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Nummer 201 — 2«. Jahrgang ß>""> wdchenilich mit den illustrierten Gratisbeilagen „Die Welt und ,FIcr unsere kleine» Leute", sowie den Lezt- beilagcu .Unterhaltung und Wissen". .Kirche und Welt". .Die Welt der Frnu". .Slerzllicher Nalgcber". .Literarische Beilage". .Fl mrundichnu". Monallicher Bezugspreis 3.- Mk. einschl. tvestellgeld. lLinzeluuinmer 10 Sountagnummer »0 Hn>ll'lschrll,le!ter- Dr. G. DrSczhk, Dresden. LüchlWe Mittwoch. den 31. August 1»27 Slnzeigrnpriise i Die Igewalteue Pelitzeile!»0 z.Famittei» anzelgen und Stelleng-,uche »U -s. Die Pctitreklamezeil« «3 Milliinelcr breit, 1 3k. Osferlengebühr ii« 1. bei Uebev senduug durch die Post aukerdc», Portoruschlag. Im Fall» höherer Gewalt erlischt jede Berpflichiuug ans Lieferung suwi« Lrsüllullg b. Anzeigen-Auslrägeu >l. Leistung v. Schadenersatz, weschäsllichec Teil: Artur Lenz, Dresden. HoMzeilmm VeschllstSftell«. Drmbu.Verlag: Germania. für Verlag und Drullercl. Filiale Dresden. Dresden.A. l, Polierslratze >7. Fenm:f2I0I2. Postscheckkonto Dresden r70S. Bankkonto: Stadtbank Dresden Nr. a,7l!> Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen BolkSzettung DrcSden-Altstadt 1. Polierstratze 17. Fernruf AMI und rwl2. Die neue Genfer Tagung Ein deutscher Minifterrat vor -er Abreise nach Gens — Vor einer SUSrung der autzenpotifchen Lage? Die badische Simulkanfchule Kritische Bemerkungen zum RetchsschntgeseT Von Dr. Föhr, M. d. L., Fretvurg. Der Reichsschulgesetzentwurf hat allerorts von den verschiedensten Standpunkten aus Beleuchtung und Kritik erfahren. Eine Frage soll im folgenden besonders heraus gegriffen werden, die von Baden aus besonderer Beachtung wert ist. Der Führer der badischen Deutschnationalen, Geheimrat D. Mayer hat sie in der „Süddeutschen Zeitung" (Nr. 381) gleichfalls bereits angeschnitten. Leider steht der Führer der badischen Deutschnationalen auf dem Boden der Simultan sch ule. Er verlangt in der von ihm veröffentlichten Artikelserie ein „Aus nahmegesetz" für Baden, wonach das Reichsschulgesetz für Baden nicht gelten soll. Herr Geheimrat D. Mayer hat hier das Kind beim richtigen Namen ge nannt. Eine solche Ausnahme Baden gegenüber wäre ein Ausnahmegesetz, wodurch die badischen Eltern um ihre verfassungsmässig verbrieften Rechte und Ansprüche ge bracht würden. Den badischen Eltern würde das Eltern recht und die Gewissensfreiheit der Reichsverfassung er heblich verkürzt. Eine solche Massnahme wäre tatsächlich ein Ausnahmegesetz und mit dem Geist der Verfassung nicht vereinbar. Darum wendet sich das badiM Zentrum gegen einen solchen Vorschlag. Wenn jedoch von badisch deutschnationaler Seite an den Bestimmungen des Reichsschulgesetzentwurses über Er teilung und Ueberwachung des Religionsunterrichts Kritik geübt wird, so stimmen wir dem vollinhaltlich zu. Auch Eeheimrat D. Mayer stellt fest, daß die Gemeinschafts schule des Entwurfs nicht dasselbe ist wie die badische Simultanschule. Es ist richtig, daß die Bestimmungen über Erteilung und Ueberwachung des Religionsunterrichts die Gefahr der Kulturkümpferei in sich schließen. Die Er teilung und Ueberwachung des Religionsunterrichtes ist grundsätzlich eine Angelegenheit der betreffenden Reli gionsgemeinschaft. In der badischen Simultanschule gilt dlgendes: „Der Religionsunterricht wird durch die betreffenden Kirchen- und Religionsgemeinschaften besorgt und überwacht. Sie werden bei Erteilung desselben durch den gemäß 8 11 Absatz 3 als befähigt erklärten Lehrer unterstützt. Zu diesem Zwecke sollen aus dem wöchentlichen Siunvendeputat eines Lehrers, soweit erforderlich, je sechs Stunden verwendet werden. Im übrigen geschieht die Verteilung der Religionsstunden zwischen dem Geistlichen und dem Lehrer im Einverständnis der beiderseitigen Behörden. Der gesamt« Lehrplan für den Religionsunterricht i» den einzelnen Stufen und Klassen der Volksschule wird von der oberen geistlichen Behörde aufgestellt, welche di« Ausführung desselben durch ihre Beamten überwachen und Prüfungen über den Religionsunterricht vornehmen lassen kann. Die Kirchen- und Religionsgemeinschaften haben bei ihren Verfügungen in Betreff des Religionsunterrichts in den Volks schulen die bestehend« Schulordnung zu achten. Diese Verfügun gen verkünden auf Mitteilung der geistlichen Behörden di« »deren Schulbehörden an di« Lehrer zur Naihachtung. Di« Verkündung kann nicht versagt werden, wenn die Ver fügungen nichts mit den allgemeinen Schulordnungen Unver einbares enthalten. (8 40 Absatz 2 bis 5 des Schulgesetzes." Die Ueberwachung des Religionsunterrichts wird in Baden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, durch die Kirchengesellschaften selbst besorgt. In der Ministerialverordnung vom 28. November 1913 ist unter anderem darüber des näheren in 8 8 bestimmt: „Die oberen Kirchenbehörden haben die für die Beaufsichtigung des Religionsunterrichts einer größeren Zahl von Volks schulen bestellten Aufsichtsbeamten unter Bezeichnung der »ugewiesenen Bezirke dem Unterrichtsministerium zur wetteren Bekanntgabe an die Schulaufsichtsbehörden und >Ie Lehrer zu benennen." In der badischen Simultan« chule ist also Rechtens, daß die Kirche durch die von ihr elbst bestellten Inspektoren den Religionsunterricht über wacht, daß die Kirche die Lehrbücher bestimmt sowie den Lehrplan und entsprechende Verfügungen erlassen kann, die das Unterrichtsministerium zur Nachachtung bekannt zibt, bekanntgebe» muh. Diese Bestimmungen haben zu keinerlei Schwierigkeiten in der Praxis geführt: Regierung und alle Parteien (einschließlich der Sozialdemokratie) mit Ausnahme der Kommunisten, sind in Baden der Auf fassung, daß sich diese Regelung bewährt habe. Bei den Beratungen im Landtage wurde direkt der Unterrichts minister aufgefordert, für diese Regelung im Reichs Pro paganda zu machen. Kein Lehrer findet in Baden in der Religionspriifung durch den geistlichen Prüfungsinspektor irgendwelche unberechtigte Eingriffe der Kirche in die Schule, und niemand hat bisher in Baden gefunden, daß in dieser Regelung ein Aufgeben von Hoheitsrechten des Staates liege. Auf diese Dinge hinzuweisen ist notwendig Im Hinblick darauf, daß der Reichsschulgesetzentwurf grund sätzlich von dieser Auffassung abweicht; denn darnach vürden die Bestimntungen über Lehrplan. Lehr- und Berlin, 30. August Vor der Abreif« der deutschen Delegierten zur Genfer Bölkerbundstagung findet morgen nochmals ein Minister rat statt. An diesem werden nur die in Berlin anwesenden Minister Stresemann, Schiele, Curtius, Geßler und Koch teil nehmen. Die Besprechung dient lediglich einer Information über di« außenpolitische Entwicklung der letz ten Woche. Beschlüsse sind nicht zu erwarten, da die Haltung des Kabinetts bereits in seiner letzten Sitzung festgelcgt wor den ist. Zunächst werden nach Genf nur die amtlichen Vertreter reisen, da es sich in den nächsten Wochen nur um die Ratstagung des Völkerbundes handelt. Die politischen Delegierten werden erst für nächsten Sonntag in Eens zur Voll versammlung erwartet. Den Völkerbund wird in der Hauptsache eine grundsätzliche Frage beschäftigen, nämlich die Entscheidung über den Streitfall zwischen Rumänien und Ungarn. Diese Angelegen heit hat eine allgemeine pinzipielle Bedeutung dadurch, als die Kompetenz der Schiedsgerichte überhaupt geprüft und festgelegt werden soll. Außerdem stehen die bekannten Dan zig er Fragen auf der Tagesordnung. Man erwartet eine Reihe völkerrechtlicher Auseinandersetzungen. Die Vollver sammlung wird sich mit dem Ergebnis der Weltwirtschafts- konferenz und der damit zusammenhängenden Fragen beschäfti gen. Eine besondere Rolle nimmt aber auch die Abvllstungsfrage ein. Hierbei wird Deutschland seinen Standpunkt offen dar legen, zumal diese Frage durch das Verhalte» Lord Robert Cecils sowieso in den Vordergrund der Erörterunaen getreten ist. Paris, 30. August. Auf der Konferenz der Interparlamentarischen Union erstattete gestern im Sinne des Sonderausschusses für die Mrüstungssrage der frühere dänisch« Kriegsminister Dr. Munch Bericht. Er betonte, die Frage der Rüstungs-Herabsetzung be gegne heute schwierigeren Bedingungen als vor zwei Jahren. Die Union sei der Ansicht, daß man an die öffentliche Meinung appellieren müsse, um ihre Lösung zu bcschleu- gen. Wenn die Parlamente zögerten, so deshalb, weil die öffentl. Meinung jetzt zögernd sei. Der Sonderausschuß der In- terparlamentarifcl>en Union habe einen technischen Plan aus- geordcitet, um zu beweisen, daß die Herabsetzung der Rüstun gen möglich ist. Der Hauptgedanke dieses Planes bestehe darin, durch ein allgemeines Abkoinmen ein weite res Ausrüsten zu verbieten und eine allmählich ein« tretende Herabsetzung der Rüstungen unter Berücksichtigung/ der besonderen Lag« jedes Staates durchzustchven. In diesem Sinne ist auch die Resolution des Ausschusses gefaßt. Unter den Diskussionsrednern ergriff auch der deuksclze sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Sollmann das Wort. Sr verwies einleitend auf Sie Abrüstungsklauseln Lornvucher für den Religionsunterricht zwar „km Ein vernehmen mit der Religionsgesellschaft , aber durch den Staat erlassen. (8 14). Die Einsichtnahme in den Reli gionsunterricht wurde durch den staatlichen Schul inspektor erfolgen, der lediglich von der Neligionsgesell- schaft vorgeschlasten würde. Der Reichsschulgesetzentwurf glaubt also gewisse „Hoheitsrechte dos Staates" auch auf dem Gebiete des Religionsunterrichtes festlegen zu sollen. Es mag sein, daß bei loyaler Ausführung der beabsichtig ten reichsgesetzlichen Bestimmungen die Praxis sich kaum wesentlich anders zu gestalten brauchte, als es bisher in Baden gehalten wurde: aber die gesetzliche Möglichkeit einer auderon Handhabung ist durchaus gegeben, und darin liegt die Gefahr der Kulturkämpferei: man braucht sich nur zurückerinnern an die Kämpfe des vergangenen Jahrhunderts. Hierin sieht der Führer der badischen Deutschnationalen ganz richtig, und wir pflichten ihm bei, wenn er fordert, daß das Reichsschulgesetz sich hierin die badische Leietraebuno rum Borbild nebmea müae. Wenn Man erwartet außerdem für Genf eine Zusammen» kunft der A u ße n mi n I st er in der Art und Weise, wie sie auch früher bereits stattgesunden hat. Es ist kein Zweifel, daß diese Ministerzusammenlunft sich mit dem Rheinland« Problem einsthast zu beschäftigen haben wird. Sensationen sind jedoch nicht zu erwarten. Eine Stellungnahme des Reichs kabinetts zu etwaigen Genfer Ergebnissen wird erst dann in Frage kommen, wenn di« Verhandlungen in Genf abgeschlossen sind und hier dem Inhalt nach vorliegen. Eine französische Stimme für völlige Rönmuug Der linksstehende „Soi r" meint in einer Betrachtung der zwischen London und Paris erzielten Verhandlungsergcbniss« zur Frage der Vesatzungsverminderung heut« abend, man könne nicht sagen, daß Irgend etwas an der gesamten Situation durch die erreichte Verminderung verändert sei; diese Geste sei zu wenig ernst, um zu einer Entspannung beiza« tragen. Der Deutsche Reichstagspräsident habe bei der Interparlamentarischen Union die Sprache des ge sunden Menschenverstandes gesprochen: seine Rede sei in keinem Augenblick von kriegerischem Geist beseelt ge wesen: seine Gedanken seien ganz anders als die von Westarp oder Hergt. Die Gegenwart einer fremden Armee in einem Lande sei immer geeignet, den kriegerischen Geist wachzuhalten, wobei es völlig gleichgültig sei, ob cs sich nun um 60 000 oder 70 000 Mann handle. Das Blatt schließt mit der Feststellung, daß die Räumung der Nheinlande eine Notwendigkeit sei, der man sich auf die Dauer nicht entzieben könne, eine schrittweise Räumung genüge nicht mehr. des Versailler Vertrages und betonte, baß diese verheißungs vollen Worte ihrer Verwirklichung bisher um keinen Schritt näher gekommen sind. Es lst der einmütige Wille der deut schen Gruppe in der Interparlamentarischen Union, mit alleck Mitteln der moralischen Abrüstung der Welt zu dienen. Die Arbeit für die geistige Befriedigung der Welt wird jedoch durch die scharfe Weiterrü stung vieler Völker gehindert. Die ungeheure Mehrheit des deutschen Volkes ist friedlich ge sinnt. Sie begrüßt den Geist von Locarno und wünscht die Verständigung mit allen Nachbarn, auch mit denen im Osten, insbesondere mit Polen. Die Frage des Kriegspolen- tiels wird, wie ich fürchte, das Rbrüstungsproblein Hofs- nungslos komplizieren. Aehnlich Ivie andere große Delega tionen lzat die deulsche Delegation gegen diesen Teil des r'lb- riistungsplanes unüberwindliche Bedenken. Mit voller Zu stimmung begrüßen wir dagegen das angestrebte Verbot militärischer Verbände neben dem eigentlichen Heere, da diese Verbände eine Gefahr für die Jugend bedeu ten. Dahinter erhebt sich die Frage, ob nicht überhaupt der Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht von allen zu bekämpfen ist, die l>en militürisel>cn Geist der Völker bekämpfen wollen. Danach schlug der deutsche Delegierte Gildemeister vor, an Stelle des Wortlautes des Beschlußantrages des Be richterstatters folgenden Wortlaut zu scheu: Solange ein« allgemeine Abrüstung im Sinne einer Un- terdrückung der militärischen Rüstungen nicht ins Auge gefaßt er gleichzeitig die Befürchtung ausspricht, daß das Reichs» schulgesetz eine Imparität schasse, weil auch der staat liche Religionsinspektor auf katholischer Seite sicher ein Geistlicher sein würde, während die Diener der evangeli schen Kirche geradezu von der Schule ferngehalten würden, so können wir versichern, daß dem Zentrum nichts mehr fern liegt als etwa die Absicht, an der Schaffung einer Imparität Mitwirken zu wollen. Es wird aber Aufgabe der evangelischen Kirche selbst sein, zu sagen, wie sie im Hinblick auf die Verfassung ihrer Kirche diese Angelegen heit geregelt wünscht. Die Schwierigkeit scheint eben darin zu liegen, daß man im evangelischen Lager selbst über diese Frage nicht einig ist. Man möchte wünschen, daß auf alle Fälle die Para graphen 14 und 16 des Reichsschulgesetzentwurses, also di« Bestimmungen über Erteilung und Ueberwachung des Religionsunterrichts, gründlich revidiert werden. In der ietziaen Fassung wären sie für uns kaum -rträolich Die festgesahrene Abrüstung Ein deutscher Vorstoß vor -er Interparlamentarischen Union