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Nummer 106 - 26. Jahrgang linal wöch. vezu-sprei, für Mai 3.0« Mk. einsch'l. Bestellgeld. «nAgenpr.il«: Die Igesp. Petitzeile «0-Z^ Stellengesueke A L. Die Petitreklamezeile. 8S Milli, meter drett. t Osfertengebühren für Selbstabholer 2« bei Uebersendung durch die Post auherdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 Sonntags-Nr. IS L, Seschäftiichrr Teil: Artur Lenz in Dresden. Sonntag, den 8. Mai 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt sebe Berpflichtuni auf Lieferung sowie Erfüllung o Anzeigenaufträgen u. Leistung v Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern ruf Ubermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbenmhrt, Sprechstunde oer Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptjchristk-iter: Dr. G. Desczyk. Dresden «eschaft»ft»ll«. De»« n»d «„lag: «ermania, «Nl-ilosesellschast für «erlag unt> Druckerei, Filiale Dresden, Dresden-«. >. Polierstrabe 17. Femrut 21012. Für christliche Politik und Kultur Dresden Redaktion der Litchftsche» BolkS,«lt«na -Altstadt 1, Polierstrahe 17. Fernruf 2071t und rioir. k. » rv. I nlkli UUai»ankuu»Lle»lla 10, ,ermüd« litte« lüti) Äie „Sächsische Volkszeitung" geht mit dem heutigen Tage in den Verlag der Germania Aktien-Gesellschaft für Verlag und Druckerei, Berlin, über. Die Fort führung der politischen und kulturellen Richtung der Zei- tung ist damit gewährleistet. Der selbständige Charakter der Zeitung, wie er den Interessen unserer sächsischen Leserschaft entspricht, bleibt in vollem Umfange gewahrt. Der neue Verlag bietet die Sicherheit, daß die Zeitung den Wünschen der Leserschaft entsprechend in gesunder Weise weiter ausgebaut wird. Verlag und Schriftleitung werden in den nächsten Tagen ihre Ziele und Aufgaben an dieser Stelle noch ein gehender darlegen. Die Schriftleitung. Der -emonslrieren-e Landlag Der Sächsische Landtag findet in letzter Jett Geschmack an Szenen, die nicht geeignet sind, sein Ansehen zu he ben. Daß er dabei der Initiative der Kommunisten nach gibt, macht die Sache nicht besser. Als kürzlich der Alt sozialist Dethke im Plenum sich den tätlichen Angriffen einiger mutiger Männer ausgesetzt sah, protestierten die Parteien der Mitte und Rechten. Niemand aber pro testierte, als am Donnerstag eine Anzahl nicht weniger mutiger Männer auf einen Wehrlosen einschlugen: auf den Katholizismus. G eg e n d as K o n ko r d a t hat der Sächsische Land tag in feierlicher Geschlossenheit protestiert. Es wäre leicht, nachdenkliche Betrachtungen über diese weitgehen de Einmütigkeit in dieser Frage anzustellen im Vergleich zu der heillosen Uneinigkeit, die in anderen, für das Wohl des Landes Sachsen vielleicht wichtigeren Fragen besteht. Ter Anblick der Deutschen Volkspartei in einer Front mit den Kommunisten reizt vielleicht den einen oder an deren zum Lachen. Uns aber ist die Frage des Konkor dates zu ernst zu einer solchen Betrachtungsweise, und wir möchten daher dem Vorgehen der Landtagsparteien mit einigen ernsten Erwägungen begegnen. War diese Demonstration des Landtages nötig? Das Laich Sachsen wird nie daran denken, mit dem Vatikan ein Landeskonkordat zu schließen. Ueber ein Reichskon kordat ist noch überhaupt nicht verhandelt morden. Es jvar also eine Demonstration gegen eine künftige Mög lichkeit. Da ein Konkordat kulturpolitische Aus wirkungen hat und Kulturpolitik in erster Linie Sa che der Länder ist, kann man dem Landtag sehr wohl das Recht zubilligen, seine Stellung zu einem etwaigen Reichskonkordat voraussckiauend zu erwägen. Der Land tag mutzte aber dabei bedenken, datz der Abschluß eines Reiä)skonkordates ein Akt der,A u tze n p o l i t i k ist, der nur iin Rahmen der gesamten Außenpolitik beurteilt iverden darf. Diese durch die Außenpolitik gegebenen Grenzen der Kritik hat der Landtag auf das gröblichste verletzt. . Der Vatikan ist eine international anerkannte Macht, auch eine von Deutschland anerkannte Macht. Deutsch land steht mit dieser Macht in diplomatisä-em Verkehr. Die guten Dienste der vatikanischen Diplomatie hat das Reich in schweren Zeiten, zumal vor und nach Beendi gung des Krieges, mehr als einmal in Anspruch nehmen Missen. Wenn man sich nicht in Widerspruch mit der Reichspol'ttik setzen will, darf man eine solche Macht nicht ms vertragsunfähiq bezeichnen. Das tut mau aber, wenn man ein Konkordat von vornherein als unmög- l i ch bezeichnet. Auf Grund der tatsächlichen Anerken nung des Heiligen Stuhles durch das Reich muß verlangt werden, dah ein Vertrag init dem Vatikan nicht anders beurteilt wird als ein Vertrag mit einer anderen von Deutschland anerkannten internationalen Macht. -^. Daraus geht sclion hervor, daß es ein Widerspruch in sich selbst ist. wenn inan ein Reichskonkordat ablehnt mit «der Begründung, es beschränke die Staatssouverä - nität. Jeder außenpolitische Vertrag beschränkt die Freiheit der Vertragschließenden. Das ist ja der Sinn eines Vertrages, daß die Bel-andlung bestimmier Fragen künftig nicht mehr nach freiem Ermessen, sondern in der oereinbarten FLrm_rck«lgt. Diese Binsenwahrheit wirk Das Kernproblem -er Welkwirlschaflskonferenz — Eine geistvolle Darstellung -es Engländers W. T. Laylvn in Genf — Europa zwischen Amerika und Ruhland tung durch den Weltkrieg zurückgehe, sondern dah es sich hierbei um Tendenzen handele, die vor 26 bis 30 Jahren bereits ent«j standen seien, die aber durch den Weltkrieg eine anherordent» liche Beschleunigung erfahren hätten. Die zweite Ursache der Umgestaltung der Wirtschaftslage Europas gegenüber der Vorkriegswirtsck-ast sieht Layton in de« Tatsache, daß die Vereinigten Staaten nunmehr an die erste Stelle als Exporteur von Kapitalien getreten seien. In« der Vorkriegszeit sei England der erste Geldgeber der Welt ge wesen, jedoch unter wesentlich anderen Bedingungen, als dies jetzt bei Amerika der Fall sei. Amerika bringe seine Kapitalien in anderen Ländern unter, ohne jedoch, wie dies England in der Vorkriegsmirtschast getan habe, siir diese Kapitalien die Pro dukte der betressendcn Länder auszukausen. Die europäischen Regierungen mühten sich für die nächsten zehn Jahre i» ihre« Politik von dem Gesichtspunkt leiten lassen, dah Amerika auch weiterhin bereit sein werde, seine Kapitalien in Europa unier- zubringen, ohne jedoch in Europa zu Kausen. Es werde sich her ein neues Gleichgewicht der Kräfte ergeben, da Amerika die notwendigen Rohstoffe in de» iropts sehen Ländern aufkausen werde, so dah sich ein dreieckiges Kräfteverhältnis zwischen Amerika, Europa und den iropisäftil Ländern ergeben werde. Die dritte Ursache sür die völlige Umgestaltung der emo- »mischen wirtsckiaftlichen Verhältnisse sieht Layion in der Verschiebung der europäischen Bevölkerung. Während in der Vorkriegszeit die Auswanderung aus Europa 1.3 Millionen benagen habe, zeige die Statistik oon 1024 eine AuslvandouuHszahl von »ur 600 000. Ferner sei seit dem Kriege ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Lebens niveau in Europa und in den Ländern jenseits des Ozeans ent standen. — Ein wesentlicher Faktor, der ferner aus der Diag nose der Wirtschaftslage Europas berücksichtigt werden müsse, seien die Aeuderuug in den Handelsbeziehungen der euro päischen Länder durch die eiugegangeuen internationalen Schulden, sowie die R cgeluug der Reparat! ans « frage infolge des Wellkrioges. Die Schuldnerstoaien seien! durch die ihnen auserlegleu Reparations-Verpflichtungen ge-- zwuugeu, ihre Exporte mit allen Mitteln zu erhöhen, um ihrenj Verpflichtungen nachzukommeu. , ' s,Fortsetzung Seite 2.) Gens. 7. Mai. Die Generaldebatte über die Weltwirtseliaftskrise ent faltete sich gestern — heute soll sie abgeschlossen werden — in ihrer ganzen Breite. Da kamen Portugal und Brasilien zu Worte, da sprachen die Vertreter Italiens, Ronvegens und Schwedens über wirtschaftliche Einzelfragen, die diese Länder besonders interessieren. Größere Aufmerksamkeit fand er schon, als der Führer der amerikanischen Delegation, Robinson, das Wort ergriff. Ader seine Rede beschränkte sich auf eine Verbeugung gegenüber der Idee der Weltwirtsä>aftskonserenz und auf einige Vorschläge, die er dem notleidenden Europa auf Grund der amerikanischen Verhältnisse machte. Man horchte auch auf, als der chinesische Delegierte Tschuau Tschao über die ungerechten Verträge Klagte, die sein Land bedrückten. Das Hauptereignis des Tages aber war es, als der Herausgeber der bekannten englischen Zeitschrift „Economist", Walter Th. Lap- ton, der ein außerordentlich gründliches Referat über die Wirtscliastslage Europas hielt. Die Ausführungen Laytons bilden die beste Gesamt darstellung der Probleme der Weltmeisterschafts- Konferenz, die bisher im Rahmen der allgemeinen Aussprache gegeben worden ist. Layton hat das Verdienst, ganz klar dis Kernfrage der gesamten Diskussion herausgearbeitet zu haben: die Wirtschaftskrise Europas. Lauton skiz zierte in großen Zügen die grundlegende Umgestaltung, die die wirtschaftliche Struktur Europas gegenwärtig aufweise. Die grohen wirtschastlick-en Konferenzen von Brüssel im Jahre 1020 und von Genua im Jahre 1922 seien von dem Gedanken aus gegangen. eine Wiederherstellung der euroM scheu Vorkriegs wirtschaft herbeizuführen. Laylon betonte jedoch naclidrück- lichst, daß die Parole der Rückkehr zur Borkriegsivirtscl»aft grund sätzlich falsch - sei, da sie von einer falschen Auffassung der gegenwärtigen welt wirtschaftlichen Probleme ausginge. Eine Rückkehr zu der Lage der Vorkriegszeit sei aus drei Ursacheu uumögltch: Die In dustrialisierung der meisten Lander habe außerordentlich zugenommen, die Entwicklung der modernen Tech nik und des Verkehrs sowie der gegenseitige Austausch von Kapitalien und anderen wirtschaftlichen Faktoren zwischen den Ländern hätten die privilegierte Stellung Europas völlig geändert. Layton betonte, daß die moderne wirtschaftliche Entwicklung keinesfalls, wie vielfach angenommen werde, auf die Umgestal- ki von den meisten Gegnern des Konkordates geflissentlich) nicht beachtet Was für einen Schiedsvertrag mit Frank reich oder einen Freundschaftsvertrag mit Oesterreich selbstverständlich erscheint, ivird ein unerhörtes Ereignis, wenn es sich um den Vatikan handelt. Eine sachliche Kritik an einem Konkordat wie an jedem anderen Staatsyertrage ist nur so möglich, daß mau untersuchst, ob Gewinn und Zugeständnis sich die Wage halten. Wie jeden anderen Vertrag kann man ein Kon kordat ablehnen mit der Begründung, daß es dem einen Vertragschließendeit nur Vorteile, dem andern nur Nach teile bringt. Eine solche sachliche Kritik ist im Falle eines Reichskonkordates überhaupt noch nicht möglich, da ja noch keinerlei Verhandlungen in dieser Richtung statt gefunden haben, geschweige denn irgend etwas über den Inhalt eines solchen Vertrages bisher feststeht. Die Bei spiele des Landeskonkordates in Bayern und des Kon- kordatsentwurses in Preußen beweisen jedenfalls, daß der Abschluß eines Konkordates auch im Interesse des Staates liegt. Es ist bezeichnend, daß in Preußen die Sozialdemokratie sür ein Konkordat eintritt — das hat der sozialdemokratische Abgeordnete des Preu ßischen Landtages Heilmann noch vor wenigen Tagen sehr klar in einem Artikel zum Ausdruck gebracht, der auch durch die sozialistische Presse in Sachsen ging — gerade weil es durch Schaffung klarer Rechtsverhältnisse Vor teile für den Staat bringt. Und der erste Vorsitzende der Deutschen Bolkspartei, der Außenminister Dr. Stresemann, hat im Reichstag ausdrücklich ein Reichs konkordat als erwünscht bezeichnet: In Sachsen aber protestiert Sozialdemokratie wie Deutsclje Volkspartei gegen das Konkordat. Man kann also beim besten Willen den Vorstoß des Sächsischen Landtages gegen das befürchtete Reichskon- hortzat,MH^ alL lackiich. empfinden. Umso stärker emp findet man etwas anderes, und das ist der u ne r h ö r tel Ton. in dem diese Kritik vargetragen worden ist. Da wiederholte etwa der sozialdemokratische Redner die un«! erhörtesten Vorwürfe, die der mexikanische Präsident! Calles gegen die Kirche gerichtet hat, nannte die Kirche eine Dienerin des Kapitalismus, die durch Terror dis Mensä-en selig machen wolle, eine politische Machtiusti» tutioii zur Unterdrückung der Geistesfreiheit und ähnliche schöne Dinge. U u t e r d e u 9 6 A b g e o r d n e t e n d e s Sächsischen Landtages aber war kein ein ziger— und selbst ein ehrlicher Gegner des Konkordats hätte das tun können — der gegen eine solchS Beschimpfung der k a t h o l ischenKirche.mil d e r e n O b e rh a u p t d a s D e u t s ch e R e i ch in di>- plo malischen Beziehungen steht, prote-j st i e r t hätte! Wir fragen: Haben die Männer, dis das sächsische Volk zu seinen Vertretern erwählt hat. nicht! empfunden, wie sehr ein solcher Vorgang das Ansehen des Landesparlamentes sästidigt? Hat man sich nicht minde stens in den Reihen der bürgerlichen Parteien gesagt^ daß es unwürdig im höchsten Krade ist, auf die Initiative! der Kommunisten hin den Sächsischen Landtag zu einem- Forum für die Angriffe der „proletarischen Freidenker'^ zu maclzen? Hütte ein Katholik im Landtag gesessen, er hätte an gesichts dieser unwürdige» Szene protestieren müssen, Sachsens Bevölkerung ist mindestens zu fünf Prozent ka tholisch — wo aber sind die vier katholischen Abgeord neten, die der Landtag dementsprechend haben müßte?! Dieser Landtag hat überhaupt ke > n e n Ii a - tholischen Abgeordneten. Obwohl Parteien, die in diesem Landtag vertreten sind, in anderen deut, scheu Ländern sehr wohl katholische Kandidaten auszm stellen wissen — wenn nämlich die Z e n t r u in s p a r t e > in diesen Ländern eine gewichtige Nolle spielt. Weil in Sachsen die Zentrumsanyängerschaft kaum für ein Man.