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Nummer ISS — 2«. Jahrgang Erscheint emal wöchentlich mit de» illusiriexte» Liaüsbittags» .Di« Stzell" »nd »Für unsere kleinen Leiste', sowie den r?zi- deilagest .Unterhaltung und Wissend »Kirche und Weit< »Tie Welt der Frgu", »klerztlicher Ratgeber, »Literarische Beilage", .Filmrinsdschan". Monailicher Bezugspreis tz,- Ml. einschk. skeslellgeld. Einjelnuumifr 10 <j, Sonntag,niminer SO <j. Haupischrtsileiiek! Lr. <s. LeSezhk» Dresden. ' HeschiiftSsteir«, »ruiku.Be kür Verlag und Druckerei, glital, PoIIerstratze17. FernrusLtOtr. Wale Dresden, DreSdeu-Ä.1, ÜV1». Vostscheckkonto Dresden r7vz. Bankkonto: Ltadtbauk Dresden Nr. Stil» Für christliche Politik und Kultur Redaktion de, «ächstschen BolkSzeltuug DreSdeil-Mstadt 1, Poliers,raste 17. Fernruf ANll und »1012. Sonntag» den 28. August 1S27 Anzeigenpreise r Die Igespaiiene Peiilzctie »0 s Famittgl- anzeigen und Stellengesuche SO 4- Pie Petitreklamezcste, 8» Millilneter drcit. I Osferleiigebühr SO Lei Ucbey sendung durch die Post austerd.en, Portozuschlag. Im Falls höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung ans Lieferung sowie Lrfiillnng v. Anzeigen-Anflrrigen ». Leistung v SchadenersoO. Geschiisllicher Teil: Artur Lenz, Dresden. Kumanttöt Im Namen der Menschlichkeit haben in dieser Woche Tausende von Menschen in Amerika und Europa gegen hie Hinrichtung der Anarchisten Sacco und Vanzettt pro testiert. Gewiß war der Anstoß dazu gegeben worden an Moskau aus, von der dritten Internationale. Die Bewegung hätte aber niemals diesen Umfang angenom men, wenn nicht die große Presse der europäischen Haupt städte, wenn nicht die liberalen und sozialistischen Par- xeien sich in den Dienst dieser Sache gestellt hätten. Der Schlachtruf, unter dem sie es taten, hieß: H uinanität. .Die gemordete Menschlichkeit", so und ähnlich, konnte nan es nach der Vollstreckung des Urteils lesen. Dieses pchlagwort scheint uns doch einiger Betrachtung wert zu ein. Der Fall Sacco und Vanzetti war gewiß geeignet, Mtgefühl zu erregen . Die amerikanische Polizei hatte zwei politisch verdächtige Männer verhaftet, man hatte sie tzines gemeinen Verbrechens bezichtigt, auf Grund eines Indizienbeweises verurteilt und nach einem sieben Jahre sang währenden Zögern hingerichtet. Die Vollstreckung des Urteils nach dem qualvollen, jahrelangen Warten war Zweifellos eine ungewöhnliche Grausamkeit. Aber wie protestierte man dagegen? Durch Bombenwürfe, Ueber- fälle auf Polizeiwaäien und blutige Straßenschlachten. Dutzende von Menschenleben sind bei diesen Protestkund gebungen vernichtet worden. Und das alles im Namen der Humanität. Woher kommt eigentlich dieser Begriff? Schon has Altertum kennt ihn, „humanitas" bedeutet der Antike ein Bildungsideal, die Entfaltung aller Anlagen des Ver standes und Gemütes durch den Menschen. Dieses heid nische Ideal des in sich vollkommenen Einzelmenschen nimmt im 14. Jahrhundert der „Humanismus" auf, also jene Richtung unter den Gelehrten und Künstlern dieser Zeit, die das Bildungsgut der heidnischen Vergangenheit ür wertvoller erachteten als die Formen der Kultur, die Ms Mittelalter entwickelt hatte. Das christliche Mittel- »lter hatte den Menschen gang eingestellt auf die Ge ne! ns chaft, batte das Recht der Gemeinschaft über ms Recht des Einzelwesens gestellt. Der Humanis - Nus sieht demgegenüber allen Wert im Einzel- vesen: er löst das Einzelwesen aus der Gemeinschaft os zunächst in der Bildung. Und nun reißt eine Bindung lach der anderen: Das Recht der Einzelpersönlichkeit ver bündet die Reformation auf dem Gebiete der Religion, üe Revolutionen von 1774 und 1789 auf dem Gebiete der Politik, derLiberalismus des 19.Iahrhunderts aus demGe- »iete der Wirtschaft. Der Lehre des Christentums, daß er Mensch den Trieb zum Bösen habe von Jugend auf ind daß er daher der Bindung bedürfe, stellt man ent gegen die Lehre von der „Humanität", daß der Bensch an sich gut sei, daß man ihm nur die Mög lichkeit geben müsse, sich frei zu entfalten, dann werde sich 4e Welt schon zur Vollkommenheit entwickeln. Christentum und „Humanität" sind also, historisch «sehen, Gegensätze. Das Christentum sucht die Quelle es Sittengesetzes außerhalb der Erscheinungswelt, in .ott, die Humanität aber ruft den Menschen zum Maßstab kller Dinge aus, findet also die Quelle ihres Sittengesetzes hnerhalb der Erscheinungswelt. Im Namen der Huma nität hat man seit Jahrhunderten Sturm gelaufen gegen glle Grenzen, die die Gemeinschaft dem Menschen ge- '»gen hatte. Man hat die Einheit der christlichen Kirche erstört und dafür eine Unzahl von Sekten geschaffen, hat die alten Bindungen in Handel und Gewerbe in in« nicht mehr zu llberbietende soziale Anarchie aufge- löst, man hat die Politik von christlichen Grundsätzen „ge säubert" und als einziges politisches Gesetz die Macht des Einzelnen übrig gelassen. Leben wir denn nicht im Zeitalter der Hu manität? Vor 1914 hat man uns das wenigstens oft genug versichert. Und auch jetzt noch kann man jeden Tag ,n den liberalen Blättern das Wort lesen von den „mit- telalterliäzen Zuständen", als welche man sich vorstellt Un wissenheit, Dummheit. Grausamkeit und was derartig schöne Dinge mehr sind. Erst kürzlich lasen wir in einer Keuler Die Welt (Illustrierte Wochenbeilage) Die deutschen Sender (Funkbeilage) Unterhaltung und Wissen Aerztlicher Ratgeber. Turnen, Sport und Spiel Fllmrundscha« Einigung über die Rheinlanbsrage? — Angeblich Verminderung der Besatzung auf SS ovo Mann geplant , - Paris, 27. August. Die englische Antwort auf die franziisische Note zur Frage der Reduktion der alliierten Besatzungstnippcn vom 1!-. August ist gestern vormittag durch den englischen Botschafter am Quai d'Or- sey überreicht worden. Sie wurde von Briand sofort den zu einem Ministerrat versammelten Mitgliedern der französischen Regierung mitgeteilt, die darüber eingehend beraten haben. » Der Londoner Berichterstatter der HavuS-Ageniur will den Anhalt der englischen Antwortnote zur Frage der Vesatzungsverminderung wie folgt skizzieren können: Die englische und französische Negierung seien durchaus einer Ansicht darüber, daß man die Besetzung ausschließlich vom Standpunkt des DaweS- Planes ans anscheu müsse, dessen Garantie sie sei, während der Si cherheitsfaktor was man auch gesagt haben möge, nicht im Vorder gründe gestanden habe. Die beiden Regierungen seien gleicherweise der Ansicht, daß Deutschland keine Ziffern aufzustellen habe, son dern daß es Sachs der englischen und französischen Negierung sei, hierüber zu entscheiden. Es sei jedoch klar, daß beide Regierungen anerkennten, das Deutschland im Jahre 1926 betreffend die Be- satznttgsvcrringerung gegebene Versprechen halten zu müssen, ohne dass man sich jedoch auf die deutsche Auffassung von der sogenann- ten normalen Besatzung sestlegcn könne. Die englische, belgische und französische Regierung würden also den Bestand ihrer Truppen festzusetzen haben. Der Unterschied zwischen London und Paris in der Verringerung dieser Effektivbestände beziehe sich auf eine be schränkte Ziffer, da es sich nur um eine Spanne zwischen 60 000 »nd 50000 Handels. Vom englischen Gesichtspunkt aus sei die Ur sache hierfür besonders in Gründen technischer Art zu suchen, und auch in einer Art Prestigefrage, in der militärischen Würde, die den Wunsch rechtfertige, im Rheinland eine im Vergleich mit den französischen Truppen angemessene Anzahl englischer Truppen bei- zubehalten. Es handele sich also darum, die These der Diplomaten und diejenige des Militärs in Einklang zu bringen, was übrigens sozialistischen Zeitung die Phrase von den „mittelalter lichen Folterqualen" auf — den elektrischen Stuhl ange wendet! Wenn man der liberalen und sozialistischen Presse glauben will, dann war das Mittelalter eine fürch terliche Zeit, und wir haben es, dank der Humanität, in zwischen herrlich weit gebracht. Freilich ist es ja merkwürdig, dah ausgerechnet der modernste Staat der Erde, die Vereinigten Staaten von Nordamerika, „mittelalterliche" Züge in ihrer Rechts pflege zeigen sollen. Die Fundamente dieses Staates sind erst in moderner Zeit gelegt worden: sollte man also nicht annehmen, dah auch diese unerfreuliche Erscheinung modernen Ursprungs ist? Wurde nicht Amerika als das Land gefeiert, in dem die menschliche Freiheit die höchste Stufe erreicht habe? In der Tat. sie Entfesselung des Menschen gegenüber der Gemeinschaft hat hier minde stens auf wirtschaftlichem Gebiete ein unerhörtes Maß erreicht. Hier galt wirklich nur noch di« nackte Macht, hier war wirklich im alten Sinne der „Humanität" der Mensch das Maß aller Dinge. Nirgendwo hat ein einzelner dank seiner Fähigkeiten und seines Glückes es so iveit bringen können wie in diesen Staaten. Nirgend wo hat aber auch die Unterdrückung des Schwachen, des weniger Begabten, des vom Mißgeschick getroffene» so hemmungslos Platz gegriffen wie in Nordamerika. Weiß man in Deutschland nicht — um nur eines zu nennen — in welch ungeheuerlicher Weise jahrhundertelang die hilf losen deutschen Auswanderer in den Staaten ausgenutzt worden sind? Dem Tüchtigen freie Bahn, den Schwachen auf den Kehricht, so will es das Gesetz der „Humanität". Und wehe, wenn einer dagegen aufsteht. Wehe, wenn er versucht, diese „natürliche" Ordnung zu durchbrechen. Sein Beginnen ist ein Berbrechen gegen die allgemeine Freiheit, er muß verschwinden. Der elektrische Stuhl ist die notwendige Ergänzung der „Humanität". So ist es zutiefst unehrlich, wenn gerade die Schwär mer für die Humanität sich darüber entrüstet haben, daß man ein paar arme Teufel nach qualvollem Warten vom nicht für ustmöglich angesehen werbe, da ja die Verständigung zwi schen den beiden Regienkngen im Prinzip erfolgt sei. Nach anderen Nachrichten soll die Grundlage der Vec ständigung folgende sein: Die Gesamtbesatzung wird um 11060 Mann, also auf 59 000 Mann vermindert. Und ztvar zieht Frank reich 8000 Mann zurück, England 1500 und Belgien ebenfalls 1500 Mann. e> Gegenüber Viesen Nachrichten will die Berliner Telegraphen- Union erfahren haben, daß die englische Note tatsächlich einen we sentlich anderen Inhalt habe, als er in der Mitteilung der Agcn- tnr-Havas angegeben ist. In unterrichteten Kreisen halte man cs für unwahrscheinlich, daß die englische »nd französische Regierung darin übercinstimmen sollen, daß die Rheinlandbesatzung die Ga rantie für die Erfüllung des DaweS-PlancS darstelle, da diese von Havas verbreitete angebliche Ansicht der englischen Regierung we der politisch noch rechtlich irgendeine Stütze in den bestehenden Verträgen finde. Der DaweSplan stelle ausschließlich eine Garan tie für die deutschen ReparationSverpslichtnngen dar und stehe mit den Bestimmungen bezüglich der Rheinlandbesatzung i» keinerlei Zusammenhang. Jouvenels Varl-ee Echo. Paris, 26. August. (TU.) Die gestrigen Erklärungen de Jouvenels „Ohne Ost locarno keine Rhcinlondräumung" werden natürlich von der gesamten Rechten begeistert ausgenommen. So schreibt der „Matin", das Nheinlandproblem sei nunmehr in seiner wirklichen Bedeutung aufgerollt, allerdings mit einer heiklen Frage, in deren Diskussion entschlossen einzugehen, aber not wendig sei. Solange Locarno nicht auf ganz Europa aus gedehnt sei, müsse der Frieden mit Hilfe des alten Garantie- spstems geschützt werden. Auf der Linken befürchtet man in folge der Erklärungen de Jouvenels eine Trübung der freundschaftlichen Atmosphäre des Kongresses. Leben zum Tode gebracht hat. Gerade das Gesetz, das sie verehren, ist die Ursache dieser Vernichtung. Und es ist die Ursache tausendsaäier Vernichtung, die wir täglich rings um uns sehen. Sieben Jahre im Gefängnis, immer in Erwartung des Todes — das ist eine furchtbare Oval. Was aber sollen die Zehntausende sagen, die in ungesun den Wohnungen an der Tuberkulose hinsiechen? Was die Hunderttausend«, die der ungeliebten Fronarbeit jahr zehntelang dienen, bei kargem Lohn, der von der Hand in den Mund reicht, ohne Aussicht, daß wenigstens ihre Kin der es einmal besser haben werden? Und welcher Auf schrei der Empörung soll dem Sterben der Millionen ge recht werden, die gestern in Europa, heute in China das Ringen um die Macht und die Märkte zerstampft? Humanität! Seit man die Beizauptung aufgestellt hat. daß der Mensch das Sittengesetz zu bestimmen habe, ist der fürchterlichste Beweis dafür erbracht worben, daß die Natur des Menschen, sich selbst überlassen, zum Bösen neigt. Diese Humanität, die uns in Kriege und soziale Kämpfe von unerhörtem Ausmaß führte, hat sich als fürchterlicher Irrtum offenbart. Wir setzen diesem ebenso stolzen wie hohlen Schlagwort ein anderes, bescheideneres Wort entgegen: N ächstenliebe. Das heißt: Beschrän kung des einzelnen zum Besten der Gemeinschaft. Nicht freieste Entfaltung bes Starken, sondern Dienst aller an der Gesamtlzeit. Stützung der Schwachen durch die Star ken. Das heißt letzten Endes: Unterwerfung unter ein Sittengesetz, dem nicht der Mensch das Maß aller Dinge ist, sondern Gott. Gemeinschaft im Geiste der Nächsten liebe. das ist die einzige Lösung der sozialen wie der zwi schenstaatlichen Gegensätze. Für alle, die gegen die Schrecken dieser Zeit angehen wollen in dem mutigen Glauben, eine bessere Zukunft schaffen zu können, kann das Losungswort nicht sein: Humanität, auch nicht: die Internationale — denn alle Gebilde dieses Namens sind ja hoffnungslose Versuche, auf dem gemeinschastsfeind- lichen Grundsatz der „Humanität" eine neue Gemeinsä)ast zu schaffen — sondern einzig und allein: Christus. vz-k.