aber auch der Vorrang vor allen anderen Zielsetzungen, so vor allem den wirtsckzastlichen. Man darf init sei nem Kulturideal nicht in Widerspruch ge raten bei einer Wirtschaftspolitik, die man treibt. Das gibt Sechswochenerfolge, crt>er keine Erfolge auf die Dauer. Hier, liegt zum Beispiel d i e große Stärke des Zentrums, daß es als einzige deutsche Partei nicht von einer wirt schaftspolitischen, sondern von einer kulturpoli tischen Basis ansgeht und dieser Zielstellung alle an deren Fragen unterardnet. Mail kann sich zum Zen trum stelle», wie man will, dieser Erkenntnis wird sich der objektive Beobachter nicht verschließen können. Das ist ein bemerkenswertes Zeugnis, außerh a l b unserer Kreise, das wir in diesen Wochen einmal mit aller Deutlichkeit in den Vordergrund rücken müssen. Ein weiteres noch! Wenn Sie, meine Herren von der Rechten, den Katholiken Ihr besorgtes kulturpoli tisches Interesse entgegenbringen, so müssen Sie schon gestatten, daß wir ein wenig mißtrauisch und argwöhnisch werden. Es fehlt Ihnen die Ueberlieferung, die Empirie, die Erfahrung. Ihr Interesse für unsere kulturpolitischen Belange, für unsere Ordensschulen, für unsere Hochschulwünsche, für unsere Mittelschulen ist noch so jung, so von g e st e r n, so neu. daß wir allen Grund haben, sehr vorsichtig zu sein. Wenn man durch die kulturpolitischen Gemacher des deutschnationalen Hauses geht, so riecht es etwas nach frischer Farbe, und man hat den Eindruck, als wären überall Schilder ange bracht, auf denen die Inschrift steht: „Vorsicht! Frisch gestrichen!" Meine Herren, mag die offizielle Füh rung Ihrer Fraktion noch so sehr das kulturpolitische In teresse an den deutschen Katholiken betonen, das ändert gar nichts daran, daß weite Kreise ihrer Anhänger im Lande diese innere und seelische Umstellung noch! ü n g st n tch t v o l l z o g e n h a b e n. Bei mehr als einer Bür germeisterwahl — ich erinnere nur an Bochum und an Wanne-Eickel — war bei der Haltung Ihrer deutschnatio nalen Parteigenossen von dieser Besorgtheit um die kul- turpollttsche Parität der deutschen Katholiken nichts. k«a ni p f der Neuzeit verloren. Diese« Kampf hat England soviel gekostet, ivie Deutschlanb in de» nächsten fünf Jahren auf Grund des Daives-Planes zu zahlen haben wirb. Der Ausfall an Kohlenprobuktio» betrügt etwa '/- der Welterzeugung, soviel wie die gesamte Iahreserzeugung Deutschlaubs. Diese Zahlen «zeige». Saß in Wahrheit beide Teile geschlagen sind. Dieser furchtbare Arbeitsiiampf muß auch für bie Arbeit- gebersclzast eine furchtbare Warnung sein. Die Folgen des Streiks lzaben sich international ausgewirkt und auch die Art, in der jetzt Frieden gemacht ivirb. bürste internationale Konse quenzen haben. 'Rur eine internationale Vereinbarung über die Kohlenprobuklion, ähnlich ber Uber die Eisenerzeugung in Paris geschlossenen wird eine tragbare Grundlage für die Lösung des europäischen Kohlenproblcms abgeben können. Revolution in Brasilien Laudon, 19. Robcmber. Einem Rcntertelegram», aus Buenos Aires infolge ist kn Rio Gründe d« Snl die offene Revolntio» ansgebrochen. Meuternde Truppen sind in Saut Gabriel«, Santa Maria und Bage mit Bnndcalrnppe» zusaininengestoßen. Die Stadt Santa Maria ist von Fln-rzeuge» der -lnfständiichen bombardiert ivorden. Rack eiirer Meldung »er „^Zentral News" ans Buenos Aires haben sich die BnndrStrnvpen in Bage den Revolutionären angeschlossen. Die vereinigten Truppen nahmen dann nach schwerer Beschießung Santa Maria ein Di« Bertnste an Toten und Brrwundete« solle» sich ans 400 bela«,e». Der Ausbruch der Revolution in diesem Augenblick ist um so bemerkenswerter, als er mit dem Amtsantritt des neuen brasilianischen Bundespräsidenten Dr. W. Luid Pereira zusammenfällt. Dr. LniS war vorher Gouver neur der Provinz Sav Panlv und gilt als ein Mann von großen Kenntnissen und starker Energie. Unter den deut schen Ansiedlern in Brasilien ist er beliebt und gilt als Freund des Deutschen Reiches. Dr. LuiS hat vorgestern die AmtSgeichäste des Präsi denten übernommen. Er hat alio sehr rasch Gelegenheit bekommen, seine Energie und Umsicht nun auch in dev Leitung der ZtaatSgeschäfte zu bewähren. Der Aufstand beschränkt sich, soweit die bisherigen Meldungen erkenne» lassen, lediglich auf die südlichste Provinz von Brasilien Rio Grande. rein gar nichts zu spüre n. Das alles zeigt doch, daß in Ihren Kreisen noch so viele Vorurteile gegen un sere kulturpolitischen Auffassungen bestehen, noch so viele starke Ueberlieferungen, die von Ihnen als kulturpoli tische Hypotheken besessen werde», daß es Ihnen selbst in der Inflation njcht gelungen ist. diese hypothekarische Belastung abzustoßen. Auch in Ihren kulturpolitischen Werturteilen sind Sie noch so schwankend, so un ausgeglichen. sa widerspruchsvoll, wenn es sich um katholische Belange handelt, daß wir hier und da geradezu bedenklich werden müssen Sc> hat sich die deutschnationale Presse in diesem Jahre mit dem Breslauer Katholikentag beschäftigt, und zwar vom par teipolitischen Standpunkt aus. An sich hätte ich kein Be dürfnis, von diesen Dingeil zu sprechen. Al>er gerade in Ihrer Presse, in einer Ihrer Blätter ist diese an sich ob jektive Tagung wörtlich als eine parteipolitische und rein zcntruinsmäßige Programinfestlegung bezeichnet worden. Ganz seltsam ist es aber nun, meine Herren, wie in Ihren Kreisen das kulturpolitische Urteil über diese Tagung auseinandergehl. Die „Deutsche Zeitung" spricht wärt lich von einem Mißbrauch des Katholikentages für die Linkspolitik und erlebt dieserhalb eine bewegliche Klage. Dagegen stellt die „Deutsche Tageszeitung" wörtlich fest: „Die Gegnerschaft zu dem kulturfeindlichen Marxismus konnte überhaupt nicht besser heransgearbeitet werden." Das ist ein derartig toller Widerspruch in Ihren kulturpolitischen Wertungen, daß wir schon sehr mißtrauisch werden, wenn Sie den Anspruch erheben, uns über Linkspolitik und über Acußerungen des kul turfeindlichen Marxismus zu belehren. Wer in sich selbst derartig uneins i st. wie in dem klaffenden Widerspruch eines doch so bedeutenden Ereignisses wie des Breslauer Katholikentages, verliert den An spruch, als kulturpolitische Autorität zu gelten. Diese bedeutsamen Auslassungen verdienen sicherlich ein besonderes Interesse. Sie zeigen, daß das Zentrum gewillt ist. die Eigenart seiner Kulturpolitik, auf die wir gerade in unserer Zeitung wiederholt und mit aller Schürfe hingewiesen haben, weil sie als letztes un- großes Bindeglied zwischen der Gesamtheit der Katho-' liken zu gelten hat. nut aller Kraft zu bejahen und zu entwickeln. schalt l)at den grössten nnö lr o st s p i e l i g st e n Arbeits -