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Onter^alturiL und V^i88sn Zäcksisctie Vollcsreitunx ^alirzanZs 1927 Aus dem Znhatt. Zo « Droysen: Der alt« Garten. Maria Müller; Wanderer im Licht. Ernst Noeld « ch« n : Siegender Geist. S ch r L ngh a in « r - H ei mda lGinkehr. M. R. Ii> nemani»: Margen i>m Split. Spanische Sprichwörter. Heinrich Leis: Sonnenuntergang Ser alte Gatten. Bo, Joe Droysen. Der alte Garteil steht mitten im Blühen! Als erstes kamen die Veilchen und durchavirkten den Rasen mit ihrem Blau, trugen die Obstbaume weiße Wolken. Dann prangte der Goldregen, breitete der Flieder seine meisten, lila, blauen und rosa Dolde». Nun duften dis Jasminhecken, -er Hollunder steht von Blüten überschüttet und die Rosen können ihre Lasten säst nicht tragen. In den Beeten wuchern Karthäusernelken in leuchtenden Farben neben dem Fin- zevhut, schaukeln ckn schlanken Stengeln zierliche Akelei und :ecken sich unzählige Commerblumen. Der Buchsbanm hat zenug zu tun, dieses üppige Wachsen einigermaßen zu bän- »igen, dah es in seiner jubelnden Fülle nicht dis Wege über wuchere zu einer einzigen bunten Wildnis. Die Wege sind begrast. Wo einst eilige Führ trippelten, kriechen heute die Schnecken. Dafür gehört der Garten nun um so mehr sich selbst. Es wird ein ununterbrochenes Blühen in ihm sein bis in den Herbst hinein, wenn mit den letzten Astern und altmodischen Georginen die Bäume von bläulich opalisie rendem Nebel gelb flammen und der milde Wein purpurn glüht. Bis eines Nachts der erste Frost die ganze Herrlich keit herunterreitzt. Doch jene Tage sind noch weit. Jetzt brennen die Feuerlilien neben den strahlend meisten Schwe stern, blaublauer Rittersporn und Tampanula wollen mit einander wetteifern, und jeden Tag wird ein Neues in die Farbenpracht hmeinwachsen. Die Bienen des ganze» Städtchens wissen das und geben sich im alten Garten ein Stelldichein. Rachdem sie in den Akazien schwelgten, folgen nun die Linden. Das Haus mit den einfachen Linien der Schinkelzeit ist von rissigen Linden umstanden, so dah es unter der Wucht ihrer Kronen fast verschwindet. Wenn sie im Schmuck ihrer Blüten wie mit Bernsteinperlen behängt dastehen, ist es von Bieiien- summen wie von einem Wiegenlied« umfungen. Denn es schläft, schläft fest mit geschloffenen Fensterläden. Flirren oje Sonnenstrahlen ins Dämmerlicht der Zimmer, so strei fen sie allerhand Uroäte Hausrat: Hochlehnige Sofas, zier liche Tische, messiilgbeschlagene Kommoden: sie taffen in der Servante manch Stück Kristall auffunkeln und tändeln über die goldenen Ränder und zärtlichen Inschriften ge malter Tassen. Di« Oelbilder an den Wänden. — Männer in Frack und Vatermörder. Frauen mit hochgetürmten Lockenftisuren — blicken nachdenklich in das Dunkel. Hier ist di« Zeit stehen geblieben. Doch unbekümmert um dieses s Stück Vergangenheit pulst drauhen das Leben. Und die ' Sonnenstrahlen rücken weiter auf dem Fuhboden, bis sie wieder hinauseilen zu Blühen und Vogelfang. Denn so un bändig wie das Blühen ist auch das Singen und Jubilieren der gefiederten Bewohner des Gartens. Sie sind alle da: Di« Amsel, dis schon im Februar den »och kahlen Bäumen vom Frühling erzählte, und die nun vom höchsten Wipfel herabiauchzt: Frau Nachtigall, die pfeift, flötet Lind trillert und dazwischen schnarrt wie eine kleine Weihnachtsknarre: Meister Kuckuck, der sich aus irgendeiner Seelenstimmung heraus manchmal an seinen Rusen verschluckt und dann mit einem jähen „Kuck!" aüricht, worüber er meist selber furchtbar lachen muh. Der leuchtend« Pirol ist da mit seinem lauten Liede und natürlich auch das ganze übrige Bilk: Alle Arten Meisen kobolzen durch die Zweige, Buchfinken zwitschern, Grasmücken singen und Bachstelzen wippen da hin, der Specht hämmert an den Bäumen und lacht dazu, Baumläufer eilt kopfüber an den Stämmen herunter und mausgoschwind wieder hinauf. Wer zählt die Völker, kennt die Namen! Dazwischen tummeln sich die Eichkätzchen. Doch ihre Zeit ist »och nicht gekommen: Wenn im Herbst die Haselbüsche voller Nüsse hängen, feiern sie Orgien. Da haben es jetzt die Vögel bester: die Kirschen und Johannis- veern reisen, wie sie meinen, eigens für ihren Schnabel. Vorn am Gartenzaun stehen zwei Kastanien wie treue Wächter, die das ganze blühende, fliegende, kletternde Leben behüten. Sie waren über und über mit Kerzen besteckt, die ein« mit roten, die andere mit weißen. Ihre Aeste breiten sich über zwei Gartenhäuschen, die ebenso still schlafen, wie das Herrenhaus. Auch sie klangen einst, wie jenes, von Menschen und ihrem Tun. Da lagen die über mütigen Herren Vettern, auf Besuch gekommen, zum Fen ster hinaus und hantierte» verbotenerweise mit dem Pust röhrchen, sich zu Spaß und Schadenfreude, anderen zu Aerger und Verdruß. — Hier schlossen sie die junge Gouver nante nach wohlvollendetem Unterricht ei», so daß sie erst nach langem Suchen gefunden wurde und nur mit Hilfe eines Stuhles durch das Fenster auf die Straße steigen konnte, weil die Missetäter mitsamt dem Türschlüssel ver schwunden waren. Welch peinliche Situation für eine ehr bare Demoiselle! — Nun sind die Gebäude ihren Träumen hingegeben und der Garten lebt sein eigenes ewigjunges Leben. Die Sonne durchglüht ihn und gibt ihren Segen zu allem neuen Wer den und Wachsen. Auf dem holprigen Pflaster der Klein stadt klappert der Alltag vorbei mit eilenden Schritten und rumpelnden Gefährten und hin und wieder erzählen die Hupen der Autos von einer neuen Zeit. Wanderer »m Licht. Seele, dein Weg führt durch tiese Nacht, Hast du der drohenden Schatten acht? Tosende Master stürze» zu Tal. Irrlichter huschen, zuckend und fahl. Seele, Wanderer bist duim Licht. Schatten und Dunkel halte» dich nicht: Schreite rüstig, schon dämmert ein Schein. Seele, bald wirst du im Morgen sein. Lvdvostor Ickaria Sliilior. Einkehr. Von K. Schrönghamer-Heimdak. «ei den Törringerleute» ist wieder einmal Feuer am Dach. Gestern ist die Flamme lichterloh ausgezüngelt, weil „sie" immer das letzte Wort haben muß und „er" als der Aeltere und Ge scheitere und sozusagen als der Herr im Hause, das einfach nicht gedulden kann. Und jetzt glimmt die Glut unter der Asche des häuslichen Friedens und der eheliche» Liebe der zwei Dick- köpfe, die sich eigentlich so gern haben, daß «ins das andere fressen könnte, aber ureigentlich einander hassen, daß eins das andere erwürgen könnte, wenn ihre Liebe immer wieder einmal an ihren Stierschädeln in Stück« geht. Denn eine» Eigensinn haben di« zwei Törringerleute wie zwei störrische Stiere, wenn sie im ersten Augenblick des Streites aufeinanderprallen und mit den Hörnern stoßen, daß die Späne stieben, und dann, wegen eines unbedachten, hitzigen Wörtleins, oft wochenlang anein ander Vorbeigehen mit gesenkten Schädeln, Gift im Herzen, Glut tm Hirn. Und sie könnten es so gut haben, die zwei Törringerleut'! Wenn nur dieser vermaledeit« Eigensinn nicht wär'l Me ist's denn gestern wieder gekommen? Beim Essen war's. Und da ging die Rede über die Steuern, bi« dem Törringer schon so zu Herzen gehen, daß er schier er schrickt, wenn er das Wörtlein nur hört. Zuerst haben sie, wie es sich für richtige Eheleute geziemt, schön brav zusammen- geschimpst über den einen, gemeinsamen Feind, das Steueramt. Eine geschlagene Stunde lang haben sie in schönster Harmonie alle Steuern durchgehechelt und kein gutes Haar am heutigen „Vater Staat" gelassen, der die ehrlichen Leut« ausraubt und die Lumpen ungeschoren läßt. Und zum Schlüsse vermißt sich der Törringer zu dem Schwur: „So wahr ich hier sitze und Leber- knödl esse, was meine Leibspeise ist, so wahr zahle ich von heut« ab keinen Pfennig mehr an das Steueramt! Jetzt ist mtr's zu dumm! Wenn der Staat Geld braucht, soll er sich '« selber «achen! Ich brauche das meine selber!" In diese« Augenblick kommt der Steuerbot« zur Stuben, tür herein und legt mit freundlichen Worten eine „Nach zahlung" aus den Tisch. „So, so, eine Nachzahlung", maut der Törringer und berappt — trotz seines vermessene» Eides. Und die Törringerin lacht schelmisch, wie sich der Steuer bote verzogen Hai. Sie kennt ihren Eheliebsten. . . . „Warum lachst du?l" fragt der Törringer betroffen und feuert den Löffel schon in die Suppenschüssel, daß di« Fettaugen der Rindsuppe bis zur Balkendecke spritzen. „Da soll man nit lachen!" prustet die Törringerin heraus. „Erst schwörst, und nachher zahlst dennoch!" „Es war ja blos eine Nachzahlung." „Steuer ist Steuer. . „Tu mir nit lang wörteln, sag' ich dir, das mag ich nicht leiden!" „Oho! Das Maul laß ich mir von niemand verbieten, und von dir erst recht nicht, damit du's weißt ... Ich kann sagen, was ich mag .. ." Jetzt haut der Törringer auf den Tisch, daß die Teller tanzen, die Törringerin flüchtet in die Küche, nicht aus Furcht vor dem Tobenden, sondern aus Trutz und Eigensinn, und sie läßt sich das Reden einfach nicht verbieten. Und dieweil der Törringer in der Stube draußen mit den Füße» trampelt, als müßte er Kraut eintreten, fährt sie in der Küche mit dem Schür haken über die Blechdeckel und Kupferpfannen, damit er weiß, daß sie sich das Wort einfach nicht verbieten läßt. — Und so ärgert eins das andere, bis der erste Zorn verraucht ist. Dann geht der Törringer aus der Stube und schlägt hinter sich di« Türe zu. daß der Weihwasserkessel am Pfosten wackelt. Sie aber, die den Hall in der Küche erhorcht, stürzt als Ant wort einen leeren Trankelmer um. daß di« Fensterscheiben zittern. Denn sie läßt sich das Reden einfach nicht verbieten, und wenn sie ihre Meinung nicht mehr mit der Zunge sagen darf, dann soll's der Trankeimer tun. So ist diesmal der häuslich« Friede und hie eheliche Liebe der zwei Törringerleute in Flammen aufgegangen. Und die Glut glimmt weiter unter d.m «lLenbäuflti« de» ersten 3orll«r der zwei Dickschädel... Stellender Geist. Von Ernst Noeldechen. Der König eines großen, aber auch durch Kriege nywer zer rissenen Landes, welche seine Ehrsucht einst entzündete, bereute seinen Fehler und grübelte bei Tag und bei Nacht darüber, wie er die klaffenden Wunden am Körper seines Volkes heilen könne. Frühzeitig war des Herrschers Ehefrau gestorben und halte ihm zwei Söhne hinterlassen. wenige Jahre nur im Alter von ein ander getrennt. Den jüngeren der beiden zierte seidenweiches, blondes Haar. Seine Gestalt war schlank und hoch — und wer sein Wesen und seine schöne Äußerlichkeit gesammelt betrachtete, glaubte eine schmale, weiße, eben enlzündele Kerze vor sich zu sehen. Der allere der beiden besaß einen Stiernackcn und böse Leidenschaften wetterleiichtetcn im Ausdruck seiner grobe« Züge. Gerade um Pfingsten fühlte der König, daß er nun das Zeitliche segnen müsse, und als ihm die Augen schon im Tode brechen wollte», stichle eine Stimme aus höheren Fernen seine Seele und sande viese bereit. Die Stimme sprach: Reue öiiiiet« dich! Buße reinigle dich! Wisse denn, am kommenden Pfingst fest, wenn die Taube strahlend über die Welt oahinschwebt, wird Gnadenglut von ihrem Fittich auf deines jüngsten guten Soh nes Herz herabtauen — »nd offenbar wird ihm werden, wie dei nem Volk zu helfen sei. Geh hin in Frieden! Es siegt, was Besseres aus deinem Blute kam. Da atmete der alte König erleichtert auf und nahm mit sinkenden Händen von seinen Söhnen Abschied. Laut dem letzten Willen des Verstorbenen siel sein hinter- lassener Besitz und die Herrschast'Hiber die Laude nicht dem einen oser dem anderen seiner Kinder zu. Ungeteilt sollte das Erb gut bleiben. Gemeinsam als ein Mann sollten die beiden Brü der herrschen und führen. Und abermals nahte Pfingsten heran. Die ganze Nacht vor dem fröhlichen Fest verharrte der jüngste Sohn im Gebet für alle Menschen aus Erden, inbrünstig dem Wunder entgegen« harrend. Ueber die noch dunklen Zinnen wuchtiger Burgen und schon umdänimerten Türme sehnsuchtsvoller gotischer Dome huschte der erste rötlichste Strahl der Frühe. Des Bleichen Stirne küßte er. Ein süßer, heiliger Schmerz ging durch die Seele des Beters, und deutlich vernahm sein inneres Ohr dies« Worte: Nur wer in tiefste Tiefen steigt, kann ein zerschlagenes Volk heilen. Die indische Sonne trügt oft. Ein Glassplitter am Wege erscheint manchmal wie gediegenes Silber durch sie . . . Steigt in dis Tiefe! Steigt in die Tiese! Dort liegt ein Schätz verborgen, der reich genug ist, um ein ganzes Volk, um di» ganze Welt zu beglücken! .... Mit einem Gesichte wie der birkenfrohe Morgen des lichten Festes eilte der Begnadete zu seinem Bruder und vertraute ihm, was er vernommen. Dessen Augen funkelten listig und gierig, als er die Botschaft hörte. „Ein Schatz! Neuer Reichtum! Gold!" brüllte der Böse in seine Seele hinein — denn der Helle des Geistes verschloß sich der Tor. Nicht Im entferntesten dachte er an die Not seiner Mitmenschen. Nicht der Wunsch, dem schwergeprüften Volke hel fen zu wollen, adelte ihn. Er sagte zu sich selbst: „Wenn ich den Schatz linden sollte, kann ich ein Heer auf die Beine stellen, dem keine Macht der Erde gewachsen ist. O. wie will ich die Lande ringsum bedrängen mit Feuer und Schwert! Hetm- zahlen will ich, was sie unserer Krone getan. Unterwerfen will ich sie und jeden ihrer Einwohner zum Sklaven machen. Gelingt mir dieses, werde ich bald der gefürchtetste Mann der Welt sein!" So war seine Gesinnung. Nach außen hin jedoch tat er, als sei er von demselben Gedanken wie lein Bruder beseelt, der in keiner Weise an sich, sondern zunächst an den erbärmlichsten seiner Mitmenschen dachte . . . Und der habsüchtige Tyrann, der sich König nannte, bewies Jetzt gehen sie wortlos aneinander vorbei, die Augen ge radeaus, wie Hahn und Huhn am Kreidestrich, damit sa eins das andere nicht anschauen muß. Bei Tische sitzen sie wie stirn runzelnde Steinböcke und bei Nacht liegen sie wie eichene Zaun säulen in den Betten — hart nebeneinander, aber Rücken gegen Rücken, nicht damit das andere meint, man wäre zum Frieden bereit. Das läßt einfach der „Charakter" nicht zu. rote die Tör- ringerlcute ihren stiernackigen Eigensinn nennen, oder eigentlich nicht nennen, denn so was versteht sich eigentlich von selbst — und sie reden ja schon vierzehn Tage kein Wörtlein mehr zu sammen, kein gutes und kein ungutes, eben weil das wider den Charakter wäre. Zwar — die Törriirgerin hat es schon tausendmal bereut di« vierzehn Tage her, daß sie so hartgesotten ist, und sie nimmt sich heilig vor, in Zukunft auf das letzte Wort zu verzichten, und wenn es ihr noch so schwer fallen sollte. Ihre Wangen sind schon ganz eingefallen, und sie gibt sich allein die Schuld, daß es wieder so gekommen ist wie schon so oft. Und sie könnten es so schön haben zusammen. Und der Törringer schlägt sich, wenn er sich allein weiß, hundertmal vor die Stirne, nennt sich einen Esel hin und ein Rindvieh her, weil er immer gleich so ausbrausen muß wie ein Kracherl, wenn es ihm den Eigensinnsstöpscl hcrausreißt . . . Und eigentlich hat ja er die einzige Schuld. Denn er ist doch wirklich zum Lachen, wenn man sich verschwört, keine Steuern mehr zu zahlen, und im gleichen Augenblick schier eine Nach zahlung leistet. So ein Rindvieh kann nur der Törringer sein, in seiner weltbekannten Gutheit oder eigentlich Dummheit. Und wär' der Steuerbot nicht gekommen, dann könnte er mit der Törringerin heute noch in schönster Eintracht Hausen. Der Steuerbot' aber kommt vom Steueramt und kann nicht weiter dafür, weil er nur seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit tut. Aber das Steucramt kann etwas dafür, w«U es den Leuten überhaupt nur Aerger und Verdruß macht, und der Tür ringer tut einen heiligen Schwur, die Steuerämter samt und sonders abzuschasfen. wenn er der „Vater Staut" «ür« ... Ja, wennl