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WWWWWUWW Die Augen sind zivei kristallene Kuppler, nielche meistens das Herz verführen; die Augen sind zwei Fen ster, durch welche der Tod (der Seele) pflegt einzusteigen: die Augen sind zwei Fackeln, so öfters ein Feuer anzün den, welches bald nicht zu löschen; di« Augen sind zwei Zeiger, welche gar deutlich verraten, wieviel es im Her zen geschlagen. — Der Apfel im Paradies hat uns ins Verderben gestürzt; die Augenäpfel im Menschen sind ebenfalls so sehr schädlich Abraham a Sancta Clara. Frühling Von Alsons Heilmann. Wenn wir an einem warmen Frühlingstag aus dem dumpfen Schattenbereich der Häuser und Gassen in die sonnenhellen Wiesen und Felder hinausgehen, gewahren wir allerwärts das köstliche Wunder des sprossenden Lebens. Aus der schmutzigen Decke der im Herbst zusam mengesunkenen, vergilbten und verfaulten Blätter und Pflanzen, aus den schweren und braunen Ackerkrumen, die wie ein Sargdeckel auf allem Lebendigen zu liegen scheinen, ringen sich dünne, bleichgrüne Hälmchen empor, so armselig und schwach dem Aussehen nach, datz man nicht begreift, wie so winzige Wesen die zähe, schwere Schicht durchbrechen konnten . Oder ist in der Frühlings nacht ein Engel unsichtbar durch die Fluren gegangen und hat mit dünnem Fingerlein das dunkle Erdreich durchstoßen, datz die zarten Keime zum Lichte kommen konnten? Nein, aber Gott hat den kleinen Geschöpfen selber so starkes Wollen und gewaltige Kraft gegeben, durch Nacht und Schwere den Weg zur Sonne und zum Wachstum zu finden. — „Seid ihr nicht viel mehr als sie?" Ich stehe oft beschämend vor dieser erstaunlichen Le- bensüutzerung der unscheinbaren Kreatur und mutz der Trägheit und Mutlosigkeit der Menschen gedenken. Uns ist tausendmal größere Kraft gegeben an Seele und Leib als diesen schwachen Pflänzchen, die so blaß und hilflos vor uns stehen und durch die leiseste Berührung unseres Fußes zertreten werden. Unser Geist durchsliegt forschend und sinnend die Höhen und Tiefen des Weltalls, wir meistern die Kräfte der Erde, die Ströme und Berge, das Meer und den Blitz des Himmels. Kein Tier der Erde kann uns trotzeil, wir zwingen alles unter das Gebot unseres Willens. Aber wie jämmerlich stehen wir vor uns selber, wie schwach ist unser Arin, wenn er im Be reich unseres persönlichen Lebens Ordnung schaffen soll! Da sind wir alsbald verzagt, da jammern wir fortiväh- rend über Hindernisse, die sich unserem guten Willen ent gegenstellen, da schrecken wir vor jeder geringen An strengung zurück. Wie arm an wahrem Menschentum sind oft die berühmtesten Männer und Frauen! Der Mensch versteht vorzüglich, durch irgendeine Begabung oder Leistung zu glänzen und mit diesem Mantel der Be rühmtheit seine Blößen zu bedecken. Manche sind in ihrem Fach und Beruf Fanatiker der Gründlichkeit und Sorgfalt und vernachlässigen ihr persönliches Leben, datz es eine Schande ist. Die ganze moderne Kultur ist auf solch einseitiger Veräußerlichung aufgebaut; was wun der, wenn heute in all der scheinbaren Herrlichkeit die Menschen selber hinsiechen und an Leib und Seele zu grunde gehen! Es sind keine lebenschaffenden Ideen und welt überwindenden Triebkräfte mehr in den Menscl)en. Das ist das Erstaunliche an der kleinen Pflanze, die im Früh ling die Scholle durchbricht: Es ist ein mächtiger Drang darin, ein unbewußter Wille, sich zu formen, zu wachsen, zu blühen und Frucht zu bringen, daß das kleine Geschöpf zum Riesen wird und alle Widerstände überwindet. Wäre auch im Menschen ein solch einheitlicher, unbeugsamer Wille, sich seelisch und körperlich zu reifer Vollendung zu entwickeln, wie sie in unserer geheimen Sehnsucht vor- gebildet liegt, dann stünde es heute anders um die Menschheit. Es ist über alle Maßen tragisch und läßt auf eine tiefgreifende Verderbnis des menschlichen Geschlech tes schließen, daß der Mensch gar nicht mehr den Drang hat, seine Geistes- und Körperkräfte in den Dienst seiner inneren Vollendung zu stellen: wie es Pflanze und Tier von selber tun. Man sagt: Der Mensch ist von Gott abgefallen. Ich sage: Der Mensch ist noch viel mehr von sich selber abgefallen. Er hat auf die Verwirklichung seiner kühnsten Gedanken und Hoffnungen verzichtet und bescheidet sich heute damit, ein ganzes Leben lang sich um ein paar irdische Habseligkeiten zu plagen. Als Eva im Paradies den Apfel brach, nahm sie das Ding und gab dafür ihre Seele. So tun wir heute täglich und stünd lich: Wir geben Zeit, Kraft, Fleiß und Gewissen um ein lumoiae« Dino. da« aerade unsere Einbildung und Hab- Zwischen heule und morgen Von Otto Steinbrinck. Soeben ist Unter dem Titel „Katholi- sche Reformation" im Verlag der Iun- sermannschen Buchl-andlung Paderborn eine Schrift erschienen, die vie Beachtung weitester Kreise erfordert. Der bekannte katholische Polizist Otto Steinl, rinck übernimmt hier als Herold des katholischen Gedanken« di« Ausgabe, den deutschen Katholizismus aus feiner geistigen Etappenstellung zur künftigen Weit- ,nacht cmfzurütteln. Di« Bewegung der zweiten Reformation — so drückt sich Steinbrinck aus — wird die große christliche Ein heit in Deutschland wieder erstehen lassen. Und seine Schrift soll „die Frage der deutschen Sen dling des Katholizismus für unser Volk und für Europa ahnen lassen." In prägnanter Art wird guerst ein Bild der Geschichte entworfen, sofern es zur Erkenntnis der heutigen Situation not wendig ist. Die Menge der Probleme, di« als dann aus der Fülle des heutigen Lebens he-raus- genommen und behandelt werden, bieten ein un übersehbares Material, das wert ist, in der füh renden katholischen Presse eingehend behandelt zu werden. Wir geben heute zunächst einen Ausschnitt aus einem Kapitel: „Zwischen heute und morgen", das sich zwar speziell mit der Tendenz einer bestimmt gearteten neue- ren katholischen Literatur besaht, in seiner All gemeinheit aber für alle übrigen Gebiete zu- trifft. Die Schrlftleitung. Warum singen mir das Lied nicht mehr von den beiden Königskindern, die durch die Tiefe des Wassers getrennt sind und sich darum noch nicht finden können? Liebende gestehen ihre Schmerzen. Es kommt mitunter zu solchen Worten des Suchens zwischen den Getrennten; wir haben ökumenische Christen unter den Protestanten und Katholiken. Ist ihre Zahl und Stimme auch schwach, sie tragen einen größeren Baustein der Zukunft als die in der Abgeschlossenheit des Kampfe s oder der Ruhe Stehenden. Denn bei diesen ist die Stärke nicht. Die antikatholischen Protestanten sind die schwächsten Pro testanten; sie sind nur noch Protestler und besiegeln einen Zusammenbruch, der für die Weiterentwicklung des Pro testantismus zum Katholizismus gefährlich statt förder lich werden kann. Der Verwundete ist verblendet genug, sich für absolut gesund zu erklären; er tut so, als wäre er der einzige Gesunde, seine Kampf-Raserei hält er für Stärke. Die Katholiken könnten eher ein Recht zu sol chem Soldatenspiel behaupten; aber wir hoffen, daß sie Christen genug sind, um ein Recht zur Ueberhebung nicht zu kennen; zudem sind die Katholiken ja auch Patienten der deutschen religiösen Krankheit. Sie sind zwar anders krank, weniger an der Seele wie die Protestanten, mehr an den Gliedern. Sagen wir Katholiken uns denn wenigstens, wie verwundet wir in unserem Herzen sind, seitdem unsere Kirche aus dem Mittelpunkte des abendländischen Kul turlebens verdrängt wurde, und wie unser Volk davon zusammenbrach? Suchen wir an uns selber den Riß, der seitdem durch das Herz des Katholizismus geht, zu ent decken? Blutarmut ist doch bei uns eingetreten, und das ist eine Krankheitserscheinung. Die Katholiken leben als insula Del in einem Kerker, in dem nicht die fruchtbaren Winde der Katakombenzeit wehen. Unser Auge ist von dem schlechten Kerkerlicht müde und matt geworden, ab- gemattet: es kann die volle Wirklichkeit des Lebens nicht mehr mit Unbestechlichkeit erfassen, die Freiheit und Kraft zur großen Ueberschau des Lebens fehlt. So steht der deutsche Katholik vor einer Welt der schrecklichsten Trost losigkeit, der Gottverlassenheit, zu deren Ordnung es doppelter Kraft bedarf, gleichsam mit halber Kraft, wie Simfon, dem die Locken abgeschnitten sind, die seine Stärke ausmachten. Das ist die doppelte Not der heu tigen Christen: die Not der zu missionierenden Welt, und unsere persönliche Gebrochenheit, unser Riß des Herzens. Diese Not der eigenen Heilung ist schwer, schwerer zu hei len vielleicht als die der unchristlichen Welt. Heute steht der Katholik aber auf von seinem Lager als der Rekonvaleszent, der sonnenbedürftig wie der in die Lande geht. Aber weil noch die Krankheit nicht ganz geschwunden ist, fröstelt ihn im kalten Wind. Die Muskeln sind noch angegriffen, das Blut noch inatt, und die Wangen sind fahl. Er kann noch nicht ganz mit der Seele beim Werk seiner Hände sein. Drum Ver zagtheit, Mangel an Lebensmut. Wie demütig und stark durch Demut müßte sich der deutsche Katholizismus eigentlich fühlen, wenn er heute die Weite des Weges be denkt, den er zu gehen hat, um die Welt zu durchdringen. Und daß größer als die Kilometerzahl der andere Weg ist, der zun, Heilsberuf, die Rüstungsarbeit für den Auszug, der wie ein Zug der Kinder Fsraels durch das Rote Meer sein muß. Man ruft nach dem Moses. Aber der kommt nicht eher als die Bereitschaft dazu groß genug ist. Es kann sehr viel Scheinsiege geben aus dieser Erde, auch im Religiösen. Das Lächeln des Heiligen ist gewiß süß und engelgleich, — in ihm ist Fülle aller Schön heit — aber dies sieghafte Lächeln kann ja auch nur sein nach jchrecklichst durchlebter und überwundener Not und grausiger Bedrängnis. Das Lächeln Franziskus' ist etwas so Ungeheuerliches, darin liegt so viel Ueberivin- derkraft, daß eine ganze Menschheit davon in die Knie gezwungen wurde. Dies Lächeln aber ist ein entferntes Nachstammeln der Worte, die der Heiland am Kreuz in seiner furchtbarsten Pein ausgerufen hat. Zwischen dem Gebet: ivenn es möglich ist, daß dieser Kelch an mir vor übergeht . . . und dem Siegerworte: es ist vollbracht — welch eine Spannung von Leiden und Kämpfen Wo sind in unserem Antlitz heute die Spuren „ein stiger Schönheit" und Größe, Härten und Verworrenhei ten können schon Größe sein, aber wo sind wir so hart und wie Erz? Warten wir, bis plötzlich einer kommt, ein Heiliger? Nun, dann wurde der Menschheit ein gro ßer Führer geschenkt, wenn sie wenigstens ernst um ihn betete. Wir müssen den Willen haben, das Meer der Sint flut zu durchwaten: Eroberungswillen muß sich entfaä-en an dem Befehl: Macht euch die Erde untertan. Dazu be. dars es eines herben Heroismus, eines schier ungeheuren Mutes zum Glauben, zum Leben nach dem Glauben als dem Durchstoßen mit dem Licht des Glaubens durch die Mauern der Finsternis. „Stilreines", katholisches Ge- genwartsleben muß diese Züge eines Kampfes um Chri stus an sich tragen. Etwas von dieser Schrecklichkeit und von dieser Süße haben. Alle künstliche Heili genheiterkeit, die nicht über die Abgründe der Hölle den Sieg errungen hat, ist heute daher geradezu unkatholisch. sucht reizt. Wir lassen uns für ein paar elende Ergötz- lichkeiten des Lebens unsere Seele abkaufen, um dann erst recht in die Drangsal des Leibes zu geraten. Denn was anderes ist unsere jetzige Kultur als Drangsal und Heimsuchung? Nie mußte der Mensch seinen Leib so durch Arbeit, Not und Sorge zerquälen und zerrütten wie heute; nie hatte er weniger Zeit für seine innere Vervollkommnung als jetzt unter der Herrschaft dieser vielgerühmten Kultur, deren Ztel es ist, die Menschen zu lehren, wie man die Güter der Erde gewinnt und dabei sich selbst verliert. Wir müssen den Frühlingsglauben haben, daß wir zu Hohem berufen sind, und auch die Kraft dazu besitzen, es auszufllhren. Wir müssen unser ganzes Sinnen und Arbeiten auf uns selber einstellen, nicht auf etwas außer uns. Was für unsere Leiblichkeit vonnöten ist, werden wir mit Gottes Hilfe leicht erwerben; die Kraft unserer Seele dürfen wir daran nicht vergeuden. Wir sollen von der kleinen Pflanze lernen, daß uns nichts widerstehen kann, wenn wir uns mit der ganzen Wunschgewalt unse res Herzens gegen die Hemmnisse aufbäumen, die uns lahmlegen und die Freude am eigenen Wachstum ver derben wollen. Wir müssen im Geiste vor Begierde glü hen, die Schwere und Dunkelheit, von der unser Inner stes bedeckt und umfangen ist. zu durchbrechen, um an das Licht Gottes zu kommen, unter dessen Sonnenschein und Wärme sich unsere Seele in herrlichem Wachstum entfal ten wird. Es liegt jetzt noch so viel dumpfe Mutlosigkeit, schwerfällige Trägheit und die ganze Kruste übler Ge wohnheiten auf unserem geistigen Leben; wir verzagen nach jedem frischen Antrieb an dem Widerstand der all täglichen Dinge, der menschlichen Meinungen oder der uns befallenden Müdigkeit. Geh hinaus zur kleinen Pflanze am Wegrain, du großer, starker Mensch, und sieh, was ein winziges Geschöpf vermag, wenn es sich tragen und treiben läßt von der Macht des göttlichen Frühlingswilleno k