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Der Vizepräsident -es Preutzischen Landtages, Dr. -porsch, sendet uns folgendes Schreiben: „Aus Ihrer Iubiläumsnummer, welche Sie mir reundlichst haben zukommen lassen, ersah ich den 2 5- ährigen Be st and Ihrer Zeitung, deren Lebenslauf ch von Anfang an mit großem Interesse verfolgt habe. Nehmen Sie etwas verspätet auch nieinen herzIich sten Glllckwunsch entgegen. Mögen Sie die weiteren 25 Jahre in voller Rüstigkeit erleben! Mit treuem Parteigruß gez. Dr. Porsch.' Der Unkerfuchungsausschich -es Landtags in Döhlen Dresden, 14. Juli. Bekanntlich chatte der Landtag einen Ausschutz zur Untersu chung der Dammbruchkatastrophe aus dem staatlichen Braunkohlcnwerte in Böhlen bet Leipzig eingesetzt. Dieser Ausschuß besuchte am Dienstag die Werksanlagen und die Dammbruchstelle, um den einzelnen Abgeordneten Gelegenheit zu geben, durch Augenschein die Verhältnisse näher kennen zu ler nen und die späteren Ausschußverhandlungen zu fördern. Unter Führung des Generaldirektors Müller von den Säch sischen Werken und Vertretern des Finanzministeriums wurden wertvolle Ausschlüffe über die einschlägigen Fragen erteilt. Daß es sich um ein riesiges Projekt handelt, geht daraus hervor, datz zur Anlage der beiden Spülkippen, die den Abraum der Staatlichen Brauukohlengrubc ausnehmcn, nicht weniger als 131L Millionen Kubikmeter Ab raum erde Verwendung gefunden haben. Die SMkippen, in deren mächtige Becken der Abraum mittels Mal ier gcipüii wird, bedecken eine Fläche von etwa 100 Hektar und sind :>««» Teil bis auf 30 Meter Höhe aufgeschüttet. Seit Jahren wurde» pro Minute 15—20 Kubikmeter Wasser zugesührt und teil weise wieder ausgepumpt. Diese Art der Abraumtechnik dürste »cnarlig und in der Praxis noch nirgendwo erprobt sein. Menu auch die mützigeren Unkosten bei Anwendung des Spük- vcrsahreus aucrsannt werde» sollen, so wird doch künftig im Inter esse der Sicherheit des Betriebes und der benachbarten menschliche» Niederlassungen mehr zu geschehen haben. Die durch den Dannn- bruch cingetrctcnen Schäden aller Art dürften nicht weit hinter einer Vtillion Mark Zurückbleiben. Der Ausschuß nahm davon Kenntnis, daß das Oberbergamk inzwischen ein Gutachten über den Vorfall erstattet hat. Nach Ab schluß der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft wird der Ausschuß in die Beratungen eintreten, was voraussichtlich nicht Vitt Ausgang August zu erwarten sein dürste. : In der gestrigen Sitzung des Rates brachte Bürgermeister Nitzsche die Teilnahme der Stadt Dresden am Unglück im Osterzgebirge zum Ausdruck und berichtete eingehcbd über die Hilfsmaßnahmen der Stadtverivaltung. Zur vorläufigen Deckung der Hilfsmaßnahmen bewilligte der Rat ein Bereck>- nungsgeld von 10 000 Marli, lieber die Bewilligung einer größeren Summe wird der Rat in einer außerordentlichen Sitzung am Donnerstag vor der Stadtverordnetensitzung Be schluß fassen. : Die Umbauarbciten in der Wilsdruffer und Johannftraßc werden am 25. Juli 1927 beginnen. Von diesem Tage ab wird der Fährverkehr vollständig gesperrt, dagegen soll der Fuß gängerverkehr dauernd aufrecht erhalten bleiben. Zu die sem Zwecke sind die Gangbahnen vollkommen frei zu halten. Aus diesem Grunde kann das Aufstellcn von Bau- und sonstige» Ge rüsten auf diesen Straßen und in dem Quergäßchen zwischen Große Brüdergasse und Schesfelstraße während der Dauer der Bauarbci- ten nicht gestattet werden. — Falls aus unvorhergesehenen An lässen während der Straßcnbauarbeiten trotzdem die Aufstellung eines Gerüstes notwendig werden sollte, ist vor der Ausstellung bei dem städtischen Tiesbauamtc (Neues Rathaus, 3. Obergeschoß, Zimmer 361) besondere Genehmigung cinzuholen. : Schwerer Berkehrsunfall. Am 13. Juli 1927 gegen 10,45 Uhr vormittags wurde in der Herbertslraße in Vorstadt Löbtau der 56 Jahre alte Instrumentenmacher Paul Holzhauer van einem Personenkraftwagen überfahren. Holzhauer trug hierbei schwere Verletzungen davon, die seine Ueberführung in das Krankenhaus erforderlich machten. Nach Aussagen von Augenzeugen soll den Kraftwagenführer keine Schuld treffen. Der Verletzte ist nnnnttcl- bar vor den, langsam fahrende» Wagen vom Fußweg heruntcr- getreten, plötzlich umgefallen und unter die Räder des Wagens zu liegen gekommen. r Die »««slAveMmstzuschläHe. Di« nach z »u oes we. werbvstruergesehes sowie.8 A2 des Grundsteuergesetzes vom 30. Juli 1926 in der Stadt Dresden zu erhebend« Zu- schlagsstewtr ist für das Rechnungsjahr 1927 enhMtig aüf 125 v. H. der staatlich«:» Steuer festgesetzt wordÄr. : Diebstähle. Auf der Eisenbahnfahrt von Leipzig nach Dresden wurde einer Dame ein schwarzer Lederkoffer, gez. L. R. oder L. M. R., gestohlen. In dem Koffer befanden sich mehrere echte und imitierte Perlenhalsketten, 1 marineblauer Damenmantel mit gelblich-braunem Pelzbesatz, 1 baumwollenes Sportkleid mit blaukarriertem Besatz, verschiedene Wäsche stücke und mehrere Paar Schuhe. — Durch Einbruch in einen Hühnerstvll wurde in einer der letzten Nächte in Vorstadt Büh lau ein Stamm junge Zwerghühner gestohlen. — Sachdien liche Angaben erbittet die Kriminalpolizei. : Wem gehört das Fahrrad? Von der Kriminalpolizei wurde einem jungen Burschen ein fast neues Herrenfahrrad abgenommen, das dieser am 12. Juli 1927 vor dem Arbeits- nack>weis in der Maternistraße gestohlen haben will. Der Be stohlene wird ersucht, sich umgehend in der Kriminaldienststelle Trachau, Roßmäßlerstraße, zu melden. R. Stadtbibliothek. Neues Rathaus. Der Lesesaal bleibt von Freitag, den 15. bis Sonnabend, den 23. Juli d. I. wegen Reinigung und Umordnung «für den öffentlichen Berkehr ge schlossen. t.eiprig unä Umgebung Leipziger Sla-loeror-nelenversamml ung Leipzig, 14. Juli. In der gestrigen Stadtverordneten- > sitzung gedachte der Vorsteher Dr. Hübler der Opfer der Un- wetterkatastrophe im Gottleuba- und Müglitztal. Einstimmig - wurde eine Vorlage angenommen, wonach 10 0 0 0 0 Mark für das Hilfswerk zur Verfügung gestellt werden. In ausgedehnter Aussprache beschäftigte sich die Versamm lung mit der Ratsvorlage, die zur Erweiterung und zum Aus-' bau des Zoologischen Gartens die Bewilligung von 2 200 000 Mark aus Anleihemitteln verlangt. Es wurden 500 000 Mark für den ersten Bauabschnitt bewilligt, während für die weiteren Bauabschnitte nom Rate neue Vorlagen zu machen sind. Mit dieser Maßgabe wurde der Ratsvorloge insoweit zugestimmt, als das für die Erweiteruim erforderliche Gelände des Rosen tales dereitgestellt wird. Weiter genehmigte die Stadtverord netenversammlung die Bereitstellung von 146 000 Mark als Be rechnung zur Errichtung einer K u n stg e w e r de sch » le. Vollversammlung -er Gewerbekammer Leipzig, 14. Juli. In der Vollversammlung der Gewerbckammcr wurden zunächst dem Vorsitzenden, Obermeister A. Thalheil», Glückwünsche zu seiner 25jährigcn Mitgliedszugehörigkeit dargcbracht. Syndikus Dr. Weißbuch gab ein Bild über die Arbeiten der Kammer im zweiten Vierteljahr 1927. Darauf folgte ein Vortrag des Obermeisters Friedrich über das Thema „Pfuscharbeit und Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung". Vor allem müsse man über den Charakter der Pfuscharbeit weitestgehend aufklären, ei» Gebiet, auf deni gerade die Gewcrbekammcr Leipzig schon sehr viel geleistet habe. Die von Obermeister Friedrich zur Bekämpfung der Pfuscharbeit vorgclcg- ten Richtlinien wurden einstimmig angenommen. Syndikus Dr. Wcißbach berichtete über den Entwurf des sächsischen Wirt- schastsministeriums sür die Ausstellung von Richtlinien über ble Abgrenzung von Fabrik- und .Handwerksbetrieb. Der Entwurf des Ministeriums sei als zweckmäßig anzuerkennen. Einige Angelegen heiten von geringerer Bedeutung wurde» noch behandelt, dann wurde in die nichtöffentliche Sitzung cingclretcn. Aeberfall auf einen IuwelenhSndler Leipzig, 11. Juli. Wie dhe „L. N. N." melden, würbe in der Nacht zum Sonntag, in der zweiten Stunde, ein Leipziger Iuw eleu- Händler in seinem Schlafzimmer von zwei Räubern über fallen; der Ileberfaftene wurde in seinem Bett gewürgt, gefesselt und sein Gesicht wurde mit einem oethergetränk- tem Tuch' zugedeckt. Die beiden Verbrecher suchten alsdann in sämtlichen Ziinm'rn der Wohnung nach Gel-, sie fun.de» aber nur «einen kleinen, Betrog. Hierouf weckten sie den Bewußtlosen wieder ans, hielten ihm ihre Revolver vor un verlangten von ihm die Herausgabe einer größeren Summe. Zu seinem Schrecken erkannte der Ueberfollene in den beiden Räubern feinen eigenen Neffen und seinen Schwager, worauf er ihnen versprach, 2000 Mark zu beschaffen. Er kleidete sich auch an und verließ gegen 5 Uhr früh mit den beiden di« Wohnung. Aus der Strohe aber erklärte er ihne» da-ß sie nichts bekämen, worauf die beiden Verbrecher wech gingen. Sie «norden durch Leipziger Kriminalbeamte <Z ;Sonntagnächmittag noch in Altenburg festgenomz men undltvurden der Leipziger Staatsanwaltschaft zugS ührt. Beid: sind geftändi. ) Dreister Einbruch. Mittwochmorgen 3n> Uhr hörte mau in der Kaiser-Wilhelm-Straße Hilferufe. Ein Einbrecher ivA durch ein offenes Fenster in ein Zimmer eingestiegen, in dem eine Dame schlief. Er bedrohte die laut um Hilse rufende Frau mit dem Revolver. Die benachrichtigte Polizei nahm den EiiZ brecher nach kurzer Gegenwehr fest. In seinem Besitze wurden ein Revolver und ein geschliffener Dolch gefunden. ' ^ ) Schülerselbstmord. Dienstagnachmittag hat sich in Tau cha ein 13 Jahre alter Schüler von einem Zuge überfahre» lassen. Der Kopf wurde ihm vom Rumpfe getrennt. Der weggrund zu der unseligen Tat ist unbekannt. ) WarcnhanSviebstahl. Das gemeinsame Schössen^ gerscht hat wegen Warenhausdiebstahls zwei Frauen zu verZ urteil:» gehabt. Die «ine war unbestraft und erhilt 10 M<« nahe Gefängnis ohne Bewährungsfrist; die andrere, wegen Diebstahls bereits neunmal vorbestraft, ist zu zwei Jahren sechs Monaten Zuchthaus und vier Jahre» Ehrenrechte» Verlust verurteilt worden. ) Stockholmer Sänger in Leipzig. Seit gestern abend weilt der Stockholmer Kirchenchor Engelbrecht, von Iran« furt kommend, in unseren Mauern. Gestern noch habeg die Sänger di« Bach-Gruft besichtigt und heute morgen sin« sie, geführt Professor Röch-ig, in der Thomaskirch« und im Völkcrschlachtdenkmal gewesen. Bei der anschließende» Besichtigung des Neuen Rathauses sind die Schweden im Ratsplenarsaabe vom Dezernenten des Musikamtes, ^ Stad« rat Dr. Barthel, begrüßt worden, hieran schloß sich ein Imbiß im Ratskeller. ) Professor Dr. meb. Sata in Leipzig. Professor Dr. med. Sata von der Universität Osaka ist auf seiner Runpä reife durch Deutschland nach Leipzig gekommen. Er wiÄ am Donnerstagabend in der Universität einen Vortrag H«U ten und wird dann «einer Einladung zu eurem geselligem Beisammensein in der Harmonie Folge leisten. Zu den, Veranstaltern des Vortragsabends gehört auch der deutsch,' ostasiatiscke Klub. ) Eine Leipziger Winterbahn- Der Leipziger Verein Sportplatz hat die Halle 9 auf dem Ausstellu ngSgeländH gepachtet und wird hier eine 190-Meter-Holzbahn e-nbaue». Die Zusch>au>-rräume werden 8—9000 Personen fassen? Neben verschiedenen anderen Rennen ist auch die Abhaltung! eines «Sechstagerennens in Aussicht genommen, das in dey Zeit vom 6. bis 11. Januar 1928 stattfinden soll. ) Zwei Aintxr überfahren. Ein schtverer Unfall er» eignete sich am 11. Juli in der vierten «Stunde in der Wur zewer Straße. Ein vierrädriger Handivagen, den ztvei 13- lährige Schulknaben nach sich zogen, wurde von einem aus wärtigen Personenkraftwagen von hinten angesahren. Hier durch wurde d-r Handwagen mit .seinem Vorderteil in die Höhe gehoben. Der eine Knabe wurde mit dem Wagen nach, rechts ans den Fußweg geschleudert, der andere wurde von dem Kraftwagen überfahre». Mit dein gleichen Kraft,! wagen wurden beide nach den, Kinderkrankenhaus gebracht. Der auf den Fußweg geschleuderte Knabe erlitt einen Unter schenkelbruch, der überfahrene innere Verletzungen. Düei polizeilich.'» Ermittlungen über die Schuldfrage sind noch im Gange. ) Eine Hochzeitsgesellschaft verunglückt. Wie aus Groitzsch gemeldet wird, verunglückte au der Kurve in deh Nähe dies Bahnüberganges bei Großprießligk eine Hochzeits gesellschaft auf der Fahrt zur Kirche nach Groitzsch. Infolge, der schlüpfrigen Straße geriet die Kraftdroschke ins Rutschen und wurde au «einen Straßenbaum geschleudert. Drei der Insassen wurden verletzt, indem fi« mit den Köpfen an die Glasscheibe stieße». Das Brautpaar kam mit den, Schreckest davon. ) Beisitzer der Obcrprüfstelle für Schund- und Schmutz schriften. Der Reichsmiwister des Innern hat Fräulein Hed wig Prieb:, Gauleiter!» des Verbandes der weiblichen Handels- und Büroangestellten «. V., zum Beisitzer der Oberprüfstelle in Leipzig für «Schund- und Schm Umschriften auf die Dauer von drei Jahren ernannt. ) Siebzigster Geburtstag. Oberstudieurat i. R. Professor «Schlenkrich, der von Ostern 1891 bis Ostern 1924 an der Oeffentlichen höheren Handelslehranstalt zu Leipzig gewirkt hat, wird am 14. Juli 70 Jahre alt. ) Hilfsmaßnahmen der Amtshauptmaunschaft Leipzig. In der letzten Sitzung des Bezirksausschusses wurde be schlossen, als Hilfe des Bezirks für die durch die Unwetter, Volk ohne Golk. Von «üa Mensch. (26. Fortsetzung.) Da packte tyn die Ungeduld. Es war wirklich schwie rig, sie in seine Eedankenbahnen zu zwinge». Immer kam sie auf das zurück, was für ihn längst abgetan war. „Es geht eben nicht, Senta, die Vernunft sagt nein." Um ihn nicht weiter zu verstimmen, mochte sie nicht daran erinnern, daß er im Frühling sie angefleht hatte, die Vernunft zum Teufel zu jagen. Sie begnügte sich mit der Frage: „Bert, könntest du es denn ertragen, mich in den Armen eines anderen zu wissen?!" Er murmelte etwas vom Entsagenmüssen, wenn die eiserne Notwendigkeit spräche. Laut sagte er: „Die Liebe sollte nie zum Egoismus werden. Warum käst du übrigens so brüsk abgelehnt? Wäre es nicht mög lich gewesen — eine kluge Frau versteht das ja so wunder voll — ihn noch etwas hinzuhalten, eine ferne Möglichkeit durchschimmern zu lassen . . ." „Fm Ernst, Bert, kannst du mir solche Winkelzüge doch nicht zutrauen!" „Winkelzüge! Warum gleich alles auf die Spitze treiben." Offenheit war ich ihm, mir und dir schuldig." „Nun gut," lenkte er ein, du hast eben von deinem im pulsiven Wesen dich leiten lassen. Ich fürchte nur, datz meine geschäftlichen Beziehungen zu Ebers durch den Korb, den er sich bei dir geholt hat, eine Trübung erleiden wer den." „Geschäftliche Beziehungen?!" staunte Senta, und seit wann bist du denn solche einaegangen? Ich dachte, du bereitest die akademische Laufbahn vor?" „Ich wollte dir erst davon sprechen, sobald ich greif bare Resultate in Händen hielt," log er. „Ach, Bert, es ist mir unendlich leid, wenn ick dir da »um Hindernis geworden bin! Aber ändern hätte ich mein Betragen gegen Ebers nicht können, noch wollen." „Ich fürchte nur, Senta, du bringst mir zu große Opfer." Dieses Wort konnte sie nun nach Belieben auffassen und deuten. Es verfolgte sie bis in den Schlaf hinein, den sie erst sehr spät fand. Aber mit der Nachsicht des liebenden Weibes, das nicht zweifeln darf, will es sich damit nicht voreilig um den Hochgewinn des Lebens betrügen, hatte sie sich bald alles zugunsten des Freundes zurechtgclegt. Seine Kälte erschien ihr als Klarheit, seine ängstliche Feigheit als Sorge um ihr Schicksal. Es gibt Zeiten in unserem Leben, wo wir überzeugt sind, daß die Dinge und Menschen in Wahrheit das vor stellen, was sie in unserer Einbildung sind. Und vielleicht ist dies das höchste Glück, das den Erden wanderern beschieden sein kann, aber es hat nur die Dauer eines schönen lebhaften Morgentraumes kurz vor dem Er wachen. Bestürzung und Freude hatten in der Brust Helms ge kämpft. als ihm Thea v. Born im „Romanischen Lass" ihren Besuch in Aussicht gestellt hatte. Daß Doktor Kalisch, anscheinend mit seinem Notiz buch beschäftigt, die leise gesprochenen Morte aufgefangcn batte, war ihm entgangen. Das Geschenk, das Thea dem Oberlehrer zugedacht hatte, bedeutete eigentlich für diesen eine Verlegenheit. Er wohnte in zwei möblierten Räu men, hatte kein sogenanntes sturmfreies Zimmer und wutzte nicht, wie er seiner Vermieterin, einer verwitweten Steuerrätin, diesen ungewohnten Damenbesnch erklären sollte. Schwestern hatte er nicht — das wutzte sie. — Und zu der üblichen Ausflucht der „Kusine" zu greifen, war zu dumm. Richard Helms Temperament wurde mehr vom Kopf als vom Blut aus geleitet. Durch ihr ungleichmätziges Be tragen hatte Thea überdies für Abkühlung gesorgt. Nach wie vor zwar vermochte sie es, ihn in Wallung zu versetzen, wenn sie cs darauf anlegte. Nur eins war verloren gegangen: die grenzenlose, zur Andacht sich erhebende, Anbetung, die ein reiner Menirst- leiner ersten Liebe entgegeybringt. Und für Männer vom Schlage Helms und Friescns ist das ein unersetzlicher Verlust. Thea v. Born war keine verdorbene Natur. Sie hatte einen gewissen Zug zur Höhe, der sich aber in bizarren Ex perimenten verlor. Alles was sie in der Kunst als Dich, tung und Tön — und es war nicht wenig — ausgenommen hatte, war nicht von ihr angewendet worden, ihr gesamtes Seelenleben auf eine höhere Stufe zu heben, sondern nur den Drang zum Außergewöhnlichen zu steigern. Da dieser Drang sich in keiner b'stimmten straffen Tätigkeit umsctzen konnte, nahm er einen bedrohlich abenteuerlicken Charak« ter an. Sie besaß viele sogenannte Eesellschaftssreundinneu, Gefährtinnen der Stunde, die jedes anvertraute Geheim nis skrupellos Weitergaben und auch für die eigene Persoy nichts besseres erwarten. Es fehlte, trotz oder wahrscheinlich gerade wegen des ausgedehnten Verkehrs, die treue und echte Fahrtgenossin. Um eine solche zu erringen, gebrach es Thea an der nötigen Hingebungsfähigkcit. Ganz vorübergehend hatte sic sich dem Einfluß von Senta Stahl untergeordnet. Das hörte auf in dem Augen blick. als sie mutmaßte, datz die Künstlerin ebenso wie sie selbst in verbotenen Gärten lustwandelte. So hatte sie sich in das ihre Nerven aufpeitschende Doppelspiel mit Helm und Schönholz hincingemagt, immer in der Voraussetzung, es nach Belieben abbrechcn zu können. Bei Albert Schönholz schien ihr das ja auch gelungen Es waren drei Wochen verflossen, seit sie nichts mehr von ihm gehört hatte. Er schien sich also damit abgefun den zu haben, datz sie ihm nicht mehr schrieb. Seine Er krankung hatte sie nicht erfahren, und da sie cs vermied, den Platz zu kreuzen, wo er als Dienstmann sich den Frem den anbot, konnte sie sich auch über sein Fehlen daselbst nicht verwundern. In ihrem Leben jagten sich die Eindrücke. Noch ehe einer so recht von Herz und Hirn verarbeitet wer den konnte, hatte ihn schon ein neuer verdrängt. Nichts nahm sie übermäßig wichtig nnd vermochte deshalb auch nicht glauben, daß andere durch ein Liebeserlebnis an einen Wendeounkt ihres Daseins gelangen könnten. (Fortsetzung ft lat.)