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Nummer iv« — 26. Jahrgang erscheint Lmal wiichenlttch «It de» illnslrlerte» GraN»deilagen «Die Well" uiid .Für unsere kleinen Leute", sowie de» L-lt< keilagcn „llnlerhauuiig und Wissen", .Kirche und Welt", »Die Welt der Frau", »Acrztltcher Ratgeber", .Literarische Beilage", »Filmrundschau". Monatlicher Bezugspreis S.- Mk, einschl. Brstellgeld. Einzel,»immer Ist 1. Sonntagnummer »« 1. Hausitschristleitsr: Dr. w. DeSezi,». Dresden, SüchslM Donnersrag» oen 26. August 1S27 Anzeigenpreis«, DI«tgespaltcn«Petitzetle»0 g, Familie», »„zeigen ,,»d Stellengesuche !S» z. Die Petitreklamezelle, nn Millimeter breit, 1 Ofsericngebishr !i<» Z. bei lieber» sendnng durch die Post aicherdein Portoziifchlag. Im Falle büberer Gewalt erlischt jede Verpflicht»,>g auf Lieferung sowie Lrsiillnng v, Anzeigen-Anstriigen u. Leistung v Schadenersatz. Keschüftlicher Teil: Artur Lenz, Dr-sden. Geschäftsstelle, Druck».«erlag, «ermania, A.-S. sür Verlag und Druckerei,Filiale Dresden.Dresden-A.l, Polierstraben. Fenirnf2l0>2. Postscheckkonto Dresden 270Z, Bankkonto: Stadtbank Dresden Nr. Sl7lS Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen «olkSzettung Dresden»Altstadt 1, Polierstrab- 17. Fernrns 207U und 2llll2. g Zusammenstöße in den amerikanischen Grohstü-ten — Aarrika-enkitmpfe in Paris Das Völkerbundspalais in Genf demoliert -reu York, 23. August. (TU.) I Die Nachricht von o«r Hinrichtung Succos und Van- rettis hat in Amerika ziemlich« Erregung auogelöst. In Neuqork fand auf dem Union Square eine hauptsächlich von Kommunisten besuchte Massendemonstration statt. Es wurden Rede» gegen die Wallstreet und de» Kapitalismus ge halten und dabei Worte gebraucht wier „Nero geigt, wiihrend Rom brennt." Berittene Polizei trieb di« Pserde in die Menge, die auf 700« Personen geschätzt wird, und hieb mit Gummiknüppeln aus die Demonstranten ein. Panzer- autos mit Polizei erschienen nnd schließlich löste sich die Menge in wilder Flucht aus. Weitere Demonstrationen fanden an anderen Stellen statt, so vor der Mischen Zeitung „Vorwärts". Der Polizei gelang es jedoch, die Ruhe sehr bald w i ed « r h e rz u st e l l c n. Auch in Boston mutzte die Polizei gegen die vor dem Ka pitol demonstrierende Menge Vorgehen, wobei 128 Personen ver haftet wurden. Eine Massenkundgebung vor dem Gefängnis In Charlestown konnte ebenfalls von der Polizei gesprengt werden, worauf sämtliche Zugangstratzen zu dem Gefängnis abgesperrt wurden. Auch aus W a s h i n g t o n und Chikago werden kleinere Demonstrationen gemeldet. In Pittsburg töteten die Demonstranten einen Schutzmann, worauf die Polizei mit größter Schärfe oorging. An sämtlichen öffentliche» Gebäuden Amerikas, besonders In Washington, sind starke Wachen ausgestellt worden. Präsi dent Loolidge ist ständig von Detektiven umgeben. Noch vor der Hinrichtung hatte di« Polizei in Jersey City einen Droh- brief erhalten, in dem die Sprengung sämtlicher Vrilcken und öffentliche» Gebäude im Falle der Hinrichtung Saccos und Van- -ettis angekündigt wurde. Die Zahl der an dem Streik teil nehmenden Kommunisten wird auf 28 088 geschätzt, so datz man dem Streik keine besondere Bedeutung beimitzt. Der Präsident der Arbeitergewerkschaft, Green, hat an den Gouverneur Füller ein Protestschretben gerichtet. Wie aus Buenos Aires gemeldet wird, versucht« di« erregte Menschenmenge beim Eintreffen der Nachricht von der Hinrichtung Saccos und Vanzettis und Madeiras, die ameri kanischen Geschäftshäuser mit Steinen zu bewerfen und zu stürmen. Erst nach Eintreffen von Verstärkungen konnte die Polizei di« Demonstranten vertreiben Sechs Kompanien Infanterie und zwei Moschinengeivehr- abteilungen in der Gesamtstärke von etwa S80 Mann stehen auf der Gouverneurinsel bei Neuyork in Bereitschaft, um nvtigensalls sofort zusammen mit der Polizei in Aktion treten zu können. In mehreren Städten sind direkte Telephonver bindungen zwischen der Garnison und dem Polizeipräsidium" hergestellt worden. In San Franziska wurden 127 Demonstranten sestgenommen. Paris, 24. August. Di« Protestkundgebungen gegen die Hinrichtung von Sacco und Vanzetti auf den großen Boulevards hat gestern zu mehreren ziemlich ernsten Zusammenstößen mit der Polizei geführt. An zwei Stellen kamen die Manifestanten mit einem starken Polizeiaufgebot, das vom Polizeipräsekten selbst ge leitet wurde, ins Handgemenge. Am Place Clichy zerschlugen ungefähr 3000 Männer die Fensterscheiben der Lokale, stürzten die Bäume um und demolierten wartende Autos. Ani Boule vard Sebastopol wurden die Fenster eines großen Schuhhauses und die eines Feinkostgeschäftes zertrümmert und die Waren auf die Straß« gestreut. Auf den Champs Elysües wurden die Veranden und Fenster der Cafes eingeschlagen. An einer Stell« ist sogar eine Handgranate geworfen worden, ohne jedoch Schaden anznrichte». Am Carrefour Röaumur wurden Gescizäfte geplündert. Die Manifestanten bauen an dieser Stelle mit Baumstämmen, Baumz-weigen und Automobilen Barrikaden. Bis 10 Uhr abends sind an dieser Stelle lm ganzen 57 Verhaftungen vorgenommen worden. Gegen 10.30 Uhr abends waren die Iugangsstraßen zur amerikanischen Botschaft von einer dichten Men schenmenge belagert. Auch die Gegend des Triumphbogens ist durch eine Menschenmauer abgesperrt. Poltzeiverstärkungen sind auf Automobilen an diesen Stellen befördert worden. Der Versuch. Barrikaden am Carrefour Röaumur zu bauen, sührt« zu heftigen Kämpfen mit der Polizei, an denen sich sogar Be wohner der umliegenden .Häuser beteiligten, die von den Bal kons herab mit allerhand Gegenständen die vorgehenden Poli zeibeamten bewarfen. Es gab hier zahlreiche Verletzte. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. Gegen 10.30 Uhr gelang cs der Polizei, diese Stelle zu säubern. Genf, 22. August. Heule abend kam es vor dem amerikanischen Kon sulat in Genf zu Demonstrationen gegen die Hinrich tung von Sacco und Vanzetti Bei den Zusammenstößen mit der Polizei wurden verschiedene Polizeibeamte verletzt. Die Demonstrationen wurden bis,in die Nacht fortgesetzt. Eine nach vielen Hunderten zählende Volksmenge durchzog die Straßen und bewarf mehrere Kinos und Hotels mit Steinen, so daß die Fensterscheiben znm Teil zertrümmert wurden. In der Nähe des Bahnhofs Cornavin wurde von einem Un bekannten ein Schuß abgegeben, dem ein Angestellter zum Opfer fiel. Hierauf zogen die Demonstranten nach einem be nachbarten Polizeiposten, um dort die Fensterscheiben mit Steinen einzuwcrsen. Die Polizei machte von der Schuß waffe Gebrauch, gab jedoch nur blinde Schüsse ab. Die städtische Feuerwehr kam zur Hilfeleistung herbei und wehrte die Demonstranten mit der großen Motorspritze ab. Die Lage in der Stadt ist noch sehr kritisch. Das ganze Bataillon der städtischen Feuerwehr ist aufgeboten. Etwa 60 Personen wurden zur Feststellung ihrer Personalien festgenommen. Ein« Menge von etwa 100 Personen, meist jungen Leuten, begab sich gestern in den späten Abendstunden vor das Völ kerbundspalais. Die mächtigen Fensterscheiben des großen Bersammlungssaales, in dem die Sitzungen des Völker bundsrates gewöhnlich ftattsinden und in welchem heut« die 3. International« Verkehrs, und Tranfitkonserenz erössnet werden sollte» wurden mit Steinen beworfen und vollstän dig zertrümmert. Auch di» Fensterscheiben der Biblis- thel, di« wertvoll« Werte au» allen Ländern enthält, sowie das Eingang-portal des Palais erlitten da» gleiche Schicksal. Die Nachtwächter benachrichtigen unverzüglich die Polizei; jedoch war es bereits zu spät. Der Sachschaden wird aus mehrere Tausend Franke« geschätzt. Bei den gemeldeten Kundgebungen in der Stadt hat di« Polizei insgesamt 17 Personen verhaftet, darunter mehrere Italiener. Neben dem Poltzeipchten, einem ameri kanischen Reisebüro, mehreren Kinos und einer Bar hat sich die Wut der Demonstranten ganz besonders gegen das Völker bundspalais gerichtet. Besonders die Vorhalle des Gebäudes wie auch der große Versammlungssaal, in dem di« Beratungen des Völkerbundes stattgefunden haben, sind mit Glasscher ben und Steinen förmlich besät. Unter der angrei fenden Menge befanden sich auch viele, die di« jugendlichen Demonstranten aufwiegelten. Auch beobachtet« man junge Mädchen von sechszehn bis achtzehn Jahren, die groß« Stein« mit herbeischleovten. Wir haben gestern an dieser Stelle zuin Ausdruck ge bracht, daß wir den Entschluß der Regierung von Massa chusetts, Sacco und Vanzetti nach vierjährigem Zögern doch noch hinzurichten, verurteil e n. Ebenso scharf müssen aber die Demonstrationen verurteilt werden, die von kommunistischer und anarchistischer Seite nach der Vollstreckung des Urteils in den europäischen und ame rikanischen Großstädten ausgezogen worden sind. Wenn man seine Entrüstung über die Vernichtung zweier Men schenleben dadurch zum Ausdruck bringt, daß man Hun derte von anderen Menschenleben gefährdet, so ist das ein z n t i e f st u n e h r l i ch es V e r h a l t e n. Die Agi tation, von der sich die Demonstranten in Paris. Gens, Leipzig (über die Ausschreitungen in Leipzig berichten wir an anderer Stelle) haben mißbrauchen lassen, ist im Innern viel skrupelfreier und rücksichtsloser als der „amerikanische Imperialismus", dessen Osster Sacco lind Vanzetti angeblich geivorden sind. Es ist einfach ein Hohn, daß gerade die Kommunisten am eifrigsten gegen den Ju stizmord an Sacco und Vanzetti demonstrieren, also die Anhänger jenes Systems, das in Rußland zehntausende von Menschenleben rechtwidrig und aus rein politiscizen Gründen vernichtet hat, mithin selbst des Verbrechens des Justizmordes überstthrt ist. da» Amerika in diesem einen Falle begangen bcchen soll Vms uns Rom. H: Prag, 22. August. Tin scharfer Kampf tschechischer Politiker, unterstützt vor, heftigen und beleidigenden Ausfällen tschechischer Blätter gegen die kaiholische Kirche und den diplomatischen Vertreter de« Vatikans in Prag schuf seinerzeit ein« geradezu unerträg liche Atmosphäre, und dl« offiziell« Beteiligung der tschechoslowakischen Regierung mit dem Präsidenten Masaryk an der Husfeier, die Beflaggung der Burg mit der schwarzen Fahne, aus welcher der rote Kelch leuchtete, hatten endlich di« Abreise des Nuntius Marmaggi aus Prag und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der tschechoslowakischen Regierung zur Folge. Das war im Sommer 1925. Schon im Herbst des gleichen Jahres brachten die Wahlen ins Parlament einen von den tschechische» Machtsaktocen nicht erwarteten Zustrom zu den katholischen Parteien bei Tschechen, Slowaken und Deutschen, und von den kirchenfeindlichen Par teien verloren besonders di« tschechischen Nationalsozialisten, di« tschechischen und deutschen Sozialdemokraten viele Mandate, und die Kommunisten schwollen zur zweitstärksten Partei mit nahezu einer Million Stimmen an. Die tschechischen Nationalsozialisten und die Sozialdemo kraten waren schon wegen ihrer herabgemiiiderten Zahl und auch aus anderen Gründen — sie forderten allzu viel für ihr« Be teiligung an der Regierung — für eine Mehrheitsbildung nicht sehr begehrt. Auch drängten die Wirtschaftsfaktoren im Land« zu einem antisozialistischen Kurs, damit einige Maßnahmen, di« unter dem Drucke der Sozialisten nach dem Umsturz« erschwerend für das Wirtschaftsleben getroffen worden waren, paralysiert oder wenigstens in möglichere Bahnen gelenkt wurden. Trotz der vielen Widersacher in den führenden freisinnigen Kreisen des tschechischen Volkes und bei der großen Zahl der Kommunisten kam es also zu einer Mehrheitsbildung mit de» starken katholischen Parteien, zur deutsch-tschechischen Koalition. Seit diesem Tage verstummte die heftige Propaganda gegen die katholische Kirche, der Husfeier im folgenden Jahre wurde schon der verletzende Charakter genommen und noch mehr ln diesem Jahre. Längst versuchte die Tschechoslowakei wieder, normale Beziehungen zum Vatikan anzuknüpfen, wozu wohl kaum jemand geeigneter erscheinen tonnte als der ehemalig« diplomatische Vertreter beim Heiligen Stuhle, Dr. Kr oft«. Er wurde also von dem Posten eines Gesandten in Berlin ab berufen und führt« für den von den katholischen Parteien be kämpften und dem Vatikan nicht genehmen Dr. Benesch di« Verhandlungen, die nach der Anwesenheit der Msgr. Ciriaci in Prag günstig fortschritten und wohl in der nächsten Zeit ab geschlossen werden dürften. Es wird angenommen, daß dem nächst auch die diplomatischen Vertretungen in Rom und Prag wieder besetzt sein werden und damit ein gewaltiger Fortschritt aus dem Wege zur Wiederherstellung normaler Verhältnisse z» verzeichnen sein wird. Nach Aeirßerungen des Msgr. Ciriaci, der führenden Persönlichkeit bei den Verhandlungen, ist zwar di« Regelung der Beziehungen zwischen Vatikan und der Tschecho slowakei nicht leicht, doch sei, so erklärt« Ciriaci. bei allen Per sonen, mit denen er in Prag gesprochen habe, der gute Will« und die beste Garantie für ein« Regelung vorhanden, di« ein« politisch« und sozial^ Rotwendigelit für di« Tschechoslowakei und vom Vatikan ersehnt sei. Msgr. Ciriaci deutet« die großen wirtschaftspolltischen Funktionen der Tschechoslowakei in der Kleinen Entente an und verwies daraus, daß eine Einigung mit der Tschechoslowakei auch vom kirchlichen Standpunkte aus ein« besondere Bedeutung für die Konsolidierung der kirchlichen Ver hältnisse In den übrigen mitteleuropäischen Staaten habe. Er habe sich überzeugt, daß die Husfeier mehr einen nationalen und kirchlich nur einen nebensächlichen Charakter hatte und daß also die Beteiligung der Minister tn?r Republik als Exponenten ihrer politischen Parteien nicht als provokatorischer Akt an zusehen sei. Sie darf aber nicht von katholikenfeinlichen Kund gebungen begleitet sein. Msgr. Ciriaci spricht von Dr. Krofta, dem tschechoslowakischen Vertreter bei den gegenwärtigen Ver handlungen mit Nom, als von einer noch,aus seiner Gesandten zeit in Rom bekannten „porsona. xratis-siina" und ist über zeugt, daß bald eine Einigung über die grundlegenden Richt linien zu erzielen sein wird. Nach Beseitigung der Mißver ständnisse werden dann die diplomatischen Vertretungen auch di« gleichfalls sehr verwickelte Frage der A b g r e n z u n g d e r s l o- wakischen Diözesen befriedigend regeln. Es wird also nach den Aeußerungen Msgr. Ciriacis im Verhältnis des Vati kans zur Tschechoslowakei wohl schon in der nächsten Zeit der „Status kiuu auto" hergestellt sein, eine Lösung, die die Katho- U« heutig« Nummer enthält die Beilage »Unterhal- tungundwiss««".