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Sächsische Volkszeitung : 15.07.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192707158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270715
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270715
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-07
- Tag 1927-07-15
-
Monat
1927-07
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.07.1927
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i«1 SSchslfche Dolkszetkung Das Kochwasser - Anglück vor dem Landlag Dresden, 14. Juli. Auf Wunsch des Ministerpräsidenten hat der LandtagSprästdent fltr Mittwoch mittag 1 Uhr den Z w i sch e n a u S sch u b des Landtages zu einer Sitzung zusainmmeugerufen. Aus der Ta gesordnung stand als einziger Punkt oie H o ch tv a s serka tu st r o p h e. LandtagSprästdent Schwarz eröffnet«: die Sitzung mit folgender Ansprache, die von den Mitglie dern des Ausschusses stehend angehört wurde: „Im östlichen Erzgebirge hat eine Unwetterkatastrophe Ver heerungen angerichtrt, wie sie trauriger und furchtbarer kaum auS- gedacht werden können. Wir stehen an der Bahre von 150 töd lich Verunglückten. Ganze Familien fanden mitten in der Nacht in hereinbrechenden tosenden Fluten und in zusammenftür senden Häusern ihren Tod. Aber auch in treuester Pflichterfüllung und in freiwilliger Hilfeleistung fand eine große Anzahl braver Männer rin tragisches Ende. Hunderte von Familien sind ihrer gesamten Habe und ihres gesamten Gutes beraubt. Sie stehen vor einem Nichts. Zusammcngcbrochene Häuser, vernichtete Fa briken und Industrieanlagen, aiifgcrissene Straßen, weggeschwemmtc Eiscnbahiianlagen, völlig verschlammte und der Ernte beraubte Felder zeigen den Weg, de» die unheimlichen Flute» nahmen. Die Mitglieder des Landtages haben sich zum Zeichen der Trauer von ihre» Platze» erhoben. Im Namen des Landtages spreche ich hiermit in erster Linie den Angehörigen der so grausam aus dem Leben gerissenen das tiefste Mitgefühl aus. Zu gleicher Zeit aber gebe ich das Versprechen, daß der Landtag alles tun wird, um den Hinterbliebenen und sonstigen Geschädigten durchgreifende und schnelle Hilfe zu bringen." Nach kurzem Hinweis des Präsidenten aus die Bestimmung der Verfassung, »ach welcher der Zwischenausschusl die Geschäfte des Landtages fortzufichrcn hat, dankt ^ Ministerpräsident Heldt dem Landtagspräsidenten für seine. Worte der Teilnahine und er klärt, die Regierung werde dafür sorge», daß der schwer betroffe nen Bcrkllcruiig rasch und ausgiebig geholfen werde. Im großen un > g - eu sei die Regierung jetzt über den Umfang der Katastrophe nnicrrnl'tct. Wenn die Nachrichten zunächst spärlich eingegangen seien, so sei dies daraus zurückzuführen, daß jede Verbindung fehlte. Die Regierung habe dann zunächst sämtliche verfügbaren Polizet- mannschasten zur Hilfeleistung eingesetzt und auch die Reichswehr sei in das zerstörte Gebiet abgegangen. In dankenswerter Weise hätten sich auch viele private Organisationen in den Dienst der Nächstenliebe gestellt. Er spreche namens der Regierung allen Helfern Dank und Anerkennung aus. Beim Besuche der Regierungsvcrtrctcr habe das Ueberschwem- mungsgcbiet ein Bild furchtbarster Zerstörung geboten. Die Bevölkerung habe sich noch in einem Zustande der Erstarrung befunden, sodaß mit ihr kaum zu reden war. Hinsichtlich der ange- richtcten Zerstörung könne er auf die Darstellungen der Presse ver weisen, die ein anschauliches Bild geliefert hätte, das eher noch zu matt war, weil Worte das große Elend nicht recht schildern könn ten. Für den Ausschuß bestehe nun die Frage, wie eine solche Katastrophe entstehen konnte? Die Regierung habe so fort durch Fachleute die Ursachen festzustellen versucht, doch ginge» die Urteile zurzeit noch auseinander, nur soviel gehe aus ihnen hervor, daß die Katastrophe durch Niederschläge hervorgcrufcn wor den sei, die bedeutend größer waren, als man nach den bisherigen Erfahrungen befürchten konnte. Verstärkt wurde die Gefahr durch die abgcschwommenen Holztetle und anderes Material, das Ver setzungen und Stauungen hervorrief. Gegen solche Fluten gebe es keinen Schuh, auch nicht durch Talsperren. Nur durch ein ganzes System von Talsperren seien solche Katastrophen einiger maßen vermeidbar. Leider seien so weitgehende Forderungen aber nicht erfüllbar. Die Erhebung über die Schäden sei noch nicht abgeschlossen. Zur Wiederherstellung der Straßen seien alle erreich baren Kräfte eingesetzt, sodaß mit Hilfe von Holzbauten der Ver kehr in etwa 14 Tagen wieder möglich sein dürfte. Auch an der Wiederherstellung der Telephon- und Telegraphen- anlagen werde rüstig gearbeitet. Die Wasserläufe seien stark be schädigt. Um bei einem etwaigen Wiedereintritt von Regenwetter allen Gefahren zu begegnen, würden die Flußbetten schleunigst ge räumt. Das Gcsamtministerium habe Vorkehrungen getroffen, um eine Zusammenarbeit aller Kräfte zu gewährleiste». Die Regierung Aue. 11. Juli 1S27. Ein großer Festtag für den katholische» Pfarr- bezirk Aue i. Erzg. war der letzte Sonntag. Galt es doch dte zwanzigste Wiederkehr des Tages, an welchem der hochwüvdige Herr Pfarrer Wenke zur Begründung der katho lischen Gemeinde nach Aue berufen wunde, würdig zu begehen. Da bekannt war, daß Herr Pfarrer Wenke selbst einer schlichten Feier des Tages seine Zustimmung versagen würde, mutzten alle Vorbereitungen in aller Stille getroffen werden. Und erst am Sonntagmorgen nach 7 Uhr, nachdem Herr Pfarrer Wenke zum Gottesdienst nach Eibenstock gefahren ,var. konnte die Ausschmückung der Kirche vorgenommen werden. Bei seiner Rückkehr gegen 10 Uhr wurde Herr Pfarrer Wenke durch Mitglieder des katholischen Männervereines empfangen und ins Pfarrhaus geleitet, wo Herren des Kir- chenvorstondes ihn kurz begrüßten. Die Ministranten mit dem Kreuz voran, weißgekleidete kleine Mädchen, rosengeschmiickt, führten den Jubilar und die beiden hochwürdigen Herren Pfarrer Walter. Schwarzenberg, und Kaplan Donath. Zwickau, in feierliche«» Zuge gefolgt von den Kirchenvätern in die bis auf den letzten Platz gefüllte, festlich gesclMückte Kirche. Vor deni Hauptaltar sclpvebte in grüner Umrahmung ein feurig beleuchtetes Transparent mit der Inschrift .^0". das an oas zwanzigjährige Jubiläum in wirkungsvoller Weise er innerte. Ein feierliches Levitenhochamt folgte, das erste Levi tenhochamt in unserer Auer Kirche. Das war eine wirkliche Dankesfeier und das alte Düsseldorfer Kirchenlied „Alles meinem Gott zu Ehren in der Arbeit, in der Ruh " gab dem iirpersten Empfinden wohl eines jeden unter uns Ausdruck. Verschönt wurde der Gottesdienst durch einen würdevollen Vortrag einer feierlichen Messe von Grube r. Unter Mitwirkung eines gut eingespielten Streichquartetts und unter der Leitung des bewährten Organisten Herrn Ioh. Schmickler nahm der Kirchenchor besonders durch das kraftvolle „Sanktus" aller Herzen und Sinne gefangen. Der Festpredigt legte Kaplan Donath ein Pauluswort über die Bestimmung des Priester tums zu Grunde und wies in geistvoller, begeisterter Rede auf die hohen, über auch schweren Aufgaben in der Diaspora hin. Und als er zum Schluß Herrn Pfarrer Wenke den aufrichtigen Dank der Gemeinde für fern unermüdliches Wirken aussprach und Gottes Segen auf ihn herabflehte, da waren alle Gläubi gen von hehren Wünschen beseelt und innerlich ergriffen von der Weihe des Tages. Unter-den Klängen des Dresdener Segensliedes „Gib Herr uns deinen Segen" geleitete die Gemeinde ihren Pfarrer aus der Kirche. Bor dem Pfarrhaus begrüßten die festlich geklei deten Kinder ihren Lehrer und Seelforger durch ein eigens für diesen Tag verfaßtes Gedicht und überreichten einen Rosen strauß. Im Gemeindesaal hatten sich die Vorstände der Vereine von Aue. Lauter und Zivönih versammelt und beglückwünschten den Jubilar im Namen der Vereine des Pfarrbezirkes Aue. Als äußeres Zeichen der Dankbarkeit wurden einige Geschenke überreicht. Am Nachmittag fand ein Dankgottesdienst statt, bei welchem zrnn erstenmal der Seitenaltar mit einer herrlichen Marienstatue geschmückt war. die Herr Prokurist Nebeling zu dem Festtag gestiftet hatte. Ein feierliches Tedeum beendet» dte erhebende Feier. Zum Abend hatte das Festkomitee von Haus ,zu Hai^ einladen lassen und der Saal des „Muldental" ivar kaum groß genug, um die von nah und fern .zahlreich erschienenen Feslteikr nehmer oufzunehmen. Als der Jubilar in Begleitung von Herrn ErzpriesteL Rücker, Zwickrau, im Festsoal erschien, wurde er von der necck gegründeten Gesangsabteilung des Iünglingsvereins mit dem! Liede „Gott grüße dich" empfange». Herr Kaufmann Huhni begrüßte als Borfitzender des Männervereins die zahlreicheck Gäste mit herzlichen Worten. Gleichzeitig überbrochte er Herrn! Pfarrer Wenke die Wünsche der Auer Gemeinde und gab der! Hoffnung Ausdruck, daß der Jubilar noch viele Jahre sein Amt in Aue verwalten und sein goldenes Jubiläum hier erleben möchte. Der Kirchenchor trug, dem Charakter des Tages ent sprechend. unter der bewährten Leitung von Herrn Lehren Rötzner den Mendelssohnschen Chor „Dies ist der Tag des Herrn", wirkungsvoll vor. Herr Prokurist Nebeling gab einen kurze» geschieh^ lichen Ueberblick über die Entwickelung der katholischen Ge meinde Aue und würdigte in schlichter Weife das aufopferungs volle Wirken «des Herrn Pfarrer Wenke. Auch der Iungfraue«- verein trug durch das sinnvoll« Weihefpiel .Die Opfer,lamme" sehr zur Verschönerung des Abends bei. Alle Mitspielcndeni gaben mit ganzem Herzen den Sinn der allegorischen Dichtung! wieder und erhöhten dadurch die Feierstimmung bei alle« Anwesenden. Im Anschluß daran übevbrachte Herr Erzpriester N Ücker, die Glücknvünsck-e der katholischen Geistlichkeit im Archipres- byterat Zwickau und feierte in herzlicher Weise den Jubilar sowohl als Pfarrer wie als seinen persönlichen Freund. Herr Prinzen sprach für die Katholiken der Zweigstation Zwönitz: Herr Lehrer Rößner fand für «dos schwierige Wirken des Pfarrers treffende Worte. Frau Oberregterungsrat Sedelck inayr als Vorsitzende des Frauenvereins versprach dem Jubi lar auch weiter treue Hilfe bei der sozialen Fürsorge in dev Gemeinde. Herr Fabrikant Herborn, Zwönitz, feierte, ob- wohl andersgläubig, den Pfarrer als Mensch und gab seiner Hochachtung vor dem Wirken des katholischen Geistlichen in, warmen Worten Ausdruck. Nach dem trefflichen Bovtrog des Bundesliedes durch die. Gesangsaüteilung des Illnglingsvereines erfreuten Kinder und Jungfrauen der Lauterer Gemeinde durch passende Gedicht«.- Herr Dr. Debuch richtete die herzliche Bitte an den Jubilar i« Aue bodenständig zu bleiben und dafür zu sorgen, daß er dev katholischen Gemeinde erhalten bliebe. ZahlreiM Briefe und Telegramme brachten Glückwünsche: so die Sclmxrrzenberger katholischen Vereine, viele früher im Auer Pforrbezirk ivohn» lwfte Glaubensgenossen, augenblicklich auf Reifen befindlich« Katholiken, so z. B. Erbprinz v. Schönburg-Hartenstein, Frei frau von Scyönberg-Thammenheim und zahlreiche andere. In bewegten Worten dankte Herr Pfarrer Wenke für di« vielen Beweise der Anhänglichkeit und Treue. Mit dem herr lichen Chor unseres Beethoven „Die Himmel rühmen des Ewige« Ehre" fand der Festtag einen würdigen Abschluß. Hobe sofort 266000 Reichsmark zur Linderuna der ersten Not zur Verfügung gestellt und weitere Mittel seien flüssig gemacht worden, und zwar vom Reiche und auch von der Landesverstcherungsanstalt. Die Schäden seien aber so groß, daß die öffentliche Hand allein nicht Helsen könne. Deshalb habe die Regierung überall Geld- sammlungen eingeleitet. Die Regierung wolle zunächst 10 Millionen Mark zur Berfüguüg stellen, um die Schäden zu beseitigen und den Wiederaufbau in die Wege zu letten. Er bittet den Landtag, sich «nit den Maßnahmen der Regierung ein verstanden z» erklären. Die Opfer an Menschen freilich seien so groß und unersetzlich, daß Volk und Regierung sie nur in stummer Trauer hinnchme» könne. Präsident Schwarz legte hierauf die drei beim Landtag eingegangenen Anträge vor, zu denen sich Abg. Renner (Komin.) und Präsident Schwarz kurz äußerten. Darauf gab Ministerialrat Sarger einen kurzen Ueberblick über die Entstehung des Unglücks. Diel sel nicht allein durch die Menge der Niederschläge hervorgerufei worden, sondern vor allem dadurch, daß aus den Zuflußgebietei Baumstämme, StrSucher usw. angeschwemmt wurden, die Verset zungen und Stauungen verursachten. Dt« Anstauungen waren ao manchen Stellen bis 8 Meter hoch. Dadurch wurde eine Zeit lang das Wasser zurückyehatten, bis es Plötzlich mit verstärkter Ge- Walt durchbrach und sein ZerstürungSwerk vollendete. Im Müg litztal sind 27, auf den anderen Bahnlinien 9 Eisenbahnbrücken weg- gerissen und kortgeschwemmt worden, außerdem im Müglitztal 31. im Gottleubagebiet 10 sonstige Brücken. Me Stadt Berggieß hübel ist längs der Gottleuba und der Staatsstraße vollständig vernichtet. Beim Mederausbau wird man sich vor allen vor Augen halten müssen, daß die von Alter« her viel zu engen Brücken u,ü> festen Wehre in bewegliche umgewandelt werden. Ferner müssen« die Häuser aus dem Flußgebiete h e r a u S genommen« werden. Im Müglitztale seien fett längerer Zeit Talsperren Trott. Eine litauisch« Stadt. ?. 2'. Wilna, im Juli. Wer auf den unvorsichtigen Gedanken gerät, im Auto in die Umgebung Wilnas zu fahren, muß nicht nur gute Nerven, sondern vor allem dauerhafte Knochen besitzen. Entspricht schon die Chaussee in Konßretzpolen nicht immer den primitivsten mo to rsportlichen Ansprüchen, so sind die Straßen in den polnischen Ostmarkon meist von geradezu grotesker Ursprünglichkeit. Für die langen schmalen Karren und die zähen Muskeln der kleinen, erstaunlich .zugkräftigen Pferde dieser Gegenden sind diese soge nannten Straßen gerade recht. Niemand scheint aber von ihnen zu verlangen, daß sie auch dem bedeutend zarteren und anspruchs volleren Gliederbau und der arroganten Bonzinseele eines Kraft wagens gewachsen sein müssen. Verirrt sich einmal — was ja nicht oft geschieht — so ein „modernes" Fahrzeug auf diese Straßen, so muß es eben springen und klettern lernen. Auf mein vorsichtiges Umfragen wird mir versichert, daß die so viel belachten Fordwagen, trotz ihrer blcchigen Proportionen, noch am ehesten di« Strapazen einer solchen Fahrt überleben. Tat sächlich erwies sich auch dieser fachmännische Rat als vollkommen richtig, und soweit es mir mein erschütterter Organismus und meine ängstliche Beklommenheit auf der Fahrt erlaubten, sang ich Meister Ford ein hohes Lied der Anerkennung. Gleich nach Wilna scheint die Straße ihre eigentliche Be stimmung vollkommen vergessen zu haben und wird zu einem ab wechslungsreichen Hoch- und Tiefsprungterrain. Sonderbarer weise schien das auf unseren Mauffeur keinen tieferen Eindruck zu machen, da er in größter Ruhe den Wagen in ganz zweck widriger Eilfertigkeit über dieses Minentrichterfeld hetzte. Daß er dabei oft wie ein Gummiball über das Steuerrad hinwegzu- hüpfen drohte, schien ihn nur höchstlichst zu belustigen. Meine bescheidene Bitte, ich möchte mir auch mal die Gegend anschauen, ignorierte er. Biel gibt es ja allerdings nicht ui sehen, aber wir sind in Kongrehpolen mit landschaftlichen Reizen nicht ver wöhnt. Zweifellos trägt die Eben« hier «inen viel eigenartigeren Charakter, und di« meist üppig bewaldeten, sanften Hügelketten unterbrechen vorteilhaft das fruchtbare Ackerland. Dazwischen liegen verstreut in schamhafter Bescheidenheit klein« HolKütten mit verschossenem Strohdach. In lustigem Farbenkoatrast tau chen hier und dort di« grellroten Kopftücher der Bauernmädchen auf. in emsiger Feldarbeit auf und nieder schnallend, zwischen gelbem Korn, rotem Mohn und laftiaavünen Gurkenblätternl Einmal schimmern schlanke Ba'rocksäulen aus dunklem Dlät- tergviin, wie ein Märchenschloß liegt ein Herrenhaus hinter einer roten Mauer und einem dichten alten Park verborgen. Ein, zwei Dörfer passieren wir, deren überwiegend silbische Bewohner mit breitem Grinsen die verzweifelten Sprünge unseres wackeren Ford quittieren. Kurz vor unserem Endziel scheinen sich noch einmal all« Straßenrobolde zu unserem Verderben vereint zu haben. Wir sind auf einen jener berüchtigte», sogenannten Klavierwege «ge raten, über dessen lose zu sammengefilgte Unterlage aus morscher Daumstämmer unser Wagen mutig charlestont. Mit grausamer Berechnung appelliert unser Chauffeur an «nein Naiionalbswmßt- sein, indem er mir erzählt, daß diese Straßenbauart deutsche Ar beit sei, womit im Kriege der Transport von Geschützen und schweren Fuhrwerken am den grundlosen Straßen ermöglicht wurde. Ein« weitgeschwungene Steinbrücke, die sich mit verwitter ten Quadern über tiefblaues Wasser dehnt, führt uns an unser Ziel — Troki. Einst die Residenz der mächtigen litauischen Großfürsten, und längst erbaut, als Wilna noch nicht war, erinnern heute in dem kleinen ärmlichen Städtchen nur mehr die massige Stem- kirche. von Witold dem mächtigen Litauer erbaut, und einige brüchige Ruinen an Trolls große Dergangenheit. Hinter den unscheinbaren Häusern und Hütten aber liegt ein Juwel an Noturschönheit, das in diHer an Abwechslung so armen Gegend unbeschreiblich schön, ja fast bizarr wirkt. Dunkelgrüne Muten, viele Kilometer weit, «in kleines Meer, der See von Troki. Zauberhafte kleine Inseln mit pinienartigen Föhren, zitternden Birke-nstüminchen und dunklen Felstrümmern schwimmen wie Döcklinsche Mddelle im See. Ein frischer, kühler Wind springt von Insel zu Insel über die Wasser, tollt ausgelassen mit den Wellen und wirft spielend mit stlbergrauen Möven, oie in kunst vollem Flug« seinen Uobermut verspotten. Fern am Horizont treten die großen Kiefernwald»ngcn Litauens an den See. In mitten dieses Zauberreiches aber, auf der gißten aller Insel träumt — ganz wie es da» Märchen will — ein« mächtige Burg. Türme und Mauern aus rotem Ziegelstein greifen in «den Him mel, und dichte, Unterholz scheint die Ringmauern zu be schatten. Erst als wir un» im Kahn« der Insel nähern, schrumpft di« stolze Silhouette zur traurigen Ruin«, dte mit geborstenen Fun damenten von urdentlichen Zeiten raunt. Hier stand die Burg der litauischen Herzog«, hier war da« Zentrum eines Reiche», das von der Ostsee di» nach Kiew seine Grenzen zog. Drei.mäch- ttoe Türm« mit meterdicken Mauern lallen di- oewaltiaen lkar men Des Schlosses erkennen. Hoch aur 'ttem Zellen innrv der eigentlich« Pallas, wie noch gut erhaltene Fresken in den ver fallenen Prunkgemächern bewerfen. Tief unten liegt der See und seine dunklen Wasser liebkosen die altcrsmüden Steine. Auch einen Burgwart hat di« traurige Ruine, einen braven, wetterharten Gesellen in der polnischen Uniform mit den ver schlafenen Augen des Weißrussen. Geschickt mit einigen deutschen Brocken jonglierend, gedenkt er der schönen Zeiten, die er als Kriegsgefangener in Boden verlobte. Wie in den messt«n Orten in der Umgebung Wilnas ist auch! kn Troki der wert überwiegende Teil der Bewohner Misch. Streng von diesen geschieden, ja sogar in gegenseitiger Feind schaft, wohnt in einem eigenen Viertel die Mische Sekte der Karat men. lieber ihren eigentlichen Ursprung ist man sich nicht klar. Eine Theo«« erklärt sie als die Nachfahren der Samaritaner. Ihren eigentlichen Wohnsitz hatten sie ans der Krim, wo auch heute noch ihr religiöses Oberhaupt, der Hacham, residiert. Bon dort brachte sie Wikold von Litauen anfangs des 14. Jahrhunderts nach Polen. Heute sst diese merkwürdige Sekte nur mehr in Troki und Chalkcz bei Lemberg anzutreffen. Sie unterscheiden sich von den Juden, außer in einigen zmwmo- nielten Gebräuchen hauptsächlich dadurch, daß sie den Talmut verwerfen. Da sie nur untereinander heiraten dürfen, haben sich ihre Rassenmerkmale in seltener Reinheit erhalten. Allerdings nimmt durch dieses Gebot ihre Anzahl ständig ab. Groß und schlank, von seltener Schönheit und körperlichem Ebenmaß, er innern sie kaum mehr an ihren semitischen Ursprung, sondern tragen vielmehr rein orientalischen Charakter. Auch in ihren Sitten und Gewohnheiten unterscheiden sich die Karolinen auf fallend von ihren semitischen Stammesbrüdern. Sie sind streng national gesinnt, arbeitsam, reinlich und leben rm besten Ein verständnis mit ihren polnischen Rachbaren. Wir besuchten Haz- san Karaimski, den Priester der Karaimcn von Troki, in feinem bescheidenen Hotzhäuschen und waren erstaunt, peinlich saubere und sehr wohnliche Räume vorzufinden. die in krassem Gegen satz zu den schmutzigen Behausungen der polnischen Inden stan den. Daß di« Sekte rn besten Beziehungen zu den polnischen Mit bürgern steht, beweist di« Tatsache, daß mehrere Karolinen trübe« politische Stellen in Wilna einnehmen Feucht und kalt bläst der Wind vom «See heraus. Blutrot sicht die Sonn« nah« den schwarzen Wäldern, und die roten Ziegelmauern de» einsamen, toten Schlosse» leuchten wie di< Zinnen der Dolomiten. Fröstelnd hüllen wir uns in unser« Mäntel und jucken mit sehr geteilten Gefühlen wieder unseren Ford auf, der wie ein« Knenae auf der Strave ktcbt «und komikbe lange Schatten wt-l»
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