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Sächsische Volkszeitung : 09.09.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192709099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270909
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270909
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-09
- Tag 1927-09-09
-
Monat
1927-09
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.09.1927
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Für die konfessionelle Schule Grober katholischer Ellernabend. Dortmund, 7. September. Eine der letzten Hauptversammlungen aus Anlatz des Katholikentages war der von der katholischen Schulorgani- sation am Dienstag abend in di« große Halle der Westfalen- Halle berufene glotze katholische Elternabend, der von 10 000 bis 12 000 Personen, unter denen man u. a. Reichs kanzler Dr. Marx, Ministerpräsident a. D. Dr. Stegerwald, Präsident des Badischen Landtages Dr. Baumgartner, Diözesan- bischof Dr. Kaspar Klein, Weihbischof Strähter, Aachen, Abg. Rheinländer, den Generalsekretär der Schulorganisation Prälat Dr. Böhler, Staatspräsident des Badischen Landtages Dr. Trunk, Stadtrat Dr. Kaiser, ferner Vertreter und Vertreterinnen der Lehrer- und Lehrerinnenverbände bemerkte, besucht war. und sich zu einer machtvollen Kundgebung für die Erhaltung » der konfessionellen Schule und über die Selbstbe stimmung der Eltern über die Erziehung ihrer Kinder aus- wuchs. Prof. Dünnebacke, Dortmund, begrlltzte'die Versammelten und wies weiter auf di« Bedeutung des Abends hin, der den Beweis erbringen solle, daß die kaih. Eltern den festen Willen hätten, sich bewußt für die kath. Schul« einzusetzen. Mittelschullehrerin Amalie Potz, Stuttgart, behandelte in einem tiefgründigen Vortrage voll inneren Inhalts und Herzenswärmr das Thema „Katholische Schul« und Kinder seelen". Wiederholte Beifallskundgebungen bewiesen, wie die Vortragende allen aus dem Herzen sprach. Stürmisch wurde Reichskanzler Dr. Marx, 1. Vor sitzender der kath. Schulorganisation, begrüßt, der über „Er ziehungspflichten der Eltern im deutschen Volksleben" sprach und u. a. aussllhrte: Durch die Verfassung von Weimar ist unser Erziehungs- und Schulwesen aus eine neue Basis gestellt worden. Der Meinungskamps wird sich im Reichstag vor allem um die Aus legung der verschiedenen getroffenen Regelungen über die Volks schule drehen. Die Weimarer Verfassung stellt Grundsätze auf für die Erziehung, die für uns autzerordentlich wertvoll sind und einen Zustand schaffen, der sich in erfreulicher Weise davon unter scheidet, was bis 1919 bestand. Di« Reichsverfassung stellt den Grundsatz der Gewissensfreiheit auf. Jedem Kind soll die Erziehung zuteil werden, die die Eltern bestimmen. Das ist ein natürliches Recht der Eltern. In der Reichsverfassung ist ferner das Recht niedergelegt, daß di« Eltern die Errichtung von Konfessionsschulen in solchen Gemeinden ver langen können, wo sie bischer nicht bestanden, und daß sie ferner über die Art der konfessionellen Erziehung ihrer Kinder bestimmen können. Die Schule verfolgt den Zweck, die Kinder zu erziehen: darin sind sich nicht nur alle christlichen Kreise einig, sondern auch liberale Kreise. Auch in der Lehrer- und Eltern schaft ist die Erkenntnis verbreitet, daß die Schule nicht allein dazu da ist, nützlich« Kenntnisse zu vermitteln, sondern sie soll vor allem auch Erziehungsmittel sein. Vom christlich katholischen Standpunkte aus sagen wir: Das Ziel der Erziehung liegt klar vor uns: es ist gegeben durch die Fragestellung: „Wozu sind wir auf Erden?": Um Gott zu lieben, ihm zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen. Die Schule soll das Mittel sein, um möglichst vollkommen dieses Ziel zu erreichen. Das kann sie aber nur, wenn sie möglichst nahe sich an die Eltern an schmiegt. D i c Schule kann am besten di« Eltern vertreten und ihre Erziehung fortsctzen, die dafür sorgt, daß die Kinder in ihrer Konfession erzogen werden. Das katholische Volk in ganz Deutschland stimmt in diesem Punkte überein wie in keinem: Das katholische Volk will die konfessionell« Schule. Die katholische Schule für katho lisch« Kinder! Daran hält das katholische Volk unter allen Um ständen und unerschütterlich fest. In den Reden der letzten Tage ist von neuem der Beweis erbracht, daß es sich bei der Frage der Schule nicht um eine politische, sondern um eine religiöse handelt. Wir sagen: Die religiös« Erziehung der Kinder und di« Sicherung dieser Erziehung bestimmt die Kirche, deshalb darf es auch für das katholische Volk in dieser Frage keine Meinungsverschiedenheit geben. Die Kirche aber stellt dar der Episkopat, der die katholisch« Schule für katholische Kinder fordert. Sie werden in den nächsten Monaten bei den Beratungen über das Neichsschulgesetz hören, welche Vor züge eine Simultanschule habe, wie sie im Sinne der Einmütig keit wirke usw. Das ist aber ein Irrtum. Die Erfahrungen der Pädagogen sprechen entschieden dagegen. Der konfessionelle Friede wird nicht durch die Konfessionsschule gestört, sondern durch die, die nicht fest auf dem Boden der Konfession stehen. Wer fest aus dem Boden seiner Ueberzcugung steht, der achtet auch die Meinung und den Standpunkt des anderen. Ihr, Eltern, habt die Kinder erhalten von Gott, Ihr werdet über die Erziehung Rechenschaft oblegen müssen. Diese Verpflichtung ist schwer. Ihr tragt eine ungeheure Verantwortung. Ihr seiS Stellvertreter Gottes und habt für Seelen zu sorgen. Ihr sollt durch Euer Beispiel Eure Kinder erziehe»: das Beispiel der Eltern ist das erste Erziehungsstadium. Dann tritt die Schule in lätigkeit. Nachdem Reichskanzler Dr. Marx dann noch auf die Be deutung der E l t c r n b e ir ä 1 e usw. «ingcgangen ist, bringt er zum Schluß mit besonocrer Betonung zum Ausdruck: wie das Neichsschulgesetz wird, weih niemand. Der Entwurf entspricht allen berechtigten Ansprüchen. Er trägt denjenigen Rechnung, die die S i m u l t a n s ch u l e wollen, denen, die die weltliche Schule wollen, denen, di« die Konfessionsschule wollen. Ist er genehmigt, dann erwächst die heiligste Ee- wissenspflicht, in Gemeinden, in denen es noch keine konfessio nellen Schulen gibt, solche einzurichten. Wenn die Abgeord neten ihre Pflicht nicht tun sollten, dann werden di« Eltern es nicht mehr ertragen und sich zu wehren wissen. Ueben Sie Ihre Rechte aus, dann sind Sie verpflichtet, dann wird etwas Gutes herauskommen für Reich, Kirche und Staat und das ganz« Volk. Nachdem dann noch Dr. Stegerwald im Namen des Präsidiums des Katholikentages und Weihbischof Dr. Strähter- Aachen i« Auftrag« des Diözesairbischofs gesprochen haben und der bischöfliche Segen erteilt ist, erhält die eindrucks volle Kundgebung mit der Erneuerung des Tausgelübdes «inen erhebenden Ausklang. Sie Generalversammlung des Larilas- verbanlies. Präsident Prälat Kreutz-Paderborn eröffnet die gutbesuchte Generalversammlung des Caritasverbandes im Goldenen Saale der Westfalenhalle. Er geht in längeren Ausführungen auf die Arbeit des Caritasverbandes ein und gibt in großen Zügen den Jahresbericht. Besondere Begrüßungsworte widmete er dem Präsidenten des Katho likentages, Ministerpräsident a. D. Dr. Stegerwald, Erz bischof Pisani, Bischof Dr. Klein, Oberpräsident Eronowski und der Reichstagsabgeordneten Frau Neuhaus. Minister präsident Dr. Stegerwald entbietet der Versammlung die Grüße und Glückwünsche der 66. Generalversammlung der deutschen Katholiken. Diözesanbischof Dr. Klein verbindet mit seinen Grüßen den Dank an den Caritasverband für seine segensreiche Tätigkeit und spendet der Versammlung den bischöflichen Segen. Generalsekretärin des Deutschen Nationalverbandes der katholischen Mädchenschutzvereine,, Frau Helene Hoff man«. bebandelt dann das Tbema: Hilfe für stellen- und obdachlo'e Annen Das starke sittliche Abwärtsgleiten des Volkes erfüllt uns Katholiken heute mit Recht mit ernster Besorgnis. Eine der tiefeinschneidenden Ursachen dieser Demoralisation ist neben der Mißachtung aller Familientradition und Ehrfurcht, neben der mangelhafte» oder auch gänzlich fehlenden elterlichen Erziehung die langanhaltende Arbeitslosigkeit. Eie stößt eine große Anzahl Menschen aus der Familie, aus dem Heim rücksichtslos auf die Landstraße und in die Großstädte hinaus. Diese heimatlosen Menschen werden deshalb obdach los und h a l t lo s! Während für die männlichen Wandernden und Ob dachlosen verhältnismäßig viel getan wird, ist der Frag« der weiblichen Wandernden wenig Beachtung geschenkt wor den. Es fohlt in weiten Kreisen des Volkes das Verständnis für die Art und die Ausmaße der durch dir Obdachlosigkeit bedingten Frauenoerwahrlosung, für die Gefahren und Schäden, die sie für das Volkswohl be deutet. Eines ist aber unumgänglich: unser Leben mutz von der Erkenntnis getragen sein, daß wir für die soziale und seelische Not des Nächsten mitverantwortlich sind. Die Mehrzahl der weiblichen Wanderer gehören noch zu der Kategorie der B i» n e n w a n d e r c r. Diese Bewegung ist zurzeit sehr gewachsen. Nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 hat das weibliche Geschlecht im Vergleich zum Jahre 1910 Wandeumngsgewinne von insgesamt 167 422 zu verzeichnen. In die Stadt Berlin sind allein vom 1. Dezember 1910 bis zum 16. Juni 1925 220 402 weibliche Personen zugewandert. Das bedeutet eine Zunahme der weiblichen Bevölkerung durch Wan derung um 11,27 Prozent. Von der Zuwanderung aus allen Reichste!!«» entfällt ein erheblicher Teil aus den Osten Deutschlands, besonders aus den abgetretenen Gebieten. Da es Gegenden mit vorwiegend katholischer Bevölkerung sind, ist der katholische Volksteil in dieser Bevölkerungsbewe gung mit großem Prozentsatz, vertreten. Neben der wirtschaft lichen Not ist es Abenteuerlust und Vergnügungs sucht, die diese Mädchen in die Städte treibt. Als eine der Folgeerscheinungen dieser Abwanderung in die Städte zeigte sich bald eine starke Lockerung der sittlich-religi ösen Grundlagen, Zunahme der Mischehe» und z. T. sittliche Entgleisungen. Die Binnenwanderung der Frau steht in engster Beziehung zu dein außerhäuslichen Beruf der Frau. Das einseitig« und zum Teil bewußte Konzentrieren der Lcbensinteressen der Frau aus den außerhänslichen Berus (der Rückgang -er Zahl der Hausangestellten um rund 12 Prozent ist dafür bezeichnend) bedeutet eine Gefahr für den Bestand der Familie und ihre Au-f gäbe für die Gemeinschaft. Die Lösung der mit der Binnenwanderung in unmittel barem Zusammenhang stehenden Frag, der sittlichen Gesunderhaltung unserer Frauen ist keine Privatangele genheit, sie kann nur gelöst werden, wenn jeder Verantwor tungsbewußte aus innerer Einsicht heraus an der Lösung mit- arbcitet. Für die Arbeite- und Erwerbslosen kommen die Ein richtungen zur Regelung des Arbeitsmarktes in Frage. Wenn durch die äußere Not auch ihre seelisch« Not gesteigert ist, wer den sie aus dem Kreis der rein «rbcitsrechtlichen Vcrsorgungs- berechtigten hcrausgchoben und müssen von der Caritas be treut werde». Das Arbeitsnachweisgcsetz von, 22. Mai 1922 gibt uns diese Möglichkeit, indem es den Bestand der nicht gewerbsmäßigen Stellenvermittlungen, zu denen auch unsere katholischen sozial-caritativen Stellenvermittlungen ge hören, zugesichert hat. Der stärkere Ausbau dieser unserer sozial- caritativen Stellenvermittlungen ist auch besonders notwendig im Hinblick auf die Gefahren, die mit den Stellenangeboten durch Inserate in den Tageszeitungen verbunden sind. Einige Zeitungen haben sich bereit erklärt, von Zeit zu Zeit oder auch ständig, in ihrem Organ Hinweis« zu bringen, die etwa folgenden Wortlaut haben: „Für die Stcllenvermittlungs- anzcigcn muß die Redaktion und die Geschäftsstelle jede Ver antwortung ablehnen, da ihr Austrageber, auch wenn sie mit Namen zeichnen, meist unbekannt sind. Vor Annahme einer Stelle ist daher gewissenhafte Erkundigung bei dem Pfarrer, in dessen Pfarrei die Herrschaft wohnt, oder bei einer katholi schen cariiativen Stellenvermittlung unerläßlich notwendig. Dasselbe gilt sür die Herrschaften, die Hausangestellte suchen." Man darf erwarten, daß die gesamte katholische Presse in An betracht der Verantwortung, die sie mit der Veröffentlichung des Inserates übernimmt, in ähnlicher Weise Mitarbeiten wird. Zu begrüßen sind die Fortbildungskurse sür erwevbslcsse Frauen und Mädchen, die in Verbindung mit den öffentlichen Arbeitsnachweisen in verschiedenen Städten zum Teil unter Mitwirkung der Mädchenschutzvereine durchgeführt werden und den Zweck haben, den Erwerbslosen wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Die weiblichen Dinnenwanderer werden in den größeren Städten von der Bahnhossmission z. T. ersaßt und betreut. So haben z. B. im verslossenen Jahre die vereinten Bahnhofs- missioncn ca. 450 000 Hilfeleistungen verzeichnet und über 150 006 Unterbringungen. Durch diese vorbeugende Mädchen schutzarbeit der Bahuhossmissionen, der sozial-caritativen Ver mittlungen und der Heime können dem Volksganzen wertvolle Kräfte erhalten werden. Außerordentlich wichtig und unent behrlich ist dabei die individuelle Betreuung des ortsfremden Mädchens in einem konfessionellen Heim, um das religiös-ethisch« Fundament zu legen und damit einen dauernden sittlichen Halt für das Leben zu geben. Leider wird die Mädchenschutzarbeit noch immer nicht in allen Kreisen ihrer Tragweite entsprechend gewertet, und doch müßte es in dem Vcr- «ntwortungsgesühl einer jede» Frau begründet sein, daß sie ,us ihrer mütterlichen Eigenart heran« an de« ihrer Obhut und Führung anverlrauten Menschen vorbeugend mitarbeitet., Bezeichnend ist: 85 Prozent der P r o st i t u i er t r n haben sich als mutterlos« Waisen ergeben, und der Beginn de» Entgleisung sällt in dcn meisten Fallen >n die Pubertätszeit. In der katholischen Kirche ist die Fürsorge für dies« Armen nichts Neues. War sie doch die erste, die die Not wendigkeit eines planmäßigen Kampfes gegen die siiiliche Ver wahrlosung der Frau erkannt« und Mittel zu deren Abwendung geschaffen hat. Auch e v a n g e l i s ch c rse its ist sehr viel für die Neiiungsarbeit getan worden (Frauenheimc). Die Heils armee hat sich in der Fürsorge sür die obdachlosen Frauen ebenfalls große Verdienste erworben. Heute arbeitet auf diesem Gebiet unter unseren Glaubens genossen hauptsächlich der Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder. Sein Heim, die „Karthaus" bei Dülmen i. W. dient dazu, ältere gefährdet« Frauen und Mädchen zur Bewahrung aufzu- nehmcn und sie durch planvolle Arbeit aus ihrer Verwahrlosung herauszuziehen. Don besonderer Bedeutung ist es, daß bei der informa torischen Vernehmung der von der Sittenpolizei ausge- griffenen weiblichen Personen die Organe der freien Liebcs- tätigkcit zugegen sind. Von behördlicher Seite ist in den letzten Jahren in der weiblichen Polizei eine Einrichtung zur Erfassung der sittlich Eefärdeten geschaffen worden. Bei der richtigen Schulung und Verwendung der weiblichen Polizei ist. s o f e r n sie mit der freien Liebesiätigkeit engste Fühlung wahrt und sie zu wesensgemäßer Arbeit heranzieht, wertvolle Wohl fahrtsarbeit zu erwarten. Eine wirklich anhaltende und durchgreifende Besserung der bestehenden Verhältnisse kann nur herbeigesührt werden, wenn es gelingt, ei» sittlich höherstehende» Geschlecht heranzuziehen und ein gefestigt«, reines Frauentum zu schassen. Zur Er reichung dieses Zieles ist Erziehungsarbeit notwendig, und zwar muß dies« in die Familie als Keimzelle des Ge meinschaftslebens hineingetragen werden. Vorsorge ist Immer di« best« Fürsorge, abgesehen davon, daß sie billiger ist als all« Hilfsmaßnahmen. Anzustrebcn wäre seiner, daß die weiblichen Jugendlichen unter 18 Jahren von der Wanderung unter allen Um ständen ausgeschlossen werden. Di« Verordnung gegen Mißstände in, Auswanderungswcsen enthält schon eine diesbe zügliche Einschränkung. Eie müßte auf di« Binnenwanderung noch ausgedehnt werden. Da die Verordnung über di« Fürsorge- Pflicht kein« genügende Stütz« für die Wandcrsürsorge bietet, wäre ein« Neuregelung der Wandererfürsorge im Sinne des Entwurfes des Reichsarbeftsinimsteriums unter Be rücksichtigung der Vorschläge des Deutschen Earitas- verbandes zu begrüßen. Wichtig ist di« Verbindung zwischen Pfarrgemeinde und dem ausscheidenden Psarr- kind. Besondere Bedeutung fällt zu der Schaffung von katho lischen Hospizen für bemittelte Durchreisende, durch deren Reinertrag auch für mittellose Wandernd« «in Heim unterhalten werden konnte. Dies alles erfordert einheitliches Zusammen gehen und verständnisvolles Hand-in-Handarbetten aller an den Fragen der Wandererfürsorge interessierten Kreis«. Hierauf nimmt das Wort der Direktor des Wohlfahrts amtes in Singen a. H.. Dr. Peli. zu seinem Thema: Warr-ernol und Nokwan-erer Ein Bild kenne ich, das zeigt einen am Wegesrand znsam« mengesunkenen müden Menschen: schlaffen Körpers, gesenkten Hauptes, trüben Blickes, mit wunden Füßen und zerrissenem Gewand, so liegt er da. Und der Weg, den er gehen mutz, ist so weit. Dieses Bild veranschaulicht uns in einem künstlerischen Gleichnis die Frage, di« wir heut«, wenn auch der Zeit und Situation gemäß nur kurz behandeln wollen. Dieser müde Mann am Wege ist der Notwanderer und kündet uns von der großen'Wanderernot unserer Tage. Im Geiste gehen wir auf die weiten Strcchen unseres deut schen Vaterlandes und auch auf die offenen Plätze und in die verborgenen Winkel unserer Großstädte — denn Wanderernot offenbart sich heuie sowohl als La n d st rei ch« r t um wie auch als Eroßstadtbummlertum. Die Elyar derer, die infolge Erwerbslosigkeit zum Not wanderer herabfinken, hat sich gerade infolge der Nach kriegskrise unserer Wirtschaft bedenklich vergrö ßert. War das Wandercrunwesen im Kriege zuriickgegangen, weil mehr oder weniger damals jeder seinen Platz im mili tärischen Organismus hatte und hatte auch die Inflationszeit mit ihren größeren Beschästigungsmöglichkeiien unserer Indu- stri« günstig auf das Wandererwesen gewirkt, so schnellte die Zahl erschreckend in die Höhe mit der Stabilisierung unserer Währungsverhältniss« und der damit einsetzendcn Krise unserer Wirtschaft. Abbau infolge der notwendigen Rationalisierung unserer Betrieb« drängte viele in die Erwerbslosigkeit und damit auch manchen aus die Landstraße. Aber nicht nur Arbeitslosigkeit bringt den Menschen in die Not des Bettlers und Landstreichers, auch die gewaltige Wohnungsnot der Nachkneaszahre hat viel« einzelne und ganze Familien entwurzelt und obdachlos gemacht und sie zu einer Wanderschaft verlockt in trügerischem Vertrauen, auf diese Weis« ein neues Heim zu finden. Unter dcn anderen Gründen, die den Nkenschen entwurzeln und ins Wnndcrelend bringen, sei besonders der Alkohol erwähnt. Dunkel und düster erhebt sich vor uns di« Not vieler Volks genossen: die Wanderernot. Wir wollen nicht den Weg zu ihrer Erkenntnis und zu ihrer Uebrrwindung uns versperren vurch pharisäerisches Richten, durch voreiliges Schuldgebcn, wo di« Schuld-Schicksalverknüpfung so oft fast unentwirrbar ist. Auch da, wo wir ein Schuldig glauben sprechen zu müssen, wollen wir helfen. Wenn uns viele Wanderernot auch noch so häßliche, verbrecherische, ja tierische Züge zeigt, wir wollen nicht vergessen, es handelt sich auch bei diesen Notwanderer» um unsterbliche Seelen. Ziele und Zwecke der reichsgrsetzlichen Re gelung find folgende: für das ganze Reichsgebiet soll eine einheitliche Regelung getroffen werden, weil nur so der Wanderernot als Massennot beizukommen ist. Vor allem muß die Wandererfürsorge in den Landesfürsorgeverbänden leistungsfähige Träger erhalten, um so mangelhafte Untcr- stützungsmaßnahmen der finanziell nicht hinreichend kräftigen Brzirksfürsorgeverbände zu verhindern. Für die ordent lichen Wanderer, also für die arbeitswilligen, arbeits- ühigcn und- unfreiwillig Arbeitslosen, sollen Wanderarbcits- stättcn für vorübergehenden, Wanderarbeitsheime für längeren Aufenthalt geschaffen werden. Arbeitsleistung für gewährte Hilfe soll Grundsatz sein. Zur Erprobung des Arbeitswillens sollen sogenannte Sieb- oder Sichtungsstationen mit längerem (acht- bis 14tägigem) Aufenthalt eingerichtet werden. Die arbeitsunfähigen Wanderer (Kranke, Alte. Sieche) sollen in Krankenhäuser oder Alters- und Cicchenbcime einge wiesen werden. Die sogenannten unordentlichen Wan derer, die Arbeitsscheuen. Bettler und Landstreicher, sollen durch strafrechtliche oder polizeiliche Maßnahmen, vor allem durch Einweisung in ein polizeiliches Arbe i tsh aus. erfaßt werde». Die Jugendlichen sollen vor allem in Verbin dung mit dem Jugendamt befiirsorgt werden. Das achtzehnte Lebensjahr soll als Ercnzalter für den Wanderer gelten. Alle nicht achtzehnjährigen Jugendlichen sollen möglichst heim be fördert werden. Wo dies wegen häuslicher Verhältnisse nicht möglich oder ratsam ist, sollen die Jugendlichen in Arbeitsstellen befördert werden oder, wenn erforderlich, auf Grund der Para« graphen 67. 68 de» Iugcndwohlsahrtsgesctzcs vorläufige Erziehungsmaßnahmen^getrofsen werden: die letzteren Maßnahmen gelten auch für Jugendlich« über 1« Iabre im :-p-!
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