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Beim Turmbau zu Babel Lvie sich -er Dresdner Lehrerverein -ie Gestaltung -es Reichsschulgesetzes denkt Die Front -er Neinsager — Ein merkwürdiger Brief -es Reichslagsabgevr-neten Adam Rö-e Dresden, 23. September. Der Dresdner Lehrerverein hat gestern eine graste öffentliche Kundgebung gegen den Reichsschulgesetz» entwurs veranstaltet. Diese Kundgebung hat zweierlei gezeigt: einmal Las Interesse, das die Schulfrage in der Oefscnttichkeit fin det — neben der Hauptversammlung im Gewerbehaus wurden Ne- bcnvcrsanMungcn in der Kaufmannschaft und im Italienischen Dörfchen abgehalten — außerdem aber die beispiellose Zerrissenheit der Anschauungen, die auf der Seite der Gegner des Rcichsschul- gesctzentwurseö herrscht. Man konnte fast den Eindruck erhalten, als hatte der Dresdner Lehrerverein, dessen Schulideal bekanntlich ur sprünglich die weltliche Schule war, der sich aber heute zur Ge meinschaftsschule bekennt, Wert darauf gelegt, zu zeigen, welche Möglichkeiten allein zwischen diesen beiden Idealen liegen. Nicht meniger als elf Redner marschierten auf. Daß »ach diesem Wasser- stzll von Beredtsamkeit natürlich kein Raum nmr, die Anhänger des Wichsschulgeschentwursctz zur Aeußerung auch nur aufzusordern, ist seRntverftändlich. Die Versammlung wurde von dem Vorsitzenden des Dresdner Kehrervcrcins Drinks geleiiet. — Als erster Redner sprach Ober- studiendircktor Dr. Schlemmer, Vorsitzender des Reichsbundcs für Religionsunterricht. Im Namen seines Verbandes, dem 20 000 evangelische Religionslehrer angehören, forderte er als überzeugter Christ die Gemcinschafisschnlc, die allein fähig sei, den Geist der all umfassenden, des ökumenischen Christentums in den Menschen leben dig zu machen (?). Landtagsabgeordnetcr Professor Dr. Seyfert (Dem.) trat für die verfassungsmäßige, allgemeine Volksschule ein. Das sei umso notwendiger, als heute die politische Macht in den Händen derer sei, die der Verfassung feindlich gegenüberstehen (!). Der Entwurf schränke die Hohcitsrcchle des Staates zugunsten der Kirche ein, er verurteile die Volksschule zur geistigen Unfreiheit und Abhän gigkeit. Die katholische Kirche fasse den Unterricht dahin auf, daß die Erziehungsberechtigten ihr Erzichungsamt nur im Auftrag der Kirche ausübten. (Prof. Seyfert setzt in diesem Falle die Kirche mit Gott gleich; das heißt doch die Hochschützung etwas weit treiben. D. R.) Die Polemik gegen die katholische Kirche setzte der Breslauer rcolksbibliothcksdircktor lic. theol. Moering fort. Er bczeichnete die katholische Kirche als Urheberin des SchulkampfcS. Katholizis mus heiße kirchliche Bindung aller Formen des Lebens. Die katho lische Kirche handele nur konscgnent, wenn sie aus ihrer Anschau ung heraus den bestimmenden Einstuß in der Schule verlange. Evangelisch sein heiße demgegenüber, sich zum Prinzip der Freiheit zu bekennen. Wenn die protestantische Kirche den Mut hätte, ihrem eigentlichen Wesen nach zu handeln, dann müßte sie im Kampfe gegen das Reichsschulgesetz die Führung übernehmen. So aber sei die protestantische Kirche nichts a(s katholisches Mimikri (!). Die pro testantische Kirche füge sich der Tagesströmung, die allerdings im übrigen Reiche der konfessionellen Schule viel günstiger sei alS in Sachsen. Möglich sei nur eine Lösung niit der Gemcinkchastsschulc als Negelschule. Dort wo cs der Zusammensetzung der Bevölkerung nach berechtigt sei, könne dabei auch die Bekenntnisschule ihren Platz erhalten. Denn darüber müsse man sich klar sein; eine» Kul turkampf könne man wohl in Sachsen verlangen, aber nicht etwa z. B. in Breslau, wo man aus dem rechten Odcrufer den Fürstbischof habe. Nach diesem schönen Bekenntnis machte der kommnnistische Ncichstagsabgeordncte Schneller gleichfalls sehr offenherzige Aeußerungen. Er meinte, cs handele sich bei dem Entwurf weniger um Hcrrschaftsgelüfte der Kirche als darum, die Hcrrenkaste des alten Staates wieder zur Herrschaft zu bringen. Die Volksschule solle wieder so gestaltet werden, daß sie williges und billiges Material sür einen neuen .Krieg liefere. Den Interessen des arbeitenden Prole tariats diene allein die weltliche Schule. Die Kirche sei die beste Helferin der Reaktion; die Antwort auf den Rcichsschulgesebent- wurf könne daher nur lauten: Heraus aus der .KircheI (Wie mag bei dieser sreundlichen Aufforderung den als Rednern anwesenden protestantischen Geistlichen zumute gewesen sein? D. R.) Bei dieser Rede war der Beifall der Versammlung am stärksten. Nicht minder temperamentvoll sprach die Leipziger Schriftstelle rin F r a u v. K 3 r b e r, die als Mutter die Mütter ausforderte, auf das Heil ihrer Kinder bedacht zu sein. Die katholische Kirche speku liere aus die verminderte Zurechnungsfähigkeit der Frauen (!). Der Schulgesctzcnlwurf trage den Zwist in die Familien hinein. Wenn die beide» Eltern verschiedener Ansicht über die zu wählende Schul art seien, dann werde eben ein Teil nachgeben müssen, und das wer de meistens der Vater sein, denn die Frauen wüßten ihren Willen durchzusetzcn. Leider aber seien die Frauen aus Mangel an Auf klärung (!) vielfach für die konfessionelle Schule. — Die Redner!» wetterte dann gegen den religiösen Fanatismus, obwohl sie doch nach dem Temperament ihres Vortrages eigentlich Verständnis sür menschliche Leidenschaft haben müßte. Pfarrer i. R. Dr M e n s i n g, der für die Gemeinschaftsschule sprach, stellte fest, daß die Versammlung keineswegs eine einheitliche Gemeinde bilde, sondern, daß die'verschiedensten Meinungen hier ver treten seien. Einig, so meinte er, sind wir unS wohl nur darin, daß wir den neuen Reichsschiilgesebentwurf ablchnen. Pfarrer Mcnsing trat lebhaft für die Gemeinschaftsschule ein, die allein zur Toleranz erziehe. Als er sein Bedauern aussprach, daß Schule und Kirche in Sachsen so völlig getrennt seien, fand er lebhaften Protest bei der Versammlung. Dr. Walls, Dramaturg am Dresdner Schauspielhaus, stellte feinsinnige Betrachtungen über die Bedeutung der Schule für die Kunst an. Schon heut« bedauere man, daß kein ein heitliches Publikum in Deutschland vorhanden sei, der vorlie gende Entwurf aber iverde das Volk noch mehr zerreißen und es damit unmöglich machen, daß iiberl>aupt noch ein geistig schöpserisck-er Nie »sch zum ganzen Volke spräche. — Es ist sehr bedauerlich, daß Dr. Walls, der doch ein ausgezeichneter Kenner der Thealergeschichte ist, nicht die Frage aufgeworfen hat, ivi. es kommt, daß die Mysterien- und Passionsspiele des Mittel alters ein einheitliches Publikum gefunden haben, dos heutige Theater aber nicht. Dann Hütte sich der richtige Schluß aus diesen sicher sehr erwägenswerten Gedanken ergeben, nämlich daß lebendige Kunst nicht möglich ist ohne lebendige Religion. Stadtrat Meckbach (Frankfurt a. M.). glaubte durch juristische Betrachtungen beweisen zu können, daß der Schul gesetzentwurf oerfassungsändernd sei. Nur wenn Gewalt vor Recht gehe, werde dieser Entwurf Gesetz werden. Der reformierte Pastor Dr. Kautzsch. Dresden, setzle sich dafür ein, daß man die Schule einschließlich des Religions unterrichtes dem Staat überlasse. Erschüttere man die Gemein schaftsschule, dann werde die religionslose Schule kommen, die eine Gefahr bedeute. (Die Versammlung ivar, wie lebhafte Zurufe bewiesen, anderer Ansicht.) — Pastor Franke (Berlin) befürwortete gar als evangelischer Geistlicher die weltliche Schule. Die Kirche müsse die staatliche Schule unbehelligt lassen, um sich ganz dein Religionsunterricht widmen zu können. Professor Oesterreich (Berlin) der Vorsitzende des Bundes entschiedener Schulreformer, der der sozialdemokrati schen Partei angehört, bekannte sich als Anhänger der wirk lichen weltlichen Gemeinschaftsschule. Ter Vorsitzende verlas ein Schreiben des Reichstagsabgc- ordnoten Gildemeister (D. V, P), in dem betont wird, das Reichsschulgesetz dürfe nur die einheitliche deutsche Volks schule bringen, sonst müsse es zurückgestellt werden, — Ein be sonderes Zugmittel für die Versammlung ivar zweifellos die Ankündigung gewesen, auch der Zcntrumsabgeordnete Ada in R öder werde in der Versammlung das Wort ergreifen, Herr Adam Röder war aber aus Gesundheitsrücksichten nicht erschie nen, was mit lebhaftem Uha-Ruscn quittiert wurde. Der Vor sitzende konnte aber ein Schreiben des Herrn Adam Röder zur Verlesung bringen, das folgenden Wortlaut hat: „Die Weimarer Verfassung verlangt die Gemeinsckzafis- schule als Regslschuke kategorisch, und man soll sich hüten, leicht fertig mit Verfassungsänderungen umzuspringe». Die Reichs- vepfaksung ermöglicht einen Zustand, mit dem sich jeder Evan gelische und Katholische einverstanden erklären kann; sie bietet die Gemeinschaftsschule »nd darüber hinaus den« skrupulösen Konsesstonolisten die zu beantragende konfessionelle Schule. Der vorliegende Scknlgesetzentwurs ist unehrlich und arglistig. Er will Dinge ei »schmuggeln, die dem Geiste der Verfassung und ihrem klaren Wortlaut zuwiderlaufen. — Einer meiner Pole miker hat genreint, ich müßte erst beweisen, daß die Gemein schaftsschule den Solidarismus, Gcmeinscl>aflsgefühl und wirk liche Toleranz erzeuge. Möge er dock) nach Baden kommen und sich von jedem Lehrer der Volksschule über die Wirklichkeit in formieren lassen. Wenn gehetzt wird, dann nur im Religionsunterricht, aber es kommt im ganzen doch selten vor . . . Sieht man denn nicht ein. daß die Volksschule einen reli giösen Polizeicharakter erhält, wenn man für sie die konfessio nell durchgearbeitete Struktur verlangt, während die höhere Schule, in die reiche Leute ihr« Kinder schicken, simultan bleibt? — Ist es schon richtig, daß es gerade Mittelstandsver- treter und Bauet» sind, die engherzig die neu werdende Zeit bekämpfen, so muß man doch für sie sein, indem man sie geistig überwindet. Das kann natürlich nur geschehen, wenn die Geistigen in der Zentrumspartei die Führung an sich nehmen, »in die Gestaltung des Zukünftigen mit den soziologisch und poli tisch richtigen Mitteln einzuleiten. Man zerbreche sich nicht den Kops darüber, was die oerstorbenen großen Führer des Zen trums heute tun würden. Unsere Zeit mit ihren Aufgaben ist so absolut neu. daß man mit einem orthodoxen Historismus nicht auskommt. Mit der Formenlehre eines Thomas von Aquin kommen wir heut« nicht mehr zurecht, sie entspricht einer vergangenen Epoche; heute würde er sicherlich auf der Seite de» sozialen und demokratischen Fortschritts stehen, und von einem Windthorst und den Brüdern Reichensperger gilt gewiß das gleiche. An allen Enden der Welt zuckt es auf. Ist es auch nicht so, wie gewisse Zentrumsblätter es darstellen, daß der Bolsche wismus überall die Hand im Spiele habe — man merkt dabei deut lich einen Niederschlag der Agitation katholischer und evange lischer Adels-Kliquen. in holder Eintracht mit „heidnischen" Prominenten — so besteht doch liberal! soziale Feuersgesahr. Und eben darum müssen rvir eine soziale Freiheits- und Fort schrittspolitik treiben, damit die Brandstiftung hintan ge!>alten wird. Also muß das Zentrum die Demokratie festigen, eine wirklich christliche Sozialpolitik treiben und die deutschnationa- len Versuche, mit der Schulvorlage Reaktion zu treiben, zurück- weisen." Dieses Schreiben, das nächst der Rede des Kominunisten Schneller das radikalste war, was im Verlaufe der Versamm lung zu Gehör gebracht wurde, wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Am Schluß der Versammlung wurde eine Ent schließung gefaßt, die sich gegen das Reichsschulgesetz wendet. Nachdem der Vorsitzende die Versammlung für beendet erklärt hatte, stimmte ein großer Teil der Berscnmnlungsteilnehmer di« Internationale an. » Wir haben selten so ein trauriges Schauspiel erlebt wie diese „machtvolle" Kundgebung. Angenommen, die Anhänger der Bekenntnisschule würden ausgeschaltet — wie würden dann die Gegner die Schule gestalten? Wür den wir eine christliche Gemeinschaftsschule, eine weltliche Gemeinschaftsschule oder eine weltliche Schule schlechthin erhalten? Die heute im Hatz gegen die Bekenntnisschule einig sind, mützten sich dann gegenseitig die Köpfe zer schlagen. Die Kundgebung bot das Bild des babylonischen Turmbaues: Sie spracizen alle dieselbe Sprache und ver standen einander doch nicht. Woran aber soll sich der Ver sammlungsteilnehmer halten? Was hätten diese Leute etwa einer Mutter zu sagen, die sich ehrlich um die rechte Erziehung ihres Kindes sorgt? Die Schul frage ist doch schließlich Gewissenssache. Welche Ver wirrung trägt man durch Kundgebungen dieser Art in un ser Volk! Nutznießer solcher Verwirrung ist nur der Un glauben; so war nicht nur dem Beifall, sondern auch dem geistigen Inhalt der Veranstaltung nach die kommuni stische Aufforderung: „Heraus aus der Kirche!" der Höhe punkt der Versammlung. Daß in einem solchen Rahmen ein Zentrumsabge ordneter als Redner angekündigt werden konnte, ist ein fach ein Skandal. Herr Adam Röder war schlecht beraten, als er den Dresdner Lehrerverein, also eine Organisation, die bis vor kurzem nur für die weltlick)« Schule eintrat, als Plattform erwählte für eine Ausein andersetzung mit der Reichstagssraktion des Zentrums. Wir werden dieses merkwürdige Schreiben des Herrn Ab geordneten Röder noch zu würdigen haben. l)yk. Ser korrigierte Atlas Walther Stötzners neue Reise. Der bekannte Tibetforscher Walther Stötzner bricht dem nächst zu einer neuen Expedition nach Asien auf, auf der er ein noch ganz unbekanntes Gebiet erforschen will. Es handelt äch uni eine Fläche von weit über tv» Kilometer Länge und rund 500 Kilometer Breite, die südlich von dem grossen Bogen des Helungkiang, des „schwarzen Drachcnstroms" umflossen wird, >cn wir Amur nennen. Auf den Landkarten findet man zwar in dieser Stell« Flüsse und Gebirge eingczeichnet, aber was da auf allen Atlanten zusammenphantasiert wird, ist falsch Diese überraschende Mitteilung macht Stötzner in einem Aufsatz in Neclams Universum, in dem er sich über die Zwecke und Ziele seiner neuen Reise ausspricht. .Man sagt," schreibt er, „die weihen Flecke auf den Landkarten seien alle geworden, und das ist in gewisser Beziehung richtig; denn auch dort, wo weisse Flecken sein müßten, weil noch kein Europäer die Gegenden be trat, sind heute Flüsse und Gebirge eingetragen. Es sieht so aus, als wenn sich die Kartenzeichner keine Blöße geben und nicht zugestehen wollten, daß es immer noch verhältnismässig grosse Landstriche auf unserer Erde gibt, von deren Oberilächen- gestaltung man keine sicher« Kenntnis hat. Zu diesen Gebieten gehört auch der Norden der Mandschurei. Von dem Helung- kiang-Gebiet wissen wir überhaupt nichts weiter, als dass die Karnwaiienstrasse Zizikar—Mergen—Aigun hindurchfiihrt. Alle anderen Angaben, die auf den Karten verzeichnet sind, stützen sich auf ganz unzuverlässige chinesische Berichte Uber einzelne Flußläuse. zu denen man dann Gebirge als Quellqebiete hin- znersunden hat. Es ist sehr fraglich, ob sich in dieser Gegend überhaupt auch nur «ine Spur von den gewaltigen Gebirgs ketten findet, die sogar mit Namen angegeben werden. Wahr scheinlich ist der größte Teil dieses Gebietes mit Urwäldern be deckt. Das läßt sich schon daraus schließen, dass sich außer an der Karawanenstraß« in diesen weiten Strecken auch nicht eine ein zige Ortsangabe auf den Karten findet. Märe nur der kleinste Ort vorhanden, so müsste er durch chinesische Nachrichten bekannt sein. In fast menschenleeren Urwäldern aber gibt es kein« Städte. Auch di« meteorologischen Beobachtungen, die in der russisch-sibirischen und westlichen Umgebung gemocht wurden, berechtigen zu der Annahme, daß sich hier die letzten Ausläufer der sibirischen „Taiga", des Urwaldes, befinden. Die Hauptarbeit Stötzners aus seiner neuen Fahrt wird in der Erforschung der menschlichen und tierischen Bewohner dieser Urwälder oestehen. An Tieren müssen hier noch dieselben Ge schöpfe zu finden sein, die di« südlichen Teil« der sibirischen Ur wälder bevölkern: der Elch und der Hirsch, das weiße Renntier, der Bär und der sibirische Tiger, der von allen Tigerarten der weitaus größte und angrifsslustigste ist. Es wird besonders wichtig sein, die äußersten Verbreiiungsgrenzen dieser Tierwelt festzustelle». Die undurchdringlichsten Wälder Nordostasiens sind seit Jahrtausenden von Tungnsen bewohnt, die bis vor einigen Jahrzehnten auf keiner höheren Kulturstufe lebten als di« nordamerikanischen Indianer aus den Lederstrumpsgeschich ten. Seitdem ist „Kultur" mit ihren fragwürdigen Gaben in die sibirische Taiga eingedrungen und hat vielfach den körper liche» und sittlichen Niedergang dieser Waldmenschen zur Folge gehabt. Es gibt aber noch heute große Gebiete, in denen die Tungusen als reine Fischer- und Iägervölker leben, und man darf erwarten, dass in den weglosen und undurchdringlichen Plaldgebieten der Helungkiang-Provinz sich noch ganz unbekannt« Tungusenstnmme finden werden. Stötzner hält diese Gegend für ein Rückzilgsgebiet verschiedener kleiner Reste dieses Volkes, die noch nach uralter Sitte und Gewohnheit der Väter leben, und es oürfte höchste Zeit sein, dort >m letzten unberiihrtcn Winkel für di« Wissenschaft zu retten, was sich noch an ursprünglicher Eigenkulinr unter ihnen erhalten hat. Die chinesischen Wirren werden aus die Erforschung dieses abgelegenen Gebietes unmittelbar keinen Einfluss haben; wohl aber sind die Banden der Ehunchutzcn oder „Roten Bärte" zu fürchten, jener berüchtigten Räuberbanden, die seit Jahrhunder ten im Norden Chinas ihr Wesen treiben. Mörder, Verbrecher »nd alle, die aus Furcht vor Straf« flüchteten, taten sich in den Urwäldern der Grenzgebiete zusammen und unternahmen von dort ihre Streifziige. Um sich unkenntlich zu machen, hingen sie sich in früheren Zeiten die bekannten chinesischen roten Schau- spielerbärte »m, und erhielten davon ihren Namen. Manche ihrer Führer sind zu Generalen aufgestiegen, und haben in der Geschichte des Landes eine Rolle gespielt. Behauptet man doch sogar von dem jetzigen Diktator Nord-Chinas, Tschangtsolin, dass er aus den „Roten Bärten" hervorgegangen sei. Stötsner. der mit nur zwei europäischen Begleitern seine Reise unternimmt, will jene Gebiete umgehen, in denen gerade die Thunchntzen Hausen, und hofft, sich mit ihnen friedlich zu verständig«», wenn er aus sie stößt. Um die Reichs^auforschung. Die tu diesem Sommer ge- gründete Neichs-Forschungs-Eejellschast für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen hat «in« Anzahl von Verbänden und Architekten auf den Plan gerufen, die in einer vom Baurat a. D. Carl Noeßler, dom Schriftleiter dr, „Deutschen Dachdeckerhand, werk»", und von Oberregierungs- und Baurat Dr.-Jng. Ron« «»(geregten Eüigabe sich an den Reichstag und den Reichsarbcils- minister wenden. Besondere Entrüstung hat «s auf dieser Seit« erregt, als gemeldet wurde, das Bauhaus Dessau solle aus den Mitteln der Gesellschaft unterstützt werden — übrigens sind diese Behauptungen unbegründet. Die Eingabe fordert, dass das Hand- wcft, die Kalk-,' Ziegel- und Eisenindustrie neben der Zement- industrie sowie die unabhängige und freie Vauivissenschaft gleich- massig in der Forschungsgesellschaft vertreten sind — auch diese Forderung übrigens rennt offene Türen ein, da die Gesellschaft ihre Mitgliederliste noch nicht ausgestellt, sondern erst ihre Leitung konstituiert hat. Ferner erklärt es die Eingabe für un erlässlich, dass der Vorsitz In der Gesellschaft »ich! dem gleichzeitig Vorsitzenden einer der wirtschaftlichen Interessengruppen, son dern einem wissenenschastlich unabhängigen und angesehenen Baiifachmaiine ül»ergeben wird. Endlich wird gewünscht, dass di? Preußische Akademie des Bauwesens, die Münchner und die Dresdner Akademie der Künste, die freie De»isä>e Akademie des Städtebaues, die Technischen Hochschulen und die Einzelstaaten durch angesehene Bausachleute in der Studiengeseltschaft offiziell vertreten sind. Das Reisemerk der Expedition Leo Herzog« Adolf Friedrich. Unter Adolf Friedrich, Herzog zu Mecklenburg, wurde im Jahr« 1S07 eine deutsche Expedition »ach Zentralnsrika unternommen. Sie bezweckte die systematische Erforschung der Nordwestecke des dcutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes, des zentralafrikanischen Grabens in seiner Ausdehnung vom Kiwu- bis z»m Albert-See, mit einer Durchquerung Afrikas. Die wissenschastlichen Ergeb nisse dieser Expedition erschienen im Verlag von Klinkhnrdt u. Viermann. Das ethnographische »nd anihropologisclze Material, das Professor Czeksnowski, Lemberg, herausgibt, ist besonders reichhaltig und für seine Publikation sind sechs Bände vor gesehen. Leider hat der Krieg diese Arbeit unterbrochen, und erst jetzt konnte wieder ein neuer Rand (der fünfte) heraus gegeben werden. Es ist ein ethnographisch anthropologischer Atlas, der die auf die Zone der Nil Kongo-Wasserscheide be schränkten Stämme der Asaiide und Nilotcii umfaßt. Wenn man die großen Schwierigkeiten l>erUcksichtigt, diese scheuen menschlichen Wesen zum Photographieren hcranzuziehen, wird man um so mehr die verdienstvolle Arbeit, die hier auf dem Gebiete der Völkerkunde geleistet worden ist. anerkennn müssen. Czekanowski beschränkt sich aber nicht darauf, nur anthropolo gische Typen zu geben, sondern er zeigt auch die Betätigung ver schiedener Völker in Kunststeiß und Gewerbe, Bodenbestellung. Hausbau, Töpferei, Schmiedekunst. Bienenzucht etc. und gibt da zu einen beschreibenden Text. Man kann sckzon jetzt sagen, daß diese, Werk eines der wertvollsten zur Kenntnis der asrikainsche« Menschenformen bilde» «iM