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Nummer 259 — 2«. Jahrgang erscheint «mal wöchentlich mit den Muslrierten AraUSbeiloge» «Die Weit' und ,Wr unsere kleinen Leute', sowie den Tei.t- beiiagen ,Tt. Benno-Blatt', „ltnierhaitung und Wissen'. «Die Welt der Frau', .Slerzilicher Raigeber', .Literarische Beilage", .Filmrundschau'. Monallicher Bezugspreis 3.- Mt, einschl. Bestellgeld. Einzelnummer IN 4. Sonnlag,nimmer SU Hauptschristleiter, Dr. G. DeSezyk, DrcSdem LachWhe Dienstag» den 4. Oktober 1927 Anzeigenpreis«, Die Igespaitcue Peiitzcile 8« Familien- nnzelgen und Slcllengesuche SU Z. Dle Petitreklamezelle. 8« Millimeter breit, 1 Ofserlengebllhr SU 4. bei Ueber- sendung durch die Post außerdem Portozuscklag. Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung ans Lieferung sowie Erfüllung ».. Anzeigen < iiuflrügen ». Leistung v Schadenersatz, Geschäftlicher Teil: Artur Lenjp Dresden. tSeschäftsftelle, Druck».Berlag - Germania, »l.-Ä. für Verlag und Druckerei, Filiale Dresden, DreSden-A. l, Polierslratzel?. Femrns3ll»2. Vostlchecklonto Dresden S7»Z. Bankkonto Stadtba», Dresden Vr KI71» Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzeitung Dresden-Altstadt 1. Polieistrahe 17. Fernrus 207ll und rlvl2. Der Geburtstag Klnderrburgs — Die Feiern in Berlin —15900 Glückwunschketegramma Zwischenakt Von Dr. Henning Pfafferott- (Korrespondent der „Germania".) S Paris, 29. September Ob es wirklich nur ein Zwischenfall ist, dieses deutsch- französische Rededuell über die Kriegsschuld frage, deren Zeuge wir die letzten Wochen gewesen sind? Wenn ja, dann hätten diejenigen recht, welche betonen, daß Zwischenfälle niemals eine Politik bestimmen dürfen. Aber es gibt auch andere, welche diesem Aufeinandcrplatzen der Meinungen einen tieferen Sinn beilegen, der sympto matisch für den Grad der geistigen Annäherung der beiden Länder ist. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Niemand konnte erwarten, datz die französischen Minister die Tannenberg-Rede des Reichspräsidenten, in Genf interpretiert durch den Reichsautzenminister, stumm hin nehmen würden. 0u> tavot eonsontios vickstur. Eine richtige Einstellung zu diesen Vorgängen dürfte schwer anders zu erlangen sein als unter dem Gesichtswinkel der Relativität aller Dinge. Die Zeit vergeht mit Windes eile. Ereignisse überstürzen sich. Was man gestern nicht zu glauben wagte, findet man heute selbstverständlich. Nur ein Stillstand ist unerträglich. Die Frage lautet also: Würde vor Jahresfrist ein Aufrollen der Kricgsschuld- frage durch die berufensten Vertreter des deutschen Volkes sich in der gleichen Weise, mit gleicher Reaktion und in gleichen Formen abgespielt haben? Die Sprache des französischen Justizministers Bar- thou als Wortführer des Kabinetts hört sich im Grunde traurig an, fast resigniert. Den Kern seiner Erwiderungen bilden die Nitze: Die Meinung Frankreichs in der Kriegs- fchuldfrage ist undiskutierbar, sie steht fest und wird un- erschüttert bleiben, aber das französische Volk bemüht sich, die Dinge der Vergangenheit zu vergessen, sofern die Frage nach Ursache und Schuld am Kriege allseits ruhen gelaffen wird. Auf den, Grunde seiner Ausführungen leuchtet der Funken jener Erkenntnis, das; ein erpresstes Schuldaner kenntnis nur den Wert eines Augenblicks hat, und wenn auch Frankreich um keinen Preis der Welt widerrufen will, so ist es heute doch bereit, auf diese Dinge nicht mehr zurück- Aukominen, um den Weg frei zu machen zu einer Ver ständigung für die Zukunft, wenn auch nicht für die Ver gangenheit. Dies ist zweifellos viel für einen Franzosen aus der alten Schule, und man soll diese Entwicklung nicht verkennen. Das beste Plaidoyer in der Schuldfrage, welches sicherer als alle anderen eine halb erschütterte Weltmeinung zum völligen Wanken bringen wird, ist immer noch die unentwegt erklärte Bereitschaft des deutschen Volkes, bei jeder Gelegenheit an dem Wiederaufbau Europas mitzuarbeiten und Schritt für Schritt die erzielten Resultate einer inneren Befriedung vor jeder neuen Erschütterung zu bewahren. Auf deutscher Seite ist es natürlich, daß mit der zu nehmenden Erstarkung des Reiches die Reaktionen immer heftiger ausfallen. „In dem Matze, wie Deutschland," so schreibt in logischer Erkenntnis der Dinge das französische Faschistenorgan, die „Action Franeaise", „seine Kräfte wiedergewinnnt, — und man kann den Genesungsprozeß täglich beobachten — mutz es immer gefährlicher werden, zu ihm in einer gewissen Tonart zu sprechen, hinter der auf französischer Seite nicht eine Kraft steht, welche dieser Tonart entspricht." So verständlich die zunehmende Emp findlichkeit oes deutschen Volkes in der Kriegsschuldfrage auch ist, so entbindet dies nicht von der Erkenntnis, datz durch impulsive Entrüstung in dem Kampf um die Kriegsschuldfrage nichts gewonnen wird. Hier steht noch Gefühl gegen Gefühl, aber gerade weil die Kriegsschuldfrage heute noch so stark mit Gefühls momenten verquickt ist. gibt es nur ein Mittel, zum Ziele zu gelangen: eilt nüchternes, sachliches und schrittweises Vorgehen, nur das wirkt werbend überzeugend, und die jenigen, denen die Kriegsschuldfrage am meisten am Herzen liegt, mühten ihr Temperament im Interesse der Sache am ehesten zu zügeln wissen. Die jetzige Kontroverse als zufällig zu erklären, dürfte den Tatsachen nicht gerecht werden. Die Ereignisse ver lieren den Charakter der Zufälligkeit, sowie es gelingt, aus der Flucht der Geschehnisse die Ursachen aufzudecken. Seit Jahren hören die Völker ihre Staatsmänner in allen Tonarten nur vom Frieden reden, und sehen andererseits, datz die zahllosen seit 1919 geschaffenen Konfliktsherde in Europa in dem gleichen Matze an Schärfe zunehmen, wie die unmittelbar beteiligten Völker sich konsolidieren. Der einzig wirkliche Friede ist heute am Rhein geschlossen, weil ihm eine Befriedung vorausgegangen ist. Das derzeitige Nichtweiterkommen in konkreten Dingen hat sicherlich dazu beigetragen, die ungeduldige Menge wieder der großen Kernfrage der Friedensverträge zuzu wenden in der Instinktiven Hoffnung, datz die inzwischen erreichten politischen Resultate nicht ohne Einfluß auch auf die moralische Seite der zwischenstaatlichen Beziehungen ' Berlin. 3. Oktober. Die Reichshauptstadt stand gestern im Zeichen der Feiern, die anläßlich des 80. Geburtstages des Reichspräsidenten v. Hindenburg veranstaltet wurden. Schon am Sonnabendabend war im Anschlüsse an einen Festakt der vier Offiziersverbände ein großer Zapfen- streich veranstaltet worden. Am Sonntagvormittag 10 Uhr fand in der Dreifaltigkeitskirche in der Mauerstraßc ein Ge burtstagsgottesdienst statt. Die Gralulalivnsempfänge Die Gratulationsempfänge begannen um 11.30 Uhr vormittags. Die Rcichsregierung, die preußische Staatsrcgierung, die Vertreter der deutschen Länder, das diplo matische Korps, die Vertreter der Wehrmacht, des Reichstags- Präsidiums, des Reichsrates, des preußischen Landtagspräsi diums und der Stadt Berlin, sprachen dem Reichspräsidenten ihre Glückwünsche aus. Weiter wurden Abordnungen des Iungdeutschen Ordens und des Reichsbanners empfangen. Gegen 1 Uhr Mittags begann der Empfang der Generalität des alten Heeres. — Die sächsische Negierung war bei den Empfängen durch den Ministerpräsidenten Hel dt und den sächsischen Gesandten Dr. Gradnauex vertreten. Reichskanzler Dr. Marx richtete bei dem Empfang der Reichsroglerung eine Ansprache an den Reichspräsidenten, in der er u. a. sagte: „Es ist für uns Her zenssache, Ihnen, hochverehrter Herr Reichspräsident, aufrich tigsten Dank dafür auszusprechen, daß Sie die Ihnen von der Vorsehung verliehenen hohen Gaben rückhaltlos dem Dienste des Vaterlandes geweiht haben. Jeder, der sich als Deutscher fühlt, erblickt heute in Ihnen, hochverehrter Herr Reichs präsident, die reinste Verkörperung und das leuchtende Vorbild der selbstlosen Hingabe an das Ganze, der unbedingten Treue zur übernommenen Pflicht und des unerschütterlichen Glau bens an die Zukunft von Reich und Volk." Der Reichspräsident dankte dem Reichskanzler und sägte hinzu: „Ich verbinde hiermit den Dank an das ganze deutsche Volk, das meiner in so vielen Zuschriften und Zeichen freundlicher Gesinnung heute allenthalben gedacht hat. Mein besonderes Gedenken in dieser Stunde gilt unseren Volksgenossen, in den besetzten rheinischen Gebieten, deren Befreiung von fremder Besatzung zu unserer tiefsten Enttäu schung noch nicht erreicht werden konnte. Mein höchster Wunsch an diesem Tage ist der. daß unserem Volke Einigkeit be schert werde. Heute sollte es nur einen Streit geben, den Wettstreit, am besten dem Vaterlande zu dienen." Die Feier im Sladion Am Nachmittag erreichten die Feiern ihren Höhepunkt mit dem Festakt im S.tadio». Die Straßen bis zum Stadion waren umsäumt von einem Spalier, das land- mannschaftliche Verbände, Kriegcrvereine und Studenten gebildet hatte. Gegen 3.30 Uhr erschien das Auto des Reichs präsidenten, vom Jubel der Menge begrüßt. Im Stadion trug ein Massenchor von 7000 Knaben und Mädchen deutsche Lieder vor, der Reichspräsident dankte mit freundlichen Wor ten und schloß mit einem Hurra auf das Vaterland, dem die 40 000 im Stadion versammelten Menschen begeistert zustimm- ten. Mi dem Deutschlandlied wurde die Feier im Stadion geschlossen. geblieben sein können. Hat diese Hoffnung getrogen? Es wäre falsch, ans der Art und Weise, wie sich der Verkehr zwischen Deutschland und Frankreich im kleinen wie im großen heilte abspielt, aus der Tonart, mit der man in Frankreich jetzt den Reden der deutschen Staatsmänner zur Schuldfrage begegnet ist, nicht den Schluß ziehen zu wollen, datz sich in der Schuldfrage jene u n e i n g e st a n d e n e Annäherung vollzieht, deren weitere Entwicklung nur durch ein unpsychologisches, vorzeitiges Zerren an die Oeffentlichkeit gehemmt werden kann. Diejenigen, die ein reines Gewissen haben, sollten mit diesem Resultat zu frieden sein. Es ist nicht unsere Schuld, wenn bei dem Prozeß um die Friedbarmachung Europas Deutschland immer wieder als Fordernder austreten und sich immer wieder an die Adrelk Frankreichs wenden muß. als dem Den Abend verbrachte der Reichspräsident im Kreise seiner Familie. — Der Reichskanzler veranstaltete in der Reichskanzlei ein Festessen, an dem die Mitglieder der Reichsregierung und die Vertreter der Länder teilnahmen. Reichskanzler Dr. Marx hielt dabei eine Ansprache, in der er den Reichspräsidenten v. Hindenburg als Symbol des deut schen Wiederaufstieges feierte. Anläßlich des Geburtstages des Reichspräsidenten find 18 000 Glückwunschtelegramme eingctroffen. darunter auch eins von dem Ozeanflieger Chamberlin. — Bei den verschiedenen Feierlichkeiten in Berlin kam es zu einer großen Reihe von Zwischenfällen, da Kommunisten versuchten, die Feierlichkeiten zu stören. Es w irden 200 Per sonen zwang-gestellt, die aber am gleichen Tage noch frei gelassen wurden. Im ganzen Reiche haben anläßlich des Geburtstages Hindenburgfeiern stattgefunden, ebenso in Wien, im Saar, gebiet und in Danzig. Die Amnestie Amtlich wild nntgetrilt: Aus Anlaß seines 8V. Geburtstages hat der Reichs- präfidnt aus Vorschlag des Rcichsministers der Justiz in 7S Fälle« Strafen, die von Gerichten des Reiches erkannt worden sind, im Gnadenwege erlassen oder ge mindert. Er hat sich ferner entschlossen, seine sämtlichen Strafanträge wegen Beleidigung zurückzu ziehen und bei den L ii n d c r r e g i e r u n g c n die Begnadi gung der wegen Beleidigung seiner Person bereits abgeurteilten Personen in Anregung zu bringen. Die LLndcrregierungen haben sich bereiterllärt, dieser Anregung zu entsprechen. Di« Länder haben ihrerseits den 8l>. Geburtstag des Reichspräsi denten zum Anlaß genommen, in gleicher Weife für Strafen, die von ihren Gerichten erkannt worden sind, Einzelgnaden erweise in größerer Zahl ru bewilligen oder in Aussicht zu nehmen. i Bei der Hindenburg-Amncstie in Bayern handelt es sich um über 200 Fälle, in denen Straferlaß oder Strafmilderung ausgesprochen wird. Unter den Amnestierten befinden sich Graf Arco, der wegen Erschießung Kurt Eisners zum Tode verurteilt, aber zu lebenslänglicher Festungshaft begnadigt worden war und Strafunterbrechung erhalten hatte; ferner Professor F u-ch s, bekannt aus dem Hochverratsprozeß Fuchs- Machaus, der zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt worden war und um die letzten Räterepublik« n er. mit zwei Ausnahmen. Auch die badische Regierung hat ein«: Anzahl von Einzclbegnadigungen ausgesprochen. So sind den in Bruch- s a l inhaftierten, seinerzeit vom Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik verurteilten Gefangenen die Reststrasen erlaffen bzw. erheblich herabgesetzt worden. Die mecklenburg-schwer tusche Negierung wird ebenfalls Einzelbegnadigungen in erweitertem Umfange nach den bisher üblichen Grundsätzen vornehmen. Ein Amnestie- erlnß ist noch nicht vorgesehen. Das braunschweigische Staatsministertum hat in etwa 60 Fällen Emzelbcgnadigungen ausgesprochen. größten pokittschen Nutznießer ves Kontinents aus ver Niederlage der Mittelmächte. In Wahrheit steht heute die Konzessionspolitik Frankreichs mehr denn je zur De batte, d. h. der Preis, den Frankreich zahlen soll, um jene innere eurosmische Befriedung herbeizusühren, ohne welche die äußere nicht zu denken ist. Wer die französische Geschichte kennt, weiß, daß gerade die Konzessionspolitik Frankreichs einer der schwächsten Punkte französifä)en Wesens ist. Frankreich hat stets die Kriege besser zu führen gemutzt als den Frieden. Als Racine im Jahre 1083 Corneille bei feiner Aufnahme in die Acadämie Franeaise antwortete, vernahm man das Eingeständnis: Ebenso glücklich und er folgreich Frankreich Kriege zu führen weitz, ebenso unglück lich ist es in feinen Verhandlungen zur Wiederherstellung kindlicher Zustände." .Die Kränzchen." i» schreibt ein