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Was -er Friedhof in Schirgiswalde erzöh» Aus Sachsens katholischer Vergangenheit — Zur Einweihung -er neuen Tokenhalle -es Frie-Hoses am 12. Juni In -er Geschichte des katholischen Friedhofes von Schirgis ivalde wird der Dreifalligkcilssomitag ein Markstein werden. Durch die Weihe der neuen Leichenhalle bezw. Begräbniskapelle durch Bischof Schreiber wird ofsiziell ein Entwicklungsabschnitt des Gottesackers zum Abschluß gebracht. Nach Osten zu wurde der Friedhof in diesem Frühjahr bedeutend erweitert, hier wurde die schöne große Leichenhalle mit Kapelle vollendet, eine große Gruft für geistliche Herren erbaut und den wenigen aus früheren Zeiten stammenden wertvollen Grabsteinen eine wür dige und wirkungsvolle Ausstellung gegeben, wodurch der Fried hof auch in geschichtlicher Beziehung Werte sicherte, die jeden Heimatgcschichtsforscher mit Genugtuung erfüllen und dem sächsischen Denkmals schuß in jeder Weise gerecht werden. Wer den Friedhof längere Zeit nicht gesehen hat, der wird über seine Veränderung angenehm überrascht werden. Was Ordnung, Sauberkeit und Blumenschmuck anbelangt, darin war der Friedhof von jeher ein Vorbild. Sin geschichllicher Rückblick auf die Entwickelung des Friedhofes dürfte bei Abschluß des nun vollendeten Ausbaues angebracht sein. 1316 bestand hier schon eine Kirche. Sie soll auf dem Bergabhange nach der Fabriiiftraße zu gleich hinter dem gegenwärtigen Psorrhause ge standen haben. An diese Kirche schloß sich unmittelbar der alte Friedhof an, auf dessen Platz sich die jetzige Pfarrei, der Pfarr garten und das neue Elisabelhheiin befinden. Nach dem 30jährigen Kriege war die erste Kirche völlig zerstört, wie die Staöterhebungsurkunde von 1665 berichtet. Nach 166b wurde eine neue erbaut, sicher wieder ein einfacher kleiner Hol ,bau, aber etwa dort, wo heute die neue Leichenhalle steht, vielleicht noch etwas nach der jetzigen Kirche zu. s-Hier ist man jetzt auf Grundmauern gestoßen.) Mit diesem zweiten Kirch- bau und besonders nach Verlegung des ersten Pfarrhauses von den, Platz vor der alten Schule in den alten Friedhof 1713, in welchem Fahre das jetzige Pfarrhaus erbaut wurde, rückte man den Friedhof etwas nach Norden. Die neue Mauer verlief etwa von der oberen Kirchstuse des Aufganges schräg nach der jetzigen neuen Gruft zu und dürste hier an die Ecke der zweiten Kirche gestoßen haben. Der Friedhof war also bescheiden klein, bei der Armseligkeit des Ortes aber im 16. und 17. Jahrhundert groß genug. Da diese zweite Kirche bald auch baufällig war ses kann nur ein Holzbau gewesen sein, da er nur etwa 70 Fahre bis 1735 stand) wurde van . 1733—1741 Sie jetzige Kirche gebaut. Die Kirche wurde im Norden außerhalb des damals bestehen den Friedhofs errichtet. Der Friedhof fand nun Erweiterung durch die sogenannte Kirschauer Ecke, deren Grenze vom zugemauerlen Nard- tor der Kirche bis an die Ecke etwa, wo heut das neue Fried hossviertel ansetzt, reichte. Fn der neuen Kirche baute man an der Nordseite in die Mitte eine Gruft, die letztmalig dieses Frühjahr und vorher 1866 geöffnet wurde. 1738 wurde dort als erster der Pfarrer Avlt bestattet, der den Kirchenbau 1735 be gonnen hatte. Bei ihm fand man einen zinnernen Kelch mit der Jahreszahl 1738. Fm Verlaufe des 18. Fahrhunderts wurden in die Gruft alle angesehenen Persönlichkeiten des Ortes bestattet, Geistliche, ein Amtmann mit seiner Frau, ein Bischof sMartin Nuckh Edler von Lichtenhof), ein Papier- mühlenbesitzer und eine Pfarrivirtin. Aus diesem Jahrhundert, von 1700—1800, sino daher auch keine Grabsteine vorhanden. Ob in dieser Zeit Außengrüfte angelegt waren, ist nicht er wiesen. Man vermutet, daß eine Kirschauer Ortsrichter- und eine Slaütrichtergruft vorhanden ivarcn. 1888 wurde der Fried hof abermals nach Norden erweitert und behielt nun bis zur diesjährigen Ost-Erweiterung seine Größe und Form. Die jetzigen Kirch treppen wurden 1878 und die Türme von 1867 bis 1868 errichtet. Es drängt sich nun die Frage vor: Warum haben wir auf dem Schirgiswalder Friedhof so wenig alte» geschichtlich werlvolke Grabsteine? Diese Frage findet einmal Beantwortung darin, daß bisz u m Beginn des 18. Jahrhunderts der Ort tatsäch lich bedeutungslos und, abgesehen von den zwei Gütern, dem Nieder- und dem Oberhof, direkt armselig war. Der ganze Pfarrbezirk zählte kaum 800 beichtfähige Personen. Die Guts- Herrschaft der vorhergehenden Fahrhunderte hotte eine Gruft in der allerersten Kirche, die durch den 30jührigen Krieg in Ver fall geriet. Aus dem 16. Jahrhundert ist von dieser Gruft der Luttitzstein erholten. Er gelangte nach dem Abbruch dieser ersten und der zweiten Kirche in die jetzige Kirche, wo er 1867 beim Turmbau gefunden wurde und seitdem im Freien am alten Gerätehäuschen stand und sehr gelitten hat. Der Stein zeigt ein kunstvolles Ritterbildnis mit Halskrause und zu beiden Seiten des Kopfes und der Füße je ein Wappen. Die Raud- umschrifr lautet: „A. 1598 den 16. Fuli ist der Edle Gestrenge und Ehrenveste Hans von Luttitz zu Schirgiswalde Vormittage umb 3 Uhr seligchen entschlaffen. Gott verleihe ihm und uns alle» eine fröhliche Auferstehung zum ewigen Leben." <1628 verschwanden die Luttitze durch Verkauf des Oberhofes an das Domstift aus Schirgisivalde. Sie waren zuletzt unumschränkte böhmische Kronvasailen. Sie erschienen in der zweiten .Hälfte des 11. Fahrhunderts in Schirgiswalde.) Dieser Stein ist das einzige Andenken an dieses Adels geschlecht in Schirgisivalde und daher auch als ältester Stein besonders wertvoll. Zwei weitere alte Plattensteine erinnern 1. au einen Orts pfarrer Tobias Ignatius Aloysius Lumpe von Erdenselü, ge storben 1697 und der zweite Stein an einen Amtsverwalter Baltasar Biener, der 1693 hier starb. Er war der Ver treter der k. und k. Obrigkeit der böhmischen Enklave Schir- giswaide. Beide Steine sind vielleicht von demselben Bildhauer hergestellt. Der Pfarrerstein zeigt das Wappen, die Sanduhr, den Tolenkopf, das Licht und einen langen gereimten Text, der über die Seelsorgtütigkeit in den verschiedenen Gemeinden be richtet. Der Amtsverivalterstein zeigt im Relief den Lebens baum. das Leichentuch mit Inschrift. Sanduhr. Licht und Toten kopf. Beide Steine sind sehr gut erhalten. Das 18. Jahrhundert weist keine Grabsteine auf, da eben alle angesehenen Persönlichkeiten in der jetzigen Kirchengruft beigesetzt wurden. Das Fehlen der Steine und Denkmäler aus dieser Zeit erklärte auch folgende Notiz des Pfarrers Facob Czüsch, Pfarrer in Schirgiswalde von 1813—1837: „Nach k. österreichischen Gesetzen sollen auf den Gräbern keine Kreuze und Leichcnsteine gesetzt werden, um das reihenweise Begraben nach der Ordnung nicht zu verhindern und den Kirchhof nicht unnützer Weise zu schmällern. Als aber A. 1809 unsere Ge meinde im Wiener Friedcnsschluß von Oesterreich an Sachsen abgetreten ward, aber von Sachsen seit vielen Fahren nicht übernommen wurde, so hatte unsere (gemeinde in diesen Fahren keine Landeshoheit und war von allen Steuer» und sonstigen landesherrliche» Abgaben und Beschwerungen völlig srey. Weder die Oesterreichische noch Sächsische .Regierung fragte nach uns — und mir waren uns gewissermaßen selbst überlassen. Fn dieser Zwischenzeit verlangten einige Familien aus der Gemeinde, auf die Gräber ihrer Verstorbenen Leichensteine legen zu dürfen. — Ich Unterzeichneter Pfarrer erlaubte ihnen dieses Begehren, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung: daß sich die An gehörigen von dergleichen Leichensteinen gefallen lassen müßten, diese Steine auf eigene Kosten an die Kircheumauer zu ver setzen. im Fall von dieser oder jener Regierung mit der Zeit verlangt werden sollte: daß die Leichensteine wieder von den Gräbern abgencnnmen werden müßten, und ließ der Kirche für jeden hingelegten Leichcnstein 2 Thaler bezahlen. Die beiden Römischen Leichensteine sind die schönsten und theuersten. Das Monument von Joseph Römisch und seiner Tochter Veronika kostet In der Werkstatt: 300 Thaler. ohne den Trausporliwsten. Das der Magdalena Römisch!» hingegen kostet 2880 Thaler. ebenfalls ohne den Transportkosten. Der Hofbildhauer Petrich in Dresden hat diese beiden angefertigt. Facob Czüsch. Psarrer." Hie beiden erwähnten Römischen Le i ch e n sie i i»W sind noch erhallen. Sie legen Zeugnis ab von dem Reichtum, der in den Fahren der Schirgiswalder Republik von 1809 bl»: 1815 in einige Kaufmanns f„Faktor"> -Familien einzog. Die imposanten Denkmäler sichen ivie die 3 oben erwähnten alte« Steine unter Denkmalschutz, sind aber künstlerisch von dem alte» Luttitzstcin weit überboten. Trotchem bieten sie an der neue» Leichenhalle im Verein mit den 3 Steinplatten an der neue» Friedhofsmauer zwischen Friedhof und Pfarrgarten ein Bit-, das jeden Heimatgcschichtsforscher sofort anzieht. Erwähnenswert ist noch der schlichte Stein des Schirgis» walder Chronisten Pfarrer Facob Czüsch, gestorben 1837, der ebenfalls in die Reihe geschichtlicher Denkmäler eingereiht wird. Erinnert sei schließlich noch an die Steine bezw. Grab platten der Bischöfe des 19. Fahrhunderls und der Neuzeit, die hier bestattet wurden. Die großen künstlerisch wenig wert vollen Steine der Bischöfe Kobalz, gestorben 1796, und Mauermann, gestorben 1811. liegen nicht auf den Gräbern der Genannten. Bischof Kobalz dürfte der erste Geistliche sein, der nicht mehr in die Gruft kam, da diese gefüllt war. Er ruht außen an der südlichen Kirchenmauer, ebenso Bischof Mauer- mann, etiva dort, wo heute der Mitteleingang ist. Bei Anlage des Weges um die Kirche wurden die Steine unweit davon in die jetzige Lage in die Grüberreihe gelegt. Sie sollen zun» Schutze eventl. im Turmeingange Ausstellung finden. In neuester Zeit wurden auf dem Schirgiswalder Friedhof bestattet, die Bischöfe Wahl und Schäfer. Die Grabmäler täuschen eine Gruft vor und sind sehr ansprechend. — Eine ein fache Tafel in Steinfassung zeigt die Namen Scott. Angehörige des berühmten englischen Dichters Sir Walter Scott sollen hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Geschichtlich zu werten seien zum Schluß noch die Kriegerdenkmäler von 1870/71 und das des Weltkrieges. Unter der Friedenseiche wird zur Zeit in die Norüwestecke des Friedhofes vom Militäroerein ein weiteres großes Kriegergedächtnismal erbaut, das im August geweiht werden soll. Somit wird auch dadurch noch das Fahr 1927 für die Geschichte unseres katholischen Friedhofes eines der bedeu tendsten werden. M. Grütze, Schirgiswalde Ein Gna-enbil- im Doglländischen Kreismuseum? Bon Er n st Wels. Plauen. In der Sächsisclzen Volkszeitung erschien vor mehreren Jahren eine Notiz, die sich mit dem von Mosen in seinen Erinne rungen beschriebenen Muttergottesbilde von Marieney beschäf tigte. Julius Mojen, 1803 in Marieney geboren, erzählt, wie er als Junge Kirchenboden, Turm, Sakristei, durchstöbert iwb« uns wie er es einem Astloch und einem verlöre»» Sonnenstrahl verdankte, hinter einem Verschlage eine Himmelskönigin mH funkelnder Krone und goldenen' wallenden Mantel zu sei,«». Er erzählt es seinem Vater, der in dem Orte Schullehrer war. und dieser wendet sich an den Psarrhcrrn. Erlaubnis zu erwir ken, das schöne Bild aus dem staubigen Verschlage zu befreien» Aber, aber: hatte der gestrenge Herr Pfarrer Angst, seine Schäf- lein könnten seiner Herde untren werden, oder erblickte er in dem Bilde papistischen Götzendienst, es kamen Zimmerleute und — bauten Bretter vor den Verschlag, daß auch nicht einmal ein armseliger Sonnenstrahl das Bild treffen und ein schönhcits- durstiges Knabenauge durch ein winziges Astloch sich daran er freuen konnte. Mosen empfand noch als gereifter Mann über das Verhalten des „Herrn Magisters" Bitterkeit. In Dunkelheit. Staub, Wust und 2pi»u>vel>eir slanv nun die Statue, den gcsclstiftigen Holzwürmern preisgegeben, dis auch für sie die Stunde kam. aus dem Verschlage ans Licht des Tages zu treten. Aber ivie sah sie aus! Die reiche Vergoldung war verschwunden, Holzwürmer hatten sie Jahrzehnte lang zer fressen. So soll sie einem Herrn «»geboten worden sein, der aber dafür keine Verwendung hatte, lind so stand das Morien, bild, bis es in den Besitz der Stadt Plauen kam. Ein Versuch eines vogllü»disehen geistlichen Herrn und des Versagers dieses Zeilen, die Statue für eine katholische Kirche zu erwerben, blieb erfolglos, lind das war an und für sich nur zu begreiflich: denn Volk ohne Gott. Von Ella Mensch. Die drei Jahre, die der Geschichtslehrer Ernst Friesen in Brasilien zugebracht hatte, um Arbeiterschulen nach deut schem Muster zu organisieren, schienen an dem Bilde der Hdimat im Grunde nur wenig geändert zu haben. Zwar eine gewisse Ordnung, ja Beruhigung, gesteigert durch ein Hochmaß von Arbeitsleistung, war in den verschiedenen Volksschichten eingekehrt. Wohl gärte Unzufriedenheit in weitesten Kreisen und am stärksten da, wo man einst nicht schleunigst genug den Diktatsfrieden hatte unterzeichnen können und sich nun über seine Auswirkungen entrüstete, aber den Unmut an falscher Stelle ablud. Der oberfläch liche Beobachter, vollends der Ausländer, empfing in den großen Städten, vornehmlich in Berlin, die Anschauung von einem Deutschland, das wieder ganz auf der Höhe war. Und, wer nicht seine Schritte nach dem besetzten Gebiet lenkte, wo die Mehrzahl der Bewohner stumm und zähne knirschend das fremde Joch trug, oder nach Osten, wo ein brutaler Kampf gegen das Deutschtum geführt wurde, hatte an dieser Aufwallung nicht viel zu beanstanden. An der Fassade des deutschen Hauses wurde eifrig gebaut und verschönert. Pläne und Unternehmungen großen Stils, teils mit inländischem, teils ausländischem Kapital ge führt, traten ins Leben. Feste, Ausstellungen, Gedenkfeiern aller Art sorgten dafür, daß auch der Ruf des geistigen Deutschlands in der Welt gewahrt blieb, zumal die Hoch burgen des Wissens nach wie vor ihre Pforten gastlich für die Söhne und Töchter aller Länder öffneten. Aber die Erneuerung, von der man so viel las und sprach, der Auf schwung, die zweite Blüte, die in Programmreden ihr Wesen trieb, war sie in Wahrheit im Gange? Diese Frage legte sich Friesen bei seiner Heimkehr vor. Auch drüben hatte er genau die Dinge im Vaterland ver folgt, die Stimmungen im Auslande, die der Deutsche bei jeder Gelegenheit anführt, richtig ingejchützt und sich keinen Augenblick darüber getäuscht, daß wir nicht eben hoch im Rate der Völker dastehen, mag auch die Redensart: »Oormkins VN ttro kennt" bei den erfolasaläubiaen Amerl» kanern, Dank der hervorragenden Leistungen unserer Schiffsbaukunst, Auffrischungen erfahren haben. In den langen Jahren, da die Handelsverbindung mit Deutsch land abgerissen war, hatte man es der unermüdlichen Tätigkeit der Ausländsdeutschen zuzuschreiben, die sich ihren Kundenkreis zu erhalten, ja zu erweitern vermochten, daß unsere Industrie, trotz des Druckes der Nachkriegslasten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig blieb. Freilich wurde in diesen Kreisen die größte politische Zurückhaltung geübt. Es hatte ihn denn auch nur so lange drüben gelitten, bis sein Werk einigermaßen unter Dach und Fach stand. Sein Brot, und sei es noch so klein und bescheiden, im Heimatland« essen, dünkte ihm ein köstlich Ding. Sogar die Furcht vor dem unruhigen, fieberhaft geschäftigen, sen sationslüsternen Berlin hatte sich gelegt, denn dort wohnte und arbeitete ja die Frau, die seine Gedanken auch wäh rend der angestrengtesten Arbeit leid- und freude-voll be wegte. Ernst Friesen und die Porträtmalerin Senta Stahl kannten sich schon lange. Ein kunstgeschichtlicher Kursus, den Friesen in einer der freien Hochschulen abhielt, hatte die Bekanntschaft vermittelt, die aus der Wärme der Freundschaftsgefühle allmählich einen stärkeren Temvera- turgrad erstiegen hatte. Schweren Herzens hatte Friesen zwischen sich und das geliebte Mädchen Zeit und Raum gelegt. Die Möglich keit der Gründung eines Hausstandes lag, nachdem die In flation sein kleines Vermögen weggespühlt hatte, in weiter Ferne, und Friesens Gewissenhaftigkeit scheute sich vor der Verlängerung eines Zwischenzustandes, der Beunruhigung und etwaige Unzuträglichkeiten in Sentas Leben tragen konnte. Der ideale Hochflug ihrer Liebe, der Gewähr für alles kommende zu bieten schien, schloß doch nicht aus. daß zwischen ihnen Stimmungen und Sehnsüchte sich einstellten, die nach Erfüllung drängten. An einem Winterabend war es gewesen, wo Ernst Friesen, ohne daß Senta ihn erwartete, noch einmal in ihr stilles Atelier in der Stubenrauchstratze hinaufgestiegen war, um ihr eine Kunstmappe zu bringen. Sie hatte gerade die Schülerinnen entlassen. In kleinen Widrigkeiten war der Arbeitstag nicht eben harmonisch ausgeklungen. Senta Stab! a-ebürte iu den Frauen, die einem Cchickialsscklaa mit Haltung begegnen können, aber unter kleinen Nadelstichen empfindlich leiden. Alles in ihr drängte nach Teilnahnie und Aussprache. War letztere erfolgt, so verflüchtigten sich bereits die Wolken der Kümmernis. Unter allen Freunden und Bekannten — und ihr Kreis war ein ziemlich großer — schätzte sie den Doktor Friesen als den treuesten der Getreuen, der nie mals zu versagen pflegte. Ihm schenkte sie unbedingtes Vertrauen. Und da stand er nun plötzlich vor ihr. In dem röt lichen Licht der kleinen Schreibtischlampe sah er bei weitem jünger aus, als sonst, und die Freude über das jubelnd« Willkommen, das ihm aus Sentas Munde entgegenflog, trug ein sonniges Leuchten in seine schon von mancher Sorge gefurchten Züge. „Ach, Ernst, lieber Ernst! Wie wundervoll, daß Du da bist. Du triffst ein ganz verzagtes Menschenkind!" Friesen nahm sie in die Arm«. Schutzsuchend schmiegt« sie sich an ihn. Noch niemals hatte er ihre Zärtlichkeit so elementar gespürt. - Er vergaß, daß er ihr in Anlehnung an die mitge brachte Kunstmappe von den seltsam verschlungenen Pfaden des deutschen Exzessionismus hatte sprechen wollen. Und Senta redete nur ganz beiläufig von dem Verdruß, den sis gehabt, von der Beanstandung die eines ihrer Herren» Porträts bei dem Besteller gefunden hatte. Es ivar so. als ob ihr Beisammensein, ihr dichtes An- einandergeschmiegtsein genügte, um über den Staub des Alltags hinfort zu kommen. Nichts störte sie, um diese Stunde kam kein Atelierbesuch mehr. Leise tickte die kleine Schwarzwälderuhr über dem Schreibtisch. In unbestimmten Massen verschwamme«: dis Umrisse der Bilder und Skizzen an den Wänden. Das Licht der großen Hängelampe war noch nicht entzündet, und als Sentas Hand nach dem Schalter tastete, wehrte ihr Friesen. Sie ließ es geschehen und drängte sich nur noch fester an den Mann, der sie mit seinen Küssen überflutete. Es kostete Friesen viel, den Aufruhr seines Blutes zrr überiväftigen und sich gewaltsam zusammenzureißen und di» Wärme seiner Umarmung zur brüderlichen Zärtlichkeit um« zulti m.men. .Fortjetzuna wlat.)