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Nummer 137 — 26. Jahrgang «mal wäch. Bezugspreis fiir Juni 3,00 Mk. einschk. vestellgeld. «nzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 80L. Porlozuschlag. Einzel-Nr. 1v Sonntags-Nr. S0 Veschäftlicher Teil: Artur Lenz in Dresden. SWillstve Donnerstag, den 16.Jum 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzelgenaufträgen u. Leistung v Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern- ruf iihermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver. antwortung. Unverlangt elngesandte u. m. Rückporte nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptschriftleiter: Dr. G. Desezqk. Dresden. volrsMmlg Geschäftsstelle, Druck u.Aerla«: Germania, U.-S. skr Verlag und Druckerei, Filiale Dresden, Dresden-«, l. Polierst ratz« 17. Femr»f2l0lS. Postscheckkonto Dresden »703. Bankkonto: Ltadtbank I reddeu Nr. 6171» Für christliche Polilik und Kullur Dresden Stedakti», der rächstsche« »voltezett«»» Sden-«ltstadt 1. Polierstratze 17. Fernrns A71. n»d rioir. Lhristi neues Königtum Von Bundeskanzler Dr. Seipel. Nach manchem Rückfall in das heidniscl-e Denken besinnen sich die Völker darauf, daß auch sie untereinan der eine Gemeinschaft sind. Die Menschen der letzten Jahr zehnte sind sehr stolz darauf geworden, daß sie die Idee -iner Völkergemeinschaft, von der die größten Geister der Vergangenheit träumten, zu verwirklicheil an fangen. Diese Stolzen wissen nicht, woher der Gedanke der Völkergemeinschaft kommt und wo die Wurzeln einer wahren Völkergemeinschaft liegen. Sie haben vergessen, daß es eine Völkergemeinschaft nicht geben kann ohne den Bedanken der Gleichberechtigung der Völker, nicht der Gleichheit, nicht der GleicArtigkeit der Völker. Natürlich wird ein Unterschied zwischen den Großen und Kleinen, den in der Kultur schon weit Vorgeschrittenen und denen, die weniger weit vorgeschritten sind, sein, aber im Grunde müssen sich die Völker als gleichwertig und gleichberechtigt anerkennen, weil sie, durch Christus von den Fesseln der Sünde und den Auswirkungen der Sünde befreit, die Fähigkeit haben, zum höchsten Wert unter den Völkern emporzusteigen, und gleichberechtigt, weil sie alle das Recht haben, Glieder einer großen Völkerfamilie zu sei». Jene, die so stolz sind, daß unsere Zeit die Menschen der Völkergemeinschaft nähergebracht und auch organisa torische Formen für diese Völkergemeinschaft geschaffen hat. vergessen ganz, daß es eine wirkltclie Völkergemein schaft nicht geben kann, wenn ein Volk das andere haßt, verachtet oder beschimpft. Wir dürfen und müssen uns wehren gegen andere, wir dürfen und sollen unser eigenes Land und unser eigenes Volk lieben. Wir wissen es ja, Christus der König, der wie die anderen Gebote, ja auch das Gebot. Vater und Mutter zu ehren, gereinigt und in seinem Gehalt vertieft hat, hat uns dadurch auch gelehrt, Vaterland und Muttersprache zu lieben. Aber Liebe ver trägt sich nicht mit dem Haß. und eine einseitige Liebe, dis tm Herzen einen Raum für den Haß der anderen übrig jäßt, ist nur eine Form von Haß und nicht von Liebe. Wir sehen, wie Menschen anderer Geistesrichtung, die von Christus und feinem Königtum nichts wissen, die es vielleicht nicht verstehen, daß in unserer Zeit ein neues Königtum Christi eingesetzt wurde, gerade an dem Plan, die Völkergemeinschaft aufzurichten und zu organisieren, arbeiten. Wir Katholiken sehen das und sind mißtrauisch gegen den Gedanken der Völkergemeinschaft, weil wir Menschen anderer Geistesrichtung an ihr arbei ten sehen. Wir sind weniger klug, wenn wir so denken, als wir in der Zeit unserer Kindheit waren. Da hat es uns nicht gestört, Christus in Verkleidung aus Erden wan deln und doch König bleiben zu sehen. Alle, die es gar nicht wissen, daß sie schließlich dem Plane des Königtums Christi dienen, wenn sie die geistigen Schranken zwischen den Völkern niederzulegen und den Haß abzubauen suchen, selbst wenn sie sich einbilden, dabei etwas zu tun, was aus ihrer Kraft und ihrem Geiste stamrnt, handeln für Christus und er wandelt verkleidet unter uns, wenn rr den Gedanken an die Völkergemeinschaft ausstreut. Nun kann man viele Zweifel haben, ob diese Völker gemeinschaft. wie sie unsere Zeit kennt und will, das Ideal sein wird. O nein, die Menschen, die Christus gewonnen hat, ja die nächsten um ihn, mit der einzigen Ausnahme seiner heiligsten Mutter, waren auch nicht gleich das Ideal mid selbst die göttlichste Gemeinschaft, die es auf Erden gibt, die katholisch Kirche, hat auch viel Menschliches in verschiedenen Zeiten an sich und war nach diesen mensch lichen Seiten hin nicht immer das Ideal. Christus ging such durch seine Kirche in manchen Jahrhunderten ver kleid et, man hat ihn kaum gesehen, um so mehr, wo sich um die G e me i n s chaf t d e r Vö l ker, um eine ltliche Angelegenheit handelt. Wenn man das mit hutom Gewissen weltlich nennen kann, was doch nichts Anderes als ein Versuch ist, einen König s- tze danke n Christi zu verwirklichen. Seien wir getrost, wenn wir die Völkergemeinschaft zwar sehen werden, aber unvollkommen, wenn sie immer wieder in das zuriickfallen wird, was der Völkergemeinschaft ent gegen ist, so wie die christlichen Staaten in einem heid- An, Fronleichnamsfest« ist der Betrieb der S. B. schlosse ». Die nächste Nummer kommt am Freitag zur Aus. Die heutig« Nummer hat IS Selten, st« enthält di« Bei. lagen „Unterhaltung und Willen" und „Aerzt- sicher Ratoeber" Die ägypttfche Weisheit -er Regierungsbildung in Sachsen — Der enlschei-ungs schwere Donnerstag Dresden, 1ö. Juni Als gestern der Sächsische Landtag »ach ruhig verbrach ten Pfingstferie» seine Pforten wieder öffnete, begann nach langen trüben Tagen die Sonne wieder zu scheinen. Leider nur draußen. Auf und um die Briihlsche Terrasse. Drinnen im Wallolbau aber saß mau wieder einmal ohne Regierung bei sammen. Freilich war das nicht das erstemal in diesem hohen Hause. Und man merkte der Versammlung diesen kopflosen Zustand auch kaum an. Ueberhaupt ist es auffallend, mit weicher Geheimnistuerei in Sachsen die Regierungskrisen um geben werden. Will man den Eindruck erwecken, daß die höhere Weisheit der Regierungsbildung nur den Eingeweihten erschlossen werden könnte? Dieses geheimnisvolle Zeremoniell erinnert ein wenig an die alten Aegypler. die bei den Griechen bekanntlich in dem Ruse standen, sie besäßen ganz besonders tiefe Weisheit. Die heutige Wissenschaft hat aber festgestellt, daß diese Weisheit der alten Aegypter durchaus nur in einer praktischen Lebensführung un- einer materiell gerichteten Kul tur bestand. In den Ruf tiefer Weisheit sind die alten Aegyp ter bei den Griechen nur dadurch gekommen, daß sie ihre Lehren und ihren Kult mit geheimnisvoll wirkender Schweigepflicht der Eingeweihten umgaben. Vielleicht liegt also in Sachsen den gegenwärtigen und auch schon den früheren Regis- rungsverhandlnngen derselbe Wunsch zugrunde, durch möglichst große Geheimnistuerei, durch Entziehung der Verhandlungen vor den profanen Augen der Oeffenllichkeit diesen! Landtag und der zu schaffende» Regierung den Ruf höchster Weisheit zu ver- stlsaffen. Wir hegen aber füglich einige Zweifel, ob sich dieses Experimente von Memphis nach Dresden verpflanzen lassen wird. Einiges Licht in das Dunkel der bisherigen Verhandlun gen bringt erstmals eine längere pa r t e i o f f i z i ö s e Er klärung der D e u t sch n a t i o na l e n. Darin erfährt man, daß die Deutschnationalen bei den Verhandlungen im Januar neben der Zusammenlegung der Ministerien aus fünf das Innenministerium für ihre Fraktion beanspruchten. Es wir- Karin weiter erklärt, daß bei den jetzigen Verhandlungen die Deutschnationalen die Forderung auf das Innenministerium fallen gelassen, »nd sich mit der Uebernahme des völlig unpoli tischen Wirtscl-aftsministeriums einverstanden erklärt Hütten. Für den Posten dieses Ministeriums Hütten sie den schon öfter genannten, nicht im politischen Lebe» stehenden Amtshaupi- inann von Annaberg. Krug von Nidda nominiert. Um den anderen Parteien entgegenzukommen, habe inan auch die For derung aus Verringerung der Ministerien auf fünf in soweit auf gegeben, als man sich bereit erklärt«, eine Regierung, bestehend aus sechs Ministerien, mitzumachen, wobei der Ministerpräsident Heidt zugleich das Arbeitsministerium übernehmen sollte. Da die Altsozialisten in den Montagverkiandlunge» erneut mit der Forderung nach sieben Ministerien hsrvortrate». und davon zwei Minister fiir ihr« Partei beanspruchten, gingen di« Verhand lungen abermals ergebnislos aus. Vom Ministerpräsidenten Heldt sei daraufhin em deutschnaüonaler Vorschlag auf Zusam menlegung der Ministerien auf fünf durÄMis fiir möglich erklärt worden, wenn das Innenministerium mit dein Ministerpräsi denten und das Arbeits- und Wirtschaftsministerium ebenfalls in einer Person vereinigt würden. Gegen diesen Plan aber hätten sich offiziell die Demokraten und die Altsozialisten erklärt, obwohl die Deutschuationalen sür diesen Fall ihre For» derung auf das Innenministerium fallen lassen wollten. Die Dinge liegen augenblicklich also so. daß sie Regie rungsbildung an dem Festhalten der A l i s o z i a l i st e n an ihrer Forderung ans zwei Min ist er sitze ge scheitert ist. Die altsozialistische Presse such« den Standpunkt ihrer Partei mit dem Hinweis auf die außerordentlich schwie rige Lage der Altsozialisten im Landtag zu begründen. Tie ASP.. so schreibt der „Volksstaat", stelle den Arbeiterflügel dai. Wenn sie darauf bedacht sei. «inen gewissen Ausgleich gegen über der Verschiebung des Schwergewichtes nach rechts zur Gel tung zu bringen, so handele es sich hierbei nicht uni Pariei- egoismus, sondern um die einfache Ausübung der Pflicht, die ihr den A r b e i t e r i n t e re s s e n gegenüber anferlegt sei. Wer ständig auf die zahlenmäßige Fraktionsstärke Hinstarre, bemerke gar nicht den springenden Punkt, der bei diesen ganze» Verhandlniigen zu beachten ist. In ganz ähnlichem Sinn außen sich die „Staatszeitung". Sie ist der Meinung, daß man von „ungebührlichen Ansprüchen" der ASPS. nicht reden könne, wen» „das Bürgertum" in dieser Regierung mit sünf Neson Ministern und die ASP. nur mit einem ResoNminister und dem Ministerpräsidenten vertreten sei. Denn der Ministerpräsident sei als solcher kein Parteimann. Daß diese Argumentation die Deutschnationalen zur Ände rung ihres Standpunktes bewege» wird, darf als ziemlich aus geschlossen gelten. Dem Sinns einer Volksblockregierung von öen Altsozialisten bis zu de» Deutschnaüoualen einschließlich entspricht es Keineswegs, den üblichen Gegensatz zwiscl>en „dem Bürgertum" und „dem Arbefterslügel" erneut iu dieser Schürft zu betone». Wenn man gegenüber der Deutschnationalen Partei auf der linken Seite der Regierungskoalition schon «in gewisses berechtigtes Mißtrauen hegt, so wird man doch nicht vergessen dürfen, daß die bisherigen bürgerlichen Koalitiansparteisn Sicherheit genug bieten, daß in Sachse» eine Politik des Aus gleichs und der sozialen Verständigung getrieben wird, und da" man sich auch in Zukunft davor hüten wird, irgend etivas : tun. ivas die Reaktion der Linken in Sachsen stärken und ei n recht in den Sattel hebe» würde. In dieser Hinsicht wird ASP. zugunsten der Sachlichkeit und einer vertrauensvoll. Zusammenarbeit ihre Sonderwünsche zurückstellen müssen, wer. es zu einer Einigung kommen soll, ehe die Landtag sitzu ng am Donnerstag dem Mißtrauens"." trage gegen den M i n i st e r p r ä s i d e n t e n z u st i in -r Nischen Staatsbegriff gerade in den letzten Jahrhunderten, aber auch im Mittelalter wieder zurückgefallen sind. Ver lieren wir nicht die Zuversicht, alles wird eine große Ge meinschaft, vielleicht — wenn sie sich allzu ungeschickt an stellt — wirklich erst in der letzten Zeit der Wiederkunft Christi. Wir aber sind dazu da, daß in unseren Zeiten eine, wenn auch noch nicht ganz ideale, aber dem Ideal angenäherte Völkergemeinschaft dasteht, und diese Völ kergemeinschaft wird das verkörperte, vermenschlichte Königtum Christi sein. Wie viele werden in diesemKünig- tum leben, ohne zu wissen, wer ihr König ist. Wir Katho liken wissen es. und wir wollen mit Bewußtsein Christus dem König folgen. (Aus einer auf dem Wiener Diözcmn-KatholikciUag gehal tene» Rede.> Der A-ich-prWent iu Dessau. Dessau, 14. Juni. Reichspräsident von HIndenburg ist heut« vormittag zum Besuch der Anhaltischen Regierung und des Landes Anhalt hier eingetroffen. Di« Stadt hat festliches Gewand angelegt. Auf der Fahrt vom Bahnhof zum Regierungsgebäude wurde der Reichspräsident überall mit nicht endenwollendem Jubel be grübt. Im Regierungsgebäud« stellt« Ministerpräsident Deist seine beiden Ministerkollegen Müller und Dr. Weber, den Bor stand de» Landtage», die Fraktionsvorständ« und di« Leiter der Landesbehörden »or. Im Anschluß an den Empfang fuhr der Reichspräsident mit seiner Begleitung zum Rathau». Aus dem Weg« dorthin bildeten di« Innungen, Gewerkschaften und Verein« mit ihren Fabnen und Embleme» Soalier. Tm Ratz» Haus wurde der Reichspräsident von Bürgermeister Hesse :n. mens der Stadt Dessau mit einer kurzen Ansprache begrüßt. Bon der Freitreppe aus brachte der Bürgermeister ein Hoch auf Sen Reichspräsidenten aus. Der Reichspräsident erwiderte kurz. An schließend nahm der Reichspräsident die Vorstellung des Magi strats, der Stadtverordnelenvorsteher. sowie der Vorstände der Fraktionen des Gemeinderats entgegen. Reichspräsident v. Hin- denburg begab sich nunmehr, nachdem ec sich in das Goldene Buch der Stadt Dessau eingetragen hatte, auf den Kleinen Markt, wo er die dort angetretenen Beieranen von 1864, 1866 und 1876/71 begrüßte. Danach begab sich der Präsident zum Dessauer Ehrenfriedhof. Der Besuch des Friedhofes ge staltete sich zu einer erhebenden Gedächtnisfeier. Der Reichs präsident legte am Ehrenmal der im Weltkrieg Gefallenen einen prächtigen Kranz mit weißer Schleife und der Aufschrift „In treuer Kameradschaft" nieder. Vom Ehrsnfricdhof fuhr der Reichspräsident zum Palais Reina, wo ein« Besichtigung der Gemäldegalerie der staatlichen Sammlungen sowie ein Rundgang durch die Galerie unter Füh rung des Landeskonservators Dr. Grote stattfand. Daran schloß sich ein Frühstück im Großen Saal des Palais Reina Schwere Unwetlerfchüder» iu Würllemverg. Schwäbisch-Hall, 14. Juni. Ein Unwetter hat in dem Orte Kröffelbach schweren Schaden angerichtet. Fünf bi» sechs Wohnhäuser und Scheunen wurden schwer beschädigt. Die Schasscheuer wurde von den Flu ten unterspült, stürzt« «in und begrub etwa 100 Schafe unter sich, von denen 70 Stück erdrückt wurden oder ertrunken find. Auch zwei weitere benachbart« Ortschaft«« habe« schweren Schade» a» Felder» und SsuM erlitte»