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Sächsische Volkszeitung : 08.10.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192710084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19271008
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19271008
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-10
- Tag 1927-10-08
-
Monat
1927-10
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.10.1927
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Söchsifche Vvlkszetlung ». Oktober IM Verschwommene RichMnien Wenn sich -er Liberalismus hinter Fachleuten verbirgt Eine Eingabe an den Reichslag Eine Unzahl deutscher Hochschullehrer und Schul fachleute habe» au den Reichstag eine Eingabe ge richtet, in der sie Vorschläge zur Lösung der Schulfragc machen. Es heißt darin u. a. „Die Unterzeichneten, bemüht, aus den Gegensähen und Wirr nissen, die das deutsche Volksschulwesen bedrohen, einen einfachen und klaren Ausweg zu finden, auf dem Volksgemeinschaft und Er ziehungsberechtigte, Staat, Kirchen und Weltanschauungen zu ihrem natürlichen Recht in der öffentlichen Erziehung und Schule kom men können, unterbreiten dem Deutsche» Reichstag beiliegende „Richtlinien zum Reichsschulgesetz" mit der ergebensten Bitte, deren Leitgedanken dem kommenden Reichsschulgeseh zugrunde zu legen. Die hiermit vorgeschlagenc Lösung ist nicht ein Erzeugnis der The orie, sondern sie hält sich in den Hauptpunkten an Grundsätze, die bisher schon in deutschen Volksschulen angewendet und bewährt sind," Die Eingabe stellt für die Gestaltung des Reichsschulgesehes fol gende Richtlinien auf: 1. Die gegenwärtig bestehenden deutschen Volksschulen werden gemäß Artikel 146,1 der Reichsverfassung zu Gemeinschaftsschulen er klärt- 2, Alz solche stehen sie grundsätzlich allen Schülern offen, 3. Die Lehrer dieser Gemeinschaftsschulen sind nach ihrer Zu gehörigkeit zu Körperschaften des öffentlichen Rechts, die gemäß Ar tikel 137,-j der Reichsverfassung Bekenntnisse und Weltanschau ungen vertreten, in den Gemeinden anzustellen entsprechend dem Zahlenverhältnis, mit dem diese Körperschaften durch Schüler in den Schulen vertreten sind. 4. Alle deutschen Volksschulen haben die gemeinsame Aufgabe, die schulpflichtige Jugend durch Unterricht auf der Grundlage des deutschen Kulturgutes zu körperlicher und geistiger Tüchtigkeit her anzubilden und sic zu sittlich wertvollen Menschen und zu Staats bürgern zu erziehen, die fähig und bereit sind, der deutschen Volks gemeinschaft zu dienen. 5. Die Lehrpläne des weltlichen Unterrichts (der Profanfächer) sind von den Länderregierungen für alle Schularten gemeinsam und verpflichtend festzulegen. Lehrmittel und Lehrverfahren find im Prinzip für alle Schulen gemeinsam zu ordnen. 6, Sämtliche Schulen haben in den Profanfächern dieselbe staatliche Aussicht, 7, Sonderschulen sind gemäß Artikel 146,2 auf Antrag von Elternschaften, di« mindestens 260 volksschulpflichtige Schüler ver treten, cinzurichten, wenn die Bedingungen für den Unterricht dabet nicht unter di« Norm der in der Gemeinde bei Einführung des Ge setzes bestehenden Volksschule zu liegen kommen. Die Genehmigung zur Einrichtung solcher Schulen liegt bei der Landesregierung. 8, Unterricht in Religions- oder Weltanschauungslehren wird in allen Schulen als ordentliches Lehrfach erteilt, nach Bekenntnissen und Weltanschauungen getrennt, und zwar nach den Grundsätzen der betreffenden Körperschaften des öffentlichen Rechts, Für Lehr pläne, Lehrmittel und Aufsicht sind diese Körperschaften zuständig, wobei sie die Aufsicht auch auf eigene Kosten führen. Lehrpläne, Lehrmittel und Bestellung von Aufsicht unterliegen gemäß Artikel 149,1 der Reichsverfassung der Genehmigung der staatlichen Ober aufsichtsbehörden, deren Organe auch in diesen Unterricht Einsicht nehmen und Mißstände abstellen können. Ortsgcistlichen und den entsprechenden Funktionären anderer Körperschaften ist die Aufsicht nicht zu übertragen. Die aus Artikel 149,2 der Reichsvcrfasiung für Lehrer und Schüler fließenden Rechte werden durch vorstehend« Be stimmungen nicht berührt. Die Eingabe ist unterzeichnet von 25 Hochschullehrern und Schulmännern. Neun davon stammen aus Heidelberg, zehn weitere aus Süddeutschland. Aus Dresden sind an der Eingabe beteiligt der demokratische LandtagSabgeordnet« Pros, Dr, Sey- fert und Oberschulrat K, F, Sturm. Man hat es also keines wegs mit einer Eingabe der deutschen Hochschullehrer zu tun. Und daß die Vorschläge vornehmlich aus Baden kommen, das ganz eigen artige Schulverhältnisse aufweist, ist kein« besondere Empfehlung, Die Verhältnisse liegen in anderen Teilen des Reiches gänzlich an ders, Der Vorschlag, alle gegenwärtig bestehenden deutschen Volks schulen zu Gemeinschaftsschulen zu erklären, ist doch etwas zu naiv, als daß man damit die bestehenden Gegensätze aus der Welt schaffen könnte. Das hieße im Grunde das Kernproblem auch wieder nur verschieben. Sofort würde der Kampf um die innere Gestaltung dieser „Gemeinschaftsschule" einsetzen. Denn die Verschiedenheiten der Weltanschauung sind einmal da und lassen sich bei der Größe der Gegensätze auch nicht durch das Zauberwort „Gemeinschafts schule" nicht aus der Welt schaffen. So einfach ist die Lösung der Schulfrage nicht. Da wird der jetzige Entwurf der Neichsregie- ruug den weltanschaulichen Schwierigkeiten unseres Volkslebens viel weitgehender gerecht. Wir Katholiken der Diaspora können uns mit der Heraufsetzung des Antragsrechtes für Bekenntnisschulen auf mindestens 260 Stimmen (nach dem Entwurf 46!) nicht abfinden. Das hieße unser Recht auf katholische Kindererziehung überhaupt preisgeben. Uns erscheint dl« Eingabe als ein« nicht einmal beson ders geschickt „fachmännisch verbrämte" Umschreibung der lib rea listisch-sozialistische n Schulziele. Mir »Mb»» ket. neu Anlaß, ihr größere Bedeutung beizumeffen. Der volßskirchliche Laienbund für Sachsen und -er deutsche Evangelische Gemeindetag hielten in Leisnig ihre Herdsttagung ab. Die Tagung nahm auch zur Schulfrage Stellung, begrüßte in einer Entschließung den Reichsschulgesetzentwurf als die Grundlage, auf der nunmehr endlich die Reichsschulgesetzgebung durchgefiihrt werden müsse, und sprach ihr Bedauern darüber aus, daß nach den Ueber- gangsbestimmungen dem evangelischen Volke in Sachsen die durch das Uebergangsschulgesetz beseitigte evangelische Volksschule nicht zurückgegeben, sondern nur auf Antrag wieder aufgebaut werden soll. „Mit der Wiederherstellung", so heißt es, „der evangelischen Schul« in Sachsen erstreben wir nicht die Auflösung der bestehenden leistungsfähigen Schul organisation, sondern die Freiheit für den evangelischen Er- ziehungswillen und evangelischen Erziehungsgeist in einem leistungsfähigen evangelischen Schulorganismus" » In Meißen tagt« der Bund für Gegenwartscyristen- tum vereint mit der Landesversammlung der Freien volkskirch- lichen Vereinigung. Dabei wünschte man die christliche Gemeinschaftsschule für dos ganze Reich. Für Sachsen erkannte man besondere Schwierigkeiten an. „Wir haben Verständnis für das Ideal einer evangelischen Bekenntnisschule", so heißt, es in einer Entschließung, „können aber ihre Beantragung nuc als Ausweg in besonderen örtlichen Fällen gelten lassen und warnen davor, den Kampf um die Bekenntnisschule zur allgemeinen landeskirchlichen Parole zu machen," Diese Entschließung zeichnet sich nicht gerade durch besondere Ziel klarheit aus. Fernes Echo Nochmals M»am Röder und der Dresdner Lehrerverein. Wir hatten am ö. Oktober (Nummer 231) die Tatsache ge würdigt, daß die in der Versammlung des Dresdner Leh rervereinsam 22, September verlesene Erklärung des Zen trumsabgeordneten Röder gegen das Reichsschulgesetz lediglich ein« Zusammenstellung von alten Zeitungsausschnitten war. Die gleiche Tatsache hatte der Dresdner Anzeiger in Nummer 468 mitgeteilt. Wir haben vergebens darauf gewartet, daß der Dresdner Lehrerverein in einer Dresdner Zeitung eine Be richtigung bringen würde. Nun aber erscheint im „Berliner Tageblatt" (Nr. 474) eine Darstellung der Angelegenheit, in der «s heißt: „Aus Gesundheitsrücksichten mußte Röder sich die Reise nach Dresden versagen, er ermächtigte aber in einem Briefe die Versammlungsleiter aus drücklich, an Stelle seines Referates die markantesten Sätze aus einem Artikel zur Verlesung zu bringen, den er in einer demokratischen Zeitung gegen den Reichsschulgesetz- «ntwurf geschrieben hatte." Wir wissen die Ehre zu schätzen, daß auf unsere bescheidene Stimme das „Berliner Tageblatt" antwortet, umso mehr, als wir nicht Anspruch darauf erheben können, „das Organ des im Freistaat Sachsen sich immer stärker politisch betätigenden Klerus" (so tituliert uns das B, T.) zu sein. Aber warum ertönt dieses Echo aus solcher Ferne? Wenn der Dresd ner Lehreroerein wirklich ausdrücklich von dem Abg. Röder er mächtigt worden ist, die Ausschnitte aus dem Zeitungsartikel als Erklärung zu verlesen, warum stellt das der Dresdner Lehrer verein nicht In der Dresdner Presse fest? Wenn Herr Abg. Röder durch einen Brief eine solche Ermächtigung gegeben hat, warum übersendet er uns dann eine Berichtigung, in der er gegenüber jenen „vor Wochen geschriebenen" Zeitungsartikeln, auf seine Erklärung vom 18. September »erweist? — So schmeichelhaft das Echo klingt, wir vermögen ihm nicht zu glaw ben. Umsoweniger, als das „Berliner Tageblatt" unseren Artikel vom 5. Oktober in irreführender Weise wiedergibt: „Den praktischen Wert der Bekenntnisschule kennzeichnet Adam Röder in seinem Schreiben an das Organ des säch sischen Klerus treffen- mit den Worten: „Sie wohnen doch im Lande der klassischen Konfessionsschule. Aas hat sie denn gezeitigt? Das „rote" Königreich" mit den radikalsten Sozial demokraten!" Die Sächsische Volks zeitung weiß diesen präzisen Ausführungen Adam Rö ders nichts entgegen zusetzen." Der letzte Satz enthält ein« unwahre Aussage. Wir hatten dieser Argumentation Adam Röders seine eigene Darstellung in Nummer 10 der Süddeutschen Conservativen Eorrespondenz gegenüber gestellt, In der er ausführlich darlegt, daß .chie gegen früher vollständig veränderte soziale Struktur der Gesellschaft die Schule als Erzieherin beinahe matt setzt". Den sozialen Folgen der in Sachsen mit besonderer Schnelligkeit anwachsen den Industrialisierung entgegenzuwirken, war die Bekenntnis schule allein nicht imstande. Die Unterlassungssünden, die den Radikalismus in Soffen zu solcher Blüte gebracht haben, sind aber nicht auf dem Gebiete der Schule, sondern auf sozialem Gebiete begangen worden. — Freilich haben wir volles Ver ständnis dafür, daß das B. T. die Widersprüche des Abg. Röder als „präzise", d. h. für die Gegner des Reichsschulgesetzes sehr angenehme. Ausführungen wertet. Man darf nur gespannt sein, ob der Dresdner Lehrerverein und der Abg. Röder nunmehr den strittigen Punkt: ob die Ber- lesung der „Erklärung" mit oder atme Ermächtigung Röders erfolgt ist. aufklären werden. vresclen unel Umgebung Sechste Reichs-Schvtmusikwoche Mit „Probleme der Begabungspriifwng" beschloß Prof. Dr. Hans Kupp die Vortragsreihe des Diens- iags. Dabei verlegte er sich hauptsächlich auf Heraushebung des feinen Gehörs, der Empfindlichkeit für Intervalle, der Empfänglichkeit einer Melodie und einer Zerlegung eines Ak kordes gegenüber und ähnlicher Dinge mehr. Bei Prüfungen stellen sich oftmals Hemmungen heraus, deren Beseitigung Auf. gäbe des Pädagogen Ist. In den Sektionssitzungen des Nachmittags sprachen Stu dienrat Paul Schöne, Dr. Erich Drach, Dr. Alfred Si- m o n, Prof. Ehnrlotte Pfeffer und Dr. Illo Peters. Abends 8 Uhr fand Im Saale der Produktenbörse ein S ch ü l e r k o n z e r t statt, in dem ein Knabenbläserchor des Bundes für Knabenmusik unter Leitung »on Otto Fried man» (Mitgl. d. Staatsliapelle) und ein Schulchor mitwirkten, außerdem Kammermusik geboten wurde. Der Lhvralkurs in Dresden »S* veiler und Mitglieder der ESeilienverein« i« der Dt»,es« Weihen Dresden, den 7. Oktober. Der Kursus, der Donnerstag, den 6. Oktober 1927, vorm. 11 Uhr, durch den Diözesanpräses Dr. Köhler im Saal« des Kol- pingshauses eröffnet wurde, erfteut sich eines unvermutet starken Besuches aus allen zur Diözese Meißen gehörigen Gebieten Sach sens und Thüringens. Außer nahezu 56 Herren haben sich auch sechs Damen aus den Pfarreien Leipzigs zur Teilnahme entschlossen. Romuald Jordan O. S. B. aus der Abtei Grüssau in lesicn sprach in einem einleitenden Vortrag« zunächst über We sen und Geist der kirchlichen Musik überhaupt und des Chores im be sonderen Verhältnis zur Liturgie der hl. Messe. In .Hinsicht aus die Häufung von musik-wissenschaftlichen Veranstaltungen im Zusam menhang mit der Reichsschulmusikwoche schritt der Kursleiter sofort zum praktischen Teil durch Instruktion über die am Sonntag, den 9 Oktober, früh 9 Uhr, in der Hofkirche beim Choral-Hochamt zu »erweichenden Proprien und Meßgesäng«. Am Freitag, den 7. Oktober, halten di« Kursleiter Gelegenheit, die Silbermannsche Orgel in der katholischen Hofkirche zu hören. Der zahlreiche Besuch des Kursus ist Beweis für das Interesse, das der römische Choral erweckt und für den Willen von Dirigenten und Sängern, ihn richtig auszusühren, den Vorschriften der Kirche ganz zu genügen, um, soweit Choral in Frage kommt, die Liturgie feierlich und andachtfördernd zu gestalten. —r. Wilhelm Müller Zu seinem 100. Todestage am 1. Oktober. Von Otto H achtmanrr AIS «Sohn eines angesehenen Schneidermeisters mm Wilhelm Müller am 7. Oktober 1794 in Dessau zur Weli. Seine 'Jugend fiel in eine schwere Zeit — denn die napoleonischcn Kriege brachten Not auch über das Land Anhalt. Und doch schenkte ihm seine Jugend die entscheidenden Eindrücke für sein ganzes Leben und Schaffen: der (Karten seines Vaterhauses stieß dicht oberhalb der Mühle an die Mulde, und jenseits lag der Tiergarten. So wurden für Wil helm Müller Bach und Mühle, Wald und Wies« zu einem tiefen Kindheitserlebuis. Trotz der schlimmen Kriegsläuste konnte es der Vater, wenn auch unter persönlichen Entbehrungen, durchsetzen, seinen begabten Sohn auf das Gtnmiasiuni und die Universität zu schicken. Auf der Dessauer Gelehrtenschule war Wilhelm Müller ein ausgezeich neter Schüler in den Wissenschaften — aber auch ein spöttischer und übermütiger Gesell, der seinen Lehrern das Leben nicht immer leicht machte. Früh schon kam ihm die Ahnung seines Dichterberufes; doch ist uns von diesen ersten Versuchen nichts überkommen. Sein Lieblingsfach war Griechisch, und so entschloß er sich, klassische Phi lologie zu studieren. Als Achtzehnjähriger bezog er im Herbst 1812 die Universität ln Berlin. Hier fand er reiche Anregung vor allen, durch den geni alen Hoinerforscher Friedrich August Wolf, zu dessen LieblingS- schülern er später gehören sollte. Aber nach einem Semester schon erfuhr sein Studium eine jähe Unterbrechung: als Kriegsfreiwilli ger eilte er mit seinen Studienfreunden zu den Fahnen, um den Freiheitskampf seines Volkes gegen den napoleonischen Unterdrücker mitzukämpfen. Er focht in den Schlachten von Großgörschen und Bautzen mit und kam auf seinen Kriegsfahrten bis Prag und Brüssel. Leider sind aus dieser Zeit nur wenige Brief« erhalten ge blieben, so daß wir von den Erlebnissen seiner beiden Kriegsjahr« nicht viel wissen. Auch in seinen Gedichten klingt der Befreiungs krieg nicht unmittelbar wieder — erst in seinen Griechenliedern reifte das große Erleben nach. Und noch einen anderen Gewinn brachte ihm der Freiheitskampf: Er besann sich auf sein Volkstum. Deshalb suchte er. als er End« 1814 zur Fortsetzung seine» Stu diums nach Berlin zurückkehrte, Verbindung mit den Romantikern wie Clemens Brentano und Achim von Arnim. Unter ihrem Ein fluß vertiefte er sich mit Begeisterung In die alte deutlch« Dichtung und veröffentlichte auch einig« Uebertragungen von Minnesängern. In diese Zeit fällt sein« Schwärmerei für Luise Hensel, die Dichte rin des Kinderliebe» „Müde bin ich, geh zur Ruh". Eine seltsame Fügung gab ihn jedoch der Antike zurück: Ein Baron Sack suchte für sein« Reise nach Griechenland und Aegypten «inen Begleiter. Ms er sich mit der Bitte um Vermittelung an di« Preußische Akademie der Wissenschaften wandt«, empfahl sich Wil helm Müller auf Veranlassung von Friedrich August Wolf. DoS Land seiner Sehnsucht mit leiblichen Augen zu sehen, sollt« jedoch dem Dichter versagt bleiben. Denn auf die Nachricht hin, daß in Konstantinopel die Pest auSgebrochcn sei, änderte Baron Sack den Reiseplan und ging zunächst nach Italien. Wilhelm Müller war hierüber nicht ungehalten — denn auch Italien versprach seinem Drange zur Antik« reiche Anregung. Als Baron Sack nach Aegypten weiterreiste, blieb Wilhelm Müller zurück und verlebte eine köstliche Zeit in Rom, Neapel, Albano und Florenz. Neben dem Studium der KunstschShe lockte ihn die Beobachtung des Volkslebens und, als echten Romantiker, vor allem auch di« Aufzeichnung der im Volke umgebenden Lieder. Viele von ihnen hat er übertragen nick auch init Glück nachgeahmt. Sein frisch geschriebenes Reisebuch „Rom, Römer und Römerin nen", das er 1820 veröffentlicht«, gibt ein anschauliches Bild des damaltgen Italien. Ende 1818 erst kehrte er nach Deutschland zurück, wo er sich in seiner Heimatstadt Dessau niedcrließ. Obgleich er seine ohnehin sehr unruhige Studienzeit weder durch ein Examen noch durch die Doktorpromotion abschließen Knute, hatte er doch das Glück, schon Ostern 1820 an der gleichen Dessauer Mlehrtenschule als Lehrer aiigestellt zu werden, die er vor acht Jahren als Schüler verlassen alte. Im Nebenamte war er an der soeben begründeten Hos- ibliothek als Hilfsarbeiter tätig. Der Lehrcrbcruf an sich sagte ihm wohl zu, und di« Schüler der oberen Klassen, die er iin Grie chischen unterrichtete, hingen verehrungsvoll an ihrem geiswollen jungen Lehrer. Aber die Stunden in den unteren Klassen gaben ihm keine innere Befriedigung, und überdies konnte er zu seinem etwas pedantischen Direktor nicht ins rechte Verhältnis kommen. Durch seine wiederholten Vorstellungen bei dem ihm wohlgesinn ten verzog Leopold Friedrich erreicht« er denn auch, daß er von den lästigsten Verpflichtungen seines Lehrerbcrufcs belrcit wurde und seine Kraft immer mehr der Verwaltung der Hofbibliothef widmen konnte, zu deren Hauptleiter er bestellt wurde. Im Jahre 1821 heiratete er die anmutige und sangesbegabte Adelheid Basedow. Tochter eines Dessauer Regierungsrates. Enkelin des Pädagogen Basedow, dem Goethe in seiner „Rheinreise" rin unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Bald wurde sein Haus ein Mittelpunkt heiterer Geselligkeit, die er so liebte. Die zahlreichen Trink- und GesellschaftSlieder, die er in diesen Jahren dichtete, wur den bald in ganz Deutschland gesungen und machten den „Lieder. tafel-Müller" ebenso bekannt wie den „Griechen-Müller". Wuvd« es dem Dichter in der kleinen Residenz zu eng. bann ging er mit seiner jungen Gattin auf Reisen. Karlsbad, DreS- d e n und Teplitz liebte er besonders. Im Jahre 1827 besuchte er Goethe in Weimar und im gleichen Jahre auch Uhland, Schwab und Kerner in Württemberg. Die Mittel zu einem freieren Dasein verschaffte er sich durch eifrige Mitarbeit an wissenschaftlichen Un ternehmungen, zumal am Brockhausschen Konversationslerikon und an der Enzyklopädie von Ersch und Gruber. deren Redakteur er eine Zeiilang war. Das Uebermaß an Arbeit, das er sich hierdurch und vor allein auch durch den damit verbundenen umfangreichen Briefwechsel aufgeladcn batte, bat wabrscheinlich seinen ohnehin zarten Körper vorzeitig geschwächt. Die schwäbischen Dichter waren bei seinem Besuche über sein todgeweihtes AuSseben erschrocken. Um die Wiederherstellung seiner Gesundheit zu fördern, hatte ihm sein Gönner, der Herzog von Anhalt, Wohnung im Luisium, einem herzoglichen Parke vor den Toren Dessaus, gegeben. Auch eine FranzcnSbader Kur schien sein« Gesundheit gefördert zu haben. Aber schon im Frühjahr 1827 batie er wieder zu kränkeln begonnen, und auch die Reise nach Süddcutschland batte ibm keine Erholung gebracht. Dazu kam noch ein verschleppter Keuchhusten, mit dem ihn seine Kinder angesteckt hatten. Am 1. Oktober, kurz vor seinem drciundreißiqstcn Geburts tage, setzte ein Herzschlag seinem jungen Leben ein Ende. » Des Dichters heitere Menschlichkeit und seine jugendhelle Frische spiegeln sich am reinsten in seinen volkstümlichen Liedern wieder. Es ist bezeichnend, daß die köstlichsten von ihnen schon heute einkach als Volkslieder genommen werden. Kaum einer der San-
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