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Sächsische Volkszeitung : 12.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192706120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270612
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270612
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-12
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 12.06.1927
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Das Papier im täglichen Leben Sku-ierigünge auf -er Iohresschau Deutscher Arbelk die Stadt Plauen überwies das Bild dem Bogttän Stichen ^ " ismuseum. Zuvor wurde es noch mE andern Figuren nach Dresden gesandt, wo es sacl)gemäh renoviert wurde: das heißt, es wurde gereinigt und mit den entsprechenden Schutz mitteln versehe», die dem verderblichen Wirken der Holzwürmer Einhalt geboten. Nun steht dos Bild der Muttevgottes in der heimelig trauten „Kapelle" des Vogtländifchen Kreismuseums an der Rückwand aus einem Sockel. Das Standbild ist ziemlich gut wieder hcrgestellt. Jedoch hat man aus künstlerischem Empfin den die Farbe nicht erneuert. Immerhin lassen sich auch in dem gedämpften Lichte der gemalten Kapellenfenster die Farben noch erkennen. Das Iesuskindchen, das auf dem linken Arme der Muttergottcs sitzt, sein linlres Beinrhen nach Kinderart vergnüg lich spreizt und mit einem Apfel (?) spielt, trägt ein rotes Kleid chen. Die rechte Hand, die nach Mosens Beschreibung ein Zepter trug, ist abgebrochen. Die Gewänder bauschen, sie sind, die Fallen aus-,»drücken, teilweise lies gefurcht. Soweit ich es er kennen konnte, scheint die Muttcrgottes aus der Mondsichel zu stehen. Die Gesichtszüge sind von einer lieblichen Abgeklärtheit. Ein neben dem Bilde befindlicher Zettel gibt als Jahr der Ent stehung 1510 an, während R. I. Hartenstein in einem Artikel über die „spätgotischen Schnitziverke in Marieney" schreibt, dass ,.die auf das Jahr genaue Zeitangabe (1507) in solcher Bestimmt heit unbegründet" ist. Wo stammt nun das Bild her? Die Meinungen hierüber sind etwas verschieden. Die eine Version lautet, es stamme aus der Kirche zu Brambach: die andere behauptet, das Bild habe in der alten Marie neyer Kirche gestanden, die — noch R. I. Hartenstein — eine Wallfahrtskirche gewesen ist und reich ausgestoltet war. Es sollen 3 Altäre in ihr gestanden haben, von denen die Muttergottes den mittleren Altar zierte. Das zeigt die ganze Herstellung: denn die Muttergottes ist in erha bener Arbeit angeführt, ivährend die übrigen Marieneyer Figuren, z. B. „Anna selbdritt", d. h- di« heilig« Anna mit Maria und dem Jesuskinde auf dem Arme flach dargestellt find. Da nach Obigem die Kirche eine Wallfahrtskirche war und nach dem Berichte eines katholischen geistlichen Herrn das Bild als wundertätig gerühmt worden ist, können wir wohl als ziemlich sicher annehmen, daß dos im thailändischen Kreis museum sich befindliche Bild ein Gnadenbild gewesen ist. Es hat einen unter gegebenen Umständen würdigen Platz zur Auf stellung gefunden, lieber den Hersteller der Statue ist nichts Bestimmtes bekannt. Vielleicht ist es derselbe Künstler, der die Kiräw zu Thossen mit dem prächtigen Fliigelaltare und andere vogtländische Kirchen mit Marien- und andern Heiligenstotuen versorgte. Aus Dachböden und sonstigen stillen Winkeln ent legener Dorskirchen scheinen »och Heiligenfiguren ein Leben in Verborgenheit und stiller Trauer zu sichren. Wer meine Ausführungen ergänzen kann und Nccheres über das Bild weih, ist herzlich gebeten, mir diese Nachrichten zusen den zu wollen. 0r«5«Ien un«> Umgebung Dreieinigkeit Im Wcihnachts- und Ostersestkreise hat die Kirche uns das krlojungswerk Jesu Christi vor Augen gestellt. Seinen Ab schluß findet cs in dem Feste der hl. Dreifaltigkeit — oder besser Dreieinigkeit. Ist doch das Erlösungswerk nicht nur ein Werk des Sohnes, wie auch dos Schöpfungswerk nicht nur ein solches des Vaters ist. sondern es ist ein Werk aller drei göttlichen Per sonen. Wohl sind wir gewöhnt, di« Schöpsung dem Vater, die Erlösung dem Sohne zuzuschreiben, was aber bleibt für den Heiligen (Heist? Er ist sür viele gewissermaßen auch heute noch der unbekannte Gott, dem der Apostel Paulus in Athen einen Altar geweiht fand. Das H e i I i g u n g s we r k ist dem Heiligen Geiste zugcschriebcn. Wieder aber find cs alle drei der göttlichen Personen, die cs vollbringen. Das ist eben dos Geheimnis der heiligen Dreieinigkeit. Das Werk der Schöpfung ist uns am leichtesten verständlich. Nur einen Blick brauchen wir zu iversen in das überquellende Leben in der Natur, und wir sehen die Schöpfung mit eigenen Augen. Auch die Erlösung verstehen wir noch, haben wir doch auf der Schulbank vom Leiden und Sterben des Gottessohnes gehört. Damit war aber das Werk der Erlösung nicht abgeschlos sen, cs mußte noch das Wirken des Heiligen Geistes einsetzen, »m die Erlösung zu vollenden. Vermochte nun Christus die Voll endung nicht? O, ganz geiviß! Aber zum Zeichen der einmütigen Handlungen aller drei göttlichen Personen goß sich der hl. Geist am ersten Pfingsttage über die Apostel aus. der aus den ver zagten Männern erst wirkliche Apostel machte, die die Glaubens wahrheilen mit Heldenmut in der heidnischen Welt verkündeten. So ist auch das Fest der heiligen Dreieinigkeit in gewissem Sinne die Krone aller Feste. Es ist ein H o ch f e st d e s D a n - kcs, der Verherrlichung und Anbetung aller drei göttlichen Personen. Ein Fest des Tankes für die Erlösungs- und Heili- gungsgnade. Die Festfarbe ist weiß als Sinnbild des erhabenen dreieinigen Gottes, des ewigen Lichtes: denn „Gott ist Licht", fl. Ioh. 1. 6.) Die große Ueberraschung aller Besucher der diesjährigen Papierausstellung der Iohresschau Deutscher Arbeit Dresden ist di« kaum geahnte Mannigfaltigkeit, die un- gemeine Vielariigkeit und die reizvolle Slbwechflung all dessen, 'vas „Papier" ist und zu bedeuten hat. Ob es sich nun um die riesenhasie Werkstatt mit ihren 150 Maschinen handelt, ob man in der geschichtlichen Abteilung von der papierlosen Zeit ange fangen über China, Japan all das schauen kann, ivas mit der Geschichte des Papiers im Zusammenhang steht, ob man in der Halle der Presse dos geistige Gesicht der Zeitung studiert, ob man in der Kartonnagen-Verarbeitung. bei den Reklamesach- leuten, in der photographischen Abteilung oder bei der Graphik verweilen mag, immer neue Wunderwerke türmen sich vor dem Beschauer aus. Was ungemein witzig in den lustigen Versen von „Herrn Lehmmans papiernem Lebenslauf" berichtet wird: „Von der Wiege bis zur Bahre schreibt der Deutsche Formulare", das überfällt einen förmlich in den Hallen lArchiiekt Hans Richter), die beispielsweise das „Papier im täglichen Leben" zeigen. Da sieht nian zunächst die kleine Sonderausstellung unserer Jüngsten und Allcrjüngsten, die von Kindern unter 14 Jahren angefertigten Spielsachen, die gelegentlich des Wett, bewerbes der Iohresschau ausgezeichnet und «»gekauft wurden. Eine Ausstellung Deutscher Spielzeugsabrikanten dringt dann eine Fülle ausgesuchten Spielzeuges. Und weiter kan» man verfolgen, wie dann das Papier den Menschen begleitet in Schule und Unterricht. Da zeigt sich dte ganze Ge schmacksrichtung im angewandten Zeichenunterricht, eine eigene kleine Schüleriverkstatt sür Papier- und Pappearbeiten ist aus gestellt. Aber auch schon Darstellungen in Papier und Poppe !m erdkundlichen Unterricht, zur Entwicklung der Raumphan tasie, als Stütze der Anschauung in Mathematik und Natur- Wissenschaft, dazu Historisches und Wirtschaftliches beiveisen de» fortschreitenden Ernst des Schülers und — des Papiers. Ueberraschend zeigt sich neben den vielerlei Arten des Kunstgewerbes die Verwendung des Papiers etwa in der Wohnung und Wirtschaft. Fast will cs scheinen, als würde man zum ersten Male sich bewußt, was alles aus Papier hergestellt wird, etwa im Zimmer eines Sammlers, bei einer Geburtskagstäfel, beim Aufbruch zur Reise oder bei der Rück kehr zum Einkauf. Daß die Bekleidung hier besonderes Anschauungsmaterial zu bieten hat. ist selbstverständlich. So sieht man denn auch Kleider aus Papier mit einer verblüffen den Technik gemacht und beim Ansehen wenigstens kaum zu unterscheiden von einem wirklichen Tuchkleid. Dies sott-null nicht heißen, als wolle die Iohresschau das Tragen von Klei dern aus' Papier propagieren, es ist aber für manche Leser interessant zu missen, daß die Modelle aller großen Konfektions häuser zuerst in Papier angefertigt werden, um ihre Wirkung auszuprobieren. In der Medizin und Hygiene ist das Papier längst nicht mehr auszuschalten. Beispiele gibt es hier für im „Zimmer des Arztes", „Zimmer des Zahnarztes". Papierspitzen, Papierscheiben. Zellstofsivatte, Papierservietten, Instrument-Schalen aus Papiermachee, kurz, das Papier ist aus dem täglichen Leben als einer der Hauptfaktorc» nicht mehr wegzudenken. Bei der Dekoration und aus dem Theater hat man sich ja längst an die kleinen Popierwunderwerke gewöhnt, doch was in diesen Räumen Martin Pietz sch und Adolph Mahnke an bunter Farbigkeit zu geben haben, ist bezaubernd schön. Da sieht man die Behandlung des Papiers durch Schnei den und Biegen in freier Handtechnik für Möbel und Architek tur, Plastik und Ornamente in offener Wirkung, das Kaschieren aus der Gipssorm für Plastiken und Ornamente in geschlossener Wirkung. Aus das Papier in Berkel,r, Wirtschaft und Technik, mit den Sonderausstellungen der Deutschen Reichspost, dem Muster postamt, des Reichsamtes für Landesaufnahme usw. oder das Papier im Bankverkehr, im Büro und GefchästsverkHr, kann hier nur summarisch hingewiesen werden. Bleibt noch ein Wort über die Papierveredelung, also Zigaretten-/ Mumenseiden- und Porzellanseidenpopiere, chemisch-technlsel-e Papiere, Buntpapiere, Tapetenpapiere, endlich eine Darstellung des „Papiers als Baustos f". Da gibt es nun Muster in Vogen und Rollen, in allen möglichen Kartons, auch ein Modell häuschen aus der sogenannten Baudoppelwelle. Noch diesem Verfahren ist bekanntlich das Viktoriohaus im Vergnügungs park hergestellt, das vollkommen aus der imprägnierten Bau doppelwelle entstanden ist. Man sieht dann auch endlich die Platten zum Isolieren aller Arten von Holzhäusern, sowie Trockenlegung nasser Wände. Freilich kann die nüchterne Beschreibung auch nicht im Entferntesten den Eindruck der unmittelbaren Anschauung wie dergeben. Bedenkt man ferner, das rund 34 Hollen die ganze dirssährige Iohresschau umfaßt, so ist das allgemeine Urteil der Presse verständlich, die die diesjährige Papieraüsstellung als die interessanteste und reichhaltigste der bisherigen sechs Iahresschauen bezeichnet. Derarifkattungen in -er Iohresschau Dresden, 11. Juni. Heute nachmittag 3.30 Uhr spricht Chefredakteur Dr. Fritz Theil aus Hermannstadt in Siebenbürgen über die Siebcnbürgcr Sachsen" vom „Sprechenden Turm" des ReichsverbandeS der Deut schen Presse. Damit wird erstmalig ein allgemein interessierendes Thema vom Sprechenden Turm herab behandelt, was von jetzt ab allsonniiiglich wiederholt werden soll. Heute, Dienstag und Frei tag dieser Woche finden wiederum von 4 bis 6 Uhr und von 7 bis 10 Uhr die beliebten Pramenadenkonzcric im Vergnügungspark statt. Für Mittwoch und Donnerstag von 7 bis 10 Uhr ist der berühmte italienische Komponist Pietro Mascagni als Gastdirigent ocwonnen worden. Er wird in kridrn Konzerten auch eigene Werke dirigieren. Ferner findet am Mittwoch der zweite Vortragsabend der Freien Vereinigung Dresdner Schriftsteller in den Lichtspielen der Jahres schau statt, und zwar wird der durch seine Aufführungen in Dres den allgemein bekanete Dichter Hanns Iahst aus eigenen Werken sprechen. Außerdem konzertiert täglich bas Ausstellnugsorchester unter Leitung von Musikdirektor Feiereis von 4 bis 6 Uhr und von 7 bis 10 Uhr auf dem Konzcriplah des Haupircstauranis, bei schlech tem Weiter im Saal. Die Vorführungen in den Lichtspielen wer den fortgesetzt und beginnen täglich um 6, 6 30 und 8.30 Uhr. Neben Vorführungen von Fach- und Werbefilmen wird hier auch der be kannte Film „Wege zu Kraft und Schönheit" gezeigl. : Katholische Hof- und Propsteikirche Dresden. Sonntag, den 12. Juni, vormittags 11 Uhr Messe As-Dur von Neißiger, Gradualc: Veni von Kretschmer, Offertorium: Veni von Naumann. : Schnellere Brlrsbesörberung. Um eine schnellere Beför derung von Briefen vor allem in den späteren Abendstunden zu gewährleisten, hat der Verband sächsischer Industrieller in seiner letzten Ortsgruppensitzung beschlossen, auf Grund der auch in anderen Städten getroffenen Einrichtungen einen Antrag an die Oberpostdirektion zu richten, auch in Dresden, an den Straßen bahnen Briefkästen mit Spätleerung onzubringen. deren Inhalt allerdings auch den in der Nacht abgchenden Zügen zugeleitet werden müßte. : Berkehrsunsall. Ein scliwerer Unfall ereignete sich am Mittwochabend auf der Wilsdruff—Meißner Staatsstraße. In der Ullendorser Kurve, wo der Weg noch Taubenheim abzweigt, wurde ein in die Straße einbiegender Radfahrer aus Gersebach von einem Motorradfahrer angefahren, auf die Straße geschleu dert und schwer verletzt, so daß «r ins Meißner Krankenhaus gebracht werden muhte. Der Motorradfahrer kam mit leichte» Verletzungen davon. : Zoologischer Garte». Verschiedene schon vor einiger Zeit geborene Jungtiere kommen erst jetzt zur Geltung, da sie wochen lang im Nest resp. Lager bleiben mußien. Dies gilt besonders von dem jungen Wolf und den vier jungen Nasenbären, die durch ihre lustigen Spielereien in einem der Käsige aus der Rückseite des Raublierhauses die Besucher erfreuen. Ihre vor jährigen Geschwister sind völlig ausgewachsen und treiben ihr Wesen in einem der Gelasse des Affenhauses, bis das für die Nasenbären in Aussicht genommene Freilandgehege vor dem In- sektarium, das Lurch den eiligst notwendig gewordenen Bau für die Orang-Fomilie etivas ins Hintertreffen kam, fertiggestellt lein wird. — Auch die beiden Edelhirschkälber kommen jetzt schon viel ins Freie und zeigen sich in ihren lustigen Galopp- sprüngen, die sie für die Entwicklung ihrer Laufbeine ebenso nötig 'haben, wie das tägliche Futter. Aus dem gleichen Grunde wird das winzige Shetland-Fohlen täglich aus die Reitwiese geführt, um neben seinen Eltern, die den Kutsciiwogen mit den Kindern zu fahren haben, einherzugaloppieren. — Dagegen sind die beiden Karakoros, die in dem großen Flugkäsig am LS. April rebrüiet wurden, noch immer im Nest. Es scheint für ie dasselbe zu gelten wie für die Geier, deren Lebensiveise (Aas- ressen!) sie ja haben, obwohl sie zu den Falkenvögeln gehören. Sie müssen beim Ansfliegen völlig erwachsen sein, um bei der Nahrungssuche ihren Mann stehen zu können. — Es war übrigens ein Irrtum, zu meinen, es sei ein Karakaros noch nie erbrütet: schon im Jahre 187S wurde ein Junges, und zwar in unserem Dresdner Garten erzielt. Es sind darüber aber leider keinerlei Aufzeichnungen vorhanden: weder Brutdauer noch Aufzuchtdauer wurden damals stefgelegt. — Perzinas Affen, Papageien usw. werden auch weiterhin auf dem Schauplatze zu bewundern sein, da wegen des vielen Regenivcttcrs eine Ver längerung des Engagements beschlossen wurde. Kowankschina (Die Fürstin Howansky.) Ein munkalischcs Volkssnick in sechs Bildern von M. P. Mnssorgsky. * Erstaufführung in der Staatsoper am 10. Juni 1927. Merkwürdiger Fall! An diesem Musikwerk interessiert unS weder die Handlung noch die Musik. Das Deutschtum der Nachkriegs zeit sucht sich selbst In eine Flut von Wirrsalcn zurecht. Was sollen uns da fremde Wirrsale? Den Fürste» Howansky stehen wir schlicß- gcnau so kühl gegenüber wie die Eskimos dem ägyptischen Könige Mencplita. lind Dosisey, das Oberhaupt der Altgläubigen, berührt unser Empfinden nicht siäekcrr als Wtewakarman, der Tauscndküyst- ler der altindischen Götter. Aber halt! I n t c r n a i i o n a l ist daS größte Schlagwort unsrer Nation. Schon vor Weber atmet« unsere Oper romanische Lust. Heute ist International die große Mode. Der Gencralmusikdirektore konzertiert außerhalb der Grenzen der „euro päischen Provinz" Deutschland. Die beiden anderen Kapellmeister opfern sich sür einige deutsche und reichlich welsche Opern. Und die jüngste Neuheit, eine russische Eintagsfliege, steht unter der Leitung eines außerdeutschen Kapellmeisters. Zum ersten Male senkte sich der Cchlußvorhang über die rauchenden Schciterhauscn der Oper „Howantschina". Und der Erfolg? Die nächsten Wochen werden Aufschluß darüber geben. Viel deutsches Geld ist wieder sür eine ausländische Oper geflossen. Die andere Seile — ob sich diese Aus gaben verzinsen werden — bleibt in nebelhafter Verhüllung. Warum gab man der Sekte der Aligläubigcn, die sich selbst dem Feuertods weihen, die Partitur nicht in die Hände? Mir „Boris Godunvw" hatte Mussorgskh (1835 bts 1885) einen nachhaltigen Erfolg in Dresden. Auch andernorts behauptet sich dieses Werk in den Spielplänen. Warum sollte man dann nicht mit weiteren Opern seiner Feder Versuche machen? Kürz lich brachte die Städtische Oper in Berlin den „Jahrmarkt von Sorolschinski" heraus. Das Fazit der Berichte läuft in den Worten ..bruckstückartig. miauSgcalicheii i»,b „ulertia" zusammen. Die Dresdner Staatsoper griff zu „Howantschina". Mus- sorgsky gehört zur Gruppe der Neuerer Rußlands. Das Kennzeichen dieser Tonsctzcr ist der mit großer Leidenschaft betonte nationale Standpunkt. (Daran könnten unsere jüngsten deutsche» Tonsctzcr lernen.) Sie Verbannten die sinfonische Orchcsterbchandlung und verwandten eine besondere Aufmerksamkeit aus die Ausnutzung des Volksliedes. Was sich auch bei Mufforgsky fcststellcn läßt. Dieser lehnt außerdem den Zwang in der harmonischen und kontrapunk- iischen Fassung der Musik ab. Ohne Frage ist Moussorgsky ein Ta lent. Aber vieles wächst in seiner Musik wild und ungezügelt, eine Verachtung alles Gesetzmäßigen macht sich breit. Es fehlte ihm die Lust zu eingehendem Arbeiten. „Er erging und verzettelte sich in planlos unternommenen Experimenten." Alles dies spricht aus der Musik zu „Howantschina". Ucbcrall chaotisch Gewaltsames, nichts ästhetisch Abgeklärtes. Ancinandcrgcrelhie gute Einfälle, daneben belang lose Mustkmachc, oftmals auch langwellige Phrasen und tote Strecken. Besonders nachteilig die hartnäckige Verwerfung der Ent wicklung und Ausnutzung irgendeines Moiives. Mir kommt die Musik zu „Howantschina" vor wie ein Automat von Hartwig u. Vo gel. Die gefüllten Schachteln werden herausgenommen, ihres In haltes entleert und dann weggcworfen. Und dabei ist der Inhalt, den Mussorgsky diesen Schachteln entnommen hat, nicht einmal schmackhaft oder irgendwie würzig. Was will cs besagen, wen» eine Oper von über reichlich drei Stunden Dauer einige wenige ge fällige Stellen aufwelstl Aus die Dauer wird diese Musik lang weilig und ermüdend. Man kann nur sich zu eigen machen — was ich eben lese — „ließe sich der Deutsche nicht immer und immer wie der vom Auslande übertölpeln, er hätte der modernen russischen Kunst niemals große Teilnahme enigegengcbracht." Erhalten wird das Interesse nur durch die farbige Orchestrierung Rimskh-Kor- sakofsL, der diese Oper auch beendete. » Unter derselben Eintönigkeit und Langwciligkeii leidet die Handlung. Sie spielt im Jahre 1682. (Als also Peter der Große zehn Jahre alt war.) Drei Zciterscheimmgen verschmelzen sich miteinander. Mussorgsky Hai sie frei hearbeiiet. (Die deutsche Ucbertragung besorgte Ernst Fritzheim.) Der Bojar Schaklowith zettelt in Moskau ein Komplott gegen den Fürsten Iwan Howansky an, den er einer Verschwörung gegen den Zaren beschuldigt. Ho- wansty ist der Führer der konservativen, allrussischen Richtung. Vor den Mauern des Kreml kommt cs zwischen dem alten Howansky und seinem Sohn Andrej zu einem Streit um eine junge Deutsche. Dieser wird durch Dosisey, dem Oberhaupt der Altgläubigen, ge schlichtet. Fürst Golizyn, der Vertreter einer nach Westen gerichteten Neuorientierung Rußlands gerät mit Iwan Howansky in eine scharfe Auseinandersetzung, die durch die Denunziation Schaklowiths - und die verächtliche Antwort des Zaren einen Kurzschluß bekommt. Ho- wanskys Schützen werden durch die Garde des Zaren entwaffnet, aber von der Todesstrafe begnadigt. Iwan Howansky wird bei einem Feste, das er in seinem Hause veranstaltet, von einem durch Schaklowith gedungenen Mörder niedcrgcstochcn. Dosisey und Marfa (eine junge Witwe und Altgläubige) sollen auf Befehl des Zaren mit den Sektierern gciöiei werden. Durch Selbstverbrennung ent- ziihcn sie sich gemeinsam mit Andrej Howansky der anbcsohlcnrn Todesstrafe. Die Handlung ist in losen Bildern ncbcncinandcr- gesetzt. Auf logische Ergründmigen darf man sich nicht tief ver steifen; denn dann würde oftmals der bekannte „rote Faden" zer reißen. Manches farbige Bild entsteht im Verlaufe der Handlung, aber (wie gesagt) die Gruppe der konservativen Allrusscn, die Gruppe der nach westlicher Neuorientierung Strebenden und die Gruppe der altgläubigen Sektierer bringen unser Interesse schwerlich in Auf» wallen. Man fragt sich ernstlich, wo die Opern bleiben, die aus deut schem Empfinden geboren wurden und die aus der Feder deutscher Meister geflossen sind! Man sollte in Deutschland mehr national fühlen und die Zeit, die man auf eine Oper wie „Howantschina" verwendet hat, einem Mnrschner, Weber, Cornelius, Goldmark u. a. zugute schreiben. Mit „Boris Godunow" räumte man Mussorgsky einen ehrenvollen Platz ein. Mußte dieser durch „Howantschina" geschmälert werden? Für diese Oper bleibt letzten Endes doch nur der Tagcserfolg, der durch die Dresdner Aufführung erreicht wurde. Die musikalische Leitung war Jsai Dobrowcn (a. Ge) übertragen worden, der auS der farbigen Orchestrierung Rimsky-Korsakosss und der reichlich eintönigen Vertonung Mufforgskys hcraushollc, was nur irgend möglich war. Von Vorteil dabei waren (wie aus dem Textbuche zu ersehen war) umfangreiche Striche. Die St «als- kapeltr warf ihre glänzende Qualität in die Wagschale. Ernst Hintze hatte für die treffliche Vorbereitung der wirkungsvollen Chöre gesorgt, wozu ihm der Chor prächtige Unterstützung lieh. Die Bühnenbilder waren von Nicolai Benois entworfen und durch Johannes Rothenberger ausgcsührt. Manches daran cnt- bebric der malerischen Wirkung nicht, so das zweite Bild, das erste
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