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Nummer 107 — 26. Jahrgang Dienstaq, den lO.Mai 1627 vmal wäch. Bezugspreis für Mal 3,00 Mk. einscht, Sestellgell» «nzrigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 80^, Stellengesuche 80 Die Petitreklamezelle. 89 Milli« neter breit, 1 Osfertengebllhren für Selbstabholer 20 L, bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 19 L, Sonntags-Nr. 15 Seschästlicher Teil: Art» r Lenz in Dresden^ Zm Falle höherer Gewalt erlischt se8e Berpfllchtun» auf Lieferung sowie Erfüllung v. AnzeigenaustrSgel u. Leistung o Schadenersatz. Für unbeutl. u. d. Fern! ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver, antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporw nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt! Sprechstunde oer Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschriftleiter: D,-. G. Descznk. Dresden Geschäftsstelle, Druck und Verlag: Germania, Allien-Gesellschast für Berlag und Druckerei, Filiale Dresden, Dresden-«. 1, Polierslratze 17. Fernruf SI0I2. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volks,ettuna Dresden-Altstadt 1, Policrstratze 17. Fernruf 2071! und SIMS. Die >,Botschaft" -es „Stahlhelms" — Eine beruhigende Erklärung -es Alchenministers Eine Lebensfrage -er Diaspora An diesem 10. Mai 1927 kann Bischof Dr. Christian Schreiber in Schmochtitz bei Bautzen das neue Prie sterseminar der Diözese Meißen eröffnen. Liit diesem Tage werden die neugeordneten kirchlichen Verhältnisse unseres Bistums in einem religiös außer ordentlich wichtigen Punkte mit den Bestimmungen des neuen Kirchenrechtes in Einklang gebracht, das im Ka non 1354 Abs. 1 vorschreibt: „Jede Diözese soll an einem geeigneten vom Bischof ausgewählten Orte ein Seminar oder Kollegium haben, in den« eine gewisse Zahl junger Leute nach Maß der Möglichkeiten und des Umfanges der Diözese für den Priesterstand ausgebildet werden." Man schlage irgendein Verzeichnis der im heutigen Bistum Meißen amtierenden Priester nach, und man wird mit erschreckender Deutlichkeit inne werden, in wie starkem Maße unsere Diaspora in ihrem Priesternach wuchs auf die Hilfe der katholischen Stammlande ange wiesen ist. In dieser entscheidenden Lebensfrage offen bart sich vielleicht die tiefste Diasporanot. Nun ist es zweifellos richtig, daß in den letzten Jahrzehnten der industriellen Hochflut der Zuzug von Katholiken nach dem sächsischen Wirtschoftszentrnm ein unverhältnismäßig starker war seit 18!X) z. B. hat sich die Zahl der Ka tholiken in Sachsen mehr als verdoppelt — und daß diese Entwickelung auch eine verstärkte Verpflichtung des ka tholischen Staininlanbes in sich schloß, Priester für die Diaspora bereit zu stellen. Einmal aber kommt doch die Stunde, wo die Diaspora aus sich heraus ihre religiösen Lebenskräfte erneuern, also eine gewisse Normalzahl von Priesterberufen Hervorbringen muß. Wenn die Lausitz mit ihren katholischen Stammgebieten in dieser Hinsicht noch relativ günstig abschnitt, und auch den sächsischen Erblanden zahlreiche Priester zur Verfügung stei len konnte, so war dies in erster Linie dem Wirken des „L ausitzer Se m i n a r e s" in Prag zu danken. Fast 200 Jahre lang hat dieses Seminar während der Gym nasial- und Univcrsitätsstudie» den Priesteramtskandi daten Sachsens als Erziehungsstätte gedient. Nach dem Umsturz und der Auflösung der Donaumonarchie zwan gen politische und finanzielle Notwendigkeiten zur Aus gabe dieses Institutes. Diese Entwicklung, zu der wei terhin die Wiedererrichtung des Bistums Meißens und die Neuregelung des Kirchenrechtes trat, mußte es dem Meißner Bischof als dringendste Zeitaufgabe erscheinen lassen, die Frage der Heranbildung eines ausreichenden Seelsorgeklerus der Diözese einer schnellen Lösung ent gegen zu führen. Es ist vielleicht nickst rein zufällig, daß die Entwicke lung hier an die Praxis anknüpfen muß, die im 16. Jahr hundert um die Zeit, als das alte Bistum Meißen der Auflösung entgegenging, auf dem Konzil von Trient zu einer grundsätzlichen Neuregelung der Pstesterausbil- dung in der katholischen Kirche führte. Die semina ristische Ausbildung unserer Kleriker geht auf dieses, so genannte Tridentiner Seminardekvet vom 15. Juli 1563 zurück, in dem man das praktische Ergebnis einer gesun den Reaktion auf die mangelhafte Ausbildung der Geist lichen, wie sie die damalige Zeitentwickelung mit sich ge bracht hatte, erblicken konnte. Ter Sinn dieses Dekre tes. die Heranbildung des Priesternachwuchses in erster Linie dem Bischof anzuvertrauen, hat sich durchaus be währt, trotz mannigfacher Angriffe auf diese Seminnr- ausbildung im Laufe der Zeiten, Gerade auch die Leh ren des Kulturkampfes auf diesem Gebiet mußten diese Auffassung nur bestärken. Das Bistum Meitze» ist freilich auch heute noch nicht in der glücklichen Lage, in der Vor sorge für den Priesternachmuchs den Stand der übrigen deutschen Bistümer erreicht zu haben. Das neue Seminar in Schmochtitz soll ja bekanntlich vorläufig nur die letz ten Jahrgänge der Prlesteramtskandidaten aufnehineu. Die Seminarlehrgänge werden sich also lin wesentlichen auf die praktische und religiös-asketische Ausbildung beschrän ken, während die Wissenschaft lich-theologisck)e Ausbildung weiterhin an den katholisckzen Fakultäten unserer Uni versitäten, bezw. an den theologischen Akademien erfol gen wird. Aber daß gerade die praktische Ausbildung künftig unter den Augen und unter steter Mitwirkung des Diözesanbischofs erfolgen wird, ift für unsere Dia sporaverhältnisse von besonderer Bedeutung. Nur die individuelle Ausbildung wird den Schwierigkeiten und Eigenheiten unserer Diaspora völlig gerecht werden kön nen. Um das Gemeinschaftsgefühl im Diözesanlsterus wird ein neues festes Band geschlungen werden. Und letztes und höchstes Ziel wird cs doch immer bleiben, mög lichst einen einheimischen Klerus für die Diözese Berlin, 9. Mai. Der „S tah lhe l m tag" ist im allgemeinen ruhig verlausen. (Abgesehen von einzelnen Zwischenfüllen, über die wir auf Seite 2 berichten.) Auf der Kundgebung im Lust garten verlasen die Bundesführer des Stahlhelms, Seldte und Düsterberg, eine „Botschaft", die sich auch mit Fragen der Außenpolitik befaßt. Es heißt darin: „Der Stahlhelm wendet sich gegen das Versailler Diktat und fordert die Anerkennung des Nationalstaates für alle Deut schen, die Wiederherstellung des deutschen Wehrrechtes, einen wirksamen Widerruf des erpreßten Kriegsschuldbekenntnisses, die Regelung und Wiedergutmachung der Weltkriegsschäden ans Grund der solidarischen Haftung aller sür den Weltkrieg ver antwortlichen Völker. Diese Ziele, so heißt es in der Kund gebung, dürfen auch bei der Durchsetzung des vertragsmäßigen Rechtes aus vorzeitige Räumung der bejetzren Gebiete und bek der Berichtigung der Ostgrenzen nicht preisgegeben werden. Der Stahlhelm fordert weiter die Wiederanerkennung der Farben schwarz-weiß-rot. Der Stahlhelm verlangt serner die Stärkung der M « ch t b e f u g n i s s e d e s Reichs präsidenten, die Sicherung der Wohlfahrt von Land und Volk gegen die willkürlichen swriamentarischen Notverständigun gen und Zufälligkeiten, die Schaffung eines Wahlrechts, desien Ergebnis sowohl in Uebereinstimmnng mit dem wahren Volks- willen, als auch die Möglichkeit fester Negiernngsverantmort- lichkeit gewährleistet. Der Stahlhelm will keine neue. Partei bilden oder werden. Der Stahlhelm fordert eine Verfassung, die jedem deutschen Staatsbürger verantwortlichen Anteil an dem Leben des politischen Gemeinwesens gibt. Der Stahlhelm widersetzt sich dem Gedanken des Klasscnkampfes, wird jedoch eine entschlossene Austragung der natürlichen Interessengegen sätze nicht hindern. Er fordert die Innehaltung der gesetzlich erlgubten und moralisch bedingten Kampfmittel und die Wah rung der überragenden Interessen der Volksgemeinsclfast. Innenpolitisch bringt die „Botschaft" nicht viel neues. Sie stellt nur Forderungen auf. die in den Kreisen der Rechtsparteien schon seit Monaten erwogen werden. Innen politisch stellt sich der Stahlhelm hinter die Rechtsparieie» und verzichtet aus ein selbständiges politisches Vorgehen. Anders in der Außenpolitik. Die hier ansgestellten Grundsätze stehen im Gegensätze zu der Außenpolitik, die heute repräsentativ von dein Führer der Deutschen Volkspartei Dr, Stresemann vertreten wird und die in den vom Zentrum aus gestellten „Richtlinien auch von den Deutschnationale» aner kannt worden sind. Die „Botschaft beschränkt sich aber darauf, Forderungen aüsznstcllen, über den Weg, aus dem die ge steckten Ziele erreicht werden sollen, sagt die Kundgebung nichts. Sie ist also geeignet, im Auslande von der deutschfeindlichen Presse mißbraucht zu wer den, Diese Presse wird einfach erklären: „Der Stahlhelm sagi über den Weg und die Mittel nichts, die ihm zur Erreichung seines Zieles dienen sollen. Die Kundgebung kann nur so ver standen werden, daß diese Ziele mit Geivalt erreicht werden sollen." Man darf wohl der Ueberzeugnng sein, daß eine solche Deutung eine üble Verbreitung der Tatsachen märe. Auch die Führer des „Stahlhelm" sind sich wohl darüber klar, daß Deutschland nicht daran denke» kann, eine Außenpolitik mit gewaltsamen Mitteln zu betreiben. Die mißverständliche „Bot schaft" aber, die ein erwünschtes Agitationsmittel sür die Hetze gegen Deutschland abgeben Kann (gerade jetzt wartet man in Paris auf solchen Stofs), bedeutet c i n e n s e h r üb k e n D i e n st für die deutsche Außenpolitik. Stresemann in Oynhausen Der Reichsaußenminister Dr. Sliesemann hat nur der Tagung des Wahlkreises Westfalen der Deutschen Volks Parder am Sonntag in Bad Lynhausen in einer Diskussion» ved« bemerkenswerte Erklärungen zur deutschen Anßenpolink abgegeben, Er führte dabei aus: heranzubilden, der in ganz besonderem Maße mit unse rer Diaspora von Grund ans verwurzelt ist. Von diesem Gesichtspunkt ans wird auch der An dersgläubige den Bemühungen der sächsischen Katho liken unter Leitung ihres Bischofs volles B e r ft ändnis entgegenbringen. Wir dürfen heute vielleicht daran er innern, daß einige Jahre vor dem Kriege eine liberale Stimme im „Dresdner Anzeiger" daran Anstoß nahm, daß der katholische Klerus Sachsens seine Ausbildung außerhalb des Landes erhalte und daß er größtenteils auch von auswärts stamme. Wir Katholiken selbst haben diesen früheren Zustand immer als Ausdruck der Dia- Der „Temps hat vor wenige», Taqrn «Mark, vast de» Außenminister ebenso wie vse Deutsche Bvlkspartek im RcichSkabinett in bezug ans ihre Anschaunngech isoliert seien. Diese Behauptung des „Temps" entsprichst nickst vrn Tatsachen. In den Richtlinien, die zur Bildung der gegenwärtigen Regierung führten, haben die Parteien, die heute die Regierung bilden, sich zur Fortführung der bis herigen Außenpolitik entschlossen. In dieser Fortführung der Außenpolitik sind mir seitens des Kabinetts kein« H uber« nisse bereitet worden. Sind Kundgebungen in Teutichlanid, die insbesondere an die Tradition der alten Armee anknüp- sen, etwa rnit einem Abwcichen von dieser Außenpolitik!, in Berbindnng gebracht worden, so ist dies eine völligst falsche Darstellung. Die kn Deutschland bestehenden Orga« »Nationen Vieser Art sind schließlich voch nur »er psycho«, logische Rester »er einseitige,, de„tsck>c» Abrüstung. Sie würden ihre Beveiitnng, vielleicht ihre Eristenz i» dem- Augenblick vertieren, in »e,n »er deutschen Abrüstung oie Abrüstung anderer Völker folgte. Wenn man sie anders ansieht/ wenn man davon spricht, daß neben der Reichswehr in' Deutschland gewissermaßen noch ein heimliches Heer bestände, das in einem Augenblick erwachen und sich auf Nachbarn, stürzen können, so sind das Märchen, würdig eines Jnlesst Verne, aber nicht würdig ernsthafter Betrachtung. Ich- darf doch auch daraus Hinweisen, daß es die Regierungserklä-j rung des neuen Kabinetts war, die offen davon gesprochen!' har, daß die Regierung jede Politik der Revanche ablehnt. Schließlich ist mein Name mir der Außenpolitik, dis ln den letzten Jahren geführt worden ist, derart verbunden, »aß ich selbstverständlich nicht Außenminister bleiben könnte, nenn an dieser grnndsätrl>ck»cn Einstellung zur Außenpolitik sich etwas änderte. Bisher sind aber auf dem Gebiet der Außenpolitik keine Vorgänge zu verzeichnen, die als ein solches Abweichsn zu bezeichnen sein würden. Was die Erörterungen über die Frage eines „,,S st - Locarno" anb.'langt, so bemerke ich, daß unser Verhält nis zu d-en östlichen Nachbarn, insbesondere zu Pole», ge regelt ist durch diejenigen Abmachungen, die in Locarno-, Zelbst getroffen sind. Diese Abmachungen werden vielfach nur auf nufer Verhältnis zu Frankreich und Belgien 'bs-, zogen. Der Gesamtwert bestehr aus diesen Abmachnngen- mit ihren starken Bindungen mit den westlichen Nachbarn, andererseits aus dem mit Polen geschlossenen Friedens vertrag der jedenfalls eine friedliche Auseinandersetzung über Differenzen zwischen beiden Ländern gewährleistest. Diese Situation har das neue Kabinett bei seiner Begrün dung vvrgesunden und durch nochmalige Anssprachen d e An erkennung der bestehenden Vertrage besonders unterstrichen.' Tee Fragö'unseres Verhältnisses zu Polen ergibt kich daher ans der hierdurch geschaffenen Grundlage. * Dle Ausführungen des Außenministers klingen ganz, io. als wären sie zur Beruhigung der Leffenclichkeir über, die Fragen bestimmt, die in der „Botschaft" des „Siahl- stelms" im Einzelnen berührt worden sind. Diese Absicht wird besonders deutlich dadurch, daß der Minister sich aus drücklich auf die. Wehrverbände bezieht. Daß er bei dicker, Gelegenheit diese Verbände in Schul; nimmt, erklärt sich dar aus, daß dre Rede am einer ParreiNigung der Deutschen, Volkspartzei gehalten worden ist. Diese Wendung Dr. Zirese- manns ist freilich wenig geeignet, den günstigen Eindruck? d-en seine Erklärung im Ausland offenbar machen soll, zu verstärke». Bezeichnend isr es, daß der Minister sich ausdrücklich gegen den Vorwurf verwahren muß, daß nicht alle Regie' rnngsparreien hinter seiner Außenpolitik stände». Es ist ohne weiteres klar, da ßdas eine» sehr deutlichen Wink, an die Adresse der D e n t sch n a t i v n a le n bedeutest.', lieber den „stillen" Kampf a'us den Reihen dieser Partei!) gegen den Außenminister ist in den letzten Wochen so viel) geredet und geschrieben worden, daß eine Erklärung von maßgebender dcntfchnationaler Seite die Lage sehr klären könnte. Eine solche Erklärung würde auch ein wertvolles Gegengewicht gegen d-e mißverständliche» außenpvliti'chen Säge der „Stahlhelm-Botschaft" sein. sporanot empfunden. Wenn man heute also einen sa grundlegenden Fortschritt in der Priesterausbildung unserer Diözese erzielt har, so wird man dem Bischof von Meißen dafür in allen Kreisen nur Dank wissen. Die großen Opfer, die er mit diesem Werke ans sich genom men Hot. sind ein Beweis dafür, wie hoch der Wert die ser Neuordnung zu veranschlagen ist. Der Staat von heute freilich steht dem Begrifj „Priester", wie der Kirche überhaupt, zum großen Teil gleichgültig, wenn nicht ablehnend gegenüber.' Er glaubt seine Schuldigkeit getan zu haben, wenn er sich nicht mehr offen kirchenfeindlich oder knltnrkämpferisch betätigt;