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Nummer 224 — 2«. Jahrgang Srjchetnl «mal wöchentlich «it den illustrierten Aralllbeilageii .Die Well' und „Für unsere Iletnrn Leute', sowie den Teil- beilagen .llnterhaitung und Wiflcn'. „Kirche und Welt'. „Die Welt der Frau', „ilerziltcher Nalaeber', „Literarische Beilage'. .Filmrundschau'. Monatlicher Bezugspreis 2.- Mk. einschl. Bestellgeld. Liuzelniuumer t» Sonntagnummer SU z. Hauptschrtstleiter: Tr. w. DeSczhk, Dresden. Sächsische Dienstag. 2?.seprem-erl927 Anzeigenpreise! Di« lgespaltene Pelitzcile»» 4. Familie,, anzetgen und Siellengejuche iiv ts. Die Petitreklamezeile. 8!» Millimeter breit, 1 Offerte,iqebühr SU bei Ueber- seudung durch die Post außerdem Portozuschlag. Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Auzeigcn-Auslriigen u. Leistung v. Schadenerlap. Gefchüsllicher Teil: Artur Lenz. Dresden. UteschiistSstelle, Truiku.Berlag - Gerinania, «..G. iiir Verlag und Druckerei. Filiale Dresden. DreSden-A. I. Polterstrnfte >7. Fen,rnsLli1I2. Postichecktonto Dresden r7NZ. Bankkonto: Stadtbauk DrcSdr» Nr. 6I7I9 Für christliche Politik uni» Kultur Redaktion der Sächsischen BolkSzeitnng DreSden-Allstadt l. Polte,strafte 17. Fernruf AMI und rw>2. Die Rede -es Reichsautzenminislers in -er Abrüskungs-ebatte — Paul Boncour anlworlel für Frankreich Desoldungsreform und Teuerung Von " Die folgenden Ausführungen kommen von einer Persönlichkeit, die über politische und wirtschaftliche Zusammenhänge in gleicher Weise gut orientiert ist Man Kann es verstehen, daß die Veamtentagung in Magdeburg dem Neichsfinanzminister Dr. Köhler zu jubelte, als er seine Ausführungen beendet hatte. Tat sächlich ringt die deutsche Beamtenschaft um ihre Existenz. Alle ihre Bemühungen, eine Besserung ihrer Einkom- mensverhültnisse zu erreichen, blieben bisher so gut wie ergebnislos. Die Vorgänger des jetzigen Reichsfinanz ministers lehnten jede Besserstellung der Beamten ab oder kamen den dahinzielenden Wünschen doch nur zum klei nen Teil nach, obgleich es keinem Zweifel unterliegen kann, daß die Lage der Beamten, der unteren, mittleren und höheren, in vielen Füllen geradezu verzweifelt ist. Gleich bei seinem Amtsantritt hat Dr. Köhler den Beam ten versprochen, die Besoldungsreform durchzuführen. Er ist zu diesen Versprechen gestanden und hat in verhältnis mäßig kurzer Zeit dem Kabinett den Plan einer Vesol- dungsreform vorgelegt, der, wie man wohl sagen oarf, so gar über die Erwartungen der Beamten selbst hinaus geht. Er hat es nicht nur verstanden, in so kurzer Zeit den Entwurf fertigzustellen, sondern noch mehr, es lst ihm auch gelungen, den Entwurf im Kabinett zur Bearbeitung zu bringen und ihn dort in ganz kurzer Zeit zu verab- sclpeden. Auch die Beamten, die nicht auf dem politischen Boden des Reichsfinanzministers stehen, werden Dr. Köh ler Dank wissen müssen für feine entschlossene, schnelle und zielbewußte Tat. Es wäre aber verfehlt zu glauben, daß lediglich die Beaniten eine derartige Verpflichtung hätten. Schließ lich ist das Nolksganze daran interessiert, daß wir einen in jeder Hinsicht unbestechlichen und intakten Beamten körper behalten. Die Sicherung für die Unbestechlichkeit aber ist nur dann gegeben, wenn der Beamte ein Einkom men hat, dos ihm wenigstens bei bescheidenen Ansprüchen erlaubt, entsprechend seinem Stande zu leben. Nur wenn der Beamte der dauernden Sorge enthoben ist, nur wenn sein Einkommen derart ist, daß er nicht zwangsläufig klas senmäßig eingestellt wird, wird er seine Pflicht in so objektiver Weise erfüllen können, wie es sein Amt ver langt. Wir wissen, daß es viele Gegner der Besoldungs erhöhung der Beamten gibt. Sie sind in allen Schichten des deutschen Volkes zu finden. Das eben angeführte ideale Moment ist aber vor allen Dingen in den Vorder grund zu stellen. Der Neichsfinanzminister ist sich natürlich liewußt, daß die nominelle Einkommenssumme an sich gleich gültig ist: es kommt auf den Realwert des Einkom mens an. Mit aller Entschiedenheit hat deshalb Dr. Köh ler den festen Willen der Regierung betont, zu verhindern, daß die Besoldungsreform zu einer Erhöhung der Preise benutzt wird. Wir wollen hoffen und wünschen, daß die Negierung diesen Vorsatz auch ausführen kann. Würde ihr das gelingen, so hätte die ganze Volkswirtschaft einen Vorteil davon: denn schließlich würde die durch Erhöhung des Einkommens bedingte höhere Nachfrage nach Gegen ständen der verschiedensten Art wieder befruchtend auf Handel. .Handwerk und Industrie wirken. Man kann ohne weiteres von der Voraussetzung ausgehen, daß die Besoldungsreform nicht der Anlaß für eine allgemeine Steigerung der Preise sein darf und sein kann. Ob allerdings diese Steigerung nicht'aus anderen Gründen kommen wird, ist eine andere Frage. Gerechtfertigte wirtschaftliche Ursachen zu einer Preiserhöhung können nur erhöhte Unkosten sein. Daß solche durch eine Erhöhung der Beamtenbezüge eintreten werden, ist nicht anzunehmen, da die Besoldungsreform in keiner Weise eine Erhöhung der Steuern, aus denen sie schließlich bestritten werden muß, nach den Erklärun gen des Reichsfinanzministers voraussetzt. Würde aller dings die Besoldungsreform in diesem oder jenem Land eine Erhöhung der Steuern, insbesondere der sowieso schon überspannten Nealsteuern, notwendig machen, so würde ihr auch eine Erhöhung der Preise folgen. Das größte Land. Preußen, hat bereits erklärt, daß es ohne jede Steuererhöhung die Beamtenbesoldungsreferm durchführen könne, von anderen ?ändern liegen ähnliche Erklärungen vor. Bayern allerdings, das doch beim letzten Finanzausgleich, den der frühere Finanzminister inaugu riert hatte, wahrlich gut weggekommen ist, erklärt sich außerstande, die Lasten der Besoldungsreform selbst zu tragen. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, nach den Ur sachen zu suchen, die eine derartige Auffassung begründen. Nur das eine muß gesagt werden: daß schließlich auch Bayern, das von den übrigen Steuerzahlern des Deut- Senf, 26. September. Die Völkerbundsversammlung hat am Sonnabend den M- richt der Mrüstungskommission entgegengenommen, den der belgische Senator de Brouckere erstattete. In der darauffolgen den Debatte ergriff auch Reichsautzenminister Dr. Stresemann das Wort. Er betonte, bah die AbrU st u n g eines der Kern probleme des Völkerbundes enl!)alte. In sachlich mächtigen Worten sei der Welt verkündet worden, dass der durch den Weltkrieg herbeigefllhrten erzivungenen Abrüstung derjenigen Staaten, die sich den Kriegsbedingungen ihrer Geg ner unterwerfen müßten, die freiwillige Beschränkung der Rüstungen anderer Völker folgen würde, um die Völker von dem Alpdruck der Furcht, des Hasses und des Mißtrauens zu be freien lind eine Entwickelung anzubahnen, die in friedlichem Wettbewerb die höchste Entwicklung der menschlichen Leistungen gewährleistet. Der Völkerbund werde in der Weltöffentlichkeit danach beurteilt werden, wie er sich mit diesem Problem aus einandersetze. Der Völkerbund sei durch die Abrüstungsdebatte geradezu in ein kritisches Stadium seiner Entwickelung «lngetreten. Zwei Grundsätze schienen sich zunächst gegenüberzustehen. Von Deutschland sei stets die Auffassung vertreten worden, daß es nicht angängig sei, die allgemeine Abrüstungsaktion von der Schafsung neuer Sicherheiten abhängig zu machen. Demgegen über stehe die Ansicht, daß neue Sicherheiten notwendig seien, um den Beginn der Abrüstung zu ermöglichen. Angesichts dieser Schwierigkeiten sei es zu begrüßen, daß es gelungen sei, den Weg zur praktischen Arbeit freizulegen. Die vorliegende Resolution bedeute ein Programm, in dem die beiden Grundsätze der Abrüstung und Sicherheit zueinander in das rechte Verhältnis gestellt worden seien. Die Locarno-Verträge seien ein Muster dafür, wie die Sicherheitsfrage gelöst werden könne. Daneben stelle aber die Resolution ganz klar fest, daß die erste Entwafsnungskonferenz einzuberufen sei, sobald die noch notwendigen Vorarbeiten rein technischer Natur schen Reiches starke Zuschüsse erhält, Mittel und Wege fin den muß, um die Besoldungsreform zu sichern. Es ist immerhin bedeutsam, daß die bayrischen Richter beim Ausbleiben der Besoldungsreform in Bayern danach stre ben wollen, daß die Justizverwaltung, die jetzt bekanntlich noch in den Händen der Länder ruht, an das Reich über geht. Im übrigen ist es Aufgabe des Reiches, dafür zu sorgen, daß Länder und Kommunen die Steuerschraube nicht weiter anziehen. Die diesbezügliche Ergänzung des vorgesehenen Steuervereinheitlichungsgesetzes böte hier zu die beste Gelegenheit. Die Ursache einer Preissteigerung kann unter den obengenannten Voraussetzungen die Beamtenbesoldungs reform nicht sein und wird es nicht sein. Es gibt aber eine Reihe von anderen Momenten, die eine Preissteige rung nicht unwahrscheinlich machen. Die Arbeits los e n z a h l ist in Deutschland dauernd zurückgegangen, ihre Zahl ist heute geringer als meist in der Vorkriegs zeit. Dabei ist zu bedenken, daß wir in der Vorkriegszeit ein Heer von 800 000 Mann hatten, daß wir darüber hin aus eine Rüstungsindustrie und eine Dersorgungsindustrie für das Heerwesen hatten, die Hunderttausende von Men schen beschäftigten. Betrachtet man die heutige Arbeits losenzahl unter Berücksichtigung dieser Tatsachen, so muß sie geradezu klein ers<j)einen. Es kann wohl kaum bestritten werden, daß die Konjunktur im ganzen Verlauf dieser Jahre verhältnismäßig gut gewesen ist, ivenn wir auch betonen müssen, daß sie im wesentlichen eine In landskonjunktur war und ist. und daß sie auf Bor aussetzungen gegründet ist, die ernste Sorgen nicht un berechtigt erscheinen lassen. Jede Besserung der Konjunktur absorbiert eine ver mehrte Zahl von Arbeitskräften. Es wäre aber falsch, die Verminderung der Arbeitslosen lediglich auf die Konjunktur zurückzusühren: allmählich macht sich der Ge burtenausfall in den Kriegsjahren bemerkbar. Die Zahl der Arbeiter sinkt an sich absolut und wird wahrscheinlich in den folgenoen Jahren nach weiter sinken. Ein ausge sprochener Mangel yn qualifizierten Arbeitern herrscht heute schon. Es ist nicht schiver, vorauszusehen, daß die Laae des Arbeltanwrktes frühst oder lväler eine Er- zum Abschluß gebracht worben seien. Rüstungen könnten und dürsten nicht die Grundlage der Sicherheit sein. Gewiß seien die natürlic!)en Hemmungen vor dem Entschlüsse zur Abrüstung sehr stark. Deutschland l)at>e diese psychologischen Hemmungen aber unter Verhältnissen, wie sie schwieriger überhaupt nicht gedacht iverden konnten, überwunden. Wenn das Land, das einst als die stärkste Mlitürmocht der Welt galt, heute ab gerüstet habe, so sollte es für die anderen Staaten viel leichter sein, ihm jetzt zu folgen. Die ganze Institution des Völker bundes könne nur dann lebendig und wirksam werden, wenn die Vorschrift der allgemeinen Abrüstung durchgeführt und da mit die Voraussetzung für eine gemeinsame und solidarische Sicherung des Friedens erfüllt sei. Lord Onslow der gegenwärtige Führer der englischen Delegation, bezeich net die vorliegende Resolution als einen großen Fortschritt aus dem Wege zur allgemeinen Abrüstung. Es sei sehr zu begrüßen, daß man in der Kommission zu einer Einigung gekommen sei. ohne den eigenen Standpunkt aufgegeben zu haben. Es sei zu hoffen, daß die nächste Vollversammlung des Völkerbundes bereits vor praktischen Ergebnissen stehen werde Paul Boncour der Führer der französischen Delegation, legte dann ven Standpunkt Frankreichs dar. Die Abrüstung erfor. der« Geduld und Hartnäckigkeit, sie sei langwierig und müh sam wie der Krieg. Die Resolution bedeute freie Bahn für die weitere Arbeit. Man dürfe sich über die Gegenwart keine Illusionen machen. Abrüstung, Siä>erheit und Schiedsgericht seien untrennbar miteinander verbunden. Der Hauptwcrt der Resolution bestehe in der Schaffung untrennbar miteinander verbunden. Der Hauptwcrt der Resolution bestehe in der Schaf fung einer neuen Institution, die nicht von der vorbereitenden Mrüstungskommission getrennt werden könnte. Dies« Kom mission werde alle Fragen der Sicherljeit zu prüfen haben. Die Aussprache wird heute zu Ende geführt. Höhung der Löhne bedingt. Anzeichen hierfür sind bereits in reichlichem Maße vorhanden. Erhöhung der Löhne aber bedingt Erhöhung der Unkosten, der, wirt schaftlich betrachtet, unbedingt eine Erhöhung der Preise folgen muß, wenn eine solche nicht etwa durch verbesserte rationelle Produktionsmethoden paralysiert wird. Der Rationalisierung.aber sind gewisse Grenzen gesteckt, und nach der starken Rationalisierung, die insbesondere die Industrie in den letzten Jahren vorgenommen hat, ist kaum damit zu rechnen, daß sich der Rationalisierungs- Prozeß in ähnlich intensiver Werse noch tveiterhin wird fortsetzen lassen. Eine andere Frage ist die: ob einer Preissteigerung nicht durch eine bewußt eingeleitete Rationalisierung der gesamten Wirtschaft überhaupt Einhalt geboten wer den könnte. Das eigentliche Problem in unserer Volks wirtschaft. an das man sich allerdings noch nicht heran gewagt hat außer mit der Feststellung sehr wertvollen Tatsachenmaterials, ist ein übermäßig ausgedehnter Zwischenhandel, der die Waren gegenüber der Vorkriegszeit, und insbesondere der wichtigsten Lebens mittel, über Gebühr verteuert. Es würde zu weit gehen, durch Einzelheiten zu belege», in welch enormer Weise der Zwisclicnhandelsgewinn gegenüber der Vorkriegszeit gestiegen ist. Es müßte unseres Erachtens Ausgabe der berufenen Männer sein, zu überlegen, in welcher Weise dieser Zwischenhandelsgewinn wieder ans eine normale Basis zurückgeführt werden kann, inwieweit insbesondere auch unnötige Glieder im Zwischenhandel, die die Waren lediglich verteuern, ausgesäxiltet werden können. Ob allerdings eine derartige Reorganisation des Handels ohne die Mitwirkung der Industrie zu erreichen ist, erscheint fraglich. Noch fraglicher erscheint, ob eine der artige Reorganisation zu erreichen ist, wenn man alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen will. Das Worl vom „freien Spiel der Kräfte" ist ja sebr bestechend: ob und wieweit es aber in der Praxis vorhanden ist, ob und inwieweit es nicht wirtschaftlich und sozial sä)ä- tagende Auswirkungen hat, steht auf einem anderen Blatt. Walter Rathenau war der erste, der in großzügi ger Weise die Notwendigkeit einer Reoraanisation unse-