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Zur Liturgie des Fronleichnamsfestes Epistel fl- Kor. 11, 28 bis 29). Bruder! Ich habe vom Herr» empfangen, was ich euch auch iiberlieserl stabe, daß der Herr Jesus in der Nacht, in der er verrate» wurde, das Brot nahm und dankte, es brach und sprach: Nehmt hin und esset, das ist mein Leib, der sür euch hingegcben wird: dies tut zu meinem Andenken. Desgleichen nahm er nach dem Mahle auch den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute. Tut dies, so oft ihr trinkt, zu meinem Andenken. Denn so ost ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Wer nun unwürdig dieses Brot ißt oder den Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig des Leibes und Blutes des Herrn. Der Mensch prüfe sich aber selbst, und esse so von diesem Brote und trinke aus diesem Kelche. Denn wer unwürdig itzt und trinkt, der ist und trinkt sich das Gericht, indem er den Leib des Herrn nicht unterscheidet. Evangelium (Ioh. k, 56 bis 59). In jener Zeit sprach Jesus zu den Scharen der Juden: Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speis«, und inein Blut ist wahrhast ein Trank. Wer inein Fleisch itzt und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm. Gleichwie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich durch den Vater lebe, so wird auch der, welcher mich itzt, durch mich leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herobgekommen ist: nicht wie das Manna, das eure Väter gegessen haben und gestorben sind. Wer dieses Brot itzt, wird ewig leben. Das Fest der heiligen Dreieinigkeit ist an uns vorüber- gcgangen. Dem dreieinigc» Gotte l-aben wir unsere Huldigung dargebracht. Heute führt uns die Kirche ein weiteres Geheim nis vor Augen: Die heilige Eucharistie. Die lateinische Bezeichnung des Festes lautet: „Solemnitas corporis Christi". Sie hat in dem mittelhochdeutschen Name»„vron lichnam" lFronleichnam) eine vortreffliche Uebersetzung gesunden. Fron leichnam bedeutet „Herrcnleib". Schon frühzeitig hat die Kirche dieses Fest eingesührt. In Lüttich findet es sich schon 1246. Es st die Verherrlichung den Einsetzung des allerheiligsten Altar- nkramentes, die am Gründonnerstag wegen verschiedener Ilm- ltanöe (Verrat -cs Judas, Todesangst Christi) nicht gebührend gefeiert werden konnte. Erhebend ist die Prozession, die an diesem Tag« stattfindet, bei der alle Glieder der katholischen Gemeind« ihre Zunge zum Lobe des unter der Bratsgestalt ver borgenen Gottes erschallen lassen. Der seelische Zusammcnklang lut sich auch nach außen kund. Erhebender aber noch ist die wundervolle Sequenz des hl. Thomas von A q u i ». Wir -müssen »ns erst einmal in den Inhalt derselben vertiefen, um die ganze Fülle der herrlichen Gedanken durchkosten zu können. „Lobe, Sion, deinen .Heiland, Deinen Führer, deinen Hirten. Lob' in Hymnen ihn und Liedern. " Mit Recht hat man diese Sequenz eine der schönsten Schöpfungen des größten der Scholastiker genannt. Sie legt di« ganze kirch-» lichc Lehre vom hl. Altarsakrament dar. Heute feiern wir dies Fest. Heute jubeln ivir dem Heiland zu, ivie einst die Juden ihm ihr „Hosanna" riesen, heute streuen wir ihm Blumen, wie sie es auch taten. Und morgen 1 Ahmen wir nicht das Beispiel der Juden am Karfreitag nach! lins soll vielmehr das Band der Liebe, das uns alle durch dieses >)eilige Sakrament rimschlingt, durch christliche Nächsten- und Gottesliede immer enger verbinden. Wir wollen aus dieser»» Brote „das ivahrhast eine Speise ist", uns Kraft sür unsere Pilgerreise zur ewigen Heimat holen. —er. Segnende Kirche und Technik tagel lisiiptgosvllSll: Annonslrallo S filislsn: ksulrnoi- 8tn. 9 LsIvnostfSÜoV Oaußler, Henke», ?eist, XIok u. ?ör8ter. Löstnlein. Kuplerberx, 6u88arcj, Oremplen, vurxeik, Flat». FlüIIer. ?8LI8VVLK'I' Uttl) 001". Aus den Tagen unserer Zeit steigt das dröhnende Stauipsen schwerer Häinmer auf, das Zischen gegossener Gluten. Am Morgen und Abend heulen Sirenen, um verrußte Blassen zu empfangen und zu entlassen, die in diese graue Brandung ge spült werden. Um uns das Rattern der Autos, über uns das Surren der. Flugmaschinen: fern von uns durchschneidcn Schifss- riesen die Weltmeere. Und mitten in diesem Treiben und Sämffen steht die betende und segnende, ewige Kirche. Wer, wie sie. mit anderen Ohren als denen des Leibes zu hören vermag, vernimmt Stim men überirdischen Lebens, Stimmen von Engeln, die „inmitten des Thrones" stehen, auf ihr Angesicht niedersallen und Gott und das Lamm anbeten, indem st« sprechen: „Amen! Lob. Preis, Weisheit. Dank, Ehre. Macht und Kraft unserem Gott in alle Ewigkeit. Amen!" Und die betende Kirche stimmt ein in diesen Sang, obschon sie inmitten diesseitiger Klänge steht, das Werk zu vollenden, das ihr aufgetragcn »vard ain Morgen ihres Lebens. Darum ruft sie uns heraus aus der Fron des Werk tages an ihren Altar: darum kommt sie auch zu »ins in unseren Arbeitstag mit ihrem Segen, der Geschenk und Mahnung ist. Die Kirche ist nicht lebensfremd, nicht kulturfeindlich, nur ist sie Feind aller Verkehrung der wahren Ordnung. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi!" Darum begleitet sie Weg und Arbeit ihrer Kinder, und alles, was diesen dient: tritt sie seg nend auf die Straßen und in die Fabriken, an Eisenbahnen. Schisse, Autos und Flugzeuge heran, betet sie vor Hochöfen und Dynamos. Sie »veist in all ihren Gebeten die Menschen auf das Wesentliche hi», so auch in diesen Segnungen. Zivei Grund gedanken durchströmen deren Worte: „Allmächtiger, ewiger Gott, von Dir geht alles Gesäiafsenc aus" und „Deine Güte hat es in wunderbarer Weise auf den Dienst des Menschen hin geordnet". Ueber allein steht Gatt, der Mensch aber diene Ihm als Herrscher aller geschaffenen Dinge, auch des Geldes und der Maschine. Beide find zu seinem Nutzen, er nicht ihnen zum Sklaven! Diese Gedanken kehren in allen Gebeten wieder, cingekleidet in eine Symbolik, die dein Wcisheitssä-atz uralten Die „Springprozession" von Echternach Ai» Psingsidienslag bietet dos kleine luxemburgische Städläxen Echternach alljährlich ein Schauspiel ganz beson derer Art. Von nah und fern strömen an diesem Tage Zehn tausend« nach Echternach, »m die sogenannte Spring Pro zession zu sehe». An diesem Tage hcrrscht in dem sonst so stillen Orte ein lebensgefährliches Gedränge und der beschei denste Fensterplatz an den Strotzen, durch die die Prozession „springt", ivird mit teurem Gelde bezahlt. Auch für diejenige», die noch nicht die Gelegenheit i)atten. der Prozession anzuwohnen, dürfte cs von Interesse sein, etwas Näheres über Ursprung und Schicksal der Prozession im Lause der Jahrhunderte zu ersahren. Ursprünglich handelte cs sich lediglich um eine Löallsahrl zum Grabe des heiligen Willi brord. Bald nach den» Tode dieses Heiligen setzte die Wall fahrt zu seinem Grabe ein, wie der Mönch Alkuin, der von 730 bis 804 lebte und als Freund und Lehrer Karls des Großen be kannt ist, uns in seiner Lebensbeschreibung des heiligen Willi brord bereits bezeugt. Aus dem 1t. Jahrhundert haben ivir das Zeugnis des Abtes Thiosrid von der Abtei Echternach, der in einer metrischen Lebensbeschreibung des heiligen Willibrord sagt: „Diese»» Ort besuchen in der berühmten Pfingstwoche Ger manien und Gallien." Bo» einer Springprozession »viro aber in all diesen Aktenstücken noch nichts erwähnt und cs ist bis jetzt der Geschichtsforschung auch noch nicht gelungen, das Eul- stehungsjahr öer Springprozession genau sestzustellcn. Aber einem Bericht des Trierer Geschichtsschreibers Bromes aus dem Jahre 1512 ist zu entnehmen, daß bei einem Besuch, den Kaiser Maximilian in diesem Jahre in Echternach machte, bereits die Springprozession staltsand. Diese Tatsacl>e ist nämlich ans einer Bemerkung in diesem Bericht,zu schließen, wonach die allen Leute erzählt haben sollen, daß das Bich in denStällen tänzle, wenn die Springprozession einmal nicht gehalten wurde. So dürsten ivir den Ursprung der Springprozession mindestens an den Anfang des 16. Jahrhunderts legen. Daß derartige Spring- prozcssionen im frühen Mittelalter keine Seltenheit waren, be weist die Tatsache, daß für das Eisclstädtchcn Prümm sich eine Springprozession bereits in» 13. Jahrhundert Nachweise» läßt. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die bcutschen Lande bekanntlich von den schlimmsten Drangsalen aller Art Betens entstammt. So erinnert die Kirche, wenn sic ein Schiss segnet, Goi» daran, welch wnnderdare Hilf« er Menschen zuteil werden ließ, als er die Arche Noas „auf der Fahrt über die große Flut" segnete: bittet ihn für die Fahrende»' „Strecke ihnen. .Herr, deine Rechte entgegen, wie du sie dem Petrus hin- gehalten. als er über das Meer wandelte". Und wenn sie weiter fleht: „Las; Deine Diener stets den erwünschten Hafen erreichen u»d gewahre ihnen ruhige Fahrt", so «Hut man, daß diese Bitte die ganze Fahrt inenschlichen Lebens umfaßt. — Anbotend rust die Kirche bei der Segnung der Flugmaschinen im Wechselgcbet ans: „Herr, Du machst Gewölk zu deinem Gefährt, uno fährst dahin aus Stnrmcssittichcn". Und mie im Christen bei oem An blick abendlicher Sternenpracht die Sehnsucht nach den» Himmel «»wachen will, so sieht die Segnende passend auch bei dieser Weihe Gott um solche Gnade an: immer aber auch darum, daß schützende Engel den Reisenden begleiten. Der Erzengel Raphael sei ihr Patron! — I» den Elektrizitätswerken betet sic den 96. Psaliy: „ein Licht ist ausgeslrohlt den Frommen, und den Gerechten eine Freude", denn das irdische Licht, das hier nun entstehen soll, ist nur Abglanz vom ewigen Lichte, und Gott, der „Schöpfer aller Lichter", möge gnädig gewähren „daß wir nach der Finsternis dieser Welt zu ihm gelangen können, der das Licht ist, das nie abnimmt." — « Vielleicht spottet die heutige Welt über solche Segensworte. Sie kann es, »veil sie die Einheit alles Lebens nicht mehr empfindet. Die Kirche jedoch kann darum nicht ablassen, ihre Gebete vor Gott hinzutragen: sic kann nur eines tun: inniger beten und selbstloses selxaffeu, daß die Welt sich zurücksinde zu den Quellen, die ins ewige Leben ausströmen. Eine im Glauben erkaltete Weit läßt nicht allzu oft zu, d«ß»die Kirche diese Weihegebete spricht, und doch sollten die Gläubigen iinmer die Mutter um den Gegen bitten, den sie spenden kam» aus christus geschenkter Kraft. Der Christ soll!« mit der Kirche allen Dingen gegenüber die rechte Einstellung finden, erkennen, daß alles unser ist, »vir aber Christi! Richard Etruve, Fulda. heimgcsucht. So berichten die bekannten „Gest« Trcvirorum" >wm Jahre 1394, daß Gott in diese»» Jahre die 'Menschheit mit einer.dreifachen Plage heimgesucht habe, und daß die Menschen zur Hälfte durch den Tod hinwcggerasst wurde». Zuerst war es die Pest, dann Dissenters« und Blutfluß und drittens das „hei lige Feuer", das die Leiber durch einen inneren Brand ver zehrte. In der Stadt Trier sollen damals über 13 006 Menschen gestorben sein. In der Zeit dieser Drangsale traten im ganzen Lande die sogenannten Flagellantenscharen auf, die unter den schrecklichsten Sclbstzcrsleischungen, unter Tanz und Bußgesang, Gottes Zorn z» besänftige» und sein Gericht abzuwcnden such ten. Wir dürfen also den Ursprung der Echlcrnacher Spring prozession, die sich allein bis aus den t)«utigen Tag erhalten hat, mit Wahrscheinlichkeit auf die Bütte des 14. Jahrhunderts an setze». Obwohl von kirchlicher Seite im Laufe der späteren Jahrhunderte wiederholt rwrsucht worden ist, „das Springen und sonstige abergläubische Bräuche" bei der Wallfahrt zu ver bieten. so hat sich die Prozession als echter Bolksbrauch doch bis auf den heutigen Tag erhalle». So verbot beispielsweise eine vom Trierer Erzbischof und von der niederländischen Regie rung in Brüssel vom 18. September 1777 erlassene Verordnung: „Da die Prozession durch das Springen und Musizieren unschick lich ist und zu Aberglauben, ivie auch durch das Tanzen Tags zuvor und am Tage selbst in den Echternochcr Wirtshäusern Tag und Nacht hindurch, zu Trunkenheit, Streit. Tumulten und andere» Exzessen Anlaß gibt, so soll das Springen und Musi zieren abgcschafft werden unter Sirase der Untersagung der Prozession selber." linier Kaiser Joseph ll. wnrde soivoh! die Prümmer ivie die Echtcrnaä)er Springprozession verboten. Kaiser Napoleon erlaubte 1802 für Echternach die Prozession wieder und sie hat in der Psingsiwoche dieses Jahres unter besonderem Jubel staligefundcn. Die Prümmer Springprozession lebte nichl wieder auf. während die Echlcrnacher seit 1802 all jährlich ein Schauspiel für jung und alt, sür Einheimische und Fremde bieiel. Wer einmal der Echlcrnacher Springprozession beigeivvhnt Hot. i»r kann sich des Gesiihies nicht erwehren, daß in diesen» allen Vollisbrauch eine lies religiöse Ueberzeugung zu n Ausdruck kommt und daß es zu bedauern wäre, wenn der Zeit geist oder ein Verbot von oben der Springprozession ein Ende bereiten würde». Ein gut Stück alter Bälersittc ginge damit verloren. In Erkenntnis und Würdigung dieser Tatsache steht die katholische Kirche heute der Prozession ivohiwoilcnd und fördernd gegenüber rmd denkt an kein Verbot mehr. Volk ohne Gott. Von Ella Me»>y. (3. Fortsetzung.) Hastig trug sic einige Studienblätter herbei und brei- reke sie vor «hm aus. Friese» war es um ein Kunstgespräch eben nicht zu tun, aber er mochte sie nicht verstimmen und betrachtete aufmerksam jedes Blatt. Die feste Pinselfüh- rung der Malerin, ihr feiner Farbenaustrag war einem unruhigen Spiel mit den Umristlinien gewichen. In ge brochener und verrenkter Gestalt zeigten sich alle Formen. Experiment war alles. Aber Friesen hielt mit seinem Urteil zurück. Er mochte sie nicht kränken, und es war ja doch nicht ausgeschlossen, vast sie aus diesein Chaos zu neuen kosmischen Zusammen hängen herausfand. Und so sagte er nur: „Und in diesen Arbeiten steckt nun etwas oder viel von deinem eigensten Wesen, Senta?" „Ja," sagte sic hastig. Mit einem gewissen Anflug von Stolz. Sie hatte sonst nicht mehr viel vorzuweisen, obgleich sie des öfteren in ihren Briefen von ihrem energi schen Fleiß geschrieben hatte. Gleichsam als wolle sie den gefühlten Widerspruch ausgleichen, fügte sie hinzu: „Die Arbeitssumme dieser Jahre steckt wohl weniger tn diesen Blättern, als in der inneren Bereicherung, die ich erfahreir habe, in dem seelischen Wachstum." „Und was hat dir dazu vcrholfen. Senta?" „Wenn ich es kurz ausdriicken soll, lieber Friesen, das Leben! Dies Leben an dem ich eigentlich bis dahin vor beigeschritten war." „Jeder von uns versteht unter „Leben" wohl etwas aitdcres. Es hat im Grunde doch unsere persönlichste Ein stellung zu den Dingen," versetzte der Doktor. „Eines weist ich, daß ich letzt erst anfangc, so etwas wie Lebensfreude zu empfinden, voller Erwartungen, ja, voller Ansprüche bin auf das. was noch kommen kann. Du kannst mir das vielleicht nicht ko nochsüblen. Die Jahre. die Du vor mir voraus hast, dein abstrakter Siudienganq haben dich anders geführt. In dem Geschlecht von heute, das vor allem vergessen will, also auch in mir, lebt ein unbändiger Freiheitsdrang. Ich kann das wohl nicht so überzeugend ausdriicken. Dn solltest einmal mit deinem Freund Doktor Kalisch über die ses Thema sprechen." „Mein Kollege, aber mein Freund ist Doltor Kalisch nie gewesen." „Ach ja, ich vergast, er ist ja um zehn Jahre jünger wie du." Es klang, als ob sie für sich hinzusetzen wollte: Dir also um zehn Jahre voraus in der Kulturentwicklnng. Es sind die nebensächlichen, gleichsam beiseite gesprochenen Worte, die einen tieferen Sinn verraten, als der Sprecher eigentlich in sie hineinzulegen beabsichtigte. Mit etwas Ungeduld in der Stimme sagte Ernst Friesen: „Ich wüßte wirklich nicht, was mich veranlassen könnte, mit Bert Kalisch Weltanschauung auszutausch-n." „Schade!" klang es leicht zurück. Friesen achtete nicht auf diesen Ausruf des Bedauerns, sondern fuhr fort: „Er läßt sich also von seiner Frau scheiden. Und warum?" „Sie gehört zu den Zurückgebliebenen. Sie kann ihm nicht mehr folgen. Uebrigens bereitet die Scheidung ganz außerordentliche Schwierigkeiten. Ist es nicht eine ganz rückständige Gesetzgebung, die zwei Menschen aneinander kettet, die durchaus nicht mehr miteinander stimmen?" Friesen zuckte die Achseln. „Man must unbedingt der Ehe eine neue Heiligkeit geben." „Fessel bleibt Fessel," beharrte Senta. „Frauen sollten am wenigsten der Wohltat des Ge setzes widerstreben," warf Friesen hin. Dann aber gab er der Unterhaltung mit einem Ruck eine persönliche Wen dung. „Nun, liebste Senta, bleiben wir bei uns beiden. Ich irre doch wohl nicht in der Annahme, daß wir uns gar viel zu sagen und mitzuteilen haben. Hnndcrt Dinge, die in unseren Briefen nur gestreift werden konnten. Wenn wir erst wieder traulich beieinander sitzen, wenn an d--„ Feierabenden Herz und Mund sich öffnen . . „Ja, Ernst, wie denkst du dir das mit den regelmäßi gen Feierstunden? Ich Hab doch jetzt eine ganz andere Arbeitseinteilung, mußt du wissen. Ich bin stark in An- sprach genommen. Auch in den Abendstunden bin ich selten allein. . . Selbstverständlich bist du jederzeit willkommen, wenn es dich nicht stört, mit anderen Menschen zusammen zu treffen. . ." Bitterkeit stieg in Friesen auf. Aber er hatte so viel Selbbeherrschung, um ruhig zu erwidern: „Nun wohl, liebe Senta, du wirst mich rusen, so ost du meiner bedarfst und kannst sicher sein, daß ich dir nach wie vor zur Verfügung stehe." Seine schlichte Gefaßtheit rief in ihr ein Gefühl der Beschämung wach. Impulsiv griff sie nach seiner Hand. „Ernst, du bist ein vornehmer, ein großzügiger Mensch. Meine Verehrung für dich bleibt stets die gleiche." Matt nur erwiderte Friesen den Händedruck der Ma, lern». Dem Mann, der Liebe zu empfangen glaubt, gewährt es einen geringen Trost, wenn das geliebte Weib ihn sei ner Verehrung versichert. Sie sprachen noch über dies und das. Mit ihre» Ge danken beschäftigt hörte kaum einer von beiden richtig zu. Als Ernst Friesen nach diesem Wiedersehn, das seine lebhafte Phantasie so oft in Hellen, leuchtenden Farben vorgekostet hatte, wieder auf der Straße stand, schwankte sozusagen der Boden unter seinen Füßen. Er hatte Mühe, die Wegrichtung zu finden. War das Senta, seine Senta, mit der er den öden, trostlosen Wortwechsel geführt hatte?! Wodurch war diese Veränderung entstanden? Welchen Einflüssen hatte sie sich während seiner Abwesenheit zu gänglich gemacht? Er begann zn suchen, zu grübeln. Den Namen von Bert Kalisch halte sie einige Male erwähnt. Aber war cs denn überhaupt nur denkbar, daß ein Windhund wie dieser Kalisch, dieser oberflächlicher Blender, Eindruck auf die feinfühlige Senta machen konnte! Dabei vergaß er eins: Wer in unklarem Freiheitsgelüste der Führung durch die Guten sich entichlägt, gerät unter die Botmükialeit der Schlechten (Fortsetzung folgt. «MUMM»'