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Kummer 172 — L6. Jahrgang ieter breit, 1 ^k. Ossettengebühren fllr Selbstabholer 80 L, bei Uebersenbung durch dt« Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1« «z. Sonntags.Nr.ro L- Geschäftlicher Teil: Artur Len- in Dresden. SLMscke Donnerslag. den 28. Juli 1927 Im Fall« höherer Gewalt erlischt seb« Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. AnzeigenauftrSgen u. Leistung v Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Ferm ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporte nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschriftleiter: Dr. G. Desezyk. Dresden. volrsMüma veschSftSftill», Lrncku.lverla«! »ermaUa. Mr «erlag und Druckerei, Filiale Dresden, Dretden-il. l. Polierslratzel?. Fenirns2I0lS. PostscheÄonto Dreliden »703. LankloiUo: «tudtbauk «»«»den «r. 81718 Für christliche Politik und Kultur Redattt»« der LSchfts»«« DreSdcn-Mtsiadl 1. Poiierstratze 17. Fernnif LMU und »1012. Michael vo« AumSnien. (Von unserem Kovrespondouten^ 0. l. Men. rr. IuN. Was seit Monaten zu erwarten war, ist nunmehr ein-> getreten: Ferdirrand von Rumänien wurde von seinem Leiden erlöst und in ein besseres jenseits abberufen — der dritte Herrischer aus dem Hause Hohenzollern überkam die Krone. Wenn Earol l. der Gründer des rumänischen Staates genannt werden kann, so wird Ferdinand I. als „Mehrer des Reiches", als „Einiger der Nation" in der Geschichte fort leben; unter chm entstand Grotzrumänien. Zwar nicht durch ihn — er war ein schlichter, bescheidener Mann, auf den teils konstitutionelle, teils weibliche Ein flüsse starr einwirkten, welchen beiden er jeweilig Rech, nung zu tragen pflegte. Nur ein einziges Mal kam er mit dom Majovdomus Rumäniens, dem ungekrönten König Bratianu, in Konflikt — tags darauf waren an allen Ecken und Enden des königlichen Palais Flugzettel ange klebt: „Eine Herrfchaftswohnung ist zu vermieten". Fer« drnand verstand diesen Wink mit dem Zaunpfahl: seither -ab es keine Konflikte mehr. Grobrumänien entstand keineswegs durch eine Welle eigener, siegreicher Leidenschaft, sondern durch den Sieg der West Mächte auf den Schlachtfeldern Frankreichs; man mutz sagen: fast durch Zufall! Mehr als in den kühn sten Träumen und Konzeptionen zu erwarten war, fiel dem Königreich zu - der Zusammenbruch Rußlands brachte Beharabien, der Zusammenbruch OesterreiömUngarns die Bukowina und Siebenbürgen. Wenn daher "Ferdinand der Mehrer des Reiches ist, so Hinte. - it er auch eine Erbschaft, deren Rechtsgültigkeit von zwei Tcdfetnde«"Erohrum,äniens angefochtsn wird: Rutzland und Ungarn. Nichts war daher natürlicher, als datz unter der Regierung Ferdi. nands nachkriegszeitlich alles aufgsboten wurde, um diesen beiden Nachbarstaaten die Stirne zu bieten. Das Diind- iris mit Polen diente dem Sicherungszweck gegen Ruß- Sand, die kleine Entente dem gegenseitigen Berfiche- vungsverhältnis gegenüber Ungarn. Durch beide Bund« Nisse scheint dem gröhtmöglichsten Sicherheitsbedüvfnis "echnung getragen zu sän. Ob sich dies« Bündnisse im nstfall bewähren werden, steht dahin; dermalen dürften prvhibittv wirken, zumal di« verschiedensten Gründe mit- sprechen, welch« die Gunst der Westmächte dem Königreich mwenden. Der englisch-russische Konflikt bil det einen Aktiv-Posten der rumänischen Politik, weil Eng- fand wegen dieses Konfliktes ein Interesse daran hat, Ru mänien zu konsolidieren. Aus der franko-italie Ni schen Rivalität schöpft das wohlr »tandene Eigen- mtevesse Rumäniens nicht unbedeutende Vorteile. Dennoch wird es di« wichtigste Angelegenheit ieder rumänischen Po- sttik bilden muffen, zu einem tatsächlichen Friedensschluh vit Rutzland zu gelangen. Zn welcher Weise hierbei rus- sche Ansprüche und die Rumänen als die Ksat-i pc«sl6smss nrer einen Hut gebracht werden können — dies bildet das i Zroblem rumänischer Außenpolitik. Mehr als durch jeden j sreundschasts« und Militärvertrag mit Polen würde Ru mäniens »latus qua durch die Verständigung mit Rutzland gesichert. Im großen und ganzen übergab sonach Ferdinand seinem Nachfolger ein zwar nicht unbsdrohtes, aber immer hin auch nicht ungesichertes Erbe. Indem man die Nachfolgeschast berührt, geht man »em wunden Punkt der Innenpolitik entgegen, well die Krone vom Großvater auf das Enkelkind mit llebergehung des lebenden ältesten Sohnes überging. Es gehörte einstmals, als Alt-Oesterreich noch bestand, zu oen ungeschriebenen, von Mund zu Mund Überlieferten Auffassungen europäischer Politik, daß nach dem Tode Kaiser Franz Josefs di« allerfchwersten Ereignisse über Alt-Oesterreich hereinbrechen würden. Es kämen wohl wesentlich andere Gründe zur Geltung als jene, welche di« «omwaals opinio als Folgen des alt-österreichischen Thron wechsels vorausfah; dennoch behielt sie zwar nicht durch chre Gründe, wohl aber praktisch recht. Es ist nun eine Tatsache, daß in der öffentlichen Meinung Europas seit ängerer Zeit mit dem rumänischen Thronwechsel ebenfalls liche, gofühlsmätzige Weissagungen verbunden werden, den entwickelten autzenpolitischen Gefahrenzonen kommt eson Annahmen di« Art der Thronfolge zu Hilfe. Wohl wurde das fünfjährige Enkelkind zum König ausgeru- fen; wohl sorgt ein Regentfchaftsrat, bestehend aus dem zweitgeborenen Sohn des verstorbenen Königs, dem Prinzen Nikolaus, dem Patriarchen Miron und dem Präsidenten des Kaffationshofes Buzdugan, für die Aus übung der konstitutionellen Exekutive' wohl wird die männlich-energische, sonst aber weibliche, allzu weibliche Königin-Witwe ihren Ehrgeiz in die Wagschabe werfen, der seit 1914 die Geschicke Rumäniens nachhaltigst beein- flutzte; wohl wird die Familie Bratianu, bestehend aus den beiden Brüdern und den beiden Schwägern Krlegsmtnister Angulescu und Hofmarschall Prinzen Ttir« tey alles aufbieten, um den nun proklamierten Rechts« instand za verbürgen; wohl mutz sich der alt« patriarcha- s!H? Soruck nicht verwirklichen: «Weh dem Lande, dessen Die Forderung -es Sfterreichischen Bundeskanzlers an die Sozialdemokratie Eine merkwürdige Antwort Dr. Bauers KI«e »atze Seile Seipel». Wien. 26. Juli (T. U ). Der österreichische Nationalrat begann heute di« große Aussprache über die Wiener Revolte mit einer Xstündigen Rede des Bundeskanzlers Dr. Seipel. Di« Rede, ein Meister werk an Mäßigung und Entschiedenheit, wurde ohne bedeutende Unterbrechung und ohne jeden Zwischenfall ausgenommen. Seipel erklärt«, datz kein Land und kein« Regierung jemals so unschuldig in ein« Revolte hineinge stoßen worden sei, wie Oesterreich, wo zwischen den Parteien kein ernsthafter Konflikt geschwebt habe. Die Polemiken zu dem Schattendorfer Prozeß hätten schon allein genügt, die Leidenschaften aufzu peitschen. Unglaublich sei es aber, daß, nachdem ein« Anzahl Geschworener als befangen abgelehnt war, die anderen Ge schworenen bedroht wurden. Merkwürdige Freisprüche von Ge schworenen seien auch von der Regierung beobachtet worden. Eine parlamentarische Intervention in der Frage der Schwurgerichte fei dann zu verstehen gewesen, aber nicht eine wilde Revolte. Fest stehe, daß zuerst die Polizei angegriffen worden sei. Die ersten Verwundeten auf der Rettungsstation seien nur Polizisten gewesen. Wenn der Landeshauptmann die Bitte des Polizeipräsidenten Schober um verstärkten militärischen Ein satz erfüllt hätte, wäre viel weniger Blut geflossen. Der Poli zeipräsident sei durch die Ablehnung der Bitte zur Ausrüstung der Polizei mit Gewehren geradezu gezwungen worden. Aus eigene Verantwortung habe dann der Polizeipräsident noch Militär herangezogen. Dies habe nur beruhigend gewirkt, obwohl Landeshauptmann und der Bürgermeister trvas anderes voraussehen wollten. Das Militär hätte von vornherein nicht schießen brauchen. Sein Erscheinen hätte schon die unruhigen Massen vorsichtiger gestimmt. Zu spät habe Bürgermeister Dr. Seitz seine Versäumnisse eingesehen. Um diesen Fehler wieder gut zu machen, habe der Bürgermeister die Gemein- deschutzwäche eingeführt. Er, der Kanzler, mache ihm keinen Borwurf daraus, daß er ohne Befragung der verfassungs mäßigen gesetzgebenden Körperschaften vorgegangen sei, aber was er Ihm zum Vorwurf mache, fei. daß Dr. Seitz sein ge gebenes Wort nicht eingehalten habe, wonach di« Wachen nur für die Tage der Gefahr eingerichtet werden sollen. Es würde nicht dem Frieden dienen, wenn aus der Schutzwache eine ständige Einrichtung werden sollte, da die Wache in Wien und in den Ländern als ständige Bedrohung drr Ruhe angesehen werde. Das größte Unheil aber sei, daß jetzt, da alle anderen Kräfte um die Wiederherstellung von Ruhe und Frieden be müht seien, so unerhört« Angriffe gegen die Polizei gerichtet würden, die unter Todesgefahr ihre Pflicht getan habe. Al» der Kanzler noch einmal die Pflichttreu« der Poli zei bekräftigte, erhob sich bei gleichzeitigem Beifall rechts und in der Mitte starker Lärm bei den Sozialdemokraten, wo durch der Kanzler etwa einige Minuten am Weitersprechen ge« hindert wurde. Nach Wiedereintritt der Ruh« sprach der Kanz ler der Polizei und den Angehörigen der Wehrmacht für ihr« Pflichterfüllung seinen Dank aus. Zu dem Verkehrs streik übergehend, erklärte der Kanzler, daß dieser Streik ihm so vorkomm«, als ob während einer Wirtshausrauferei auch noch das Licht ausgelöscht werde. Ohne die Unterbrechung der Telephonverbindung zwischen der Polizeidirektion und den einzelnen Polizeiwachen würde es in Wien weniger Opfer gegeben haben. In ihrer Begründung für den Abbruch des Generalstreiks hatten die Sozialdemokraten nachher selbst zugegeben, daß es notwendig gewesen sei, gegen falsche Nachrichten im Ausland« vorzugehen und das Parlament rechtzeitig zusammenzurufen. Indem sie aber drei Tage lang di« falschen Nachrichten unwiderlegt gelassen hatten, hatten sie den österreichischen Staat vor dem Aus- lande entwaffnet. Dadurch, daß der Zusammentritt des Parlaments zunächst zweifelhaft erschienen sei, sei die Revolte nur durch einen schmalen Schritt von der Revolution geschieve» gewesen. Di« Bewegung sei nicht von draußen hergeleitet oder in das Land getragen worden, vielmehr sei die Schädigung der Republik hier durch ihre eigenen Kinder zugefllgt worden. Allerdings habe ein« internationale Partei sich der Sache bemächtigt, indem sie den Zustizpalast anzündete und für Fortdauer der Bewegung bis zum Sturz der Regierung und womöglich bis zur Aenderung der Verfassung zu sorgen getrachtet habe. Auch ausländische Agenten dieser Partei seien in Wien tätig gewesen. Der Bundeskanzler erklärte weiter, daß keinerlei Drohun gen einer ausländischen Regierung nach Wien gerichtet worden seien. Der Kanzler appellierte dann an das Haus, die Aus sprache lediglich von dem Gesichtspunkt« aus zu führen, daß Wiederholungen der Wiener Vorfälle unmöglich ge macht werden. Einen Teil der Schuld trag« auch das Parla ment oder vielmehr diejenigen im Parlament, die die Meinung hatten aufkommen lassen, als ob sie die Demokratie nicht schützen wolle. Die Sozialdemokraten forderte der Kanzler auf. endlich einmal deutlich einen scharfen Tren nungsstrich zwischen einer demokratischen Opposition und einer Beschützerin von Revolten zu ziehen. Zum Schluß erklärt« der Kanzler: „Verlangen Sie von uns nicht, daß wir Maßnahmen treffen, die für die Wieder holung solcher Borgehen und solcher Verbrechen einen Frei brief ausstellen. Wir wollen fest ein. aber wir wollen nicht hart sein." Die Rede des Kanzlers wurde mit lautem anhaltenden Beifall ausgenommen. Nach dem Bundeskanzler Dr. Seipel ergriff der sozialdemokratisch« Abgeordnete Sever das Wort. Nach der Rede des Bundeskanzlers ergriff Dr. OttoBauer für die Sozialdemokraten das Wort. Als die beiden von den So zialdemokraten begangenen Fehler hob der Redner hervor, daß sie Kvuig ein KinD.- Dennoch scheint es, datz die Thron folge durch die vielzitterte Entscheidung vom 4. Januar 1926 zwar „geregelt", aber nicht gelöst ist, weil es unzweifelhaft feststeht, datz der älteste Söhn des verstorbenen und Vater des jetzigen Königs eine nicht un« bedeutende Anhängerschar besitzt, welche weniger aus Liebe und Anhänglichkeit an den entrechteten Kronprin zen, als durch Hatz gegen die Herrschaft derer von Bratianu zusammengeführt und zusammengehalten. wird. Denn eine Tatsache ist ebenfalls unbestreitbar: Earol mutzte das Land unter Aufgabe seiner Thronrechte nicht deshalb verlassen, weil er feinen Liebesabenteuern nach ging, sondern weil er sich dem politischen Einfluß Ion Vra- tianus und dem Freunideseinflutz des Prinzen Stivbey auf seine Mutter nachhalttgst widersetzte. - Dermalen verhindert wohl der Belagerungszustand das nmchtpolitische Geltendmachen von Carols Kronansprü- chen, Aber auf die Dauer kann auch Rumänien nicht durch den Belagerungszustand regiert werden, auf die Dauer . wird die Vorherrschaft Bratianus nicht derart unbestritten sein, wie es die letzten stark boetniflutztsn Wahlen auszuzei gen scheinen; denn daß Avarescu, Jorga und Gusa in die- sem Mahlgang mandatlos blieben, ist noch kein Beweis dafür, daß ihre Parteien und Gedanken nicht existieren. Ts können sonach über Nacht irgendwelche Momente ein- txeten, welche die bMMstjgech; dann Mer Wird di« :tn erster Linie wohl davon abhängen, ob Tarol auch weiter in Paris ruhig sitzen bleibt, oder ob er plötzlich innerhalb der rumänischen Grenzen auftaucht, woselbst er besonders in Siebenbürgen einen wohlgeaaerten Boden vor findet. Ferdinand verschied in Unfrieden mit seinem Sohn; dieser haßt seine Mutter; die Gattin ist ihm gleichgültig, und seinen einzigen Söhn, den dermaligen König, kennt Earol nicht einmal — durch keinerlei Familien gefühle kann sich Earol beschwert fühlen, wohl aber durch Hatz bestimmt werden, nach Rumänien zurückzukeh- ven, um fürchterliche Musterung unter allen jenen zu hal ten, die ihn seiner Kronrechte beraubt haben. Hierin liegt aber auch der Zweifel in die Konsolidierung Rumäniens verankert, der, wenn er sich bewahrheitet, unübersehbare außenpolitische Konsequenzen nach sich ziehen kann, weil ein durch Bürgerkrieg zerpflügtes Rumänien das Objekt außenpolitischer Aspirationen für die Grenznachbarn ab gibt, von denen besonders Sowjetrutzland Argumente zur Verfügung stehen, die vor allem unter der landhungrigen Bauernschaft zünden würden. Di« Erbschaft König Ferdinands ist ordnungsgemäß Wergel>en; doch nicht an den in erster Linie Erbberechttg-. ten; die Lage des Moments zeigt wohl keine Gewitterstim mung — doch über der Hukrmft steht ebenso innen- oka autzenpolittlck ein arotz'e» Fragez-ei'che»