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Sächsische Volkszeitung : 12.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192706120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270612
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270612
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-12
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 12.06.1927
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KIKLttC VIÜO LöcbstLcko Volberottang 2ndrg»ag 1927 Lie »,?ropSAkln<ja ficke". Zu ihrer Dreijahrhundertfeier. >- Von Prof. F. X. Zimmermann, Rom. Schon vom Anfang der letzten Maiwoche bewegte sich das kirchliche Leben Roms in und außerhalb des Vatikans nur um einen einzigen Mittelpunkt, um die Dreijahr-- hundertfeier der „8. Lonsrsßwtio de Propaganda kicks", das ist der „Hl. Kongregation zur Verbreitung des Glau bens", des Weltmissionsinstitutes der römisch-katholischen stirche. Ihr ist das gesamte Missionswesen unterstellt, Er ziehung, Schulung. Bestellung und Aussendung der Missio nare in jenen Missionsländern, in denen noch keine feste kirchliche Hierarchie eingerichtet ist. Auf diese bezieht sich die Jurisdiktion der Propaganda, die zuletzt unter Pius X. reformiert wurde, wobei England, Irland, Holland und Luxemburg, außerhalb Europas noch Kanada, Neufund land und die Vereinigten Staaten Nordamerikas aus schieden. Vierundzwanzig Kardinale, mit dem Kardinal Van Rossum an der Spitze, führen in Rom ihre Ge schäfte mit dem hochverdienten Msgr. Marchetti-Sel- vaggiani als Sekretär und 26 Konsultoren, mit Minutanten, Archivisten, Protokollisten und Schreibern und einer in drei Sektionen gegliederten Verwaltung. Ihr Haus ist das von Ve-rnini, dem großen Barockmeister, der das bauliche Antlitz von Rom so sehr beinflutzt hat, auf dem Spanischen Platz errichtete Palastkollegienhaus, besten In schrift an der schmalen Fassade noch an den Gründer Papst Urban VIH. erinnert und, wie er es ausdrücklich wollte, seinen Namen weiter bewahrt, indem sie den Palast be nennt „pontikieium LoUsgiuni llidanum dg Propaganda kids". Ein neues Kollegienhaus mit modernster Einrich tung ist bereits auf dem Ianikulus für dieses Propaganda- tnstitut errichtet worden. Urban vm. (1623 bis 1611) hat das Institut in seiner jetzigen Form mit der Bull« „lvamortals Del" vom 1. August 1627 gegründet, aber seine Idee liegt noch weiter zurück und führt in das ausgehende 16. Jahrhundert unter Papst Klemens vm.. dem mehrere Denkschriften für die Ausbildung des Weltmissionswesens der Kirche vorgelegt würden. Es ist bezeichnend für das demokratische und doch zugleich aristokratisch-absolutistische Wesen der katholischen Kirchenverfassung, die selbst der Protestant Gregorovius „das größte gesellschaftliche System" nennt, daß die erste Anregung zur Propaganda nicht von der obersten Spitze der hierarchischen Pyramide, dem Papsttum, sondern von dem breiten Unterbau derselben, vom Klerus ausging, der in jener Nachzeit der lutherisch-calvinistischen Irrungen und in der Frühzeit des Jesuitenordens an den Dingen des katholischen Missionswesens bereits stark interessiert war. Neben andern verfasserlosen Eingaben an den Heiligen Stuhl hat Pastor im letzterschienenen Bande seiner „Papst geschichte" den Karmelitenprovinzial Thomas a Jesu als den Verfasser der grundlegenden Programmschrift „blockus pi'npagandi tidem catbolicam" (Antwerpen 1613) wahrscheinlich gemacht, in der die Idee und die Organi sation eines zu schaffenden Propagandainstitutes ausge führt sind. Aus diesem Senfkorn erwuchs der Weltbaum des heutigen katholischen Missionswesens, aus diesem Ge danken das heute ausgebaute und in der Propaganda-Kon gregation gipfelnde System. Dis Dreijahrhundertfeier dieser Weltgründung gab der Kirche in Rom Anlaß, sie festlicher als sonst den Ge denktag einer katholischen Einrichtung zu begehen. Im perialistisch-römische Stadt- und Reichstradition lebt in dem Universalreich der katholischen Kirche auch heute noch als bodenständiges Element in ihren Festen fort. Das Kapitol ist im Vatikan aufgegangen, das Forum im Sankt- Peters-Platz, das einstige Weltrom in dem Flügel der Leo stadt, die seine wichtigste Stätte, sein Kardinalpunkt, seine Ewigkeit ist. Hfer ist ein Rom über Rom, ein Reich über dem Reich, hier ist eine Welt ohne Besitz und doch ohne Grenzen. So wurde auch das Fest der Propaganda, das ohne jeden lauten öffentlichen Prunk verlief, eine Weltver sammlung und ein Völkerbund im Herrn, ein Pfingstfest des Geistes in allen Zungen, eine Weltschau im Geiste der Liebe und ein Abbild der versöhnenden, allumfassenden Göttlichkeit im Jenseits. Neben den Festlichkeiten der Begrüßung und des Schlusses, die zum Teil im neuen Kollegienhaus statt fanden, neben dem Requiem für die vielen, oft als Mär tyrer verstorbenen Mitglieder der Kongregation, standen die großen Feierlichkeiten der polyglotten Akademie im Damafushof des Vatikans, das Pontifikal« in Sankt Peter und die Audienz beim Heiligen Vater. Der Damafushof sah den Papst umringt von fünfzehn Kardinälen der Kurie und von auswärts, unter denen der Kardinal Bourne von Westminster, Kardinal Dougherty von Philadelphia. Jlundain y Esteban von Sevilla und Casanova y Marzol von Granada erschienen waren, von Erzbischöfen. Bischöfen und den Patriarchen von Syrien und Armenien, von Prälaten und Monsignori, vom diplo matischen Korps, dem römischen Patriziat, geladenen Gästen und vor allem von den Propagandisten selbst. Die „/Veolamationss" und die Antiphonie des „In es Petrus" umjubelten ihn, von der 8eola Lantorum der Propadanda gesungen. Die Akademie war wie ein sprechender Welt spiegel: denn zwischen die Ehöre der Sänger schoben sich kurz formulierte Ansprachen der Propagandisten, von denen jeder in seinem eigenen Idiom den Festspruch sprach: Man hörte Sanskrit, Urdu, Tamil, Malabarisch, Hebräisch, Ehaldäisch, Syrisch, Arabisch, Japanisch, Chinesisch, Ana- mitisch, Griechisch, Albanisch, Irländisch, Englisch, Deutsch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Holländisch, Flämisch. Polnisch, Französisch, Spanisch, Rumänisch, Ungarisch und afrikanische Sprachen, alle in den Rahmen einer kurzen lateinischen Anfangs- und Schlußformel gestellt. Der Papst selbst knüpfte in seinen Worten an die Geschichte und Wirk samkeit des Institutes an, an das Missionsapostolat der Gegenwart, das er ans die technischen Verkehrserleichterun gen hinwies, wie sie der Lindberghflug eben zeigte, und streifte kurz zwei Länder mit markanten politischen Wor ten, China und Mexiko. Von China sagte Pius XI., daß der ganze Unrat von Uebeln in diesem Lande nicht aus der guten, edlen und vornehmen Seele des chinesischen Volkes komme, sondern von ferne her, ein Gärungsstoff, der, wohin er kommt, alles bedroht, alles, jede Menschlichkeit und Zivilisation und jede Religion, besonders aber die katho lische. In Mexiko brandmarkte er die fortdauernde Christenverfolgung und pries den heldenmütigen Wider stand der Bekenner. Nach der Erteilung des Apostolischen Segens nahm der Papst noch eine Huldigung der Propa gandisten entgegen und schloß diese seltsame polyglotte Weltakademie am Spätabend um acht Uhr. Das Pontifikalamt am Himmelfahrtstag« zelebriert« der Papst mit all der Pracht der vatikanischen Liturgie, Ein Abglanz des sonnenhellen Maientages von draußen lag auch im Innern der Petersbasilika, eine unnennbar« feierlich-weihevolle Stimmung lag über den vielen Zehn- tausenden, die gekommen waren, um die Glaubensboten aus aller Welt im päpstlichen Festzug zu sehen. Mit dem Gefolge seines gesamten geistlichen und weltlichen Hof staates zogen die fremden Priester und die Kardinäle in ihren blankweißen Mitren vor der 8sckia gss-tatori», die den schneeweiß gekleideten Pontifex unter dem weißen Baldachin, flankiert von den Pfauenwedeln, trug, unter dem Klange der silbernen Posaunen durch das Mittelschiff der Basilika. An dem Confessio-Altare fand das Meß opfer statt, über dem grünen Teppich des Pavimentes glänzte vor der purpurnen Rückwand der weiße Thron des Papstes. Das war kein Schaustück, sondern ein Opfer in seiner höchsten, geistig und technisch durchgebildeten Form, packend, ergreifend und viele aus der lautlos harrenden Menge zu Tränen rührend, in seiner Wirkung an ihren Mienen, in ihrem Ausdruck abzulesen. Vom Kardinal- diakon und vom Prälatensubdiakon empfing der Papst die hl. Kommunion, das Evangelium wurde lateinisch und griechisch gelesen, der päpstliche Segen und das „Te Deum" schloß die erhebende Feier. Noch einmal ergriff der Heilige Vater das Wort vor den anwesenden Jubilierenden der Propaganda, als er sie zum Abschied in seinem Apostolischen Palaste in besonde rer Audienz empfing. Es war dieselbe, nur auf die Geist lichkeit beschränkt« Festoersammlung, wie sie schon im Damafushof getagt hatte: „Onrnss ist! oovgregaU ernnt", um das Wort der Schrift anzuführen: „omnss ist, ds lang» vsnsvunt, ad ortu soll» usqus ad oceasum, ab aquilons ad wäre". Die päpstlichen Worts priese» die Bulle Urbans und das alte Haus des Propagandakollegs als die dauernd bleibende Wiege der katholischen Mission. Die Freude des Papstes an dem Dreijahrhundertfest war aus seiner Rede zu entnehmen und nicht weniger die Aufrichtigkeit seines päpstlichen Dankes an Kardinal Van Rossum und an dt« Angehörigen des Kollegs. Das Jubelfest der Kongrega tion zeigte die Einheit der katholischen Kirche in ihrer Uni, versalität und ihre Universalität in ihrer Echtheit. Um die ».ketion fnanya>86". In einer Entscheidung, deren prinzipielle Bedeutung wert über die Verhältnisse Frankreichs hinausgeht, hat der Hl. Stuhl den Vorrang des Glaubens vor der Politik zu wahren gewußt. Nach acht Monaten kann heute gesagt werden, daß sein mut- volles Auftreten gegen die Auswüchse des französischen Natio nalismus bei dem weit überwiegenden Teil der französischen Katholiken zu einer Wiedererweckung des sittlichen Bewußtseins auch iür die Fragen des öffentlichen Lebens geführt hat. Aber der Kampf war hart, und noch heute sind in allen Diözesen und Pfarreien die Nachwehen der tiefen Krise zu spü ren, die mit dem Verbot der Zeitung „Motion knancaiss" und der Werke von Charles Maurras durch den französischen Katho lizismus ging. Nachmehen? Gewiß, denn die gegenwärtigen Formen des Widerstandes einer kleinen Gruppe von Extremisten gegen die kirchliche Autorität kann nur dazu führen, die Reinlichkeit der Scheidung zu vertiefen und auch dem letzten die Augen zu öff nen über die wirkliche Bedeutung dieser Bewegung. Sie sind die letzte — und wohl die eindruckvollste — Rechtfertigung des päpstlichen Urteils. Eine Schmutzsuada ergießt sich täglich über di« kirchlichen Sie Verluste der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei. Die Entwicklung der katholischen Kirche in der Tschecho slowakei ist mehr als anderswo von den staatlichen und politischen Verhältnissen abhängig. Trotz aller Kämpfe gegen den Einfluß oer katholischen Kirche auf das öffentliche Leben im alten Oester reich. die bereits mit der Ausklärungszeit (Kaiser Joses ll.) be gannen, war das Verhältnis zwischen Staat und Kirche doch immer positiv. Zu den geistigen Verbindungen kamen materielle, vie sich der Staat dadurch auflud, daß er durch Aushebung von Klöstern und Einziehung von Kirchengut unter Kaiser Josef II. sich für die Erhaltung der kirchlichen Verwaltung verantwortlich machte. Durch den Umsturz wurden die geistigen Beziehungen »wischen Staat und Kirche sehr gelockert und fast vollständig ge löst, während die materiellen Verpflichtungen weiter bestanden. Ls ist klar, daß' die sozialistischen Parteien, die nach dem Um sturz die Mehrheit besaßen, ihren Kampf hauptsächlich gegen die Verpflichtungen des Staates gegenüber der Kirche richteten. Da sic aber mit Gewalt nichts zu erreichen vermochten, versuchten sie di« katholische Kiühe im tschechischen und deutschen Volk zu unter graben. Sie bezeichnet«» sich als „fortschrittlich" und verstanden es, ihrem „Fortschrittsprogramm" aus der hussitischen Tradition des tschechischen Volkes sogar einen nationalen Lharakter zu geben. Die Katholiken wurden zu Staatsbürgern zweiter Klasse degradiert. Der geistige Kampf gegen die katholische Kirche wurde in zwei Richtungen geführt: Förderung des Sektenwesens, vor allem der tschechllowakischen Nationalkirche, und Propaganda der Konfessionslosigkeit. Ls war also eine gefährliche Lage für den Katholizismus, der in jeder Hinsicht als reaktionär galt und bekämpft wurde. Trotzdem vermochte sich die katholische Kirche in imponierender Weise zu behaupten. Wir ersehen das aus den Ergebnissen der letzten Volkszählung vom Jahre 1921, die in eine der stürmischsten Zeiten fällt. Im alten Oesterreich gab es 1910 in den Ländern der heutigen Tschechoslowakei nur 12 981 Konfessionslose, im Jahre 1921 716515. Davon entfallen ans Böhmen 658084 (das ist ein Zehntel der gesamten Einwohner schaft), auf Mähren 49 036, auf Schlesien 9405, auf die Slowakei 8818. auf Karpathenrußland 1174. Die tschechoslowakische Natio nalkirche zählte 1921 437377 Mitglieder. Unter den Abfalls- bewegungen ist also die von den sozialistischen Parteien systema tisch betriebene und meist schon mit der Parteimitgliedsanmel dung verbundene Konfessionslosigkeit die stärkste und erfolg reichste. Das ist gewiß ein trauriges Zeichen für die Ueberpoliti- iierung des tschechischen Volkes. Die katholische Kirche ging infolgedessen in den westlichen Ländern der Tschechoslowakei etwas zurück, und zwar in Böh men von 6 488117 im Jahre 1910 auf 5 216180: in Mähren von 2 512 484 auf 2 421 220: in Schlesien von 588 843 auf 564 064. Es sst bezeichnend, daß die katholische Kirche in den östlichen Ländern der Tschechoslowakei, wo die politische Propaganda der Tschechen zunämt aus Widerstand und vollständig» Ablehnung stieß, in der gleichen Zeit einen ansehnlichen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen hatte. In der Slowakei stieg die Mitgliederzahl von 2 033 448 im Jahre 1910 auf 2128 205: in Karpathorußland von 52 876 auf 65 164. Dem Ansturm der sozialistischen Parteien vermochten zunächst die politischen Parteien der Katholiken den ersten Widerstand zu bieten. Da aber die Erfolge der AbfallsbSwcgung nur auf mangelnde religiöse Bildung und Seelsorge zurückzusühren find, setzten bald nach der Abwehr der ersten Angriffe auf den Bestand der katholischen Kirche und ihr Verhältnis zum Staat die Be strebungen ein, im Volke eine seelische Wiedergeburt des Katho lizismus zu wecke». Diese Bestrebungen gipfeln in der katholi schen Aktion, an der alle Völker des neuen Staates in ihrer Weise Anteil haben. Besonders erfreulich ist es, daß sich nament lich die Jugend in den Dienst der Wiedergeburt stellt. Ser llepomul-Slre» der Tschechen. St. Johann von Nepomuk, der Landespatron Böhmens, war seit seiner Heiligsprechung im Jahre 172t<"eine der gefeiertsten Heiligengestalten des Barock in den mitteleuropäischen, beson ders österreichischen Ländern. Die größte Verehrung genoß er aber sicherlich in seinem Heimatlande Böhmen, wo er im Jahre 1393 als älterer Zeitgenosse des Magisters Johann Hus de» Märtyrertod für das Beichtgeheimnis erlitte» haben soll. Hier, „im goldenen Dom zu Prag", wie es in einem Wallfahrerlted heißt, liegt er bestattet, und Das wundervolle silberne Barock grabmal, das ihm die Kaiserin Maria Theresia erbauen ließ, ist »och immer am Tage des Heiligen das Ziel zahlloser from mer Pilgerscharen. Der 16. Mai wurde zu einem Nationalfeier tag Böhmens, und das Feuerwerk auf der Moldau, d»e laternengeschmückte Boote, welche am Vorabend dieses Festes Dt« alte Prager Karlsbrücke umschwärmen, wo der Heilig« in den Wogen des Flusses den Tod fand, die licht- und blumen- bekranzte Statue aus der Brücke selbst, sind heute noch ein Aus druck der elementaren Freude, mit welcher der böhmische Barock mensch sein« tiefe Glaubensglut in sinnlichen Formen auszu drücken verstand und versteht. Der stille Schweiger auf Der Brück« galt vor allem als Not helfer aller vor Verleumdung und Schande, denn das gläubige Volk sah mit Recht in dem Manne, der dem eifersüchtigen Böhmenkönig Wenzel IV. nicht das Beichtgeheimnis seiner Frau preisgeben wollte, einen Beschützer vor drohender Schmach. Zahl lose Wundergoschichten und Legenden rankten sich um seine Ge stalt, und die vielen Nepomuksstatuen, die seit dem 18. Jahr hundert Kapelle», Plätze, Fluren und Brücken zieren, kann man sich gar nicht aus dem böhmischen Landschaftsbild fortdenken. Erst die Aufklärungszeit begann sich näher mit dem histo rischen Tatbestand der Heiligenlegende zu befassen', und katho- lisch« Geistlich« stellten Detailirrtumer, di« sich «maeschliche» hatten, richtig. Mit der Aufklärung-zeit war in Böhmen da» Wiedererwach«» de» tschechisch«» Volke» verbunden. Diel» Be wegung nahm fett de« Hob« 18« «ln«» allmählich immer stärker werdenden antikath*.ischen, hussitischen Zug an. Man sah sich nach großen Gestalten in der tschechisch«,, Geschichte um, uno Hus wurde als eiver der größten geistigen Nationalheroen em porgehoben. Da begannen sich di« Tschechen auch mit Hussens Zeitgenossen, mit Johannes von Nepomuk, zu befassen, und die kritische Untersuchung der historischen Grundlagen für die ba rocke Heiligenlegende brachte einige überraschende Resultate ans Licht. Schon im 15. Jahrhundert war in einer Handschrift des jetzigen Prager erzbischöflichen Archivs irrtümlich als Todesjahr des Heiligen 1383 (statt 1393!) eingetragen morden, und diese Eintragung wurde eine Quelle vieler Mißverständnisse. Bereirs ein tschechischer Chronist des 16. Jahrhunderts, Hajek von Libo- e,zan. der, wie seine Zeit überhaupt,, recht wenig kritisch war, scheiterte daran. Da ihm in anderen Quellen di« richtig« Jah reszahl 1393 überliefert war, und da neben der Ueberlreserung von der Wahrung des Beichtgeheimnisses eine ander« Version der Unnrchgiebigbsit Johanns von Nepomuk als Prager Gene- -raloikar dem Könige gegenüber bei der Wahl des Kladrauer Abtes als Ursache des Märiyrertodes hinstelltc, hals sich Hajek von Liboczahn in der einfachen Weis«, daß er zwei Männer na mens Johannes von Nepomuk annahm, von denen der rin« im Jahre 1383 wegen der Wahrung des Beichtgeheimnisses vom König Wenzel IV. in die Moldau gestürzt worden war, während der ander« im Jahr« 1393 wegen der Kladrauer Affäre dasselbe Schicksal erlitten haben sollt«. Auf Grund dieser verworrenen Angaben wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Heiligsprechungsorozeß angestrebt. Viele andere zeitgenössisch« und spater« Quellen wurden heran» gezogen. Den Hauptausschlag gab jedoch bei der Oeffnung de» Graves die aufsehenerregende Tatsache, daß di«.Zunge de» Heiligzusprechenden trotz der Dauer von vier Jahrhunderten un versehrt geblieben war. Selbst der berühmteste damalige Medi, ziner der Prager Universität, Löw von Erlsfeld, gab seln Gut achten danach ab. daß es sich um ein Wunder handle. Man glaubte nun den Beweis für dt« Wahrung des Beichtge heimnisses untrüglich in der Hand zn haben, und da sich in Quellen, die aus der ersten Hälft« des 15. Jahrhunderts stammten, das gleiche anqedeutet fand, schritt man zur Heilig sprechung, zu oer man nach kanonischem Grundsatz berechtigt war, da ja die Hauptforderung, das Wunder, erfüllt war. Wett aber di« historische Forschungsmethod« damals noch sehr tief stand, so daß man in dem doppelten Berichte Hajeks von Liboczan nicht erkannte, daß hier ein« sogenannte „Doublette" vorlioge, wurde in der Heillzssprechungsurkunde ausdrücklich hervorgehoben, es handle sich um den Johann von Nepomuk, de« im Jahr« 1383 wegen der Wahrung des Beichtgeheimnisses de» Märtyrertod erlitten Hab« und nicht um den 1393 Hingerichteten. Dieser offenkundige Irrtum in den römischen Akten bracht« nun die Frage, die schon in der AufklLrungvzett angeschnitten worden wa^ endgültig in» Rollen. Dt« deutsche positivistisch« Geschichtsforschung wollt« zuerst hier einen Deichtchtsbetrug der katholischen Kind« entdeckt habe«, und die hussitischen Iung- Ischeihen griff«» dies« Idee begeistert aus, bi« st« zu der T-ch»
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