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Stummer iv« — 2v. Jahrgang «mal rvöch. Vszu,M»»<«, für Juli S.VV Mk.«tnschl- S.st.7 ^ '^° Stell keter dr«t. 1 ^l. Offertengebllhren für Selbstabholer « bet Uebersenbung durch die Post outzevdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 Gonntags-Nr.M ^fchMcher Teil: Artur Lenz in Dressen« SttcklMe Vtenstag, den 12. Jult 1927 gm Fall« höherer Gewalt erlischt seö« Verpflichtung auf Lieferung sonrie Erfüllung v. »nzelgenaufträacn u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern ruf übermttt. Anzeigen übernehmen wir keine Pc, antwortuna. Unverlangt eingesandte u. m. Rllckporl, nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrl Sprechstunde der Redaktion 2—S Uhr nachmittags Hauptschristletter: Dr. D. Desczqk. Dresden, voifsreüulw SKSLHkSLL Für christliche Politik und Kultur I70S. »aiikkont«: TeeSde« Kr. «Nt» , . Redaktto« d«r »Schftkche» B»Nsz«it«ng DreSden-Altsladt l, Poilerslratze N. Femruf R7ll und rlvIL. Nach -er Unwellerkalaslrophe Äks am Sonnabend die ersten spärlichen Meldungen M dem Unwetter int Osterzgebtrae etnltefen, konnte man sich noch Kein Bild von dem Umfang der Katastrophe machen, die in der Nacht von Freitag zum Sonnabend über das Mllalttz» und Äottleubatal herein« gebrochen war. Und doch hatte sich in Minuten fast eine Wassersnot ereignet, wie st» in der Chronik des Unheils nur sehr selten verzeichnet stehen dürste. Heute erst läßt ich die Tragik der Unglücksnacht einigermaßen über- chauen. Nicht nur, daß die Idylle und Reize zweier be« rannter Gebirgstäler vernichtet worden sind. Trauriger st es, daß gegen 150 Menschenleben den tobenden Ele menten zum Opfer fallen mutzten. - Man fragt sich vielleicht: Wie ist trotz der Nacht, trotz oer Zerstörung der Nachrichtenmittel und der besonderen örtlichen Verhältnisse in unserer Zeit eine Wasserkata strophe von diesen Ausmaßen überhaupt noch möglich? Man erinnert angesichts der geschehenen Katastrophe an die Mittel der modernen Technik, an einen besseren Schutz unserer Gebirgstäler durch Talsperren, an einen besseren Ausbau der Nachrichtenmittel. Man macht Vor würfe, daß hier bisher vielleicht nicht genügend getan worden ist. Gewiß! Es muß alles getan werden, um un sere fortgeschritten« Technik in erster Linie mit in den Schutz -es Menschen zu stellen, um unser Dasein von den Wechselfüllen des Lebens so unabhängig wie möglich zu machen. Wir wollen die letzten sein, die hier rückständige Ideen verfechten, oder gar einem unfruchtbaren Fatalis mus predigen. Aber Katastrophen, wie die jetzige, soll ten doch auch ihre Erinnerungen uns Mahnungen über das Technisch-Materielle hinaus erstrecken in das Reich des Seelischen der größeren Weltzusammen hänge. Katastrophen von solcher Größe sollten uns auch Im rechten Sinne die große alte Wahrheit erneut bestä tigen, daß das Streben des Menschen nach der Herrschaft über die Natur doch seine Grenzen hat: daß es über dem menschlichen Streben doch noch Kräfte der Natur und der Uebernatur gibt, vor denen er sich in Demut beugen muß. Wie der Dreizehnltnden-Dichter so eindringlich predigt: „Denn die Kreatur ist Gottes Und du kannst ihm nicht entflieh'». Einmal, früher oder später Liegst du doch vor seinen Knien." So nahe dieser grundlegende Gedanke auch liegen mag, wo ist heute die Welt, die noch ernstlich bis zu dieser Weltoetracktung vorstößt? Es ist ja leider so, daß die Welt von heute nicht einmal mehr für Stunden stille zu stehen vermag, um der Größe ein er solchen Ka tastrophe zu gedenken. Mechanisch rollt die Grammo- ohonplatte „Leben" heute ab. Es ist leider so. daß selbst der Trubel der Vogelwiese weitertollte, daß droben ain Karussel der Bajazzo mit seinem gemachten Lachen weiter seine Beine nach der scharfkantigen Musik des elektri schen Instruments im Tonrhythmus schwang, während inten die Elbe die geraubte Habe und vielleicht sogar manchen erstarrten Leichnam aus dem Unglllcksgebiete zu Tale in gleichgültiger Weise führte. Die entseelte Weltmechanik kann kaum noch stille stehen, wenn ihr Räderwerk nicht Schaden leiden soll. Und doch hätte es woblgetan, wenn diese Katastrophe in unmittelbarer Nähe der Landeshauptstadt auch in der Öffentlichkeit tine gewisse Teilnahme ausgelöst hätte. Für die neue sächsische Regierung war die Katastrophe ein trauriger Anlaß zu der ersten öffent- ,ichen Regierungstätigkeit. Schnell mußte geholfen wer den. Es ist anzuerkennen, daß mehrere Mitglieder des Kabinetts sofort am Sonnabend in das hart betroffene Gebiet eilten und die ersten Maßnahmen zur Hilfe unv zur Linderung der Not in die Wege leiteten. Heute ist ein Aufrufder Regierung zu allgemeiner Hilfe- seistung für die Unglücksgebiete gefolgt. Möge sich in der praktischen Nächstenliebe nun wenigstens die öffentliche Teilnahme kundtun, die man sonst etwas schmerzlich ver mißt hat. Dankbar wird man es begrüßen, daß auch der Reichstag sofort auf die ersten Nachrichten hin die Hilfe des Reichstages in Aussicht gestellt hat. Beschämend war nur das Verhalten trotzdem der kommunistischen Frak tion. die selbst diese traurige Angelegenheit zu partei politischer Agitation zu mißbrauchen suchte. Wenn man daher aus dem Ungliicksgebiet meldet, daß sich der „Stahlhelm" einträchtig mit „Rot Front" an der Hilfe- akttan beteiligte, so wird man daraus kaum be Maine An alle Bewohner Sachsens! In der Nacht zum 9. Juli d. I. ist das Go t t l e u b a - und Müglitztal im östlichen Erzgebirge von einer Unwetter-Katastrophe heimgesucht worden, die in ihrer Furchtbarkeit und Schwere ln unseren Breiten ohne Beispiel dasteht. Ganze Städte und Dörfer wur den in wenigen Stunden zerstört; was Menschenfleitz in mühseliger Arbeit in langen Jahren aufbaute, in Trüm mer gerissen. Weit schmerzlicher als die Bernlchtung noch ungemessener materieller Werte ist die Tatsache, daß die Katastrophe, soweit sich bis jetzt er kennen läßt, an die 15 0 Tote gefordert hat. Eltern be weinen den Tod ihrer Kinder, unmündige Kinder sind zu Waisen geworden. Ganze Haushaltungen sind den rei ßenden Fluten zum Opfer gefallen. Hunderte unserer Volksgenossen stehen verzweifelt vor dem Nichts. Die Regierung des Freistaates Sachsen hat als erste Hilfe Mittel bereitgestellt, um der dringendsten Not zu steuern. Der Reichstag hat sofort seine Bereitwilligkeit kn größerem Umfang zur Hilfe erklärt. Weiteres wird noch von Sadt und Gemeinde geschehen. Aber das Un glück ist so gewaltig in seinen noch gar nicht abzusehenden Folgen, daß die Einleitung einer großen privaten Hilfsaktion tm ganzen Freistaat Sachsen als not- wendig bezeichnet werden kann. Darum ergeht an die gesamte Bewohnerschaft Sach sens die dringende Bitte um freiwillige Gaben. Alle sächsischen Banken, Spar- und Girokassen der Gemeinden, sowie alle Zeitungsgeschästsstellen im Lande werden um Einrichtung von Sammelstellen gebeten. Im Arbeits und Wohlfahrtsministerium ist eine Hllfsstellenzentrale errichtet worden. An diese sind alle eingegangenen Be träge baldigst abzuführen. Die Staatsregierung ist der Ueberzeugung, daß es weiter keines Wortes bedarf, um alle Volksgenossen, die von der entsetzlichen Katastrophe verschont geblieben sind, wie ein Mann zusammenstehen zu lassen, um den von dem Unglück Betroffenen helfend die Hände zu reichen. Es gilt jetzt die Tat. Gebe ein jeder, soviel er kann. Eine schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe. Auch die kleinste Spende des Unbemittelten hilft die kckwer« Not lindern. Die Regierung des Freistaates Sachsen Das Sächsische Gesamtministerium. Heldt, Ministerpräsident. Furchtbare Verwüstungen Etwa 150 Todesopser Die Unwetterkatastrophe im Müglitz- und Gottleuba- tal stellt sich ln ihren Auswirkungen und Schäden von Stunde zu Stunde furchtbarer dar. Die Zahl der Todesopser dürfte nach den »cursten Meldungen gegen 150 betragen. In Gottleuba wurden mehrere Abteilungen Reichswehr eingesetzt. Diese sind damit beschäftigt, gefährdete Gebäude, die den, Einsturz nahe sind, zu stürzen. Andere Gebäude, die z» stark beschä digt find, werden von ihr abgebrochen. Rillst nnr ans de» aufge- brochrnen Straßen ist jeder Verkehr unmöglich; auch sämtliche Eisen- bahnbrücken sind wrggertssen, sodaß der Bahnbtrieb vollständig ruht. Die Wasserfluten kamen so rasch, daß Automobile, dir durch das Tal fuhren, dem Unl^il nicht mehr entgehen konnten. Die jJn- sassrn mutzte» schleimigst auf die anliegende» Höhen flüchten und ihre Wagen auf den überfluteten Straßen stehen laste,,. AlS gegen 11 Uhr abendS der Alarmruf erscholl, konnte nie mand die Größe der Gefahr ahnen. Das Master stieg in drei bis vier Sekunden anf 2 biS 3 Metc, Höhe. An eine Rettung der Habe konnte nicht gedacht werden. Herzzerreißende Szenen spielten sich ab. Die geängstigten Menschen kletterten a»f die Häuser, auf Bäume oder wo sie sonst Halt finden konnten, ver sanken, stürzten mit ein, versuchten aufs neue sich zu retten und viele wurden schließlich fortgerissen. Der Morgen beschien in dem sonst so friedlichen Tale ein Bild, wie es so fürchterlich „nd ernst keine ZeituiigSmelduiig anSzumalen vermag. Zwischen den Trümmern der Häuser lagen tote Menschen und daS tote Bieh neben den zer störten Möbeln und dem Inventar. Die Gärten waren ebenso zer stört wie der Eisrnbahnstrang und die Talstraßr. Das Wasser, da» ungeheure Menge,, von Holz, Strinblöcke, Möbel „nd Inventar Mit sich führte, hatte eine vernichtende Wucht. In Gottleuba haben sich die Fluten in voller Talesbreite durch daS Städtchen ergossen. Btelfach sind die Holznmsien, die da» Master mit sich sührte, zu festen Barrikaden gestaut worden. Rückschlüsse auf eine sonstige Befriedigung der iuuerpoli- tischen Verhältnisse ziehen dürfen. Was man saust bet Unglücksfällen mit großer Pünkt lichkeit zu tun pflegt, einen Untersuchungsausschuß ein- zusetzen, erübrigt sich im vorliegenden Falle. Er könnte aber nichts schaden, wenn diese schreckliche Katastrophe unsere Zeit zu einer internen seelischen Untersuchung veranlassen würde, wie weit sie die richtige Einstellung zu Natur und Technik, zu Vergänglichkeit und Ewigkeit hat. Es gibt nichts völlig sinnloses auf Gottes weiter Erde und auch Naturkatastrophen sollte der Kulturmensch des Al. Jahrhunderts nickt mit einkactlem Kopfsütteln vorüber aeken lallen. M. ir. Vor dem Bah »Hofe in Glashütte stand Freitag abend der letzte Zug nach Geist ng-Altenberg. Ta man von der Hochwassergefahr Kenntnis bekommen hatte, ließ man den Zug in Glashütte halten. Die Passagiere stiegen aus und suchte» i» den umliegende» Wirutsckmste» Unterkunft. Wäre dies nicht ge schchen, so wären Hunderte dem Master zu», Opfer gefallen. DaS Bild ist trostlos. Die Telephon- und Tclcgraphcnstangc», Bäume. Bahnwärterhäuser sind wie Strohhalme „mgeknickt. Die Eisen bahnwagen sind » n, g c,» o r sc n , teilwcse 50, 100 bis 300 Metet wett abgetrieben. Fußhoher Schlamm liegt in einer Breite von etwa 3V bis 40 Meter seitwärts der Muglitz ans den Straßen, Gärteir, und Häusern. Die .Kurfürst Moritz Brücke, eine seit 100 Jahren stehende Brücke, ist ringcstürzt. Weiter unter l>alb des Bahnhofes hat sich die Muglitz ein neues Bett gegraben. Kinder werden i» ihren Wage» von Männer» durch das Waffe, getragen, Frauen werde» hcrübergeschasft, teilweise auf Bahre» In Rottwerndorf, Borort von Pirna, sind bis jetzt 15 Tote angc schwemmt worden. Neundors liegt in einem große» Ser. Wagen mit tote» Schweinen, Hühnern und Pferden stehen da und können nicht weiter Das rrschütternste Bild bietet der Bahnhof Neundors. Hier da! man auf kleinen Wägelchen, mit grüne» Zweigen anögelegt, die Toten hcrgcfahrcn. Ans Tischen und in de», mit Lrvh ansgelegten Warteraum lagen sic. Viele Frauen, Männer „nd ein Kind. 14 Tote sind hierher gebracht worden. Baumstämme verhindern jede» Verkehr im Dorlc. Verstört fitze» Kinder auf den Stufe» der Häu ser, von denen das Master langsam znrücksließt. Ucbera» Familie» die Verluste zu beklage» habe». In Heidenau habe» die Ueberschwemmungen beträchtlichen Materialschaden ungerichtet. Mebrere Fabriken standen »och Sonn abend morgen vollständig unter Wasser. Die Brücke an de, Mün dung der Müglitz ist eingeftürzt. Die Sturzwelle in Weesenstein Das sviist so idyllische Müglitztal say in di.'ser Schreck.'nSnacht furchtbare Bilder. Die Bewohner des Müg litztals« sind an ein rasches Steigen ihres Flüßchen gewöhnt und wissen, daß >:s in verhältnismäßig kurzer Zeit viel Wasser zur Elve leiten kann. Aus diesem Grunde trat keine besondere Befürchtung und Aengstlichkeit ein. Wie üblich wurde der Wasserstau!) am Brückenpegel abgelesen: gegen Vet Uhr nachts waren de: ttsermauern noch n> cht überipult. Gegen 1 Uhr nachts aber setzte ein Donnern, Toben und Krachen '.'in. Eine rasende Flut ergoß sich höher und höher. Bo» Sekunde zu Sekunde wurde die Situativ» ernster, aper noch niemand ahnte, daß eine Katastrophe her- einbvechen sollte, die das, was die Taldewohner vor fast genau 90 Jahven erlebt hatten, wert in d-en Dchattien stellt«. Die deleschvnische Verbindung mit Dresden und Pnrna war >«nmüaltch. Tekphonnrasten laaen umaestttrzt da und batte»