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1 werden wollen, aus dein wirtschaftlichen Verbände austreten müssen. Die Verantwortung für die hieraus folgende man gelnde Versorgung der Beamten und ihrer Familien mit ärztlicher Hilfe treffe allein die Eisenbahnverwaltung. Die Mitgliederzahl des Verbandes betrug am 1. Mai 1906: 18 723 Aerzte. Der Verband hat für seine Mitglieder eine kostenlose Rechtsauskunftsstelle und unter Leitung eines Fachmannes eine eigene Verlagsbuchhandlung errichtet. Immer inehr in den Vordergrund seiner Tätigkeit tritt die Zentralisation seiner Stellenvermittelung. So hat er 1286 Vertreter-, 518 Assistenten- und 354 Prarisstellen kostenlos vermittelt. Im vergangenen Jahre haben größere Kassen kämpfe nur stattgefunden in Königsberg und Münster. Nach lang dauernder Debatte wird ein Antrag Donalis-Lcipzig angenommen, der sich energisch gegen das Vorgehen der Be hörden ausspricht, Aerzte zum Austritt aus dem wirtschaft lichen Verbände zu zwingen. Ebenso wird ein Antrag Hesselbarth-Berlin angenommen, mit Energie für die Ein führung der freien Arztwahl auch bei den staatlick>en Kassen zu wirken. — Die bisherigen Vorstandsmitglieder Dr. Hart mann, Dr. Götz, Dr. Hirschfeld, Dr. Tippe, Dr. Streffer und Dr. Donalis, sämtlich in Leipzig, werden wiederge wählt. — Tr. Steinbrück-Stettin berichtet dann über die so genannte Assistentenfrage. Generalsekretär Kuhns sclsildert die immer häufiger austauchenden Beschwerden der Schiffs ärzte. Dr. Peyser-Berlin wünscht die Schaffung von Lehr stühlen für soziale Medizin und zur theoretischen lind prakti schen Belehrung der Aerzte-Seminare für soziale Medizin. Ueber alle Gegenstände der Tagesordnung fand eine lebhafte Debatte statt, die zur Uebereinstimmung in allen Haupt punkten führte. — Bei der Reichstagsersatzwahl im Wählst effeHannover- Linden wurden bis 11 Uhr nachts gezählt für Brey (Soz.) 31140, für Fink (nat.-lib.) 16 740, für Dannenberg (Welse) 10 898. für Erzberger (Zentr.) 2364, für Holzqreber (Bund der Landwirte) 192 und für Choziewski (Pole) 59 Stimmen. — Die außerordentlichen Fortschritte, die das Polentum in den katholischen Gemeinden des deutschen Westens macht, beleuchtet eine Nachricht der Kölnischen Volkszeitung aus dem Herzen des rheinisch westfälischen Jndustriebezirkes. In Hamborn halten die Polen für die Wahlen zum katho lischen Kirchenvorstande eigene Kandidaten aufgestellt und im geheimen für sie agitiert. Der Erfolg war überraschend. Von den 1005 abgegebenen Stimmen fielen den Polen 595 Stimmen zu und die Deutschen brachten keinen einzigen ihrer Kandidaten durch. — Der Landtag in Braunschwrig nahm in seiner gestrigen Sitzung die Vorlage betreffend den Lotterie vertrag mit Preußen mit großer Mehrheit in 1. Lesung an. Vor längerer Zeit schwelgte die liberale Presse über einen Brief, den ein badischer katholischer Pfarrer an ein Mädchen schrieb, das eine gemischte.Ehe eingehen wollte, und die Sache wurde sogar im Reichstag von liberalen Rednern zur Sprache gebracht. Den entrüstungsgewohnten Herren und Blättern legen nur nun folgenden Brief zur Be gutachtung vor, den der protestantische Dekan Schenk von Untcrschüpf aus ähnlichem Anlaß schrieb: „Unterschüpf, 20. Juli 1901. „Liebe W. Nachdem ich heute gehört, daß Du bei einem katholischen Priester Unterweisung erhältst, um katholisch zu werden, ist mein Herz in großer Trarier um Dich, und in großem Schmerz schreibe ich diesen Brief. Siehe, ich habe Dich vor mehreren Wochen ernstlich gewarnt, Dich nicht verführen zu lassen, lieber das Geld ausgeben, als den evangelischen Glauben: fort, fort von der Stadt, die Dir Deinen heiligen evangelischen Glauben nehmen will; und jetzt kommt cs da zu, Daß Du wie ein Petrus Deinen Heiland v e r l e u g- n e st und wie ein Judas um elenden Geldes willen Deinen Herr n v e r r ä t st. O, welche Sünde! Du hast nicht ge nug gebetet, gekämpft. Dir war das Geld, das Du in gro ßer Dummheit Deinem Bräutigam (hier sind einige Worte radiert) und die Heirat, die er Dir versprochen, lieber, als Dein evangelischer Glaube, und als die Selig keit, die der Herr verheißt denen, die tren sind, bis zum Tode. Tu hast Dein heiliges Gelübde, das Du am Muen Tage der Konfirmation gabst, gebrochen, Du List abgefallen, wenn Dn katholisch wirst, von der heiligen, auf Christus und sein göttliches Wort gebauten evangelischen Kirck)e. Und was bekommst Du dafür? Etwas äußeren Er folg, daß Tu heiratest. O, Tu hättest einen evangelischen Mann auch noch bekommen, und wärst im evangelisch'» Glauben glückliclier gewesen. Was bekommst Dn denn? Viele Heilige mitsamt der Maria, aben den Heiland hast Tu nicht mehr. Vom Worte Gottes hörst Du tvenig, die lateinischen Gebete und Lieder verstehst Du nicht, der Gottesdienst wird Dir wie ein Schauspiel Vorkommen, im heiligen Abendmahl bekommst Du den Kelch nicht, den trinkt der römische Priester allein, und die ganze Freudigkeit und der tiefe Frieden eines mit Gott versöhnten Herzens ist Dir genommen, jetzt und in der Todesstunde. Ach, und Deine armen Eltern und Geschwister, welche Schande: Gott stehe Dir bei! Dein trauernder Seelsorger, der Dich konfirmiert hat. gez. Schenk." Ueber die groben Be schimpfungen der katholischen Kirche, die dieser Brief ent hält, wird man sich nicht Wundern, ivenn man weiß, daß Dekan Schenk auf einer Versammlung des Evangelischen Bundes in Hirschlanden den Papst als „ O b e r b o n z e n ", das heißt als obersten Götzcnpriester, bezeichnest. Und noch ein anderer Brief sei der liberalen Presse zur Kritik unter breitet. Nach der „Konst. Zcitg." vom 16. Mai richtete der lutherische Geistliche F. Greiner zu Rothen- berg (bei Hirschhorn a. N.) an ein ungetreues Pfarrkiud in einer badischen Industriestadt ein Schreiben, von dem sogar das genannte liberale Blatt sagt: „Wenn man dieses Schriftstück liest, glaubt man nicht am Anfang des 20. Jahr- Hunderts zu leben, sondern fühlt sich um über drei Jahr hunderte zurückversetzt in die traurigste Zeit theologischer Nabulistik. Die lutherische Kirche — welche sich von der Union ausgeschlossen hat — ist, mit ihren Paar Anhängern hierzulande, diesem Diener am Wort „die wahre Kirche Gottes". Die „sogenannte" protestantische Kirche von Baden bezeichnet er als eine „verfälschte" Kirche. Sie „wird da durch nicht Gottes rechte Kirche, daß der Großherzog dazu gehört, denn der Herr Christus spricht: Mein Reich ist nicht von dieser Welt, und ein armer Rasierer ist bei dem lieben Gott genau so viel wert, als ein Großherzog. Vielmehr ist die badische protestantische Landeskirche dinch und durch von falscher Lehre und Unglauben durchdrungen, so daß Sie sich in die Gefahr des ewigen Todes begeben, wenn Sie dieser Kirche sich anschließen. Dagegen lehrt die lutherische Kirche das lautere Gotteswort und spendet das rechte Nachtmahl und führt somit den richtigen Weg zur Seligkeit." Wenn es dem Reichstagsabgeordneten Dr. Müller-Meiningen künftighin wieder einmal einfallen sollte, im Reichstag über „klerikale Intoleranz" vom Leder zu ziehen, so empfehlen wir ihm diese beiden Briefe zur geneigten Beachtung. Die liberale Presse wird diese Briefe natürlich, wie üblich, tot- schweigen. Sie muß ja ihren Lesern die Meinung beibrin- gen, daß „nur die Ultramontanen" intolerant seien! — Justiz und Politik scheint in den Ostmarken sehr oft gemengt zu werden und leider widersteht das Reichsgericht nicht ganz der Versuchung, sich auch in dieser Richtung zu be wegen; schon im letzten Winter sind im Reichstage eine An zahl von Fällen bekannt geworden, in welchen der § 130 des Strafgesetzbuches in einer kaum glücklichen Weise ange- wendet worden ist. Jetzt werden gleich drei solcher Fälle auf einmal bekannt. Der erste vor dem Reichsgericht behandelte Fall betraf eine eigenartige Konstruktion einer versuchten Nötigung. Wegen versuchter Nötigung ist am 4. Januar vom Landgericht Posen der Verleger und Redakteur einer polnischen Zeitschrift, S. v. Slupski, zu einer Geldstrafe von 300 Mark verurteilt worden. Er hatte in einem Artikel „Verräterische Verkäufer" sich gegen den Landverkauf an Deutsche gewendet und empfohlen, die Namen solcher Polen, welche Land an Deutsche verkaufen, durch öffentliche Nennung an den Pranger zu stellen. Der Artikel bezweckst nach der Ueberzeugung des Gerichtes, mindestens drei mit Namen genannte Eigentümer von Gütern zu nötigen, den beabsichtigten Gutverkauf aufzuheben. — Auf die Revision des Angeklagten hob das Reichsgericht das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück, weil rechts irrtümlich angenommen worden ist, daß es dahingestellt blei ben könne, ob der Angeklagte, wie er behauptet hat, in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Ferner stand vor dem Reichsgericht eine Anklage aus 8 130 des Strafgesetzbuches zur Verhandlung. Wegen Aufreizung der Polen zu Geivalttätigkeiten gegen die Deutschen ist am 15. Dezember vorigen Jahres vom Landgerichte Gleiwitz der Redakteur der Zeitung „Glos Slaski", Stanislaus Nozanowicz, zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht hat den strafbaren Tatbestand in einem Artikel .Molen" erblickt, welcher das polnische Nationalgefühl stärker und, wie das Urteil meint, zur gewaltsamen Wiederein führung eines selbständigen Polenreiches anfeuern sollte. Tie Revision des Angeklagten wurde vom Reichsgerichte ver worfen. Dritter Fall: Wegen Aufforderung zum Ungehor sam gegen die Sprachenverordnnng ist am 3. Februar vom Landgerichte Beuthen (Oberschlesien) der Redakteur des „Katolik", Viktor Nomakowski, zu 500 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Er hat in einem Artikel die Eltern pol nisch sprechender Kinder anfgefordert, dahin zu wirken, daß diese, mindestens beim Kommunionsunterricht, die polnische Sprache gebrauchen und die deutsche verabscheuen. — Auch hier wurde die Revision des Angeklagten vom Reichsgerichte verworfen. Oefterreich-Unaarrr. — Der Kaiser traf um 5 Uhr 50 Minuten in Reichen berg ein. Der offizielle Begrüßungsakt war mit Rücksicht auf die Erholungsbedürftigkeit des Kaisers nicht für Don nerstag abends, sondern für Freitag früh anberaumt. Der Kaiser begab sich vormittags lU/o Uhr nach dem Rathause und wurde hier vom Bürgermeister und dein Stadtrat in den Sitzungssaal geleitet, woselbst sich das Stadtverord netenkollegium eingefunden hatte. Der Kaiser nahm hier die Huldigung der vor dem Rathause aufgestellten Korpo rationen und anderen Personen entgegen. Unter begeister ten Hochrufen fuhr der Monarch sodann zur Ausstellung. Der Bürgermeister hielt eine Ansprache, in der er für den Besuch der Ausstellung dankst. Der Kaiser erwiderte, er habe die an ihn gerichtete Bitte, Neichenberg zu besuchen, um so lieber erfüllt, als sich ihm hier Gelegenheit biete, ein Bild der großen und sehr erfreulichen Leistungen zu sehen, welche die Deutschen in Böhmen auf allen Gebieten der wirt schaftlichen und kulturellen Arbeit aufzuweisen haben. Es sei stets sein Bestreben gewesen, im Verein mit seiner Re gierung die äußeren Bedingungen zu erhalten und weiter zu entwickeln, deren Fleiß, Tüchtigkeit und Schaffensfreude, wie sie auf der Ausstellung zu tage getreten und gleichmäßig die Bevölkerung des Königsreichs Böhmen auszeichnen, zu erfolgreicher Betätigung bedürfen. Hierauf wurde ein Nundgang durch die Ausstellung angetreten. — Der Budgetausschuß der österreichischen Delegation genehmigte die Schlußrechnungen und nahm das Ertraordi- uarium der Heeresverwaltung an. — Der französische Botschafter in Wien Marquis de Neverseaur, ein treuer Katholik, wird demnächst abberufen und durch Conte d'Ormeson, einen Atheisten, ersetzt werden. — Der Wiener Bürgermeister Dr. Carl Lueger war während seiner Anwesenheit in Bukarest anläßlich der Er öffnung der Jubiläumsausstellung der Gegenstand der herzlichsten Ovationen der Rumänen. König, Minister und Volk ehrten ihn als Freund der Rumänen. Auch in Krakau wurden ihm auf seiner Rückreise Ovationen dargebracht. Am Donnerstag abend traf er wieder in Wien ein. Dort erwartete ihn eine Kundgebung von seiten der Bürgerschaft, die zeigst, welche Beliebtheit er genießt. Selbst die „Zeit" muß gestehen: „Dem Bürgermeister Dr. Karl Lueger, der gestern abend vom Besuch der Bukarester Jubiläums ausstellung nach Wien zurückkchrte, ist von seinen christlich- sozialen Anhängern ein überaus begeisterter und lauter Empfang bereitet worden. Eine riesige Anzahl von Partei- genossen erwartete den Bürgermeister auf dem Bahnhofe. Dann fuhr der Wagen Dr. Luegers unter unaufhörlichen Ovationen des auf dem ganzen Wege Spalier bildenden Publikums, das auf viele Tausende geschätzt wurde, zum Rathause. Ursprünglich war eine besondere Huldigung ge plant worden, deren Schauplatz der Arkadenhof sein sollte. Diese Huldigung entfiel jedoch, da sie sich kaum hätte lauter und eindrucksvoller gestalten können als der Zug des ' Bürgermeisters über die Ringstraße." Schließlich spannte man die Pferde aus und trug Lueger auf den Schultern inS Rathaus hinein. Echtveiz. — Der BundeSrat hat am 22. d. M. beschlossen, den Wunsch Spaniens auf Erneuerung des provisorischen Handelsabkommens aus Grund des neuen spanischen ^arises abzulehnen, da dieser als unannehmbar sowohl für die Verlängerung des Provisoriums wie für den definitiven Abschluß eines Handelsvertrages angesehen werden müsse. Das gegenwärtige Handel-Provisorium läuft mit dem 30. Juni ab. — Ein Zollkrieg zwischen Frankreich und der Schweiz steht bevor. Zur Erläuterung der Sachlage ist zu bemerken, daß den handelspolitischen Beziehungen beider Staaten der Vertrag vom 16. August 1895 zu Grunde liegt. Frank reich hat aber noch Vergünstigungen gewisser Art über diese Sätze hinaus gewähren wollen, die am 1. April 1906 in Kraft treten sollten. Der Schweiz genügten sie aber nicht; zwecks weiterer Verhandlungen wurde daher der «tatu» guo bis 1. Juli verlängert. Die Sätze, welche noch) um stritten sind, betreffen Seidenstoffe und Stickereien. Die Einfuhr schweizerischer Seidenstoffe ist beträchtlich, weil sie 22 Prozent der französischen Produktion umfaßt. Von 1164 Artikeln des schweizerischen Tarifes haben 411 er höhte Sätze, davon 259 Artikel, die Frankreich interessieren. Sie fallen auf eine französische Einfuhr von 120 Millionen Franken, die um 4 Millionen schwerer belastet würde. Frank- reich will unter diesen Verhältnissen die bisherigen Ver günstigungen nicht mehr gewähren. In einzelnen Blättern wird' der Zollkrieg als ein Sieg der deutsch-freundlichen Kreise in der Schweiz über die franzosenfreundlichen hinge stellt. Die deutschen Zolldelegierten hätten „spielend" in der Schweiz Vergünstigungen erhalten. Nun hat man's wieder: Deutschland hat den schweizerisch-französischen Zoll krieg angestiftet I , — Die Konferenz der Revision der Genfer Konvention richtete an den König Haakon ein BcgrüßungStelegremm. Ueber die Arbeiten der ersten Kommission verlautet noch: Die Delegierten verhandelten die den Militärbehörden einzu räumende Möglichkeit, verwundete und kranke Gefangene einem neutralen Staate zu übergeben, ferner die Aus dehnung der Verpflichtung der Kriegführenden, im Rück- zugsfalle die auf dem Schlachtfelde zurückgelassenen Ver wundeten und Kranken zu schützen. Die Kommission beschäftigte sich ferner mit dem Schicksal der Tragwaffen und der Munition, die bei den in Ambulanzen und Feld spitälern behandelten Kranken gefunden wcrden. Schließlich fand ein Meinungsaustausch über Titel und Anordnung des neuen Vertrages statt, der in kommender Woche aus gearbeitet werden soll. Frankreich. — In der Kammer wurde am 22. d. M. eine Ver trauenstagesordnung mit 389 gegen 88 Stimmen ange nommen. Die Mehrzahl umfaßt die Radikalen, die Sozia listisch-Radikalen, die unabhängigen Sozialisten, die Demo kraten und die Republikanische Vereinigung, sowie 33 Pro- gressisten (gemäßigte Republikaner), vier Nationalisten und zwei Konservative. Gegen das Ministerium stimmten 53 geeinigte Sozialisten, 6 Nationalisten und 29 Konservative. Der Abstimmung enthielten sich der frühere Minister Del- cassch 28 gemäßigte Republikaner, 10 Nationalisten und 45 Konservative. „Republique Francaise" erklärt, die ge- mäßigten Republikaner, welche für die Vertrauenstages- ordnung stimmten, wollten damit nur kundgeben, daß sie die Lehren der Kollektivisten mit aller Entschiedenheit zurück- weisen. — Der Drehfusprozeß vor dem Kassationshof. Der Be richterstatter kommt zu dem Schluß, der Kassationshos werde zu prüfen haben, ob nicht der formelle Beweis von der Un schuld Dreyfus' durch die reinen Tatsachen erbracht ist und der Kassationshof werde, wenn er auch bedauern sollte, daß er nicht berufen sei, in dieser Angelegenheit das letzte Wort zu sprechen, heute wie immer das Gesetz zur Anwendung bringen. Damit schließt der Berichterstatter seine Ausfuhr rungen. Montag wird der Generalstaatsanwalt seine An träge stellen. Nsrlvegerr. — Der König trug bei der Krönung norwegische Admiralsunisorm, die Königin ein Prachtvolles mit gol denen Perlen und mit Juwelen geschmücktes Gewand aus gelbem Moirs. Der Einzug der Krönungsprozession in die Kirche erfolgte durch den Haupteingang, welcher seit Jahrhunderten nicht betreten war. Die Kirche bot mit den zahlreichen Uniformen und den glänzenden Damentoiletten einen prachtvollen Anblick. Zur Rechten des Thrones des Königs standen der kommandierende General und der kommandierende Admiral mit dem Reichsbanner. Zur Linken saßen auf goldenen Stühlen der Kronprinz und die Kronprinzessin von Dänemark, Prinz Harald von Dänemark, Großfürst Michael von Ruß land, der amerikanische Gesandte. Zur Linken des Thrones der Königin saßen Prinz und Prinzessin von Wales, Prinzessin Viktoria von Großbritannien und Prinz Heinrich von Preußen, sowie der französische Gesandte. Rußland. — Die Reichsduma nahm mit großer Mehrheit die von Gredeskul namens der konstitutionell-demokratischen Partei beantragte Tagesordnung an, worin dem Ministerium das Mißtrauen ausgesprochen und der Rücktritt, sowie die Ein setzung eines vor der Duma verantwortlichen Ministeriums verlangt wird. — Die Blätter melden aus Moskau, die Mannschaften der dortigen Garnison hätten in den letzten Tagen Versammlungen abgehalten und sich für die Be obachtung einer korrekten Haltung ausgesprochen, so lange die Regierung die Duma nicht auflöse oder sonstige Re pressivmaßnahmen ergeife. Die Zeitung „Duma" berichtet aus Krassnojarski, in dem dortigen Schützenregiment seien infolge der Verhaftung eines Soldaten, der den betrunkenen Oberst durch einen Schlag auf den Kopf verwundete, Un ruhen ausgebrochen. Ein Stabskapitän ist getötet worden. — Der aus Bjelostok zurückgekehrte Deputierte Schtschepkin behauptet, die dortige Judenhetze sei von Polizeibeamten organisiert. Das Signal zur Hetze sei die Explosion viel leicht einer Petarde, in keinem Falle einer Bombe gewesen. Der Gouverneur habe vollste Untätigkeit an den Tag gelegt.