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Sächsische Volkszeitung : 29.05.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192705293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270529
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270529
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-05
- Tag 1927-05-29
-
Monat
1927-05
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 29.05.1927
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Ostro und feine Schanze Aus Sachsens katholischer DergangenheN — Ein Kirchdorf mit einer vielhun-erlsührigen Ostro? — Das alte „O st r u s n a in pag o M i lza n l". So hieß es wenigstens früher. Seit aber der bekannte Histori ker und Altertumsforscher. Professor Dr. Meiche, Dresden, bereits 1908 im „Neuen Lausitzer Magazin" auf Grund der Grenzurkunde von 1241 diese Bezeichnung dem Burgward Dol- gowitz bei Lübau beigelegt hat, dürste es für Ostro mit jenem Namen vorbei sein. Hier ist nicht der Ort, dem Streit der Mei- nungen nachzugehen. Doch darin wird wohl kein Zweifel sein, das; das zuerst 1319 urkundlich erwähnte Ostrom der Name des jetzigen Dorfes ist swendisch Wolrowj. Eigentlich mutzte es Wotroh (vom altsl. ostrog — befestigter non hölzernen Pallisaden umgebener Ort) geschrieben werden. Ostro steht auf dem Boden einer uralten Kultur. wovon die an 4000 Jahre alten Urnen und andere Fundgegen stände zeugen. Dem Acker, der ihnen zum großen Teil Er nährer war, vertrauten die Urbewohner des Landes ihre Toten an, Sie verbrannten sie vielleicht im vollen Schmuck und sam melten die sterblichen Ueberreste in kunstvoll gedrehten Urnen. Die große Zahl der gefundenen Gegenstände im Vergleich zu anderen Gräberfeldern läßt auf ein« damals vorhandene reiche kiedelung schließen. Jene Epochen scheinen friedlich verlaufen zu sein. Denn die wenigen Waffen und die zierlichen Bronze- Pfeilspitzen und eisernen Nlesser werden eher zur Jagd als zum Kampfe gedient haben. Welcl-er Volksgemeinschaft die Ur bewohner angehört haben, läßt sich schwerlich mit Bestimmtheit behaupten. Unberührt von den allgemein bekannten Wanderstraßen, abgelegen von dem Getriebe des modernen Verkehrs breitet sich das Dörfchen inmitten einer fruchtbaren HügeNandsä-aft aus. Bereits 100« wird der Ort als ca stell um (befestigter Platz) bezeichnet und hat eine Geschichte wie nicht gleich ein anderes Dorf. In unmittelbarer Nähe des alten Ringwalles, der großen „S o r b e n scha n ze" — wohl eine der größten und schönsten ihrer Art —, an der sich das Klosterwasser (früher „Weiße Elster") in zahlreichen Krümmungen vorbeiwindet, führte hier von altersher eine Handelsstraße von West nach Ost (Polen). Gar manche reiche Kaufmannskavawane mag der be mooste Geselle vorbeiziehen gesehen haben, auch manch fröh lichen Iagdzug. August II.. Kurfürst von Sachsen und König von Polen, lieh des besseren Verkehrs wegen 1736 eine steinerne Brücke über das Wasser schlagen. Seine Namensinitialen nebst Jahreszahl sind in einem Steinblock eingehauen, der di« Mitte des Hauptbogens ziert. Die Zeit hat .zermürbend an ihnen ge arbeitet, doch sind sie noch sichtbar und erkenntlich. Früher wird hier eine Furt gewesen sein, wie im benachbarten Pansch witz. Von Ostro geht di« Sage, daß im Heere Karls des Großen, das einstmals in der Näh« gelagert haben soll, ein frommer christliclzer Soldat ein Bildnis der Gottesmutter bei sich getragen hat. (Eine Reproduktion, wenn auch etwas phan tastisch, kann man in der Gastwirtschaft Scholze sehen.) Nack) Abzug des Heeres — in Wirklichkeit wird es sich wohl nur uni eine Abteilung gehandelt haben, die gegen die Wenden aus- gezogen war — verblieb das Bild in der Gegend. Von der Zeit sah man öfters eine herrliche Matrone über die Fluren wan deln. Es soll dieselbe Erscheinung geivesen sein, die seinerzeit der Ritter Luz tan von Zerna auf seinem Rosse ver folgte und die schließlich in einer Linde kurz vor Rosenthal ver schwand. Hier wurde dann eine hölzerne .Kapelle gelraut und oas Baldnis in ihr untergebrocht, wodurch der Gnadenort Nose >nthal entstanden ist. Falls das alle Ostrusna Ostro ist, dann wurde der Ort un fein Umkreis vom deutschen Kaiser Heinrich ll. dem Meißner Bistum geschenkt. Tin großer Teil des Dorfes ging im 14. Jahrhundert in den Besitz der Herren von Haugwitz über, den sie aber nach und nach wieder verschenkten, teils an das Klo st er Marien- stern, teils an die Herren von Ponickau. Diese ver kauften den ansehnlichen Ostroer Besitz 1504 an das Domstift zu Bautzen. Einige Besitzungen der Kirchgemeinde standen unter Geschichte der Aufficht des Bautzener Burggrafen, worüber eine Urkunde der Gemeinde Säuritz vom Jahre 1065 Aufschluß gibt. Kirch lich gehörte das Dorf nach Crostwitz. Bei der großen Ent fernung von der Pfarrkirche, deren Sprengel weithin reichte, gedachte der damalige Bischof und Domdekan Woski v. B ä - ren stamm (geb. 1690 in Crostwitz, gest. a,n 3. Dezember 1771 in Bautzen) Hierselbst eine selbständige Pfarrei zu gründen. Dock) dieses wohllöbliche Borhaben stieß auf unüberwindliche finanzielle Schwierigkeiten. Das Volk war nach dem 30jähri- gen Kriege vollständig verarmt. Dazu kamen noch die Wirren des 7jährigen Krieges. So wurde zunächst dos Pfarrhaus (1756) und in ihm vorderhand eine Kapelle untergebracht. Freiwillige Gläubige statteten sie mit den notwendigsten Inneneinrichtun gen (Altar, Taufstein. Orgel, Glocken ufw.) reichlich aus. Die ersten hl. .Handlungen in ihr nahm der Psarrer Ko balz (ged. in Wittichenau) 1769—1814 vor. Geweiht hatte sie noch der Bischof Woski (1757). In jener Zeit gab die kirchliche Behörde (dos Domstift zu Bautzen) die Genehmigung zur Bildung einer eigenen Kirchsahrs» bestehend aus den Ortschaften Ostro und Säuritz. die sich also von der großen Crostmiher Parochie loslüsen sollten. Als ge eigneten Bauplatz Haie der Bischof den an den Pfarrhof an grenzenden Garten des Gutsbesitzers Barchmann ausersehen. Doch d>er damalige Besitzer ließ sich nicht zum Verkauf beivegen, auch'dann noch n icht, als ihm die Befreiung vom Getreide zehnten in Aussicht gestellt wurde. So mußte der Kirchen- neübou auf dem gegenwärtigen Platze aufgeführt werden, der der Gemeinde gehörte und für gedachten Zweck unentgeltlich überlassen wurde. Im März 1771 war der romanische Bau in seiner jetzigen Gestalt zum größten Teil vollendet und zugleich der die Kirche umgebende Friedhof angelegt, der erst 183!» von einer steinernen Mauer aus Horkaer Granit umfriedet wurde. Hier ruhen die Gebeine hervorragender Geister des Wendcn- tnms, so des Bischofs Wuschanski, des bis jetzt größten wendischen Dichters Cisinski (Pseudonym für den Pfarrer Jakob Barth, geboren in Kuckau) u. a. in. Der bischöfliche Fundator, nümtich Woski von Värenstamm, erlebt« den Neubau der Kirche, der sein sehnlichster Wunsch geivesen ivar und dem er sein ganzes Vermögen in Höhe von 7762 Taler geopfert hatte, nicht mehr. Er starb zwei Jahre vorher und sein Nach folger konsekrierte das neue Gotteshaus. Auch die Gemeinden hatten durch freiwillige Fuhren und Lieferung von Baumateria lien ivesentlich zur Errichtung des Kirchleins beigetrage». Für die innere Ausstattung spendeten verschiedene Ortsfamilien reichliche Geldmittel. Der klein«, grünbedachte Turm, der eine verwechselungsfähige Aehnlichkeit mit dein von Uhyst am Taucher hat, erhielt gleich anfangs 4 Glocken. Zwei wurden in Dresden bei Weinhold gegossen, die beiden anderen schenkte der damalige Bautzener Domdekan. Eine derselben zersprang beim Läuten und wurde 1862 bei (6 ruht in Kleinwclka (bei Bautzen) umgegossen. Im Jahre 1917 wurden sic für Kriegszwecke geopfert. Damals beabsichtigte die Gemeinde die Anschaffung einer neuen größeren Glocke, wofür auch reich liche Spenden gesammelt wurden. Aber sie alle wurden ein Raub der Inflation Die erste Orgel erbayte ein gewisser Renner in Bautzen (1815). Sie wurde aber „der ungün stigen Witterung" wegen erst 1817 fertiggestellt unter einem Auf wand von 319 Talern. An Stelle der im Laufe der Zeit sehr besserungsbedürftigen Orgel wurde 1880 eine neue für 2127 Mark (ohne die erbeblichen Nebenkosten) von Eule. Bautzen, errichtet, deren Prosvektpfeifen (13 an der Zahl) ebenfalls dem Krieg zum Opfer fielen. Mit Genehmigung der kirchlichen Behörde wurde im Jahre 1821 der Kreuziveg auf dem Kirchhof gebaut. Die Bilder für die 14 Stationen stellt« Florian Liebsch aus Nixdorf (Böh men) her. Um diese Zeit erhielt auch der Turm eine Uhr und zwar aus d»n Händen des Erostwitzer Meisters und Künstlers Johann Kießling. Was würde er wohl sagen, ivenn er jetzt sein Werk sehen und hören würde? Auf eine lange und segensreiche Wirksamkeit in Ostro konnte der Pfarrer und Kanonikus Jakob Herr mann (1871—1909) blicken, der für kirchliche und Gemeinde- ziveck« 10 000 Mark stiftete und gelegentlich seines goioenen Priesterjubiläums 9. 11. 09) der Kirche ein kostbares Fenster mit weibischer Inschrift schenkte. Die Vielsachen wendischen Aufschriften zeugen davon, daß das angestammte Bolkstum noch hoch in Ehren gehalten wivd. Schon 1894 erkannte die Kirchenbehörde die Unzulänglich keit des jetzigen Gotteshauses an. Auch die Inneneinrichtung bedarf einer gründlichen Erneuerung. So muß über kurz oder lang an eine» Neubau gedacht werde». Freilich ist die kleinste unter den wendischen katholischen Parochien nicht imstande, dieses aus eigenen Kräften durchzufiihren. Ansehnliche Mittel waren dafür schon gesammelt Aber einige unzufriedene Parochianen beschwerten sich wegen des beabsichtigten Baues bei dem damaligen Bischof Dr. Wahl. Bei der herrschenden Uneinigkeit gesck)ah nun das Unglaubliche: Den Spendern wurden ihre Gelder zuriickerstattct und die bereits angefahrenen Steine von den Gebern iveggeschafft. Das alte Kirchlein wurde notdürftig ausgebessert, dadurch aber der längst fühlbare Uebel- stand, nämlich die räumlick)v Unzulänglichkeit, nicht behoben und so ist der Gedanke eines größeren Neubaues schon längst wieder akut geworden. Hier hat christliche Nächstenliebe ein schönes Arbeitsfeld. Die Opferwilligkeit der Parochianen ist zwar vorbildlich. Bei der gegen ivärtigen wirtschaftlichen Lage ist die Errichtung eines neuen Gotteshauses aber aus eigenen Mitteln nicht möglich. Bischof Woski sorgte auch für schulische Unteriveisimg der Heranwachsenden Jugend. Die erste Schulstube wurde in einem Privathause untergebracht (in der jetzigen Scholzeschen Gastwirtschaft). Da die Räumlichkeiten nirgends zureichten, wurde ein besonderes Gebäude für diesen Ziveck errichtet. Das war im Jahre des Heils 1820. Schon 1836 machte sich wegen räumlicher Unzulänglichkeit ein Neubau notwendig. Doch dieser dürftige Bau stürzte 1841 in sich zusammen. Aber neues Leben erstand aus den Ruinen. Das Gebäude wurde von Grund aus neuaufgerichtet. Da die Zahl der Schulkinder be ständig stieg, so wurde am Westausgange des Dorfes im Jahre 1905 ein neues Schulgebäude aufgeführt. Nach 20 Jahren, also 1925, machte sich eine abermalige Erweiterung notwendig. So ist nun ein neuzeitiger Schulbau entstanden, der den modernen Anforderungen allenthalben entspricht und ein monumentales Werk des Architekten R. Ziesche in Crostwitz ist, der bei ver schiedenen Wettbewerben in Schulneubauten mehrfach die Palme des Sieges davon getragen hat, zuletzt Leim Bau der sechsklassigen Schule in Radibor. Trotz der Erweiterung prä sentiert sich das Schulgebäude als ein einheitlich Bau im ländlichen Stil mit einsirchen Formen und ist ein Schmuckkäst chen für den ganzen Ort. An der Nachbarschaft, wo fast ein ganzes Jahr aus schwarzen Fensterhöhlen das Grauen schaut«, dem Ort jenes gräßlichen Verbrechens des Winters 1926. da erhebt sich ebenfalls ein Neubau und )mßt sich dem Dorfganzev an. So gewinnt das Bild immernrehr an Schönheit, wozu Sie gutgepflasterte Dorfstraße wesentlich beiträgt. Die Gärten sind vielfach von lebenden Hecken begrenzt und die schmucken Häuser säst durchweg massiv. Die eigene Scholle ernährt noch ihren Mann. Hier liegen Bauerngüter, die schon jahrhundertelang in einer FoniM« vererbt worden sind. Vielfach führen sie Doppelnamen, um sie hinreichend von einander zu unterscheiden, da in dem Kanin 300 Einwohner zählenden Dorfe viele Familien gleichen Namens sind. Meistens lebt der Name eines früheren Besitzers noch Jahrzehnte lang fort. Das Dorf hat reiche Obstgärten, im Blü tenschmuck bezaubernd, dazwischen wilde Bäume: Fichten. Buchen. Linden, Ahorn. Auch viele Brunnen. Von jener Zeit aber, als die vor einigen Jahren erbaute Wasserleitung das nasse Element spendet, sind gar manche überflüssig geworden. Daß die Gegend schon vor Tausenden von Jahren bewohnt gewesen ist, dafür sprechen die gefundenen Ueberreste häuslicher Gegenstände, verschiedene Tongesäße und steinerne Werkzeuge, die teils ins pfarrherrliche Dorfmuseum, teils nach Görlitz oder Androklus und -er Löwe Erstausführung im Alberttheater. Der Stofs geht auf eine Historie zurück, di« in Legenden. Fabeln, Novellen vielfach Verwendung gesunden hat. Al. W. noch nie aus der Bühne. Der Geschichtsschreiber bekundet, daß Androklus, der entlaufene Griechensklave eines römischen Kon- sulars in Afrika, in der Wüste einen Löwen antraf, der arge Schmerzen durch einen in der Tatze haftenden Dom litt. Er befreite das Tier davon und dieses wurde sein Beschützer. An droklus wurde von den Häschern aber wieder ergriffen, nach Roni gebracht und znm Tierkampf verurteilt. Ter Löwe, dem er in der Arena gegenübertreten mußte, war sein Freund aus der Wüste. Trotz mehrwöchigen Hungerns erkannte das Tier seinen Wohltäter und gab durch Belecken seiner Freude Aus druck. Ob dieses Wunders begnadigte dann Kaiser Tiberius den Sklaven und verlieh ihm sogar den Freibrief. Wie käme nun aber Bernard Shaw zu solchem dra matischen Vorwurf? Wie käme er. Ser bestimmt nicht den Glau ben an das „Märchen" hat, — so nennt er sein Stück sarkastisch — dazu, legendäre oder visionäre Themen auszuspinnen? Seit der „Heiligen Johanna" wissen wir's: er braucht solche Rahmen, um Weltanschauungen zu bekämpfen, ja überhaupt, um neue Tummelplätze für seinen scl>arfen Geist und seinen kaustischen Witz zu finden. Und bei ihm nimmt die eigentliche Fabel auch nur einen sehr beschränkten Raum ein, dient ivie bei früheren Anlässen nur als Rahmen. Er verlegt sie in die Zeit der ersten Christenverfolgungen. Androklus und sein böses Weib Megära haben ihr Hab und Gut verkauft und ziehen — er als ver folgter Christ — durch di« Wüste. Der kranke Löwe naht und die Operation macht ihn so freundlich gesinnt, daß er mit Andro klus Foxtrott tanzt. Im 2. Akt hat Androklus sein Schicksal erreicht. Er befindet sich in einem Schub für das Kolosseum bestimmter Christen. Diese Märtyrer sind guter Dinge. Sie singen und öden den ivachhabenden Csnturio an. Sie benehmen sich überhaupt sehr ausgelassen, so daß man ihre Weigerung, dem Götzenbild zu opfern, nicht versteht. Dazwi schen eine ernste Szene: Die Verteidigung des Christentums durch die zur Märtyrerin bestimmte Christin Larinia gegen- über dem leichtblütigen und spöttischen Houptmann. Der 8. Akt: Vor der Avena. Fidelitas der Christen angesichts des Todes. Einer der Christen, Spintho, «in völlig entnervter Lottexbube läuft In die Arena,- um zu opfern, wird aber von einem Lötven, für den er gar nicht bestimmt war, gefressen. Ferrovius, der Leidenschaftliche, will Kämpfen. Androklus bringt ihn davon ab. Und das degenerierte sadistische Rom kommt um sein Schauspiel. Da erscheint der Kaiser, ein geistloser, teils grau samer, teils gutmütiger Tyrann, wie es gerade gebraucht lüird. Er erreicht es, daß die Christen Kämpfen, d. h. Ferrovius, der Starke kämpft allein und schlägt gleich alle 6 Gladiatoren tot. Cäsar ist entzückt und sieht ein, daß die Christen zu Besseren» zu gebrauchen sind als zum Tierfutter. Er gibt sie alle frei: Nur: Der neue Löive! Der braucht Futter. Androklus erbiete sich Es ist der Wüstenlöwe. Freudiges Erkennen — Foxtrott. Beide — Androklus und der Löwe — sind ebenfalls frei. Ferrovius wird znm Prätorianer ernannt und Lavinia. man sah es kommen, hat Aussicht, die Frau des Hauptmonns zu werden. Die zynische Fratze des Autors laßt im spannenden Moment den Vorliang fallen. Unerhört, diese Persiflage des Christentums! Fast undenk bar, daß es ein Antor wagen darf, eine Weltanschauung so mit seinem giftsprudelnden Geifer zu bewerfen, ivas dem iveitaus größten Teil der Menschheit vorbildlich und heilig ist. Die Haare sträuben sich, wenn die dem Tcde geweihten Christen mensendiecken und die Heilsarmee-Melodie des schaurig-schönen Liedes „O wie ist es schön, geret-tet-tct zu sein" johlen. Em pörend ist das . . . oder nicht? . . . Vor mir liegt eine Anzahl Beurteilungen des neuen Shaw. Sie gehen sehr auseinander. Keiner vermöchte ich mich anzu- schließen. Kennen ivir den englischen Dichter überhaupt? Ist nicht sein Spott und seine beißende .böhartige Satyrs nur Form, um die Patentmarke „G.B.S" auszuzeigen? Verbirgt sich nicht doch etwas ganz anderes hinter diesen dlbschculich- keitcn? Zum reinen Kunstwerk, das aus leidenschaftlichem Dichtertum heraus geboren sein muß. kommt Shaw gewiß nie. Dazu steht sein scharfer Geist und sein Witz immer allzu betont im Vordergrund. Und „Androklus und der Löwe" ist in diesem Sinne auch alles andere als ein Kunst- oder Dichterwerk. Mer Shaw bejaht hinter all dem Humbug das Christentum. Gewiß nicht als freudiger Bekenner, dazu hat er Kanin die rich tige Einstellung, doch aber als Philosoph, der die starken Kräfte, die der neuen Lehre lnnewohnen, erkennt. Er gestaltet die Um welt, das zum Fallen gereiste römisä>e Imperium mit seinen sadistische Orgien humoristisch, das liegt ihm so. Er mußte auch das Christentum so gestalten, wie es Nom dainals ansah und die eingestreuten ernsten Szenen sind seine deutliche Bitte: Ver steht mich nicht falsch! Troßdem bleibt manches zu beanstanden. — Es treten vier markante Gestalten von Christen auf, die entkleidet von allem Beiiverk die Typen ergeben, die der Autor im Christen tum immer wieder zu erkennen glaubt: Androklus selbst, her ausgetreten aus dem Rahmen der Historie, ist der bescheidene, einfältige Christ, der einfach das Christentum gefühlsmäßig an genommen l)at, weil er gut und fromm ist,niemanden etwas zu leide tut und jedem eine Freicke macht. Ferrovius ist der Kraft- inenlch. der Riese, dem es darauf ankommt, möglichst viele Men schen init Geivalt zu bekehren, der sich aber selbst nicht beherr schen kann und zur Demut immer erst von anderen gebracht iverden muß. Spintho ist der Christ der unvollkommenen Reue. Seine Zugehörigkeit zur neuen Religion wird nur aus furcht, barster Aiuzst vor der Hölle bestimmt. Alle drei sind kaum pro blematisch. Das Problem geht vielmehr nur um Lavinia. In ihr Kämpfen die Erkenntnis von der Wahrheit des Christentums und das Animalische, das Weibsein. Sie ist den anderen dreien geistig überlegen. Dorum — so schließt Shaw — fehlt ihr der einfältige Glaube, den sie durch Verfechtung des christlichen Gedankens, der Grundidee der neuen Weltanschauung, er setzt. Diese Auffassung ist abwegig. Dem wahren Christen, auch dem geistigen, bedeutet nicht die Religion etwas Symbo lisches, sondern i st etwas Lebendiges, Wirkliches. Sonst gäbe es ja Kompromisse. Daß Lavinia dies« auch eingeht am Schluß, ist die «ine Schwäche des Stückes. Die andere liegt, wie schon an gedeutet, bei der Form. Es ist Geschmacksach«, das Christentum in so groteske Beleuchtung zu zerren bei aller Berücksichtigung des oben über Sliaivsche Manieren Gesagte. Ein bitterer Ge schmack bleibt doch zurück, wenn man bedenkt, daß es heute überall und in allen Dingen um eine Möglichkeit zum Ausbau geht, ohne die das Chaos unverincidlich ist, um das Ideal und den Glauben! Die Aufführung traf den Sinn des Dichters vortrefflich. Kaum aber unseren Geschmack. Renata Mordo unterstrich die Groteske doch etwas mehr als notwendig war. Er brachte im Verein mit dem Bühnentechniker Herm. Alberti nach Entwürfen von I. Schröder sehr geschickte Szenenwirkungcn und war sichtlich bemüht, als neutraler Beobachter den „Stil" zu finden. Aber die Klust zwischen Ironie und tieferer Bedeu tung gähnte allzusehr. Den Darstellern zwang er seine Auf fassung deutlich auf. Und sie gingen mit. So kam ei» einheit liches Gepräge in die Ausführung. Eine kuriose Bühnenmusik von K. Salomo» sorgte für „Stimmung". Deli Maria Teich« ns verständige, heitere Lavinia (die einzige christliche Figur, die Mordo nicht über den Strang schlagen läßt!) machte der jungen Künstlerin alle Ehre. Ihr ausgezeichneter Partner Martens zeichnete den Hauptman» scharf ohne große Mittel. Walüows Androklus. der witzig-gutmütige kleine Schneider, reichte oft an die Gestaltungskraft Pvntos heran. I. v. Kl in« kow ström hatte die rechte Figur für den streitbaren Ferro vius. Dagegen blieb Oskar v. Xylanders Spinthos ohne Zeichnung, er war schwarz. Dem jungen Horst Smclding darf man mit Ucbcrzeugung zurufen: „Gut gebrüllt, Löive!" Die im übrigen stumme Ralle verlangt Klugheit in der Bewe gung. die Smelding traf. Albert Willi war ein typischer Unteroffizier, Echoen« mann der strahlende „Conferencier" des Kolosseums, Sanderso» -er .gemütliche" Kaiser. Der Erfolg war sichtlich ein Darltvll-,--Erfolg. Langes Leben wir- das Stück nickt baben. Franz Zickler.
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