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WWiilivlis» oen e. Mat 1«N Rr. 106.- Seite S. Ser M Ai in der WWe der NMell Bon Giovanni Papini. So ist die tolle Welkt Sie läßt Vom leersten Schwätzer sich den Glauben. Ihr bestes, schönstes Kleinod rauben: Den Aberglauben hält sie fest. F. W. Weber. Streiflichter Man braucht kein Anhänger des ehemaligen Hohen« zollernregimes zu sein, — so schreibt die Wiener katho lische Wochenschrift „Schönere Zukunft" — man kann die Entwicklung der monarchistischen Idee, wie sie im Zei chen der Verbindung mit dem Protestantismus sich aus wirkte. völlig ablehnen und wird doch noch lange kein Anhänger der heutigen überspannten Demokratie sein, die, weil ihr entsprechend wirksame Autoritäts- und Tra ditionswerte fehlen, erfahrungsgemäh immer mehr zur Fassade für die Plutokratie (Herrschaft des Geldes) wird. So scheint uns auch die deutsche Demokratie schon auf dem besten Wege zur Plutokratie zu sein. Wenn man bedenkt, wie Berlin im Zeichen des Zentralismus, des Unitarismus immer mehr Bedeutung und Macht in Deutschland gewinnt — wirtschaftlich und auf dem Um weg über die Wirtschaft politisch —. so kann man nur mit innerem Schrecken Streiflichter lesen, wie sie die libe rale Schriftstellerin Doris Wittner im liberalen „Neuen Wiener Journal" vom 17. April 1927 gibt, wo sie unter dem Titel „Die Stadt der neuen Millionäre" wie folgt über die Höchstkonsunktur des Berliner Gesellschafts- lebens schreibt: „Die gesellschaftlichen Veranstaltungen Berlins blühen, wachsen und gedeihen, obgleich die Sai son eigentlich schon zu Ende geht. Die größte Eleganz, wie sie in Berlin bislang nur selten erreicht wurde, hat ihre würdige Vertretung gefunden in den Veranstaltun gen des „Rot-Weiß-Klubs", wo man die schönsten Frauen Berlins und die smartesten Männer in drangvoll fürchter licher Enge nach den Turnierspielen bei Sekt, kalter Ente, Bowle und anderen kapitalistischen Getränken versam melt sieht. Diese Paradoxie, die sich im gesellschaftlichen Leben der Metropole offenbart, wiederholt sich im Han delsteil der großen Berliner Zeitungen. Auf der einen Seite Fallissements --- Zusammenbrüche altehrwürdiger Firmen, die man für unfehlbar und unerschütterlich ge- halten; aus der anderen Seite die Aufzählung von Auf sichtsratsstellen, die Einkünfte von vielen Hundertausen- den bedeuten und deren Rekord der etwa 48jährige Herr Jakob Goldschmidt, jüngster Ehrendoktor der Universi tät Heidelberg, Geschäftsinhaber der Darmstädter und Nationalbank, mit fünfundneunzig Aussichtsvatsstellen schlägt, was einem Mindesteinkommen von 800 000 Mark (neben seinem Einkommen als Volldirektor der Darm städter Bank) gleichkommt. Die nächsthöchsten Ziffern werden repräsentiert durch die Direktoren der Deutschen Bank Millington-Herrmann und Schlitter mit zirka fünfundsiebzig gleichen Posten, Louis Hagen und Herr v. Oppenheim in Köln mit Ziffern von etwa fünfundsech zig Auffichtsratsstellen bis „herunter" zu den neunund- fünfzig gleichen Positionen des Geheimrates Maximilian Kempner, Ziffern unter fünfzig werden nicht erwähnt, weil sie eine bedauerliche und „blamable" quantite ne- gligeable darstellen. Will es unter diesen Umständen etwas bedeuten» daß trotz der immer noch allgemein betonten wirtschaft lichen Krisenstimmung Berlins als Haupterelgnisse der Reichshauptstadt unter anderem die Ausgestaltung eines feudalen Sportklubs — auf dem Terrain Mischen Wann see und Potsdam — unter dem Vorsitz des Direktors Herbert Guttmann von der Dresdner Bank, die Errich tung mehrerer Luxustheater und eines Elitekinos für zweitausend Personen auf dem Terrain der Mosseschen Erben am Lehniner Platz, also Berlin WW, wo es am wildwestlichsten ist, die Uebernahme des bisher zum Ufa- Konzern gehörigen Gloriapalastes durch eine Fusion der Deutschen Bank und des Monstrerestaurants Kempipski, sowie das Projekt eines Mammon-Mammuthotels von noch nie dagewesenen Kultureigenschaften auf dem Grund und Boden des Michael-Konzerns am Kurfllvstendamm gelten? Man könnte vielleicht annehmen, daß deutsche Bürger heutzutage andere Sorgen hätten, wie beispiels weise die Gründung besagten Sportklubs, aber es läßt sich wiederuin nicht leugnen, daß Herr Herbert Guttmann bestimmt noch keine anderen Sorgen hat. Auf dem von ihm erkorenen weitläufigen Terrain wurden schon zwei Sommer hindurch lauter einzelne, sehr komfortabel ein gerichtete Bungalows errichtet: der Mitgliedsbeitrag des Klubs beträgt „nur" 3000 Mark jährlich. Die öffentliche Geselligkeit hat in der eben verklin genden Jahreszeit jeden Rekord von Phantastisch an mutenden Ziffern geschlagen. Berlins größte Ballsäle waren schon im September Vis zum letzten Apriltag ver mietet. Die Zahl der öffentlichen Bälle dieser einen Sai son übertraf zehn Vorkriegswinter zusammengenommen. Die Eintrittspreise verstiegen sich zu entsprechenden Gip feln. Und zwar waren es ntcht nur die Festlichkeiten der sogenannten kapitalistischen Kreise, deren Forderungen so hoch über Pari standen, sondern auch die offiziellen Ver gnügungen der bekanntermaßen „notleidenden" geistigen Arbeiter und künstlerischen Vertreter Deutschlands tra ten in den edlckr Wettbewerb mit den Konkurrenten der „Haute Bangue" und „Haute Finanee" ... Es darf Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte eines Lehrganges: die Geschichte eines Krieges zwischen den wenigen Gescheiten und den vielen Dummen. Sie ist die Geschichte einer Erziehung: immer wieder fehlgeschla gen und immer wieder begonnen; einer schwierigen, un dankbaren Erziehung: von der einen Seite ließ man sie immer nur ungern über sich ergehen, wies sie auch über haupt zurück; von der andern Seite verzweifelte man von Zeit zu Zeit, alle Augenblicke aber griff man sie neu an. Die ersten Propheten und die ältesten Gesetzgeber, die Hirten der kaum geborenen, im Kindesalter stehenden Völker, die königlichen Stadtgründer und Rechtsstifter, die Weisen und Heiligen, sie begaben sich früh an die Zähmung des Tieres: die legten dem freischweifenden Wolfmenschen Zügel an. führten ihn ins Haus, richteten ihn aus dem gröbsten zu, nahmen das bärtige Kind in eine Schule, sänftigten sein jähes Blut, brachen seine Nei gung zu Gewalttat, Rachsucht und Grausamkeit. Das milde Wort und die schreckende Strafe waren die Mittel; sie waren Orpheus oder Drakon, versprechend oder dro hend: im Namen Gottes droben oder der Götter unter der Erde beschnitten sie die immer wieder nachwachsen, den Krallen, legten den scharfzähnigen Mäulern Maul korb u. Kinnkette an. schützten die Schutzlosen, die Opfer, die Versprengten, die Frauen. Die alten Gesetze, die sich mit geringen Verschieden heiten in den heiligen Büchern der Inder wie der Juden, der Chinesen wie der Perser finden, in den Satzungen des Solon wie in denen des Numa, in den Sprüchen des Hesioü wie in denen der Sieben Weisen — diese alten Ge setze sind ein erster unvollkommener, ungefährer, unge nügender Versuch, aus dem Schlamm der Tierheit einen Anfang und Umriß zum Bild des Menschen heraus zuholen. Dieses Gesetz beschränkte sich auf einige wenige, grundlegende Verbote; du sollst nicht stehlen, nicht töten, nicht falsches Zeugnis geben, nicht Unzucht treiben, den Schwachen nicht überoorteilen, den Fremden und Skla ven nicht über die Not quälen. Das sind die Willenshal tungen, die unbedingt notwendig sind zu einem für alle ersprießlichen Zusammenleben vieler. Der Gesetzgeber ist zufrieden, die Zahl der gewöhnlichsten Uebergriffe zu vermindern: ein Mindestmaß von Einschränkungen; sein Wunsch geht selten über eine ungefähre Gerechtigkeit hinaus. Aber das Gesetz ist immer gegen eine Neigung; es ist noch nicht oder nicht mehr, wenn nicht ein übermächti ges Böse, ein sich verselbständigender Trieb da ist. Jedes Gebot schließt seine Uebertretung ein; jede Vorschrift be sagt durch ihr Vorhandensein die Uebung des Gegenteils. Das alte Gesetz, das Gesetz der ursprünglichen Völker ist denn auch nur eine unvollkommene Abdämmung der immer vorhandenen und immer siegreichen Tierheit; es bst ein Gespinst aus Abfindungen und Halbheiten; das, was ist, findet sich ab mit dem, was sein soll; die Ver nunft mit der Natur^ das hinten ausschlagende Tier mit dem Gottesbild, das dem Menschen vorschwebt. Die Menschen der alten Zeit, die fleischlichen, natur haften, körperlichen, festen, vollblütigen, strotzenden, die Menschen mit den starken Knochen, der dichten Behaa rung und dem roten Gesicht, die das Fleisch roh essen, die über die Mädchen herfallen wie über die Herden, die den Feind in Stücke reißen, die das Beiwort des Tro- janerhelden Hektor mit Recht tragen: „männermordend"; die Kriegsmänner von Anlage und Gelüst, die erst den Gegner töten und seine Leiche am durch die Fersensehne gezogenen Riemen durch den Staub schleifen, dann sich hinsetzen zur Erholung und fette Lappen von jungen Kühen und von Mastochsen hinunterschlingen, dabei un geheure Kübel Weines leerend; diese noch nicht ganz ge zähmten Menschen, denen das Joch des Gesetzes noch nicht recht zuverlässig sitzt, die Menschen, wie sie uns im Maha- baharata und in der Ilias, in der Izdubar-Dichtung und im Buch der Kriege Jahves begegnen, wären ohne den Schrecken vor Strafe, ohne die Furcht vor den Göttern noch wilder losgeschossen. In Zeiten, wo man für ein Auge den Kopf, für einen Finger den Arm, für ein Leben hundert Leben forderte, war die Regelung der Sühne. d>e für ein Auge nur ein Auge, für ein Leben nur ein Leben verlangte, schon ein beachtlicher Sieg der Groß- mut und der Gerechtigkeit, wenn sie auch uns, nach Jesus, noch schreckhaft genug vorkommt. Aber dieses Gesetz wurde öfter übertreten als bb- folgt. Die Starken ertrugen es gegen ihre Neigung; über den Mächtigen, die es durchzuführen hatten, gab es niemand, der es gegen sie angewandt hätte; die Bösen verletzten es offen, die Kleinen lernten ihm eine Nase drehen. Mer auch wenn es in seinem ganzen Umfange, von seiten aller, Tag für Tag befolgt worden wäre, ev hätte nicht genügt, das Uebel zu besiegen, das inwendig kochte und dampfte, zeitweilig niedergehalten, gehemmt, aber nicht vernichtet: mißbilligt, aber nicht abgeschafft; es gab eine Beschneidung der Wildheit, aber keine Aus rottung. Der gefesselte, aber noch widerstrebende Mensch fiel in Heuchelei: tat ein wenig Gutes, wo viele Augen auf ihn sahen, und um so mehr Schlimmes im geheimen; erfüllte die äußerlichen Vorschriften mit sorgsamster Ge nauigkeit und gab den Sinn und Gehalt des Gesetzes um so gründlicher preis. So weit war man gekommen, als Jesus seine Berg predigt hielt. Er wußte, daß das alte Gesetz erstickt, ent kräftet, ertrunken rvar im toten Sumpf der Äußerlich keit. Das tausendjährige Werk der Menfchheitserzie- hung mußte von vorn begonnen werden. Es galt, die Asche abzuräumen und das Unternehmen wieder mit der ersten Begeisterung zu erfüllen, es wieder zu dem zu machen, was es von vornherein hätte sein sollen, zu einem Unternehmen zur Umwandlung der Seelen. Den Pharisäern gegenüber, wo Rede und Wider rede den entscheidenden Punkt ins Licht heben, spricht es Jesus noch klarer aus: Das Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes; von da an wird die frohe Bot schaft vom Reich Gottes verkündet, und jeder wird mit Gewalt in dies Reich eintreten. Also mit Jesus fängt das neue Gesetz an, und das alte ist abgeschafft, für un genügend erklärt. Jedes Beispiel, das er ansührt, leitet er ein mit den Worten: Es ist gesagt worden . . . Und sofort stellt er dem alten Gebot, es zu seiner Reinheit erhebend, bis zum Paradoxon oder geradezu zur Umkehrung, ein neues gegenüber: Ich aber sage euch . . . Mit diesem „Ich aber . . ." fängt ein neuer Tag an in der Menschheitserziehung. Nicht Jesus trägt di« Schuld daran, daß wir noch unsicher in der Morgendäm merung dieses Tages schwanken. Aus: Giovanni Papini „Lebensge schichte Christi". Allgemeine Verlags- anstalt München. nicht wundernehmen, daß in der verflossenen Saison Privatgesellschaften gegeben wurden, bei denen der Sno bismus so weit ging, daß die Bewirtung von einem Re staurateur. und zwar dem König der Gourmets, dergestalt übernommen ward, daß jeder Gast sich nach einer unge mein üppigen Speisekarte seine Liebkingsgerichte aus- ivählen konnte, gleichviel ob es Austern, Hummern oder Kaviar auf Eis, und zwar gleich pfundweise war; daß auch die erlesensten Weine nach der Karte gewählt wer den durften, ohne daß Qualität oder Quantität be schränkt worden wäre, und daß im selben gastlichen Hause eine eigens eingerichtete Bar mit professionellem Bar keeper und allen nur erdenklichen American drinks, so wie ein Kabarett mit künstlerischen Kräften ersten Ran ges den zahlreichen Gästen dargeboten ward. Auch daß angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands in Berlin täglich neue teure Luxuslokale, Niesenkinos, Warenhäuser, denen gegenüber die angelsächsischen Eta blissements von London und Wannamaker Neuyork Kleinkrämer sind, aus. dem Boden sprießen, desgleichen Tür an Tür ebenso geschmackvoll wie ständig überfüllte und vielfach nur von einzelnen Damen frequentierte Cafes, Konditoreien und Teehäuser, von den obligaten Tanzklubs ganz zu schweigen, ist ebensowenig erstaun lich. Ein Seitenstück dazu bilden die Negerkapellen, die allenthalben ihre ohrenbetäubenden Rhythmen zelebrie ren und trotz nicht eben wohlfeiler Preise jeden Nachmit tag und Abend einen ebensolchen Andrang zu verzeich nen haben, wie der jeweilige Boxmeister im Sportpalast, der uns, zum Bedauern aller Damen der Gesellschaft und auch aller Dämchen der Nichtgesellschaft, nach errungenen Erfolgen unbarmherzig verläßt, um neue Triumphe in dem Herzen der Welt, der „Bille lumineuse" Paris, ein- zuftreichen. aaa>!M«lMaaaQ^ bietet Urnen die besten uncl billigsten 80VV/PIbip ?Okr-?>VLItt - ül!l°XOä. — i^Oirlk^ 8N6KKV — M86l„-8^08 - uncl den wundervollen 0K0HI030 ftsupIgorvkM: Annsnrlrab« 9 fjlislon: kautrnor 8tr. 9 kalsrisstravvk SN. Kaufen 8ie sick eins plascbs rur Probe und die Xukrisdentieit wird 8ie ru grüüeren kestellungen veranlassen.