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Onter^Lltunys und V^i88en Lsc^siscke VoIIc82eitunx ^stn-Sanx 192? Ser ewige Hof. Von F. Schrönghamer-Heimdal. „Der Hof steht in der Ewigkeit." Wie ein Blitz traf mich der Satz, daß ich zusammen- zuckte. Und der Satz ließ mich nicht mehr los. Denn auch er selbst steht als eine Urwahrheit in der Ewigkeit. So tief, ernst und wahr weiß ich mir kein Dichterwort, keinen Weisenspruch. Wie der Kehrreim eines Bauernhoch gesangs, zu dauerndem Gedächtnis geprägt, senkt sich der Satz in die Seele und behauptet dort als Satz über allen Sätzen sein ewiges Heimatrecht: „Der Hof steht in der Ewigkeit." Wahrhaftig! Es ist so! Aest wie ein Felsblock steht der Satz — und der Hof. Sein Ort ist die Ewigkeit: in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, im ewigen Leben des Volkes. Wie wahr das Wort ist, wissen wir erst, wenn wir Umschau halten im Menschenwerk, das wohl auch in der Ewigkeit stehen möchte, da es sich so erhaben düntt über den Hof, den nismand achtet. Was steht denn von diesem Menschenwerk in der Ewigkeit? Eine Kaufmannsfirma? Ein Fabrikunternehmen? Eine technische Einrichtung? Ein Staatswesen? Nichts von allem Meikscheiuverk steht in der Ewigkeit. Nur der Hof steht in der Ewigkeit. Der Hof — hundert Höfe, tausend Höfe, zehntausend Höfe, hunderttausend Höfe stehen in der Ewigkeit. Die Höfe des Volkes. Wenn eine Firma fünfzig oder hundert Jahre des Be stehens hinter sich hat, brüstet sie sich breit ln allen Zei tungen, als wär' es ein Helles Wunder, daß sie der Stru del der Zeit noch nicht verschlungen hat. Aber der Hof, die hundert, die tausend, die zehn tausend. di« hunderttausend Höfe im Land schreiben nichts in die Zeitung, obwohl sie auf tausendjährigen Grund mauern stehen. Was sollen sie auch in der Zeitung? Zeitung ist Zeit und fährt dahin. Aber der Hof steht und bleibt. Steht und bleiot in der Ewigkeit. Was ist ein Mensch gegen den Ewigkeitshof? Wenn einer siebzig, achtzig oder gar einmal hundert Jahre auf dem gebeugten Rücken hat, kommt er wieder groß in die Zeitung, und alle Welt wundert sich über ein solches Alter. Wer aber wundert sich über den Ewigkeitshof? Weil er nicht in die Zeitung kommt, obwohl er mit tausend Jahren noch ungebeugt dasteht und noch eine Ewigkeit stehen wird. Der Hof schweigt und wird totgeschwiegen. Schicksal alles Ewigen . . . Es ist not, den Baum des Schweigens um den Ewig keitshof einmal zu brechen und sein Wesen einmal in die Helle zu rücken. Was ist denn eigentlich um den Hof, von dem der Hochgesang rühmt, daß er in der Ewigkeit steht? Antwort raunt aus Wiesengründen und Feldbreiten, die ihn umhegen: Korn, Brot, Milch, Flachs, Lein. Und der Wald hinter dem Ewigkeitshof schauert auf: Span zum Licht, Scheit zum Feuer, Stämme für Stuben . . . Der bamo prosalcug versteht das Raunen und Rauschen und übersetzt sich's auf seine Weise: Wohnung, Nahrung, Kleidung. Alles was der Mensch zum Leben braucht, gibt der Hof. Das ist richtig. Ohne den Hof ver hungern wir alle. „Der Hof ist viel mehr" — blitzt es aus der Himmels bläue. Wer auf dem Ewigkeitshof geboren ist, weiß es: Der Hof ist einfach alles. Wiege und Heimat des Volkes, Lehr meister alles Menschlichen, Hortwahrer der Väterart. Lied und Liebe, Heldensinn und Märchengemüt, Lebens treue und Todesverachtung — alles was das Leben lebenswert und das Sterben tröstlich macht, wurzelt im Ewigkeitshof. Wenn in den großen Städten des Landes die Kauf leute, die Staatsmänner, die Gelehrten, die Künstler in der Reihe ihrer Ahnen zurückforschen, so stoßen sie letzten Endes immer auf einen Ewigkeitshof, der ihrem Ahn herrn Wiege war. Der Kern aller Kunst, die Würze aller Lveisheit, die Tiefe jeden Lebenstrostes hat Heimat im Ewigkeitshof. Die Fürsten wußten noch, ihres Ursprungs und Stammbaumes eingedenk, daß der Hof ihnen alles war. Hof und Volk. Gleiche unter Gleichen. Erst als sie den Hof in di« Stadt stellten, wo kein Platz für Höfe ist, unter gruben sie seine Ewigkeit. Verhängnis: Sie hielten noch Hof, aber diese Höfe hielten sie nicht mehr. Auf dem Asphalt geht jede Eiche ein. Der Ewigkeitshof steht draußen im Freien. O wunder volles Wort! Freiheit, Freude, Freuen. Alles «ins. „Wir gehen ins Freie" — zum Ewigkeitshof. Dort wächst er aus dem Boden wie Baum und Fels, steht in der Landschaft wie ein Selbstverständliches. Alles Ewige ist selbstverständlich. Nur versteht man es nicht, weil es so selbstverständ lich ist, so wie man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Was gilt ein Einzelner, ein Mensch, ein Geschlecht gegen den Hof? Wenn der nicht in der Ewigkeit steht, fällt das Volk und ist nicht mehr. Alles ist um des Hofes willen. Er allein muß bleiben, wenn alles wankt: sie halten Hochzeit, damit der Hof wieder Erben und Betreuer Hab«. Sie tragen das Kindlein zur Taufe und stellen sich schon vor, wie es auf dem Hof einmal werden wird. Sie legen sich so leicht in den Tod, wenn sie Gewähr haben, daß der Hof nicht gefährdet ist. Der Hof muß sein, damit die Sippe sei. „Der Hof steht in der Ewigkeit." Volk steht in der Ewigkeit — durch den Hof. Tausend Jahre steht er schon und mehr. Krieg hat ihn verheert, Not hat ihn verzehrt, Brand hat ihn ver nichtet, Pest hat ihn entvölkert. Wie durch ein Wunder wucks er immer wieder aus den alten Grundmauern zur Gievelhöhe mit dem alten Wetterkreuz. Volkes Heimstatt ist und bleibt der Hof. Wenn alles andere vergeht, hier ist ewiges töeborgen- sein. Die Wanduhr in der alten Bauernstube weiß es. Sie tickt und tackt es über der Wiege des Stammhalters in der Stille der Stube: „Der Hof steht in der Ewigkeit." Tröstlich, unvergeßlich, dröhnt es mir der Dreschtakt aus den Scheunen her: „Der Hof steht in der Ewigkeit." Amenl Aus dem Znhati. F. Schrönghamer-Heimdal: Der ewige Hof. Egon-Erich Albrecht: Di« Weckeruhr. Das Fragespiel. Im Park (Gedicht). A.S. Grien: Quitt. Wi« man Sterne „fängt". Rudolf K'ramer: Erntelieder, Unsere weckemdr. Vo» Egon-Erich Albrecht. Müllers wohnen neben uns in demselben Stockwerk des neuen Hauses. Müllers sind sehr nette, schlichte Leute, und ob schon sich unsere geistigen Interessen nicht begegnen, entstand doch bald ein recht schönes nachbarlich-sreundschastliches Verhältnis zwischen Müllers und uns. Und das kam so: Herr Müller ist Reisender bet einer großen Firma und muß morciens schon immer sehr früh von Hause weg, um noch dt« Frühzüge zu erreichen. Meistens verläßt er das Haus so gegen 6 Uhr, also just um die Zeit, da ich ausstehen mutz, um pünktlich um sieben Uhr im Dienst zu sein. Wir besaßen nun keine Wecker, uhr, weil ich mir vom Felde her die Fähigkeit bewahrt hatte, zu jeder gewünschten Zeit aufzuwachen, nach dem Motto: Jeder sein eigener Wecker. Doch einmal, als wir ziemlich spät erst von einer größeren gesellschaftlichen Veranstaltung nach Hause ge- kommen waren, hätte ich es beinahe doch verschlafen. Na. es ging noch, wenn auch die Hetzjagd recht unerfreulich gewesen war. Gesprächsweise erzählten wir das nun einmal Müllers, die auch wie wir an der betreffenden Veranstaltung teilgenommen hatten, und da erbot sich Herr Müller, jeden Morgen um sechs Uhr. wenn er wegging, bei uns zu klingeln, sozusagen als leben diger Wecker. Wenn es auch nicht nötig war, so nahmen wir dies« so freundlich angebotene Gefälligkeit doch an, schon um di« guten Menschen nicht zu verletzen. Und sieh, war ich anfangs meistens schon immer wach, wenn Herr Müller pünktlich klin gelt«, so gewöhnt« ich mich allmählich doch so sehr an dies be queme Verfahren, daß ich ohne dies Klingeln nicht mehr zur rechten Zeit auswachte. Doch noch eine andere Folg« hatte dieses nachbarliche Wecken. Es wob ein unsichtbares, ich möchte sagen, lieb freundschaftliches Band zwischen Müllers und uns. Trotzdem wir Tür an Tür wohnten, sahen wir uns eigentlich nur wenig, aber jedesmal, wenn morgens früh um sechs Uhr das zweimalige Klingeln er tönte, ging unwillkürlich ein dankbares Gedenken zu dem rührend zuverlässigen und getreuen Nachbarn. War es im Winter, dunkel noch draußen, dazu «in eisiger Mnd oder nasser Schnee, Glatteis auf den Wegen, dann mischt« ich diesem Ge denken noch ein warmes Mitgefühl für den Mann bei, der bei diesem Schandwetter den ganzen Tag fast draußen auf den Stra ßen sein mußte, und der so unverdrossen und getreulich seine Aragespiel. Zwei Wanderer schreiten rüstig in der Morgenfrühe durch Nones schöne Natur. Diese Rüstigkeit hat freilich ihren Grund. Es ist schon tief im Vormittag und sie müssen den Abendzug erreichen, der um l>.!!7 Uhr in Fraßdorf abgeht. Und bis dorthin haben sie noch ein schönes Stück Weg, bergauf und bergab. Sie kommen an einem Bauernhof vorüber und da gerade ein halb wüchsiger Junge in der Haustür steht, fragt der eine Wanders mann den Buben: „Wie weit ist's noch bis Fraßdorf?" Der Angeredete grinst verlegen: „Drei Stund'!" Aber da tritt schon ein Alter, es muß der Urgroßvater sein, aus der Stuben tür und ruft mit seiner wackligen Stimme: „Was woaßt denn du? Sechs Stunden müssen S' schon gut gehen bis Fraßdorf." Aber zur Sicherheit fragt er doch noch in die Tür hinein: ^Wie weit ist's bis Fraßdorf?" Und eine brummige Stimm« schallt heraus: „Gute sieben Stund'>" Jetzt wird es im Haus lebendig. Ungefragt poltert es aus dem Stall: „Du bist ja ganz narrisch, sieben Stund ! In fünfthalb Stund' geht's einer leicht!" Aber jetzt kommt die Bäuerin aus der Küche und raunzt: „Du schon, du Litsch, du unguter. Weilst du dir ja lieber d' Fiiß ausreißt, als daß d' ins Wirtshaus z'spät kommst. Ham mir net neulich g'schlagene sieben Stund' braucht und san aa net schlecht ganga?" Die zwei Wanderer bedanken sich für die reichliche Aus kunft und machen sich wieder auf den Weg. Da begegnet ihnen ein Fuhrmann, der recht gemütlich, die Pfeife im Mund, auf seinem Holzkarren hockt. „Lieber Freund," redet ihn der eine Wanderer an, „wie weit ist es noch bis Fraßdorf?" Der schaut zuerst den Weg entlang, wie wenn er es abmessen könnte, dann blinzelt er auf die zwei: „Wenn s so weitermarschiert's, seid's in siebe« Stund' dort." Der eine Wanderer schaut auf die Uhr. Siebe« Stund', das geht doch. Ts ist jetzt gerade halb elf Uhr. Und wieder setzen sie sich in Bewegung. Sie sind noch frisch und munter, da geht das Wandern leicht. Und nach einer Stu»de steht ein ganz nettes Bauernwirtshaus am Weg. da gehe« st« hinein, sich eine Stunde Rast zu gönnen. „No, Hmysl" s«^, lie zur Kellnerin. ..wie weit aeht man denn »nch bis Fraßdorf?" „I muß amal fragen!" Und die Hebe ver schwindet wieder. Sie bringt das Vier, aber auf's Fragen hat sie vergessen. „Was kann man denn zu essen haben?" „I muß amal fragen!" Und sie kommt mit der Meldung zurück: „A Büfflamot, an Niernbrat'n und a G'selchts." Man einigt sich auf den Nierenbraten. „Kann man auch einen Salat dazu haben?" „I muß amal fragen!" Und wieder ist sie davon. Jetzt dauert es ziemlich lange, bis sie mit der Meldung wieder auftaucht: „Niernbraten ist keiner mehr da!" Also, ln Gottes Namen: „Ist das G'selchte recht fett?" „I muß amal fragen!" Im park ver Park steht regungslos im Sonnenglast — Lichtfülle blendet — Flimmerlnft tanzt züngelnd auf Rasenflächen. Schwül« Sommerstille träumt schwer im kochenden Orangendufts einsamer dämmergrüner Seitenwege. Verödet liegen weiße Marmortreppcn — aus Riesenvasen wehen Rosenranken, und hinter dunkler, steifer Taxushecke hockt Pan und bläst auf grauer Sandsteknfläte eintönig das Motiv vom Mittagszaubrr. — Geblendet blinzeln die verhängten Fenste» der Schloßfassade — Karyatiden lächeln steinern, versonnen unter ihrer Last. Auf grünen Tellern schwimmen Wasserrosen in, Riesenbecken schlafender Fontänen, der Meergott neigt sich aus dem Muschelrund und spiegelt das Gesicht im stillen Wasser — Delphine sprühen dünne Silberstrablen, feucht schimmern eine» Nixleins goldne Schup««n. Bon nieder« Sockel zielt «in Liebesgott, Amor und Psyche halten sich umschlungen — wie ein verflogt,«» Seelchen irrt ein Falter an kommeuarüne» Lecken matt entland. O. Q. So geht es noch eine Weile hin und her, endlich sitzen die Zwei doch bei einem Büfflamot. Und von der Stunde Rast ist schon der größte Teil verstrichen. „Sie, Fräulein, haben Sie schon g'sragt, wie weit noch bis Fraßdorf ist?" „I werd gleich ein mal fragen!" Nach geraumer Zeit kommt der Wirt. „Nach Fraß- darf wollen die Herren? Warten S', ich werd' gleich einmal fragen, der 'Wastl kommt öfter hinüber, der muß es wißen." Nun wird zuerst einmal nach dem Wastl gefragt. Der ist end lich zur Stelle und wird nun persönlich um Auskunft gebeten. Er hat zwei mächtige Haxen, die er in den Knien wippt, daß man die Gelenke krachen hört: „Ueber'n Berg vier Stund', auf der Straß fünfthalb." Aber dieses Urtpil findet den lebhaften Widerspruch des Tisches nebenan, an dem ein par alte Bauern sitzen: „Du bist ja a Narr. Sechs Stunden san aus der Straß' und da darf einer noch fest laufen!" Wenn das wahr ist, dann haben unsere Zwei höchste Zeit. Sie zahlen und machen sich auf den Marsch. Aber nach dem Esten läuft man nicht so leicht. Line Stund« geht's noch im Eiltempo, dann lasten sie aus. Bis hierher waren sie brav nebeneinander gegangen, je tzt bleibt der eine zurück. Der andere drängt: „Wenn wir den Zug erwischen wollen, müssen wir schneller gehen!" Der andere mag nicht mehr recht. Er läßt sich nicht Hetzen. Bald ist di« schönst« Streiterei im Gang, die damit endet, daß der eine sich kurz entschlossen an einer kühlen Quelle niederläßt und jagt, er pfeife auf den Zug und überhaupt könne es nicht mehr so weit sein. Ein Handwerksbursche, der des Weges zieht, wird wieder zum Orakel. Gegen eine gute Zigarre gibt er bereitwillig Aus kunft, daß nach seiner alten Erfahrung bis Fraßdorf mit vier einhalb oder fünf Stunden zu rechnen sei. Viereinhalb Stunden, das reicht gerade noch für den Zug. Also fangen die Beiden das Laufen an. Sie gehen eine geschlagene Stunde, als ihnen ein Jäger begegnet. „Wie weit ist's noch bis Fraßdorf?" „In drei Stunden geht man's leicht!" Aber nach einer weiteren halben Stunde rechnet ihnen ein Radfahrer, der gerade am Berg abgestiegen ist, haarklein vor, daß man bis Fraßdorf noch gute vier Stunden gehen müsse. Da schwindet ihnen der Mut und sie tippeln eine Weil« langsam und verdrossen dahin, E» sind noch genau drei Stunden Zeit. Und In drei Stunden, beteuert «in Holrknecht. da geht man'« wi« «ir und der Wea