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Sächsische Volkszeitung : 19.10.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192710196
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19271019
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19271019
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-10
- Tag 1927-10-19
-
Monat
1927-10
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.10.1927
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Mittelaller im 2«. Jahrhundert oder „die Folgen des bayrischen Konkordats". Wo sie zu spüren sind? Diesmal nicht in Bayern, sondern in den Dresdner Neuesten Nachrichten. Um mit recht schwerem Geschütz gegen die Schulvorlage angehen zu können, haben diese sich durch den Dresdner Lehrerverein mit „erschütternden Dokumenten" versorgt. In Bamberg hat man einen Fall entdeckt, wo sich das bayrische Konkordat gerecht aber persönlich unangenehm gegen einen Lehrer auswirkt. Der Lehrer .T. lebt von seiner Frau angeblich durch deren Verschul den geschieden. Er ist katholisch und will trotz des Verbotes seiner Kirche eine zweite Ehe eingehen. Darauf wurde Lehrer X. von seiner Behörde darauf aufmerksam gemacht, daß sich für ihn, wenn er sich durch Eingehen einer zweiten (bürgerlichen) Ehe außerhalb der Kirche stelle. Konsequenzen aus dem Kon kordat ergeben würden. D. h. er könnte dann nicht mehr als katholischer Lehrer an einer katholischen Bekenntnisschule, wie sie in Bayern existiert, tätig sein. Der Lehrer L. ist trotz dieser Erinnerung bei seinem Willen geblieben, ist die zweite Zivilehe eingegangen und demgemäß zunächst beurlaubt und neun Monate später an eine Simulianschulc nach Nürnberg versetzt worden. Das ist der Tatbestand. Er veranlaßt die Dr. N. N. zu einem lauten Wehgeschrei unter dom Motto „Mittelalter im 20. Jahrhundert". Wir sind nun durchaus der Mei nung. daß unserem 20. Jahrhundert etwas Mittelalter absolut nicht schaden könnte. Wer das Lamento der Dr. N. N. hat ja einen anderen politischen Sinn. Es heißt da u. a.: „Diese Dokumente sprechen eine nur allzu deutliche Sprache und verraten einen derartig mittelalterlichen Geist, wie man ihn im 20. Jahrhundert in Deutschland nicht mehr für mäalich gehalten hätte. Wer österreichische Verhältnisse kennt, moik. wie viel unerhörter Jammer und unerhörtes Leid über Menschen gekommen ist, die unter dem Zwang der Kirchlichen Gese'mrbung ihre zusammengebroibene Ehe nicht lösen konn ten und zeitlebens aneinander gekettet blieben. Eine solche „Elie" widersnricht jedem natürlichen sittlichen Empfinden und man kann sich das Grauen, in dem viele Tausende in ihr zu- sammenleben mußten, kaum vorstellen. Das mit Rom abge- scblattene Konkordat hat ähnliche Verhältnisse in Bayern ge schaffen." Es ist doch gut, daß es im Deutschen Reiche ein Bayern gibt. Dann weiß man ivenigstens, wo man Hinweisen kann, wenn der Scliweizerkäse zu große Löcher l)at und der Radi hölzern nach Norddeutschland ausgeführt wird. Neuerdings iverden aber nicht nur die Erzeugnisse der bayrischen Viehwirt- fchaft, sondern auch die der bayriscl>en Kulturpolitik mit Vor liebe in Norddeutschland verspeist. Dieser sonderbare Appetit hängt bekanntlich mit den Sorgen um das Reichsschulgesetz zu sammen. Das ist schon zu verstehen, kann uns aber nicht er klären, warum fich z. B. die liberalen Kreise Sachsens so gern mit den „Gewissensnöten" der zeitlebens aneinander- geketteten katholischen Eheleute befassen. Man soll sich doch lieber um das hundertmal traurigere Elend liberaler Ehen gerade in Sachsen kümmern, wobei man in vielen Fällen von Ehe allerdings überhaupt nicht mehr reden kann? Die katho lische Kirche wird sich ihre allerdings strengen und konsequen ten Grundsätze über das Sakrament der Ehe nicht vom Dresd ner Lehrerverein korrigieren lassen. Und der Fall Lehrer L? Was ist daran das Erschütternde? Daß kaiholisclp: Eltern ihre Kinder nicht mehr einem Erzieher* anocrirauen wollen, der sich freiwillig außerhalb seiner Kirche stellt? Daß also die Katholiken an dem Grundsatz festhalten, für katholische Kinder katholische Lehrer? Gibt es vielleicht Grundrechte und Berfassungsrechte nur für einen solchen Lehrer als Staatsbeamten, nicht aber für die E l t e r n. die zuerst für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich sind? Es gehört schon eine ziemlich einseitige Verblendung dazu, sofort von der „Knebelung" der Freiheit eines Lehrers einen spaltenlangen Artikel zu schreiben, die Rechte und Wünsche der Eltern aber, für deren Kinder der Lehrer doch tätig ist, auch nicht mit einem Worte zu erwähnen! Ein« solche Einstellung finden wir zwar nicht liberal, wohl aber sehr nervös antikirchlich. Wenn man wenigstens so gerecht denken und zugeben würde, daß es zwischen dieser antikirchllchen Einstellung und einer gläubig-christlichen Auffassung in der Schulfrag« keine Versöh nung, kein verschwommenes Kompromiß gibt, und wenn man daraus die Folgerung zöge, die der jetzige Entwurf des Reichs- schulgesches zu ziehen sucht. Duldung und Freiheit für alle, so wäre das eine Politik von Niveau. Wie man heute ober unter tendenziösen Ueberschristen die Leser der liberalen Presse Kopf, scheu und ängstlich macht, das hat mit dem Begriffe Politik kaum noch etwas zu tun. Wir werden ja sehr bald sehen, ob diese Methoden der liberalen Press« auch auf die Behandlung des Reichsschulgesetzes im Parlamente abfärben werden. 1A. v. Für -en Schulgesetzentwurf -er Relchs- regierrmg! Der Ev.-luth. LandeSschulveretn für Sachsen hat folgende Entschließung zum Neichsschulgesetzentwurf angenommen: „Der Reichsschulgesrtzentwurs stellt Erfüllung der seit lan gem geäußerten Wünsche des christlichen Elternhauses in Aus sicht:, Auf der Grundlage voller Glaubens- und Gewissensfrei heit soll der Wille der Erziehungsberechtigten bei der Wahl der Schulformen entsprechend der Verheißung der Reichsregierung möglichst berücksichtigt werden. Der Entwurf kann daher als ge eignete Grundlage für weitere Verhandlungen im Reichstage und Ausschuß begrüßt werden. Wir erwarten vom Reichsschulgrsetz endlich unsere ev.-luth. Bekenntnisschule mit Bibel, Gesangbuch und Katechismus. Sachsens eigenartige, immer unhaltbarer gewordenen Verhältnisse werde» aber im Entwurf nicht genügend berücksichtigt. Wir erwarten, daß man auch unserm Land« ohne unnötige Schulkämpfe den Weg zu einer ev.-luth. Bekenntnisschule össgiet, zumal die katholische Bevölkerung nach wie vor ihre katho lische Bekenntnisschule behalten hat. Wir erwarten ferner, daß für die kommende Bekenntnisschu le auch reichsgesetzliche Bestimmungen über die Lehrerbil- d n n g gegeben werden, damit die Lehrer für den Unterricht an dieser Schule rechtzeitig vorbereitet werden." Vorstehender Entschließung ist von 25 sächsischen christlichen Ver bänden zugestimmt worden. vrerelrn unä Umgebung Nachklänge zur Dresdner Bürgermeiskerwahl Dunkle Geheimnisse um die Volksrechtspartei Dresden, den 18. Oktober. Die Dresdner Stadtverordneten Bertram und Lehdcl senden eine „Berichtigung" zu dem vom Telunion-Sachsendienst verbreite ten Artikel „Die Volksrechtspartei schüttelt die wortbrüchigen Stadt verordneten ab." Nach Streichung eines beleidigenden Ausdrucks heißt es in dieser Berichtigung: 1. Es ist unwahr, daß unsere Anschauungen und unsere Hal tung innerhalb der Partei auf ernstesten Widerstand stoßen und di« Absicht bestehe, uns aus der Partei auszuschließen. Wahr ist viel mehr, daß wir uns mit der Landesparteileitung in voller Nebereinstimmmig befinden, seit die Herren Küster-Heuckendorff, Rechtsanwalt Dr. Hermann und LandiagSabgeordneter Göttling auS dem Landesparteivorstand herausgeflogen sind und dessen Sitz von Dresden wieder nach Leipzig verlegt wurde. 2. Es ist unwahr, daß man davon Abstand genommen habe, uns aus der Partei auszuschließen in der Hoffnung, uns dadurch veran lassen zu können, unser Wort einer gegebenen Ansage entsprechend elnzulöfen und für den bürgerlichen Kandidaten Stadtrat Koppen zu stimmen. Wahr ist vielmehr, daß innerhalb der Partei über die Bür- germelsterwahl überhaupt niemals mit uns gesprochen wurde, daß wir niemals in dieser Sache ein Wort gegeben und insbesondere nie- mals die Zusage gemacht haben, für Stadtrat Köppen zu stimmen. 3. Es ist unwahr, daß unsererseits ein Wortbruch begangen worden sei, um einer rein persönlich-egoistisch eingestellten Politik Förderung angcdeihen zu lassen. Wahr ist vielmehr, daß wir keinen Wortbruch begangen haben, weil wir ein Wort in dieser Sache nie mals gegeben haben. Wahr ist ferner, daß wir nur aus rein sachlichen Gründen für Dr. Bührer gestimmt haben, insbesondere weil uns die ser von der Orlsgrnpve Pforzheim der VolkSrechtspartri angelegcn- lichst und bestens empfohlen worden war und Dr. Bührer selbst und auf Befragen in bezug auf die Aufwertung günstige Zusagen gemacht hat. 4. ES ist unwahr, daß wir die Absicht hatten, für die Wahl des Stadtrats Grüner -um 3. Bürgermeister zu stimmen. Infolge des Antrages der Kommunisten, diese Stelle überhaupt einzuziehen, konnte bisher noch nicht einmal der Gedanke an eine solckze Wahl auftanchen. Soweit die Berichtigung. Wie der Telunion-Sachsendienst aus Anfrage bei den in Dresden befindlichen Borstandsmitgliedern der Reich-Partei für Volksrecht und Aufwertung in Erfahrung gebracht hat, find di« Mitteilungen der Herren Bertram und Leydel nicht zutreffend. Um nur aus die wesentlichsten Unterschiede einzu- gehen, geben die Herren de» Vorstandes bemnnt, daß sie von einer Uebrreinstinunnn, b«r Lanpesparteilritnn, mit den Herren Ber tram »ub Lrtzdel nichts wissen. Außerdem sind die Herren Köster- Heuckcndorff und Dr. Hermann nach wie vor Mitglieder de- Landes- parteivorstande». Was den Landtagsabgeordneten Göttling anlangt, so war dieser nieinalS Mitglied de» LandeSpartrtvvrstandes und kann also auch nicht dort ausgeschaltet worden sein. Ueber di« Bürger- meist er Wahl ist mit Herrn Bertram von zuständigen Partei- instanzen des öfteren verhandelt worden und es hat Herr Bertram nicht in dem Sinne gehandelt, wie er den Parteiinstanzen gegenüber versprach. Weiter kann mitgeteilt werden, daß auch die Landtagsfraktion das Verhalten der Dresdner Stadtverordneten der Reichspartct für Volksrecht und Aufwertung nicht billigt. In den Kreisen der Volksrechtspartet, die doch wesentlich nicht zu groß sind, muß demnach ein heilloses Durcheinander und eine ziemliche Pro gramm. und Kopflosigkeit herrschen, die dann allerdings solche Eracb- nisse zeitigen muß, wie bei der Dresdner Bürgermeisterwahl »-Die erwachende Sphinx Unter diesem Titel hat Dr. C o l i n N o ß, der bekannte Weit reisende und Reiseschriststeller vor kurzem im Bkockhaus-Verlag, Leipzig, ein umfangreiches, reich illustriertes Werk herausgegeben, das in anschaulicher Weise von seiner letzten Afrikareise erzählt Dr. Colin Roß hat seine Erlebnisse im dunklen Erdteil aber auch in prächtigen Filmbildern sestgehallen. Dieser Film, der den gleichen Titel wie daS Buch führt, zeigt gegenwärtig der Ufa-Palast. Ohne Zweifel gehört dieser Film, den Colin Roß persönlich er läutert, zu den inieressanlesten und lehrreichsten seiner Art — Wie sieht es heute in Afrika aus? Diese Frage, die jeden, der sich für den dunklen Erdteil interessiert, beschäftigt, wird ausgiebig beantwortet durch eine glückliche Vereinigung von Wort und Bild. Von Kap stadt nach Kairo geht die Reise. Bald sich! man die Expedition im Auto, bald im Planwagen, dann wieder auf Pferden oder Maul tieren, weiter auf Schissen und der Eisenbahn. Schon dadurch ist die Mannigfaltigkeit gekennzeichnet, in der die Reise vonstatien geht. Dr. Colin Roß hat aber nicht nur die Landschaften Afrikas durch- qu'ert, sondern er hatte auch Gelegenheit, die kolonialen Probleme zu studieren und interessante Beobachtungen auf dem Gebiete der afrikanischen Soziologie und Rassenkunde zu machen. Die „Schwarze Gesahr ", die gerade in letzter Zeit so viel erörtert wurde, wird unter anderem dadurch gekennzeichnet, daß in manchen Zonen die Negerstaaten so weit entwickelt sind, daß kein Fremder ohne die staatliche Einwilligung das Land betreten darf. Natürlich gibt es demgemäß auch weite Gegenden, in denen der Europäer der Herrscher ist, wie überhaupt die Verschiedenheit der Kultur unter den Bewohnern Afrikas eine sehr mannigfaltige ist — Einen großen Teil seines Filmes hat Dr. Colin Roß dem ehemaligen Deutschost- und Südivestasrika gewidmet. Weiter sind die gelungenen Aufnahmen von Zeremonien und Tänzen der Ein geborenen, prächtige Iagdaufnahmen und die vielen übrigen Kul- tnrbilder, die sich alle durch prächitge Anschaulichkeit und glänzend« Photographie auszeichnen, ein überaus wertvoller Bestand de« Filmes. Man folgt dem ausgezeichneten Vortrag und dem Film mit großem Interesse und nimmt nachlmltige Eindrücke mit fort von dem geheimnisvollen Land, dessen Wahrzeichen, die Alabaster- Sphinx zu Memphis, im Wasserspiegelbilü überraschend da» Landkärtenbild Afrikas zeigt. Dieses Programm des Ufa-Palaste- kann auch unserer Jugend sehr empfohlen werden. Die Äygiene-Or-anisalivn -es Völker bundes im Kygiene-Muserrm Dresden, 18. Oktober. Die von der Hygiene-Organisation des Völkerbundes zu einer internationalen Studienreise nach Deutsclxland entsandten ausländischen Medtzjnalbeamten besuchten gestern, nn« schon Kurt gemeldet, unter Führung von dem Präsidenten des Landes, gesundheitsamtes Geh. Reg.-Rat Dr. W^>er und von Geh.-Rai Prof. Dr. Thiele vom Sächsischen Arbeitsministerium da« Deutsch« Hygiene-Museum. Vom Sächsischen Innen- Ministerium waren anwesend Ministerialrat Dr. von Breseius. vom Finanzministerium Ministerialdirektor Dr. Just, ferner Reichsinnenminister a. D. Dr. Külz, vom Vorstand des Deut schen Hygiene-Museums Generaldirektor Bausch. Oberbürger meister Dr. Blüher als Vorsitzender des Vorstandes de» Deutschen Hygiene-Museums begrüßte die Gäste im Hörsaal oe» Museums. Hervorgegangen aus der Internationalen Hygiene» Ausstellung 1911 habe sich das Museum weit über Deutschland» Grenzen hinaus Achtung und Ansehen verschafft und sei bereit» heute zu einem Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege ge- worden. Er hoffe, daß in 2 Jahren der Ban des Deutschen Hqaiene-Museums fertig sei. wodurch -en Bestrebungen noch ein« v>« breitere Basis geschaffen wird. Direktor Dr. Vogel berichtet« dann anschließend über das Deutsch« Hygiene-Musrum und begrüßte die Sludienkom- miffion als Abgesandte des Völkerbundes. Er streift« kurz di« Geschichte des Museums und berichtete von deck Aufgaben, die Keinrich vo« Kleist ln Sachsen Zur Erinnern», an dessen 150. GebnrtSta, (18. Oktober 1777.) Heinrich von Kleist, der klassische Schöpfer der Bühnenwerke „Der zerbrochene Krug", „Da« Käthchen von Heilbronn", „Die Herr- mannS-Schlacht", „Prinz Friedrich von Homburg" und „Penthe silea" wie der Novelle „Michael Kohlhaas", begeht am 18. Oktober sei nen 150. Geburtstag Wiederholt hat dieser klassische deutsche Dich ter in seinen nur 35 Lebensjahren den Boden unsere» sächsischen Lande» betreten. Viermal hat er ln Sachsen» Hauptstadt Dresden ge weilt. Am 2. September 1800 ist Kleist zum ersten Male nach Dres den gekommen. In Briefen an seine damalige, in feiner Vaterstadt Frankfurt a. O. wohnende Braut beschreibt Kleist seinen Eindruck von Dresden. Bei der Schilderung eine» Spazierganges auf die Räcknitzer Höhen vergleicht der Dichter sein von Dresden erschautes Bild „mit einem Haufen bunt zusammengewürfelter Häuser". Gün stiger jedoch ist die Schilderung seiner Eindrücke von einer Partie in das Weißeritztal und die Waldungen von Tharandt. „Der Plauensche Grund ist ein wildromantische» Thal, dessen Anblick mich in Helles Entzücken versetzte", heißt es u. a. darin. Am 4- Mai 1901 kommt Kleist ein zweite» Mal nach Dresden, diesmal in Begleitung seiner Schwester Elrike. Sein Eindruck von der Stadt wird durch prächtige» Maiwettcr wesentlich gehoben. Der Dichter hörte oft die Messen in der katholischen Kirche an, wird ein eifriger Besucher der Gemälde- galerie und wandert mit rasch gewonnenen Freunden durch die Süch- stsche Schweiz bi» nach Teplih. Kleist verkehrte damals bei der ver armten, aber harmonisch lebenden Familie von Schliebrn. Katha- rina von Schlieben nahm an de» Dichter» geistigem Schaffen beseel ten Anteil. Im Jahre 1806 kommt Kleist zum dritten Male nach Dresden. Ec war damals nach ruhrlosem Umherwandern in der Welt nicht nur körperlich ein schwerkranker Mensch, sondern auch seelisch gebrochen und rang verzweifelt mit dichterischen Stoffen, die er nach seiner - Meinung nicht mehr zu meistern vermochte. Von einem längeren Aufenthalt in Dresden erhoffte Kleist, auch schon in Erlnnerun, an dir vordem im Schltrbenschen Hause verlebten „goldenen Stunden" vor allem seelische Beruhigung und phhstschr Genesung. So wählte kick, de«, »i» b^ckeidene» Dresdner Quart«« au» länaere Sicht tt, dem Hause Ramptsche Gasse Nr. 123, jetzt Pillnitzer Straße 29, an welchem Hause sich heut« noch ein« Bronzetasel zur Eci merung be findet. Kleist fand in Dresden wiederum liebe Freunde, wie einen ». Psuel und Rühle von Ltlienstern: sogar ein Ludwig Lleck schenkte ihm aufrichtig seine Freund filmst. Freilich erkann:-. dieser nur zu bald des Dichter- seelische Zerrüttung und vergleicht Kleist mit Goe the» „Torquato Tasso". Kleists Geldmittel gingen in Dretden da mals rasch zur Neige und er und seine Freu»): erstrrbien durch die Grill düng eine» eigenen Verlage» mit der Zeitschrift „Phöbu»' eine Brsserun, von de» Dichter» wirtschastllchcr Lage. Dach da» Unter nehmen schlug fehl und der nervös übc-r-izie Kleist kam soqar mit Goethe in eine literarische Fehde, durch deren Folgen er den sür ihn so anregend geworbenen Verkehr im Haute von Theodor Körner» Vater einbüßte. in den, sich das damalige literarische Dresden ständig vcrsammeli«. De» Dichters Gemüt zeigte bereit» eine gefährlich«, oft bi» an den Wahnsinn grenzeiche Verdüsterung. Diese krankhaften Zustände und eine arg« Verstimmung über die Wandlung der politischen Verhältnisse ln Sachsen durch dessen Bündnis mit Napoleon I. veranlaßt«« Kleist, von Dresden fortzu gehen. Er ist dann nochmals, freilich nur flüchtig, ein viertes Mol noch Sachsens Hauptstadt gekommen (1808) und vier Jahre später trieb ihn ein grausamer Dämon ia Gemeinschaft mit einer unglück lichen Frau am Warmse« bei Berlin in die Arm: de» Selbstmords. Damit vollendete stch ein unglückliche» deutsche» Dichtersrhicklal, dessen Träger im schönen Sachsen und vor allem in dessen Hauptstadt nach den Schilderungen in seinen, vor einigen Jahren von Ser „Kleist- Gesellschaft" herausgegebenen Briefen „Dresdner goldene Tag-:' ver lebt Hot. E. H. Gchouspielhou». Zu Beginn der Strindberg.Marge n- feler am Sonntag entwarf Dr.KarlWollfmit wenigen War- ten ein so eindringliches Bild von der Grundstimmung de» schwe dischen Dichter», daß man wirklich bereichert wurde. AuSgrhend von dem Goetheschen Erlebnis de» Erdbeben» in Messina, da» der Dichter» hero» fast körperlich ln der Nacht mitsühlte, schilderte Dr. Wollf, wie ebenso Strindberg kosmische Katastrophen voranSempsand, wie er da» europäische Erdbeben vorher spürte, wie da» Urphänomen seiner Seele Angst sei. Die Jahre de» „Inferno" zeigen da» am deut- lichsten. Und au» dieser Angst erklärt fich auch Strindberg» Er«». Problem, da» nicht au» Haß, sondern au» Angst vor dem Weib ent- fwnd. al» dessen Opfer KL Strindberg fühlt«. Trotz »Setze« find Strindbergs wundervolle Märchendichtungen und historische Dramen verständlich. Er liebt Kinder, Pflanzen und Tiere. Er hat erkannt, daß Liebe und Haß nicht nur menschliche, kondern immer auch ks»- miicbe Regungen find. Erstes Gesetz ist ihm da» Naturgesetz. Dt« Rückkehr de» Dichter» zur katholischen Kirche, deren Schatz gerade dem denkenden und tief veranlagten Menschen in seiner Verzweiflung Fassung und Frieden vermittelt, ist aus dieser seiner Grundstiimnung zu erklären. Dr. Wollf schloß mit der Ueberzeugung, daß gerade Strinddergs Werk dazu helfen könne, die Rätsel unserer Zeit und un sere« Ich zu lösen. Dte geistvollen Worte fanden berechtigten Beifall. Da» stch ihnen anschließende Programm wurde dadurch wesentlich verdeutlicht. Zuerst la» Allee Verden die Novelle „Vogel Pkö- nix". eine Lheoeschichte von großer Wahrhaftigkeit und Nitterni». Ihre große GestaltungSkunst schuf auch hier wieder meisterlich nach. Irma Tervani und Idar Andresen sangen Kompositionen nach Strindbergschen Texten von Rangström, Sjögren, Aulln in schwedischer Spvache. Man bitte bessere Interpreten dieser schwerblü tigen Werk« kaum wählen können. Beiden Künstler» wurde reicher Beifall zuteil, an dem sie auch den köstlich begleitenden Ernst Richter trilnebmen ließen Au» dem Roman „Schwarze Fahnen" las Adolf Wohlbrück da» Kapitel von den lebendigen Möbeln und Einrichtungen, die sa Strindberg auch in den Bezirk seiner gro ßen Liebe einbezieht. Sein Vortrag hatte einen Abglanz von dieser Liebe. Endlich la» noch Decarli au» dem düsteren „Inferno" und ergänzte ln hervorragender Weise da» Bild, das die Morgenfeier gezeichnet hatte. Di« künstlerische Rundung dieser Strtndberg-Frier, die zu erzielen kein Leichte» ist, übertrifst alle derartigen Veran- staltungen, die in Dreiden Strindberg zum Gedenken geboten wurden Zck. Gertrutz Busch hat Gab« und Geschick, immer auss neue zu fes seln. Sei e» durch eigene» Schaffen oder durch Wiedergabe von Dichtungen anderer. Im kleine» Saale der Kaufmannschaft la» sie di«»mal wieder eigene Arbeiten, ein Drama, eine Legende und eine Novell«. Der dramatische versuch nennt sich Wiederkehr. Er umfaßt einen Akt. Der Inhalt ist sprachlich fesselnd. Trotzdem Hab« ich da» Gekllhl, daß sich Gertrud Busch in der erzählenden Form, wie die beiden anderen Dichtungen erwiesen, sichrer und mehr „zu Haule" fühlt. Charakteristisch« Prägung de« Stoffe» und farbige, Ausdruck find Gertrud Busch immer zu Diensten gewesen Und s, htnterlieh auch dieser Abend wert»«!« und nachhaltig« Eindrücke. -i».
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