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Sächsische Volkszeitung : 24.08.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192708246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270824
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270824
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-08
- Tag 1927-08-24
-
Monat
1927-08
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 24.08.1927
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M«M Mlhtt Leipzig, 22. August. Der Reichsverband des Deutsche» Schuhmacherhand» roerks veranstaltete aus Anlaß seiner diesjährigen Tagung am Sonntag im Festsaale des Zoologisciien Gartens eine öffentliche Kundgebung des 2. Allgemeinen Deutschen Gchuhmachertages. Nachdem der Vorsitzende des Neichs- verbandes, Ghrenobermeister Stafser, Hannover, die Kund gebung eröffnet hatte, wünschte Finanzminister Dr. Weber im Namen der sächsischen Regierung der Tagung den besten Ver lauf. Die sächsische Regierung, die den Mittelstandschutz zu einer ihrer wichtigsten Ausgaben zähle, bemühe sich, dem Hand werke vorwärts zu helfen, soweit die allgemeine Lage es ge statte. Vor allem müsse der soziale Gedanke in der Steuer gesetzgebung mehr zum Ausdruck kommen. Hoffentlich gelinge es, bei der bevorstehenden Aenderung des Realsteuergesetzes auch in diesem den sozialen Gedanken zu verankern. Dem Handwerk müsse weiter die Möglichkeit der Kapital-bildung ge geben werden, um sich die technischen Fortschritte nutzbar machen zu können. Allerdings seien den steuerlichen Wünschen dadurch Grenzen gesetzt, daß die Steuerlasten zu einem ivesent- lichen Teil durch das Maß der Reparationsverpslichtungen be dingt werden. Durch Zusammenarbeit aller Volkskreise müsse frei von parteipolitischen Einstellungen an der Senkung dieser Verpflichtungen gearbeitet werden. Der Reichskommissar für Handiverk und Kleingewerbe. Ministerialdirektor Reichardt, überbrachte die Wünsche der Reichsregierung. Er führte aus. daß die Zahlen der Geworbezählungen von 1907 und 1025 deut lich das Anwachsen der Großbetriebe gegenüber der Kleinbetriebe erkennen ließen und wenig günstige Ausblicke auf die allgemeine Lage des Schuhmacherhandwerks eröffneten. 1907 seien 203 500 Betriebe mit 354 000 Beschäftigten gezählt worden, 1926 dagegen 167 300 mit 888 000 Beschäftigten. 60 Prozent aller Betriebe seien Kleinbetriebe, während nur 10 Pro zent noch fabrikneue Maßarbeit -Herstellen. Kleinbetriebe wurden gezählt 1907 : 77 000, 1925 : 66 000, mittlere Betriebe 1134 bezw. 1632 und Großbetriebe 260 bezw. 283. Zurückzu führen sei diese Entwicklung auf die wirtscl>aftliche Notlage der Konsumenten, die gezwungen seien, ihren Bedarf dort zu decken, wo er — momentan gesehen — am billigsten sei. Die fabrik mäßigen Betriebe seien die schwerste Konkurrenz sür das Hand werk. Die Gefängnisarbeit solle durch das neue Strafvoll- zugsgosetz auf das unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Dem Mangel an Betriebskapital könne nur die Besse rung der allgemeinen Kredit- und Finanzlage abhelfen. Tie Genossenschaft i. G. sei aber ein wesentliches Instrument zur Selbsthilfe. Das erste genossenschaftliche Unternehmen, das Schulze-Delitzsch 1847—1850 eröffnet Hab«, sei gerade eine Einkaufsgenossenschaft der Schuhmacher gewesen. Von 1030 an werde sich der Geburtsaussall bemerkbar machen und dadurch werde auch der Zugang zum Handwerk und dessen Ueberfüllung Nachlassen. Die Gründung des Reichsverbandes begrüß« die Reichsregierung, da sie außerordentlich segensreich gewirkt habe. Im Ucbrigen komme es darauf an, die Inten sität 'der Betriebe durch rationelle Betriebsführung zu heben. Im Auftrag des am Erscheinen verhinderten sächsischen Wirtschoftsministers und zugleich im Namen der Kreishaupt »nannschost Leipzig wünschte Oberrcgierungvru. Tcyuig« daß die Tagung Wege finden möge, um aus dein wirtschaftliche« Elend heraus zu einer neuen Wirtschastsblüte zu kommen. Da» Sächsische Wirtschastsministerium und die Staatsregierung würden alle derartigen Pläne soweit sie durchführbar seien unterstützen. Weitere Ansprachen hielten Vertreter des Sächsischen Messeamtes, der Stadt Leipzig, der Gewerbekammer, des Fachausschusses des Sächsischen Handwerkes, des Leipziger In« nuiigsausschusses, sowie einer Reihe von Fachverbünden. Be- sonders lebhaften Beifall fand ein« Ansprache des Vorstandes, des Staatsverbandes der Schuhmacher Oesterreichs, des Vor-' standes der Wiener Schuhmacherinnung Pokoliu), der die Grüße des 14. österreichischen Bundesschuhmachertages in Graz über mittelte und die enge Verbundenheit der deutschen und Liter- reichischen Fachbrüder betonte. Sodann sprach Reichstagsabgeorüneter Mentzel, Stettin, über „Der Weg des Deutschen Handwerks" und der Syndikus des Reichsverbandes Dr. S ch i l d über die Zukunft des deutschen Schuhmacherhandwerks. — Mit der Tagung ver bunden ist eine reichbeschickte und sehr lehrreiche Fachaus stellung für das Schuhmacherhandwerk im Ringmeßhaus. Zu ihrem Besuch haben sich u. a. Interessenten aus Holland, der Schweiz, den Nordischen und den Randstaaten sowie aus krank-' reich angesagt. Die Rattonattsierrings-Bestrebungen im Schuhmacher-Kandwerk Leipzig. 23. August. tim Montag fand in Leipzig unter Vorsitz des Ehrenober meisters St off er, Hannover, in Anwesenheit von etwa 4000 Delegierten des Reichsverbandes die G e n e r a lv e r sa m m. Iung des Reichsverbandes des Deutschen Schuhmacher. Handwerks statt. Nach Erledigung der Regularien beschäf tigte sich die Generalversammlung mit den Fragen der Nationalisierung, Technisierung und wirtschaftlichen Organ!- sierung der Schuhmacherbetriebe. Es wurde eingehend darüber verhandelt, ob eine Auftragsvermehrung für das Schuhmacher- Handwerk durch Selbsthilsemaßnahmcn möglich ist, durch be rufständige organisatorische Maßnahmen oder durch betriebs wirtschaftliche Mittel der einzelnen Betriebe. Es wird empfoh- len, für die Zukunft den Rationalisierungsbestrebungen iyr Schuhmacherhandwerk größere Aufmerksamkeit zuzuwcnden. Es wurden die Fragen des Materialeinkauss, der Maschinierung der Betriebe, der Herabsetzung der Gestellungskosten geprüft. Die Tagesordnung stand damit im Zeichen ernster betriebswirt» schaftlicher und wirtschaftspoliitscher Probleme. Die Generalversammlung nahm weiter Anträge an. nach denen die L e h r l i n g sho lt u n g im Schuhmacherhandwerk unbedingt eingeschränkt und in Zukunft eine Auswahl der Lehrlinge durchgeführt werden müsse und ferner die Besetz tigung der Pfuscharbeit und der Schwarzarbeit gefordert wird. Weiler fordert die Generalversammlung von den Regierungen des Reiches und der Länder die restlose Uebertrogung der staat lichen Aufträge der Schutzpolizei und Reichswehr an das Schuh macherhandwerk. Die nächste Tagung soll in Dortmund statlfinden. Achtung! gahlkarlen sür Sepiemver Der heutigen Nummer liegen die Zahlkarten für Sep tember bei. Wer sie umgehend ausfüllt, vermeidet lästige Mahnungen. Pünktlich« Zahlung ist die Voraussetzung guter Freundschaft — auch zwischen Leserschast und Zei tung. : Klettermaxe. Durch den Film „Klettermaxe" hin reichend zu dem schönen Beruf des Fassadenkletterers angeregt, war ein hiesiger Lehrling mehrfach mit schwarzer Gesichtsmaske und Handschuhen in eine Wohnung eingebrochen. Auch hatte er versuch! mittels eines Einbruches ein Auto zu stehlen. Er wurde jetzt vom Dresdner Jugendgericht zu 6 Monaten Ge fängnis verurteilt. Jedoch wurde ihm eine Bewährungsfrist zugestanden sür den Fall, daß er sich von seinem „Berufe" los- jage» würde. Eisersuchtsbrama in Freikal Freital, 23. August. In der vergangenen Nacht um 12.20 Uhr hörte man plötz lich vom Kraftwerk Freital aus 3 Schüsse fallen. Die sofort alarmierten Polizeibeamten fanden einen jpngen Mann, der durch 2 Schüsse in den Leib, 1 in den Magen und 1 ins Becken verletzt war. Er versuchte sich bis zur Augustusbrücke hinzu-' schleppen. Man brachte ihn ins Kraftwerk, wo ihm die erste Hilfe zuteil wurde. Dann wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er hoffnungslos darniederliegt. Es handelt sich um einen gewissen in Gittersee wohnhaften Hans Zimke. Die polizei lichen Ermittlungen sind bereits eingeleitet. Allem Anscheine nach liegt ein Eifersuchtsdrama vor. -. Grohfeuer auf Rittergut Gröba. Vermutlich infolge Selbstentzündung entstand gestern Nacht 3.15 Uhr ln einem Sei tenflügel des Rittergutes Gröba ein größeres Schaden feuer. In dem Seitenflügel war das gesamte Groß- und Klein vieh des Rittergutes untergebracht. Auf dem Boden lagerten Heu und sonstige Vorräte. Der Flügel brannte vollständig aus. Das Vieh konnte noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden, so daß nur etwas Kleingeslügel den Flammen zum Opfer fiel. Zur Hilfeleistung waren sämtliä-e Wehren am Platze und die Nachbarwehren herbeigceilt. Trotz des empfindlichen Mangels an Wasser konnte das Feuer glücklicherweise auf seinen Herd be schränkt bleiben. Der Schaden dürfte nicht unbeträchtlich, aber durch Versicherung gedeckt sein. Das Rittergut wurde erst vor einigen Jahren neu erbaut. d. Schwerer Unfall in Kvnigsbrück. Ein Soldat des 7. bayr. Artillerie-Regiments, das zurzeit auf dem Truppen übungsplatz weilt, würde dadurch schwer verletzt, daß er während der Tlbladearbeit am Bahnhof unter den schweren Wagen geriet, während er die durchgehenden Pferde durch Bremsen des Wagens aufhalten wollte. Es mußte ihm der linke. Arm amputiert werden t.«Iprig und Umgebung Vor -er Leipziger Kerbsk-Klelnmesse Leipzig, 23. August. Die Herbst-Klei „messe In Leipzig, die zugleich Schaumesse ist, beginnt Sonntag, den 28. August und endet Sonntag, den 18. September. Die Herbst-L e d e r m e ss e wich Montag, den 12. September abgehalten. Die Meßbörse für die Lederindustrie wird an dem selben Tage nachmittags von 6—6 Uhr an der Handelsbörse Tröndlinring 2 abgehalten. Die Rauchwaren messe bestimmt für den Handel mit Pelz- rvaren beginnt Sonntag, den 28. August ) Linidcsunivcrsität. Der ordentliche Professor an der Tech nischen Hochschule Zürich, Dr. Peter Debye ist von, 1. Oktober 1927 ab zum ordentlichen Professor der Experimentalphysik in der Phi losophische» Fakultät der Universität Leipzig ernannt worden. ) Nebersahren. Am Montagnachmittag geriet der zehn- jährige Schüler Hans Birkmann in der Hauptstraße in Groß- zschochcr vor ein Personenauto. Er wurde zu Boden geschleu dert und überfahren und mußte mit einem schweren Schädel bruch bewußtlos ins Diakonissenhaus iibergefilhrt werden. Die behördlichen Untersuchungen find noch nicht abgeschlossen, jedoch scheint eine Schuld des Krastwagcnführers nicht in Frage zu kommen, ) AnS der Leipziger Verbrechcrckronik. Der barfüßige Ein brecher, der kürzlich in eine Villa in Oetzsch eingedrungen war, hat jetzt auch eine Wohnung in der Ulanenstraße in Gohlis heimgesumt. Auch dort ist er durch ein Fenster eingestiegen und hat eine große Anzahl von Schmucksachen, zum Teil erheblichen Altertumswertes, ge stohlen, — Ein Gänscdicb wurde am Eisenbahndamm Leipzig-Wah- ren entdeckt. Er hatte schon eine Gans gestohlen und sie geschlachtet, ergriff aber die Flucht, als er sah, daß man sich mit ihm beschäftigte! die gestohlene GanS ließ er liegen. — Das Polizeipräsidium warnt vor Fahrrad- und Kolidiebcn, die in letzter Zeit mehr als früher sich in Leipzig bemerkbar macken. ) Ein empfindlicher Denkzettel. Ncchiöanwalt Melzer, der frühere Gauleiter des Stahlhelms, ist gestern vom Schöffengericht Leipzig wegen Beleidigung des Stahlhelmführers Schwarz zu 3000 Mark Geldstrafe verurteilt worden, weil er gegen Schwarz unwahre Behauptungen ansgcstrcut hatte, nach der Richtung, daß Schwarz an einer unsauberen Krankheit leide. Etn schlechter Scherz Halle, 23. August. Aus dem Bahnhose in Halle wurde dieier Tage ein 18jähriges Mädchen in geistiger Umnachtung aus dem Ex preßzuge Leipzig —Halle gehoben und mußte sofort in eine Irrenanstalt übergesühri werden. Die Unglückliche, die Tochter eines Kaufmannes, war das Opfer eines üblen Scherzes geworden, den sich zwei junge Handelsreisende und ein Student der Medizin im Nachbarabteil geleistet hatten. Der Mediziner führte einen präparier- ten Totenkops mit sich, und die drei jungen Leut« kamen auf di« Idee, den Toienschädel während der Fahrt durch einen Tunnel vor das Fenster des Nachbarabteils zu halten. Dieses geschah zu nacht- sicher Stunde. Das junge Mädchen stieß bei diesem Anblick einen gellenden Schrei auS und brach ohnmächtig zusammen. Als es wie der zu sich kam. verfiel es in Tobsucht und konnte nicht mehr beru higt werden. Der Vater des Mädchens will eine Schadenersatzklage erheben und der Staatsanwalt hat bereits eine Untersuchung wegen schwerer Körperverletzung angeordnet. AachSs im Waide. Bon F. M. Reisserscheidt. An Sonntagen früh morgens („wenn dl« Hähne krähn") zu Fuß nach irgendeinem der Ausflugsorte anfzubrechen, dort den Tag über Natur zu genießen und ungekocht« Milch zu trinken und dann erst am späten Alwnd wieder mit der Eisenbahn nach Hause zu fahren, das war so ungefähr die ganze erstaunliche Fortschrittlichkeit, deren sich die gebildete Bürgerschicht unserer Kleinstadt vermaß. Man wandelte da mit Kind und Kegel, man hatte Hängematten und Rucksäcke voll Proviant bei sich, und wenn man zum guten Abschluß in vollgepferchten Zügen zurück- dampfte, dann konnten sich Wälder, Wiesen und Büsche daraus verlassen, daß sic um einen Teil ihres blühenden Gefieders ärmer geworden waren. Es macht ihnen aber nichts aus, denn sie gehörten zu den reichsten und unberührtesten in ganz Deutsch land,' der schwarzbraun« Erdboden schien am Montag bereit» di« Etullenpapier« und Orangenschalen de« Sonntags ver« Hlungen und gut verdaut zu haben. Ein Amtsgenosse meines Bater», ein „Kollege", um bei der Redeweise der betreffenden Bürokratie zu bleiben, hatte da draußen in Etter-Hausen «in Besitztum, das man heute als Weekend-Haus überzahlen würde: einstöckiger Steinbau mit niederen Stuben und großer, prachtvoller Garten, der sich in Wald verlor. Dort waren wir öfter zu East, wobei sich sowohl die häkelnden Gattinnen wie di« politisierenden Familienväter und schließlich auch di« Kinder der beiden Familien durchaus gesondert hielten, besondere Kämpfe ausfochten, besondere Freuden erprobten und sich höchstens zur Heimkehr wieder (usammenfanden. Ich war damal» zehn Jahr« alt, und daß „LKvIeoln" ein« Frmininendung hatte, war das einzige, da« ich am Weltbau vernunftwidrig fand. Sonst macht« mir alles großen Eindruck, und besonder» dl« klein« Else gefiel mir, da» Töchterchen des Kollegen, «in schlank«, hochaufgeschossenes Ding, da, uns Jungen in allen männlichen Unternehmungen den Rang ablief und >ab«I doch sehr wohlgesittet zu lispeln verstand. Ei« war natür lich dab-l. als wir einmal am loäten Nackmlttaa das Räubert«»«! auf den angrenzenden Wald und die ganze dahinter liegende Welt auszudchncn beschlossen. Und sie war dann mit mir zusammen auch ausgezählt worden, so daß wir mit großem Gebrüll als freie Briganten ins Weite flohen, während die drei Gendarmen pläneschmiedend in ihrer Erdhöhle hocken blieben. Kurzum, innerhalb der zehn Minuten, die uns zur Flucht hinreichen sollten, war ich mit dem Mädchen, indem ich es einfach mit sortzog, so weit ins Tannendunkel hineingcrannt, über so viel« Lichtungen oder Hügelrücken hinabgekollert oder htnauf- geklcttert, daß es mir gar nicht mehr darauf ankam, diese Art des Geständnisses meiner heimlichen Liebe weiterhin beizu behalten, denn sie war vollkommen und widersprach auch in keiner Weise der lausbllbischen Schamhaftigkeit dieses Alters. Wir überquerten einen Waldbach, schlängelten uns durch einen Himbeerschlag, liefen rechts durch Hochwald und links über weiche Blumenteppiche hin, und als wir anfingen müde zu werden, setzten wir uns auf das Moorpolster einer struppigen Tannenpflanzung nebeneinander und aßen di« Aepßel, welche Else in ihrer Schürzentasche hatte. Eine Stunde oder länger mochten wir so gesessen haben. Die Sonne war längst »ntergegangen, der Wald begann sich In Schatten zu hüllen, und wenn wir vorher di« einzelnen Stämme jenseits des Tales vor unserem Blick genau hatten unterscheiden können, so waren wir jetzt durch das Schauspiel der Rebelbildung in Anspruch genommen, das sich dort unten in der Sohle des Tales langsam vollzog. Weiße Flocken verdichteten sich zur Wolkenfiillung, aber der Wald auf der anderen Seit« war nur mehr eine schwarze, drohende Rampe. Da fand dann auch di« verheimlichte Wägung in unseren Herzen ihren entscheidenden Abschluß. Die Aengstigung hatte die Freude, wichlverborgene Räuber zu sein, verschlungen: wir wußten nun, daß wir zu weit gelaufen waren. Else hatte nun keinen Rückhalt mehr für das männliche Vorspiel ihrer weiblichen Furchtsamkeit. Als wir uns erhoben, um heimzulaufen, erhob sich zugleich mit uns ein kühler, zugiger Wind und sie fragt« mich mit dünner, bebender Lispel stimm«, wie spät es nach meiner Meinung wäre. Ich verwies auf den glitzernden Abendstern am nachtblauen Firmament und äußerte, daß es dem Prunke der Venus nach (so sagte ich wört lich) schon sehr spät, schon nach neun Mr kein mülle. Da zog sie ihr Taschentuches war ein großes, karrirrtes von Papa — versuchte zu weinen und legte dann ihren Arm anschmiegsam um meine Schultern. So stolperten wir in «ine Richtung, von der wir annehmen konnten, daß sie uns in das Dorf zurückfuhren würde. Sie. führte uns jedoch stundenlang in die Irre. AVer wir ließen nicht nach, ihr zu folgen, dann zwischendurch die ent- gegengesetzte «inzuschlagen, dann wieder umzukehren und endlich auch jede Lichtung des großen Waldgebiets als das Flußial, in dem auch das Dorf lag, feierlich und voll Hoffnung zu begrüßen. Wir hatten aber kein Glück mit unseren Berechnungen. Else weinte nun ernsthaft und unter Inanspruchnahme des ganzen Taschentuchs, mir half kein Abendstern, denn es fehlte der Helle Mond, und wenn ein Hase aus dem Schlafe gestört vor uns auf sprang und wegflog, dann war » auch mit meiner Fassung zu Ende: ich klammert« mich jetzt in gleicher Weise an sie wie sie sich an mich, und die Rücttehr de» Mutes zum Weitergehcn war jedesmal schmerzlich hinausgezögert. Wir waren am Ende nur mehr von einer einzigen Neugier erfüllt, ob es nämlich noch dunkler würde, als es ohnehin war und wurden so schließlich, als wir gerade «ine bewaldete Böschung hinuntergeschlittert waren, und auf ebenen Boden gerieten, aufs merkwürdigste überrascht: Ein« Flut von weißem, blendendem Licht drang von seitwärts auf uns «in, übcrgoß »ns, wie wir so aneinander hingen, und ließ dann vom Ziel«, als dar wir uns fühlten, abgelenkt, ihr« Brandung auf einer weißen, breiten geraden Chaussee zer- schäumen. Ein Hupcnlaut zerfetzte die langgewohnt« Still«, ein Ruck und das Automobil hielt dicht vor uns, so daß sich ein« Männerstimme in aller Gelassenheit erkundigen konnte, ob wir ln die Stadt mitfahren wollten. Als wir auf diese Weis« nach Etterzhauscn kamen, wo alles unsretwegen in großer Ausregung war — man hatte sogar dar auf verzichtet, den letzten Zug nach der Stadt zu benützen und beschlossen, die Nacht abwartend Im Sommerhaus des Kollegen zu verbringen — gab mir mein Bater in Gegenwart meiner mitgeretteten Freundin eine schallende Ohrfeige. Gemeint war wohl die Unergründlichkeit dieser Wälder, sür die ich aber im Augenblick «instehen mußte. Getroffen aber war ich. Und das hat mich dann wirklich bewogen, vom Nachtgedankcn, daß ich eigentlich einmal diele Nreundin beiraten könnte, abeukteben.
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