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OnterliLltun^ und V(^i88 Saeksisclie Vollcsreitunx ^ 6N ^akrxsnx 1927 Aus dem Inhalt. F. Neurer: Festtag im Laus. M. Berner: Irgendwo. Fritz Müller: Ueberschwupper.. W. Berger: Ein Fall. Ernst Jucundus: Der Schwamm. Frank Trane: Was soll ein Kind?. Alt« Sprüche. WMIWWMMWWMIM« Festtag im Haus. Don F. Renter. Festtag rin Haus — wem klingt da» nicht durchs Herz wie yllockenklang? Wer steht nicht noch einmal unter dem Sonnen glanz schon durchlebter Festfreude? gesegnet von der Erinnerung an solche Höhepunkt« im Familienleben Hie ihren goldenen Fa den durch Gleichmaß der Tage spinnen? Sie weihen Haus und Herz, sie rufen die fernen Lieben auf unsere Schwell«, das; wir es im Zusammensein mit ihnen wieder tief inne werde», was es doch Köstliches ist um solch ein Zusammengehören, um Familien- bande, um den Schatz treugehegter Familiengüter, di« wieder aufleben im Gedanken an Freud und Leid, an Heimgegangene Ge liebte. Da weckt ein Wort das andere im bewegten „Weißt du noch?" Da reden vergilbt« Briefe, da grüßen liebe Gesichter von den Wänden und möchten uns das Beste noch einmal geben, was sie im Leben errangen: festgewordenen Glauben, reifgewor dene Liebe, verstehende Milde, verzeihende Güter: Ewiges im 'kinnenden Strom der Zeit! Familienfeste — sie kommen und scheiden im Jahressolls, Blumen im Aehrenfeld der Arbeit, Sterne am Himmel des häus lichen Lebens: aber nicht nur die selteneren find es: nein, das sollen und wollen vor allem alle Feste sein. Vor allem die schö nen, große» Festzeiien des Kirchenjahres, deren jedes im Fa milienleben sein eigenes, liebliches Gewand hat, von alten Zeiten her. Wir lieben dies Gewand, mir zählen seine äußere Art zum inneren Gut des Festtags — sie ist ein Stück unseres Innenlebens geworden. Lebt nicht in uns allen etwas von dem Kinderstnn, der immer das gleiche wiedersucht, wie es Mutter hände uns eininal bereitet haben? Feierzeit für Haus, Herz und Hände — wer bedarf ihrer nicht ln der Unrast der Zeit? Me bedürfen wir schon des Sonntags! Wie wächst das Berstehen für seinen Wert, wenn die sechs Wochentage wirklich Mühe und Arbeit bedeuten, wenn mit der Hand auch das Herz müd wird uird mit dem Gewand auch die Gedanken abgenützt, bestaubt, zu Boden gedrückt! Und nun tritt der Sonntag über deine Schwelle, ein himmlischer Bote. Schon in den Samstagabend herein wirft er sein Helles Licht! Weißt du, was er dir sagt? Wie fest dich die Arbeit Hält und binden will, du bist doch frei, deine Seele ist es. Du bist ein Kind Gottes. Ein großes, herrliches Anrecht hast du auch, einen Vater im Himmel — aller Segen, den er gibt, ge hört dir! Komm' nur — leg' das Ardeitsgewand ab, nimm ' dein Feierkleid — komme zur Kirche — falte die müden Hände und ruhe. Dar nichts sollst du tun, nur nehmen: den Reichtum der Gnade. Da ist Quellwasser, das wäscht allen Saub der Woche ab, das heilt die Wunden, die sie schlug, das tilgt die Flecken, die von ihr zurückblieben — wie reich, wie froh, wie stark kannst du werden, wenn du nimmst! Ob es dir nicht auch noch so geht wie jener Mutter, von der ihre Kinder sag ten, wenn ihnen das Mntergesicht besonders lieblich erschien: „Mutter hat heute ihr Sonntagsgeficht", weil sie gewohnt wa ren. daß bei der Mutter am Sonntag Haus, Herz und Antlitz hold und hell waren. Da kannten sie keinen schöneren und be- gliickenderen Vergleich! Nun bin ich ja wieder Lei den Müttern! An sie dachte ich, als ich zur Feder griff, und zu ihnen möchte ich besonders reden. Sie sind es ja doch vor allem, die dem häuslichen Le ben das Gepräge geben, den Sonn- und Feiertagen Licht und Schmuck geben sollen, daß es ein wirkliches Feiern wird! — Wie arm eine Mutter, die das nicht versteht! Wie dunkel ein Irgendwo. Irgendwo im Weltgetriebe, Frei von aller Lust und Pein, Muß der stille, ew'ge Frieden Zeder Seele fühlbar sein« Irgendwo liegt unserer Sehnsucht Berggetürmtes Heimatland, Und dahin führt eine Brücke, Die auf Erden niemand fand. Eine Brücke» wo ein Nachen Leise angebunden steht. Und rin Wind aus Himmelsydyen Ihn znm Heimathafen webtz osr-rior. Haus, in dem keine Festtage leuchten, die das Innenleben be reichern, bei deren Herannahen Kinderaugen erwartungsfroh strahlen! Es bedarf nicht viel von außen dazu! Keine kost baren Gaben, keine reichgedeckten Tische — nur ein warmes, frohes Herz, eine Frauenhand, die auch mit wenigem Farbe und Schimmer geben kann. Solch ein Herz versteht dann auch, was die Kinder bedürfen, und findet Zeit für sie, und rvär's bloß ein Viertelstündchen! Die ärmste Mutter kann Ihrem K'mL den Sonntag her ausheben aus der Kette der Arbeitstage, wenn er ihr nur ist. was er sein möchte! Und wie nötig ist es, daß man solchen Samen in die Kindcrherzen sät — wie fest bindet damit die Mutter di« kleinen Herzen durch einen Hellen Sonntag an das ihre! Man Nagt so oft. daß die Kinder, wenn sie hinauskommen, so bald dem Elternhaus entfremdet sind, hingcnommen von dem oberflächlichen Treiben de» Lebens, daß st« an der Kirchen türe vorübergehen. Es wachsen Menschen auf, die nur dem Vergnügen, dem Verdienst, der Ehre nachjagen. Frage dich aber, hast du deinem Kind in das Leben mitgegeben, was es braucht? Hat es die Wurzeln in «in Erdreich senken können, aus dem es für Körper, Geist und Seele edle Nährkräfte zog, die das Gute, das Gott in deines Kindes Herz gelegt, auch zur Entfaltung brachten? Hast du gewacht an der Tür« seines Herzens, daß nichts Böses «inziehe? Hast du, was du ihm an erziehen solltest und wolltest, auch vorgelebt? Es find tausend feine Fäden, die sich vom Elternhaus zu dem Kind in der Ferne weben, die das Kind so festhalten kön nen, die sein innerstes Leben mit dem Daheim verbinden, wenn sie sorgsanr geknüpft und nicht leichtsinnig zerrissen oder ver kümmert sind. Die Eigenart des Elternhauses ist doch meist bestimmend für die Entwicklung des Kindes und seine spätere Lebensauf fassung. Das Kind bildet seine Begriffe nach den Bildern, di« das häusliche Leben vor ihm aufrollt, das Haus ist seine Welt. Unbewußt saugt es in sich, was ihm da geboten wird — es wird ein Stück seiner Eigenart. Ist das Geboten« edel und gesund, dann hat das Kind alle Vorbedingungen, selber ein guter, tüchtiger Mensch zu werden. — Das tun nicht Worte und Ermahnungen, das tut die Luft, die im Hause weht, der Sinn, der es durchwaltet. Was wir unser» Kindern lieb und schön und heilig machen, das nehmen sie so mit in das Leben hin ein, das wollen sie so halten, darum werden sie auck kämpfen, wenn es angegriffen wird. Es ist wohl besondere Weisheit in der Erziehung, das Gute den Kindern lieb zu machen, dem Hohen und Heiligen im Haus Schönheit zu geben, die es dem Kind nahebringt. Ohne viel Worte, ganz selbstverständlich muß ihm das in Fleisch und Blut übergehen. Unsere Freude muß die Festlichter im Hause und die Lichtlein in den Kinder herzen anzünden I Was war es einst doch schon, Mutter am Samstagabend an den Schrank und die Kommoden zu begleiten, um zu sehen, wie da alles blitzblank herausgeholt wurde, von den Kleidchen bis zu den weißen Schürzchen und den Sonntagsschuhen! Ich glaube kaum, daß man mehr sonntägliche Vorfreude empfinden kann, als Mutter in unsere kleinen Herzen pflanzte, wenn sie das Geholte am Abend auf den Stuhl an unserem Bettlein ord nete. wenn sie nach dem letzten, allerletzten Kuß das Licht weg trug und ihre liebe Stimme mit innerem Jubel beim Hinaus» gehen noch einmal ries: „Gute Nacht, Kinder — morgen ist Sonntag!" Das strahlte bis in den Traum hinein, das saß am Vettchen beim Erwachen, das läutete mit dem silbernen Freu- denglöckleinl Und diese Wonne, wenn man erst einmal mit Mutter in di« Kirche durfte! Das war immer ein Dürfen, nie ein Sol len oder Müssen! Allmählich kam die Zeit, wo die Gedanken nicht mehr wie Vögel in der Kirche herum- und an den bunten Fenstern hinaufflogen, wo man begann aufzumerken. Drüber flogen die Jahre, man war aus einmal groß und hatte de» Sonntag im Herzen — daheim und in der Kirche. Und so waren dis andern Festtag« alle — und über allem Festtagsglanz Mutters frohe Augen, in allem schmücke» und Feiern Mutters liebe Häirde, die uns so fest hielten, die uns Ueberschwupper. Die gcvy« Mod« heißt Pullover. Meine Frau braucht einen Pullover. Meine Tochter will einen Pullover. Mein Sohn besteht auf einem Pullover. Das Dienstmädchen spitzt sich auf «inen Pullover. Macht zusammen vier Pullover. Ich weih, ich werde viermal in den sauren Apfel beiße« müssen — was will einer gegn« eine große Mode machen. „Schön", sag' ich, „kaufen will Ich sie, aber ich verbitte mir das Fremdwort." St« wurden überlegen. Pullover ließe sich nicht übersetzen. „Ist auch nicht nötig. In England hat man's auch nicht übersetzt. Mau hat' geheißen, wie man wollte, englisch selbst verständlich. Heißen wir es auch, auf deutsch natürlich." Sie lächelten: „Wie zum Beispiel?" .Ln« Beispiel U-berzteher." Sie lachten: Da« sei ganz was anderes. „Na, dann Ueberschwupper." Mein« Kinder brüllten vor Gelächter: „Ue-erschwllpper", so was Blöde» gab' es nicht leicht wieder. „Kind««" sag' ich. „ihr seid jung und wißt nicht, wie'» in meiner Zngend »an Gelächtern über Deutschland fegte, als man „Kondnkte««^, „Perron" und Observatorium" eingedeutscht hat." „Na. «mntt denn?" wurden sie begierig. Mit „Schaffner", „Bahnsteig" und „Sternwarte^. St« wurden wieder überlegen: Das seien ganz vernunftge mäße Wort«, »Heut«. Damals bog man sich vor Lachen. „Schaffner"? schafft er oder wird ihm angeschafft?" — „Bahnsteig"? haha, wenn die Bahn nun aber nicht steigt, sondern fällt!" — „Sternwarte?" »' ist um zu platzen, warten da dl« Stern« oder werden sie gewartet, wie man kleine Kinder wartet?" „So was Blödes, Vater." „Nanntet iür nickt eben «eine« „Ueberichwtwver" auch blöd?" „Weißt du, man muß an — sei nicht bös — an „Ucber- schnappcn" denken." „Ganz richtig, so hieß es auch von „Schaffner", „Bahn steig" und „Sternwarte"." „Höre, Bater, wenn du nur bei einer Handvoll zeitgemäßer Menschen durchsetzt daß sie „Ueberschwupper" sagen statt „Pullover", dann— " Sie stockten. „Dann?" „Dann zahl«: wir uns unsere Pullover selbst ans unseren Sparkaffen — nicht wahr, Mutter?" „Hm, euer Vater hat schon Dinge durchgesetzt,, Dinge —" „Einen „Ueberschwupper", haha, haha, einen — einen — haha — lieber — Ueberschwupper setzt er nicht durch, Mutter — Fanny, tun Sie auch mit bei der Wette?" Di« Fanny ist fürs Sichere: „Erst muß t '» Ham, mein Bu- lober, nacha wett' i." Schon am nächsten Tage ging ich z« de« grötzks!: Geschäft am Platze. Sie Hab« et*«» eigen«« Grußdirekkor. Hinke« de» großen, z, Drehtür« stand er, verb«»gt« sich und drehte sein« Hände im gleichen Zeitmaß wie di« Türenflügel umeinander: „Welche Abteilung wünschen der Herr?" . ^ ^ , „Abteilung Ueberschwupper." „Wie?" Die Hände bekamen da» doppelte Zeitmaß Ser Drehtür«. „Wie, bitte wie?" „Ueberschwupper." Die Hände bekamen das dreifache Zeitmaß. Dann standen ,n> plötzlich still: „Der Herr meiiren Mäntel?" „Ueberschwupper, meine ich." Die Hände wurden rasend: „Ach so. jaja, natürlich — dritten Stock links, bitte." Im dritten Stock links hingen dreitausend Radfahranzüge. Der Nadsahreranzügeabteilungsvorstand drehte die Hände: „Der Herr wünschen?" „Linen Ueberschwupper.* „Einen — einen was?" „Ueberschwupper — Sie werden doch wohl Ueberschwupper kennen?" „Vewtst. gewiß — natürlich — UeberkLwuooer —, selbst verständlich — dars's was in grau sein oder blau — hier zum Beispiel hätte ich ganz was Preiswertes in dunkelgrün." „Aber lieber Herr, das sind doch Radfahranzüge —* „Freilich, freilich — ich dacht« nur. — bm ia. ich dachte -» hm ja —« „Was dachten Sie?" „Hm — nun ja, ich dachte — sozüMen — gewissermaßen — es käme Ihnen so genau sticht daraus an —" „Wenn ich einen Ueberschwupper will, kommt es wir auf Ueberschwupper an, Verehrter." - - „Ueberschwupper — natürlich — Ueberschwupper — List, bringen Sie den Herrn in den ersten Stock rechts." Im ersten Stock rechts hingen fünftausend Hosen. Der Hosrnabteilungsvorstand drehte die Hände: „Sehr erfreut mit welcher Art Hose — „Hose? Einen lleberschwnpper will ich.*' Der Hoseimbteilungsvorftand schielte zum Tklefon, Ich sah'» ihn» an, die Nummer der öffentlichen Sanität ging ihn» durch den Kopf. Ich sagte ihm das. „Wo denken Sie hin", beteuerte er. kn fünftausend Hosen wühlend, in fünftausend Hof«» stch vergrabend, in fünftausend Hofen verschwindend. Ich verschwand auch. Zn den zweiten Stock, wo sieben tausend Mäntel hingen. Der Mäntelbedienungsmann hing am Abteilnnqstelefon. Ich sah's von hinten an der Biegung seines Rückens, sah's am Schielen gegen mich, er wurde verständigt, es wurden ihm Verhaltungsvorschriften gegeben, wie man Verrückte schonungslos behandle. Ich sagte ihm das. Er wurde verwirrt. Zch sagte ihm, ich sähe schon, hier hingen siebentausend Mäntel, kein« sieben, tausend Ueberschwupper. Er nickt« an di« dreißigmal. Als ich zur Treppe ging, hörte ich zum Gehilfen sagen: „Ich weiß nicht, was die andern haben — der ist doch nicht verrückt — der ist ja ganz normal — er sah doch auf den ersten Blick, daß dies Hosen sind und keine.Ueberschwupper —" „Was sind denn Ueberschwupper?" wagt« der Gehilfin „Ueberschwupper? War geht » mich an — mich gehen Hose* an — um Ueberschwupper mag Sch d«r. —, der U«b,uLwuover» abt«ilumrsvorttand kümmere"