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ysk-obsrschlefische Zustande (Von unserem Korrespondenten.) b. Kattowitz, 21. September. Die ersten Wochen dieses Monats haben im Zeichen einer scharfen Offensive des bekannten West marken« Vereins gestanden, die sich diesmal nächst dem Minder- heitsschulwesen vor allem gegen die Stadtparla, mente von Kattowitz und Königshütte richtete. Es ist damit leider wieder der Beweis erbracht, daß man polnischerseits eine positive Mitarbeit der deutschen Min derheit sogar auf dem Gebiet der oberschlefifchen Kommu nalpolitik ablehnt. Die bekämpften Stadtparlamente be sitzen seit den letzten Kommunatwahlen eine starke deutsche Mehrheit,- nach den parlamentarischen Gepflogenheiten hat darum auch die deutsche Fraktion in beiden Städten die Stadtverordneten Vorsteher gestellt. Schon das war sofort von polnischer Seite als Provokation empfunden und be zeichnet worden. Man wartete ganz offensichtlich (es wird das gar nicht abgeleugnet) auf eine Gelegenheit, diesen „un erträglichen Zuständen" ein Ende zu bereiten. Die fach liche Arbeit der deutschen Vertreter bot jedoch keinen vor der Oefsentlichkeit und vor allem vor dem Ausland ver tretbaren Grund, etwa das berüchtigt« Ermächtigungsgesetz anzuwenden, das den Wojewoden befugt, kommunale Ver tretungen im Verordnungsivege auszulösen, deren Arbeit als staatsfeindlich anzusehen ist. Allzu große chauvinistische Ungeduld hat nun sowohl i« Königshütte als auch in Kattowitz zu Zusammen- Eößen geführt, deren Gegenstand bezeichnenderweise Schulfragen sind. In Kattowitz sahen sich die deut schen Stadtverordneten genötigt, gegen einen Magistrats« »eschlutz zu protestieren, der die Schliessung der untersten Klassen an den städtischen Mittelschulen vorsah. weil an- zeblich diese Klaffen überflüssig seien. Diese Unordnung hat, obwohl sie auch die polnischen Mittelschüler betrifft, eine zanz deutliche Spitze gegenüber der deutschen Minderheit. Sowohl für die deutschen als für die polnischen Schulen lagen soviel Anträge vor, daß die Errichtung von minde stens je zwei weiteren Parallelklassen hätte erfolgen müssen, während der Magistrat nur je eine einzige unterste Klaffe eröffnet hat. Merkwürdigerweise ist genau zu glei cher Zeit mit Genehmigung der Wojewodschaft eine pol nische Prioatnrittelschule gegründet worden, in welche die polnischen Kinder sofort ausgenommen werden konnten. Die deutsche Mittelschule mußte dagegen etrva 150 Anträge rbweifen. Die deutsche Fraktion stellte nun den Antrag ruf sofortige Eröffnung einer entsprechenden Anzahl von Klassen und forderte namentliche Abstimmung dazu. Ihr Sprecher bat vor allem darum, die Angelegenheit im In- iereffe des Ansehens der Stadt innerhalb der städtischen Körperschaften zu bereinigen und die deutsche Minderheit »icht wieder zum Appell an die internationalen Instanzen n« zwingen. Daraufhin verließen die polnischen Vertreter den Sitzungssaal und ließen durch ihren Sprecher erklären, daß sie an keiner Sitzmrg mehr teilnehmen würden. In zwischen haben auch die polnischen Mitglieder der einzel nen Kommissionen ihre Aemter niedergelegt. In Königs Hütte ist es dadurch zu Konflikten ge kommen, daß eine deutsche Stadtverordnete, di« früher Lei terin der Königshütter Geschäftsstelle des Deutschen Volks- bundes u>ar, in das Kuratorium des Li-zoums gewählt wurde. Auch das wurde als Provokation bezeichnet und vom Westmarkenverein dazu benutzt, in einer öffentlichen -Protest-versammlung" die sofortig« Auflösung zu ver langen. Der Mojawode hat bisher in beiden Fällen den von der gesamten polnischen Presse mit unerhörter Schärfe ver tretenen Auflösungsforderungen nicht entsprochen. Das hat seinen Grund freilich nicht darin, daß er das Vorgehen der polnischen Parteien etwa nicht billigt: das Stichivort gu den längst geplanten Demonstrationen ist nur zu zeitig gefall««. Die Lage, in die er durch diesen Negiefehler ge drängt worden ist, dürfte für ihn wenig angenehm sein. Er ist jedoch zu klug, um nicht einzusehen, daß so schiverwie- gende Maßnahmen mit den offensichtlich an den Haaren herbeigezogenen Protesten der polnischen Parteien nicht ge rechtfertigt werden können. Daß er einen Ausweg finden -wird aus dem Dilemma zwischen diesen politischen Erwä gungen und den Forderungen seiner Anhänger, di« ja letz ten Endes nur der von ihm selbst Inspirierte Ausdruck der eigenen Wünsche sind, ist sicher. Es wäre fast ein Wun der zu nennen, wenn die Auflösung nicht erfolgte. Der Weg zur Lösung wird der übliche sein. Es rverden immer wie der neue Proteste konstruiert werden, die polnische Presse wird Tag für Tag über die „unerträglichen Zustände" kla gen, bis schließlich das Argument des „empörten Volks- willens" in ähnlicher Weise beansprucht werden kann, wie Di« heutige Nummer enthält die Beilage „Aerztlicher -katgeber". Vom Äaushallausschuh -es Reichslages genehmigt — Auszahlung am 1. Oktober Der Haushaltsausschuß des Reichstags beriet cnn Donnerstag über die Vorschläge des Reichsfinanzminifters betreffend Vorschüsse auf die Besoldungsauf- Lesserung an die Beamten. Nach Ablehnung weiier- gehender Anträge der Linken wurde einstimmig folgender Vor schlag des Neichssinanzministeriums über di« Vorschußzahlungen angenommen: Mit Wirkung vom 1. Oktober sollen bis zur Verabschiedung des neuen Besoldungsgesetzes an monatlichen Vorschüssen er halten: Die Beamten der Besoldungsgruppen I bis V: Verheiratete 28 Mark, Ledige 20 Mark, Grupp« VI bis VIII: Verheiratete 30 Mark, Ledige 25 Mark, Gruppe IX bis X: Verheiratet« 50 Mark, Ledig« 10 Mark, Gruppe XI und höher: Verheiratete 70 Mark, Ledige 00 Mark, außerplanmäßige Beamte: 20 Mark, Wartegeld- und Nuhegehaltsempsänger sowie Empfänger von Hinterbliebrnenbezügen 10 Proz. für Wartege!.-er usw., aber unter Ausschluß der Frauen- und Kinderzuschlüge. Offiziere und Soldaten der Reichswehr sowie Polizeibeamte des Reichs- wasserschutzes in Besoldungsgruppen I bis II: Verheiratet« Ü Mark, Gruppe lll bis VllI: Verheiratet« 15 Mark. Grupp« IX: Verheiratet« 30 Mark, Truppe X (Hauptlente usw. mit m«hr als zwei Dienstjahren): Verheiratete: 60 Mark, Gruppe XI: Verheiratete 50 Mark, Ledig« 35 Mark, Gruppe Xll uiü> höher: Verheiratete 70 Mark, Ledige 60 Mark. Namens der Regierungsparteien hakt« Abg. von Kuö- rard (Ztr.) erklärt, daß sie mit den Vorschlägen des Reichs- finanzmiiiisters einverstanden seien. Es handle sich hier um Vorschüsse, die auf das künftig« Gehalt gegeben werden sollen, nicht um ein« Notstandsmaßnahme. Das Bestreben muff« dahin gehen, im Interesse der Beamten und der gesamten Volks wirtschaft di« endgültige Vorlage möglichstschnell zu verabschieden. Di« Beschleunigung sei notwendig, um Preis treibereien zu vermelden. Bei V^zinn der Beratungen lzatte der R e i ch s f i n a n z- minister Dr. Köhler nochmals den Standpunkt der Ne gierung in der Frage der Besoldurnp>reform umschrieben. Der seinerzeit bei der komödienhaften Schließung des Schlesischen Sejm. * Obgleich 51 Ettern in Koschentin, Kreis Lublinitz, ihre Kinder sür die deutsche Minderheitsschule augemcldet hatte», bleibt diese noch immer geschlossen. Der Schulstreik dauert nun schon fast einen Monat. Da die Eltern sich weigern, ihre Kinder nach der polnischen Schule zu schicken, gingen in den letzten Tagen mehrere Polizeibeamte von Haus zu Haus, um die Elter» von ihrer Weigerung abzubringen. Teilweise wurde so gar gedroht, die Kinder mit Ketten gefesselt unter Polizelbedeckung in die Schul« zu bringe». Zn vielen Fällen hat man die Eltern vor die Polizei geladen und stundenlang darüber vernommen, aus welchem Grunde sie ihre Kinder in die deutsche und nicht in die polnische Schule schicken wollen. Hierbei fielen Drohungen, daß man die Kinder in eine Zwangserziehungsanstalt bringen und die Eltern au» dem polnischen Staatsgebiet ausweisen werde. Vettere Todesurteile in Lttaue« Kowno, 22. September. Das Kriegsgericht In Tauroggen fällt« gegen weitere 22 am Tauroggener Putsch Beteiligt« das Urteil. Acht Angeklagte wurden zum Tode, neun zu lebenslänglicher Kerkcrstrafe, die übrigen zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt. Der Staats präsident hat die Todesstrafe bei sieben Angeklagten in lebens längliche Zuchthausstrafe umgewandelt: ein Todesurteil ist be reits vollstreckt worden. Die Kaager SchiedsspruchKlausel Unterzeichnung durch Strssemann- Berlin. 23. September. Reichsaußenminister Dr. Stre- semann will, wie verlautet. Im Laufe des heutigen Tages die formelle.Unterzeichnung -er fakultativen Schieds gerichtsklausel des Haager Schiedsgerichtes vorneti men. die er bekanntlich in seiner Rede vor der Vollversamm lung zu Beginn der Tagung angekündigt hat. Reichstag habe im Juli dieses Jahves 0-schlossen, daß, wenn di« Vorlage der Neuregelung der Beamtenbesoldung vor dem 1. Oktober d, I. nicht mehr verabschiede', werden könne, der Hauptausschus; über eine Ermächtigmrg zu Abschlagszahlun gen zum 1. Oktober d. I. Beschluß fassen werde. Inzwischen sei die Vorlage mit den Ländern verhandelt worden. Er hoffe, spätestens am Montag die Vorlage dein Neichsrat übermitteln zu können. Sie sei in grundsätzlichem Einvernehmen mit Preußen fertiggestellt worden. Die Grnndziige der Vorlage habe er bereits am 11. d. M. auf der Magdeburger Veamlen- tagung dargelegt. Die in der Oeffentlichkeii ausgestellte Be hauptung, er, der Minister, Hobe sich mit der Abschaffung der Kinderzulage beschäftigt, sei eine Umvahrheit. In der Oefsent lichkeit scheine die Tatsache aus dem Gedächtnis verschwunden zu sein, daß die Beamten drei Jahr« lang mit ihren Bezügen aus der Stelle treten mußten, während um sie herum Preis- und Lohnerhöhungen stattsandeu. Es sei ihm gelungen, sein Verspreckzen einzulösen, die Beamteubesoldungserhöhung ohne eine Erhöhung der Reichs steuern durchzu- führen. Bei der Ausgestaltung der Vorlage habe er nicht bloß aus die Neichssmanzen Rücksicht genommen, sondern vor allem mich aus die Länder und Gemeinden. Dem Verlangen nach einer Abänderung des Finanzausgleiches könne aber nicht entsprochen werden. Er hoffe, daß die Ueberweisungs- steuern höhere Betrüge ergeben würden, als man angenom men habe. Eine Erhöhung der Rea!sieu-ern ln Ländern und Gemeinden aus Anlaß der Uebernahme der Reichsbesoldungs- ordnung aus Länder und Gemeinden würde außerordentlich unerwünschte Auswirkungen ergeben. Es solle wirklich der erustimste Versuch gemacht werden, hier ohne Erhöhung durch- ?,»kommen. Der Minister erklärte zum Schluß, wenn der Ausschuß heute diesen Vorschlägen zustimme, könnte morgen bereits die Anweisung an die Behörden hinausgehen, so daß den Beam ten zum 1. Oktober die Vorschüsse ausgezahlt würden. Die srMZösisch-soiyjelruWche Schuldsuver- Kündigung Kowno, 22. September (T. U.). Wie aus Moskau gemeldet wird, behandelte der stellver tretend« Außenkommissar Litwinow das sranzösisch-sowjetrussische Schuldenproblem. Aus seinen Aeußernngen ist zu entnehmen, daß nach Ansicht der sowjetrussischen amtlülp.'» Stellen in der Schutdenfragc bereits eine Einigung erzielt worden ist. Lii« winow erklärt jedenfalls, daß die französische Presse mit Un recht das Vorhandensein einer solchen Einigung, wie er schon früher bekanntgegeben habe, abstreite. Er fei deshalb ermäch tigt, ausdrücklich festzustellen, daß eine Verständigung zwischen Frankreich und Sowjctrußiand erfolgt sei. Die Sowjeiregieruirg wäre bereit, bei einer beliebigen französischen Bank die erste Hälfte des Jahresschuldendienstes von 30 Millionen Gold franken in allernächster Zeit einzuzahlen. Uel>er die Schuldenfrag« hinaus sei im übrigen auch di« Anleihefrage ge- .cgelt. Die Verfolgung der EisenbahuatteuMr Belgrad, 22. September Nach Blättermeldungen hat die Polizei die ^Verfolgung der Urheber des Attentats in der Nähe der bulgarischen Grenze sofort ausgenommen. Sie stieß im Paß von Vaiandovo auf eine starke Komitatschi-Bande. Der Kampf zwischen der Polizei und der Bande währte die ganze Nacht. Bon Gewgheli und Strumiza sind Verstärkungen abgegangen. Eine Spur von Filchner Simla, 2l. September. Nach vertrauenswürdigen Meldungen trafen drei Euro päer in Nagtschuka, zehn Tagemärsche nördlich von Lhasa in Tibet ein. Es besteht guter Grund zur Annahme, daß es sich, wie bereits gestern die „Times" meldeten, um die von dem amerikanischen Missionar Ply ml re gcsührte Gesellschaft handelt, der auch der deutsche Gelehrte Dr. Filchner angehört, der sich auf der Reise nach dem britischen Gebiet über Ladakh (Kaschmir) befindet und angeblich von chinesischen Räubern er mordet worden sein sollte.