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Nummer 241 — 26. Jahrgang Suchet»! tmat WSchenUtch mit den tllnllrterten c> rattSbeitage» »Die Welt' und »Für untere kleine» Leute", sowie den Leit» bciiagen ,Tt. Uenno-Blatt", .Unterhaltung und Wissen", .Die «eit der Frau", .Aerztlicher Ratgeber", .vlterartsche Beilage", .gilmrnndtchan". Monailtcher VezugSpretS 3 - Mk, einschk. Bestellgeld. iiinzclu»inmer I«» 1. Sonntagnummer SU 1- Hauptschristieiter! Tr. tS. Tesczhk, Dresden. SüchUche Sonnkag» den 1k. Oktober 1927 Aiizeigeoprts«, Die Igesvaitene Petttzetle !»<» z. gamtlien» mueigen und Slellengesuche jk» 1. Die Petitiellainezeile, «3 Milliinetcr breit, I ^ Osser engebühr LU y. bei lieber« sendung durch die Post außerdem Porto-uschlag. Im gnlle höherer Gewalt erlischt jede Bcrpftichlung aus Liefrnng lolr « Lrsülluug v. Anzeigen»Äuftriigcn u. Leistung v Schadenersatz, weschästltcher Lell: Artur Leuz, Dresden. tvcichäftSftelle, Trucku.Verlag - Germania. «l.-G. tiir Bertag lind Truck- rct. gttiale Dresden. DreSden-A. 6 PoNerstrnhe t7. gernr»12ic»S. PoMchecklonIo Dresden rA-3. PanNonto Stadtbant TreSdrn 3Ir «I71S Für christliche Politik und Kultur Kerrensloffe Tr Sportslosse, Korb- uni» Lobenstosse Marti-, Pult- unö Anisormluche 8egr. 188 ichha 8 Dresden-A US H l., Scheffelske. Zörschel 11/13 Fernsprecher 1372 l Damenluche Koslüm-, Mantel-, Kleiber- u.Futlerslosle 5 Samt-, Plüsch- unü FellsWe Vindlhorsks Kampf um d!e christliche konsessionelie Schule Von Hermann Ludwig Müller. Windthorst als Vorkämpfer der christlichen, konfessio nellen Schule! Das ist ein so wichtiges und fesselndes Thema, dag man ein ganzes Buch darüber schreiben könnte! In dem unermüdlichen Kampfe um die höchsten Ideale, den der grosse christlich-patriotische Staatsmann in seinem langen, reichbewegten Leben zu führen hatte, nahm die Sch ul frage stets einen hervorragenden Platz ein. In der Arbeit und Sorge um die christliche Schule hat W i n d t- h o r ft jederzeit ein leuchtendes Vorbild der aufopfernden Pflichterfüllung gegeben, in diesem Kampfe hat er noch kurz vor seinem Tode bei der Abwehr der Goßlerfchen Schul vorlage seine leisten Kräfte aufgezehrt. Windthorsts Stellung zur Schulfrage ist besonders jetzt von hervorragender Bedeutung im Hinblick auf den neuen Entwurf des R e i ch s s ch u l g e s e tz e s, der dem nächst im Reichstage zur Beratung gelangen soll. Mii grosser Kraft und Leidenschaft wird vom Liberalismus so wie von der Sozialdemokratie gegen diesen Entwurf an- gestllrmt, weil darin neben den Rechten des Staates auch Diejenigen der Kirche und der Eltern auf die Schule ein« gewisse Berücksichtigung gefunden haben. Mit tönenden Schlagworten von der „Gefährdung der Schulhoheit des Staates", von der „Bevormundung der Schule durch die Kirche" usw. suchen die Linksparteien in Presse und Ver sammlungen das Volk aufzuregen, um möglichst die Religion aus den Schulen zu entfernen, oder nur eine ver schwommene religiöse Erziehung der Kinder in den sogen. Gemeinschaftsschulen, die als Regelfchulen gelten sollen, herbeizusühren. Die „Vossische Zeitung" hat sogar in einem Artikel vom 15. September die deutschen Hochschulen auf gerufen, ähnlich wie 1892 bei der Zeolitzschen Volksschul vorlage, feierliche Proteste gegen den Reichsschulgesetz entwurf zu erlassen, damit d e m Staate allein das Recht der Erziehung in den Schulen gewährt werde. Allen diesen Bestrebungen gegenüber dürsten bei allen Christen, besonders aber bei den deutschen Katho liken, die von weitem Scharfsinn zeugenden Kundgebungen Ludwig Windthorsts über die Schulfrage das leb. Hasteste Interests beanspruchen. Der große Volksmann war in Hannover unter einer fast ganz evangelischen Bevölke rung ausgewachsen, er war mit vielen gläubigen Pro. testanten eng befreundet, und er vertrat in bezug auf Kirche und Schule einen durchaus freiheitlichen, toleranten Stand- Punkt. Windthorsts erstes öffentliches Auftreten als Abgeord neter im Kampfe für die christliche Schule erfolgte schon im Sommer 1850 in der 2. Hannoverschen Kammer. Die Re gierung des frühern Königreiches Hannover hatte den beiden Kammern den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, wodurch die Schule von der Kirche getrennt und, wenn auch unter Beibehaltung ihres konfessionellen Charakters, zur reinen Staatsanstalt erklärt werden sollte. In der Be- kämpfung dieser Vorlage führte Windthorst aus, es sei bis her nicht zweifelhaft gewesen, daß die Kirche die Volks schule gegründet, großgezogen und gepflegt habe. Das sei in allen großen Staatsverträgen anerkannt, die seit der Reformation in Deutschland geschlossen worden seien. Der Westfälische Frieden erkenne die Volksschule geradezu als Annexum der Kirche an. Es sei neu, daß die Regierung und die Stände jetzt einseitig die Grundsätze zur Regelung de, Volksschule festsetzen und die Kirche gleichsam aus ihrem Hause hinauswerfen wollten. Die Vorlage sei widerrecht lich und gefährlich für die religiöse wie für die politisch« Zukunft des Volkes. Angesichts der vielfachen, besonders in Frankreich mit den religionslosen Schulen gemachten Er fahrungen sei es hohe Zeit, die Religion wieder zum Fun damente der gesamten Erziehung zu machen, um die Gesell schaft zu retten. Als dann nach dem Kriege mit Frankreich das neu« Deutsche Reich gegründet war und die Vorboten des Kultur kampfes sich bemerkbar machten, sprach Windthorst sich im Reichstage am 3. April 1871 über die Schulfrags wie folat aus: ..Auch für mich ist die Wissenschaft und ibro Keule: Die Welt (Illustrierte Woäzenbeilage) Unterhaltung und Wissen Turnen. Sport und Spiel ^ Filnrrundschari Ans Leschliitz des Kabinetts Das Reichskabinett bejahte sich in seiner gestrigen Sitzung mit den Beschlüssen des Reichsrats zur Besoldungs- resorm. Es wurde beschlossen, in einigen Punkten, in welchen der Reichsrat von der Regierungsvorlage abweichende Beschluss« gesaht hatte, dem Reichstag eine Doppelvorlage zu unter breiten, insbesondere wird die Rcichsregierung, entgegen dem Beschluss« des Reichsrats an der Auffassung sesthalten, Laß am Finanzausgleich im gegenwärtigen Zeitpunkt nichts ge ändert werden kann. Angesichts der Tatsache, dah der Reichsrat den Schnl- gesetzentwurs in seiner gestrigen Sitzung abgelehnt hat. beschloß das Neichskabinett, die Vorlage des Schulgesetzes an den Reichstag gemäß Artikel 0,g der Reichsversassnng in der un veränderten Form des Regieruirgsentrvnrss. Besoldungs gesetz wir Schulgesetz gehen dem Reichstag unverzüglich zu. Nach der Adlehneng Die gestrige Ablehnung des Entwurfs des Reichsschulgesetzes durch den Reichsrat ist lediglich ein Zwischenspiel in den jchul- politischen Auseinndersetzungen. Der Reichsrat konnte zu keiner einheitlichen Mehrheiisauffassung kommen und lehnte daher aus entgegengesetzten Gründen die Vorlage ab. Es stand bei der Schluhabstimmung nicht mehr der ursprüngliche Keudell'fche Entwurf zur Debatte, sondern die Fassung, die aus den Beschlüssen der ReichsralÄommistionen und den Einzelabstimmungen >m Plenum hervorgegangen war. Die große Mehrheit der Gegner der Neichsratsvorlage setzt sich aus Anhängern des Keudell'schen Entwurfes zusammen und nnr einige Reichsratsmitglieder stimmten deshalb mit nein, weil ihnen auch der abgeänderte Entwurf noch nicht weit genug ging. Der Reichsrat steht also in der Schulsrage mit leeren Händen da und die Reichsregierung hat völlig srcie Hand. Zu diesem negativen Ergebnis hat viel die Tatsache bei getragen, daß einzelne Länder in der letzten Stunde noch mit weitgehenden Anträgen kamen, die das Gesetz in einer Weise veränderten, daß es für die Freund« des Entwurfs der Reichs regierung nicht mehr annehmbar mar. Sachsen kam z. B. mit dem Antrag, die Zahl der Kinder der antrags berechtigten Erzieher von 10 auf 60 zu erhöhen. Dieser Antrag fand keine Mehrheit, aber Vorstöße der Vertreter anderer Länder, n. a. auch der drei Hansastädte, erschwerten die Situation. Schließlich kamen noch so viele Anträge auf Aufnahme tn die Liste der S i m u l t a n s chu l l ü n d e r, daß von den 18 deutschen Ländern schließlich nicht weniger als 13 Simultan- schulländer sein wollten. Die Reichsratsfasstiiig der Vorlage unterschied sich sodann von dem Keudell'schen Entwurf i» wesentlichen Punkten. Der 8 2 wurde mit großer Mehrheit dahin geändert, daß er eine Akzeptierung der Regk>schu!theorie darstellt. Eine einschneidende Aenderung halte auch der 8 18 durch den Reichsrat erfahren. Rach der neuen Fassung sollen auch die bestehenden Bekenntnis schulen erst dann als solche anerkannt werden, wen» sich ein Drittel der Erziehungsberechtigten dafür ausspricht. Das muß zu ttnzuträglichkeiten führen und würde eine große Anzahl Ge meinden, die feit 100 Jahren unangefochten die Konfessions schule besitzen, jetzt auf einmal zu einer Abstimmung zw-ngen. Sodann lmtie der Reichsrat mit 12 gegen 26 Stimmen durch einen neuen Paragraphen bestimmt, dah Schulgrüu düngen von Amts wegen von vornherein Gemeinschastsschulen fein sollten, wenn nicht zwei Drittel der Erziehungsberechtigten Kvn- fessionsschulen wollten. Auch das war eine Verschlechterung gegenüber der ursprünglichen Vorlage, die die Mehrheit -er Ab lehnenden nicht «»nehmen konnten. In einzelnen Punkten brachten zwar die Reichsratsbeschlüsse eine Verbesserung des Re gierungsentwurfes, aber die Gesamtsassung war doch so, daß ihnen die Mehrheit des Reichsrates die Zustimmung vercveigern mußte Der Reichsinnenminisker v. Keudell erklärte, daß für die Regierung dis erwähnten Aenderungen nicht annehmbar seien. Auch Bayern ließ eine Erklärung abgeüen, die sich im wesent lichen mit dem Standpunkt der Reichsreg-erung deckt. So konnten sich die Freunde des Keudell'schen Entwurfes nicht in Gegensatz bringen zu der Reichsregierung. Sic lehnten deshalb die abgeänderte Schulvorlage ab. Die lO preußischen Provin- zialvertrcier stimmen dagegen und nur zwei dafür (Sachsen und Berlin). Zu den Ablehnenden kamen dann noch die Vertreter einiger Länder wie Thüringen und Hessen, die auch mit dem ab- geänderten Entwurf nicht zufrieden waren. So ergab sich eins Mehrheit gegen dis Reichsratfassung aus unterschiedlichen Motiven. Der ursprüngliche Entwurf der Regierung wird nun mehr an den Reichslag gehen. Das Reichskabinett hat gestern einen dahingehenden Beschluß gefaßt. Das Schicksal des Reichs schulgesetzes liegt also zunächst beim Reichstag, der hossent- lich zu einem bessere» Resultat kommen wird als der Reichsrat. Lehre frei. Ich habe kein Bedenke», die Schulfrage auch hier zu erörtern und zu erklären: die Schulfrage ist nur zu lösen auf dem Baden der Freiheit, wie denn alle Gegensätze nur gelöst werden können auf dein Boden der Freiheit. Geben Sie uns die volle Unterrichtsfreiheit, und wir werden über die Schulfrage einig sein. Ich weiß sehr wohl, daß, so oft ich von der Unterrichtsfreiheit spreche, sich Wider spruch erhebt. Sie (links) wollen Freiheit und Macht für sich, und für die andern die Knechtschaft. Lin weiterer, bedeutungsvoller Anlaß zum Eintreten für die christliche Schule ergab sich für Windthorst Anfang 1872 im Preußischen Landtcrge, als der liberale Kultus minister Dr. Falk den Entwurf eines neuen Schul aufsichtsgesetzes vorlegte. Durch diese Vorlage sollte die Schule dem Einflüsse der Kirche, der Familie imd der Gemeinde fast ganz entzogen, sie sollte voll und ganz Staatsanstalt werden. Das bisherige Mitaufsichtsrecht der Kirche in den Schulen sollte fortfallen. Nachdem mehrere Redner im Abgeordnetenhause für und gegen die Vorlage gesprochen hatten, erhielt Windthorst am 8. Februar 1872 das Wort dazu. Er führte in einer großzügigen Rede aus, baß das christliche Prinzip sich bisher betätigt habe in der religiösen, christlich-konfessionellen Erziehung des deut sche Volkes. Die Kirche habe in Deutschland die Schule ge gründet, sie habe die Schulen erhalten und in ihnen das Volk zu der Bildung hinaufgebracht, auf der es sich befinde. Jetzt meine man, der Staat sei imstande, die Kirche zu er setzen und besser das zu leisten, was bisher die Kirche ge leistet. Deshalb wolle man die Kirche jetzt einfach aus der Schule hinauslverfen. Eine gedeihliche Erziehung sei ab solut Unmöglich ohne die feste Grundlage der Religion, die namentlich in der Volksschule alles durchdrinaen müsse. Man solle daher sesthalten an der gemeinsamen Arbeit von Staat und Kirche in den Schulen, wie sie bisher in Preußen bestehendes Recht gewesen fei. — Auf diese denkwürdige Rede, deren Inhalt hier nur kurz angedeutet werden konnte, erfolgte gleich nachher und noch einmal am folgenden Tage eine scharfe Entgegnung des Ministerpräsidenten Fürsten Bismarck. Er ging aber auf die Schulfrage sehr wenig ein, sondern richtete eine Reihe heftiger Anklagen gegen das Zentrum und besonders gegen seinen Führer Windthorst. Indem er zunächst dessen große geistige Bedeutung hervor hob, suchte er seine vaterländische Gesinnung zu ver dächtigen, und forderte das Zentrum auf, sich von Windt horst losziisagen. Diese Zumutung wurde am 10. Februar von dem edlen Hermann von Mallinckrodt, der für oen an gegriffenen Kampfgenossen ritterlich in die Schranken trat, entschieden zurückgewiefen. Er gab unter großer Bewegung des Hauses die berühmt gewordene Erklärung ab, daß Windthorst eine Perle sei, die das Zentrum in die richtige Fassung gebracht habe. Leider vermochte das Zentrunl die Annahme des kirchenfeindlichen Schulaussichtsgesetzes durch die liberale Mehrheit nicht zu verhindern. Die Schule wurde fortan von der Regierung rücksichtslos zur Bekämp fung der katholischen Kirche benutzt. In zahlreichen Ge meinden wurde den Geistlichen der Zutritt zur Schule untersagt, der Religionsunterricht wurde verstaatlicht, und katholische Kinder mußten in großer Zahl evangelische Schulen besuchen. In der Folge ließ Windthorst keine Gelegenheit vor- iibergehen, auf die Wiederherstellung des früheren Zu standes hinzuarbeiten. So forderte er auf dem deutschen Katholikentage zu Aachen am 11. September 1879 in seiner glänzenden Schlußrede das freie Erziebunasreckit der Eltern