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der Maßnahmen gegenüber der französischen Kirchenver- falgung anflehte, dann stände es besser in» Frankreich. Ehemals durfte das einst größere Volk mit Genug- tuung und sec'lisckzer Befriedigung aus „uc-»tic I>,-i i.,i- b'i»ii<«m", auf seine durch (Lottes Führung und die Hilfe der Kirche ruhmvolle Geschichte Hinweisen; das war einmal. Der Geschichtsschreiber aber, welcl>er Jrankreicl>s Geschichte und Taten seit der Gott verleugnenden und köiiigsmorden- den Revolution niederschreiben wollte, hätte einen Vielsachen und leider nur allzu begründeten Anlaß, seinem Werke einen anderen Titel vorzusetzen, und dieser hätte in Bezug auf die oft bekundete infernale Feindschaft der Staatsleiter gegen (hott, Kirche und Glauben zu lauten: „(O-i-On ckinlmli i»«-e I''i'nue,»»", Taten, die Frankreich begangen hat, verführt durch den böse» Geist. 53. (Äslieral-Versammlunn ter Kotl-rUkei» Deutschlands zu (Lssen. (Fortsetzung auö der Beilage.) Unter einem beisviellosen Andrang fand am Sounta; abends 8 Uhr die Eröffnung der Begrüßungsfeier statt. Zahlreiche kirchliche Würdenträger, Vertreter des bohen Adels und Parlamentarier sind zugegen. Nach einem erakt vvigetragenen Erössnnngslied begrüßte namens des ^Maikomitees Landgei üchtsdirettor 2aar mann die nach 10 000 Kopsen zählende Versammlnng. Namentlich galt seine Amprache dun Vertreter Krupps und dem Ober bürgermeister Geh. Rat Holl e. In seiner Erwiderung gedachte letzterere der sittlichen Kraft des Ehristentums, der früheren Wirksamkeit des Kardinals Fischer in Esse» und forderte znm friedlichen Wettbewerb der beiden Konfessionen ans. Ter etxuigelische Oberbürgermeister stellte weiters den Katholikentagen das schöne Zeugnis ans, daß sie bisher stets vom Geiste der Toleranz getragen waren, und sprach den dringenden Wunsch ans, daß der Katholikentag in Essen ganz besonders dem konfessionellen Frieden dienen möge. Ter Oberbürgermeister feierte weiters die Kulturarbeit des christlichen Mittelalters und die scliöpferische Kraft des christlichen Geistes in der Jetztzeit und rühmte den edlen Wettbewerb der christlichen Konfessionen in Essen ans dein Gebiete der Liebestätigkeit und ans sozialem Gebiete. Von größter Bedeutung sei, daß auch an allen anderen Orten sich dieser edle Wettstreit in gleich maßvollen T^ahnen bewege, und daß jeder Streiter sich der Verantwortung bewußt bleib: für die Wahrung deS konfessionellen Friedens, der Achtung dessen, was den Andersdenkenden heilig, aber auch der Pflicht treuen Znsaiiiinengehens der christlichen Konfessionen gegenüber allen Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, uns die Segnungen der christlichen Kultur zu nehmen und den Felsen zu sprengen, anf dem unser teures Vaterland ans- gebaut ist. Unter dem Jubel der Versammlnng wiederholte der Oberbürgermeister das von Kardinal Fischer geprägte Wort, daß der sich versündige a m V o l k n n d an der A llge in einheit, de r Z wiet r a ch t sät unter d i e K v n s e s s i o n e n. Ter Präsident des ^Maikomitees, 2a»dgerichtsdirektor 2 a a r m a n n , erhob sich nach dieser Rede sofort, um vor aller Welt das Verspreche» zu geben, daß anf de» Katho likentage» auch in Intimst nichts Vorkommen werde, Uns unsere christlichen Brüder irgendwie verleben tonnte. In den .zahlreichen herrlichen Rede», die am Be- grüßnngSabend gehalten wurde», fand der Gedanke, daß die Katholikentage zur Friedensarbeit bestimmt sind, vielfachen Ansdriick, am schönsten in einer Rede des 2»rei»bnrger Pro fessors Meyer, der daran erinnerte, daß Windthorst ans denk Sterbebette liegend, noch im Gedanken an de» Katholiken tag die Worte wiederholte: „Ordnen wir alles; ordnen wir alles im Frieden!" Mit großer Freude vernahm der Katholikentag auS der Rede des M'sgr. Santi - Rom das hohe 2ob, das der hei lige Vater den deutschen Katholiken erst jüngst wieder ge spendet lat. Im. Hinblick ans die herrlichen dentschen Ka tholikentage sagte PinS X.: „Woher kommt dieser augen scheinliche Segen Gottes bei dem Wirken der dentschen Ka tholiken? Ter liebe Gott belohnt sie für ihre tiefgefühlte, nnnnterbrochen ansgenbte christliche Opserwilligkeit und Selbstüberwindung. Tiefe Tugenden sind dir Triebkraft der ganzen Katholikenbewegniig in Deutschland. Ohne diese Tugenden ist kein fruchtbares, kein katholisches Wirken mög lich. Anderswo fehlt leider diese christliche Opserwilligkeit und deshalb bekomme» wir dort Zustände, die noch nicht viel Hoffnung anf Besserung zeigen." Bei diesen Worten senkten sich die Angen des heiligen VaterS traurig zu Boden. Ter heilige Vater ermächtigte M'sgr. de Santi ausdrücklich, seine Worte der Katholitenversanimlniig in Essen zu über bringen. Freiherr v. V i t t i n g hoss - S ch e l l überbrachte ein Schreiben des Präsidenten der österreichischen Bi schoss te ns eren; Kardinal Fürsterzbischos Tr. G r n s cha mit besten Segenswiinschen an die Katholikenversammlnng; Rektor 2 o h m e p e r von der Anima in Rom überbrachte Grüße derselben . Bürgermeister B n r g n b n r n Grüße anS Straßbnrg. Gras Praschma brachte Grüße aus Schlesien und bedauerte, daß wegen der schwierigen Ver hältnisse in seiner Heimatprovinz eine Katholikenversamm lnng zurzeit dort nicht möglich sei. An den Kaiser N'ar von der Generalversammlung sol- gnides Hiildigiingstelegramm abgesandt worden: „An Se. Majestät Wilhelm II. Tie 53. General versammlung der Katholiken Deutschlands, zu welcher aus allen dentscch'» (hauen deS großen dentsclx'n Vater landes die Mitglieder in den Mittelpunkt des rheinisch- westsälischen IndnstriebezirkeS, dem gewerbesleißigen Essen, sich ziisamengefnnden lxiben, bitten Ew. Majestät, den einmütigen Ansdruck ihrer vollkommenen Ergeben heit und nnerschütterlichen Treue entgegeiizuiiehmen. Ausschließlich geleitet vom Geiste der 2iebe und der Ge rechtigkeit. wird die Generalversaminlnng im Sinne und nach dem Verbilde Ew. Majestät der Versöhnung der kon fessionellen und sozialen Gegensätze zu dienen bestrebt sein zum Heile des geliebten deutschen Volkes." Darauf war am Montag folgendes Antworttelegramni eingclaufen, das irr der Nachmittagsvcrfammlung zur Ver lesung gelangte: W i l h e l m s h ö h e, 20. August. Ich- kzabe den freundlichen Gruß der dort ver- samuilelten deutschen Katholiken gern eutgegengenominen und mich aufrichtig über die Versicherung gefreut, daß die Generalversammlung der Versöhnung der Kon fessionen und der sozialen Gegensätze zu dienen bestreb: sein will. Für diese Kundgebung treuer Ergebenheit spreche ich der Generalversammlung meinen wärmsten Tank aus. Wilhelm I. li. Die Versammlung brach in nicht endenwollenden Bei fall und Hockwnfe auf den Kaiser aus. Kardinal-Erzbischof Fischer hielt eine Ansprache. Er nahm Bezug auf sein 25jährigeS Wirken in Essen und auf Alfred Krupp, den zweiten Gründer der Stadt, solvie auf dessen Sohn, der in den Spuren seines großen Vaters wan- delnd, leider so frühzeitig vom Tode himveggerafft ivurde, und rühmte den tiefreligiösen und deutschen Sinn der latho- lijcl>en Männerwelt EssenS, namentlich ans dem Arbeiter- stände. Er teilte mit, daß Kardinal Vanutelli am Mittwoch ankommen werde'. Iustizrat Tr. Porsch behandelte dann die Leidens- gesclstclste des preußischen Schulnnterlzaltungsgesetzes vom katholisclz-en Standpunkte auS, wobei er alle parteipolitisctzen Erwägungen ablehnt. Die Redensart, die Schule sei an das Zentrnin ansgeliefert und die Gegenbehauptung, das Zen trum sei bei der Gesetzberatung auSgesclzaltet worden, seien gleich falsch. TaS Zentrum l>abe die Möglichkeit gel>abt, das Zustandekommen des Gesetzes zu verhindern und er reicht, daß die Konservativen dafür sorgten, daß nichts hineinkam, U>aS dem Zentrum! das (besetz unannehmbar machte. Tie große Mehrheit habe schließlich -»gestimmt, um die AnSführnng des Gesetzes anf friedlicl-e Bahnen zu leiten. Preußen habe jetzt die konfessionelle Befchiilnng der christ lichen Kinder besser gesetzlich gesiclzert, als irgend einer der großen europäischen Staaten. Die Erziehung der Kinder in ihrem Glaubensbekenntnis sei damit noch nicht getvähr- leistet. Um diese zu sichern, bedürfe es allgemeiner Wach samkeit der Katholiken, namentlich in den Selbstverwal- tiiiigSkörpern bis hinauf in die Provinzialansschüsse. Auch in den Simiiltaiischnlen müsse das katholische Bewußtsein der Kinder geschont werden. Auch sie sei so ansgestaltet, daß ihnen Kinder anvertrant werden könnten ohne Furcht, daß die katholische Erziehung gefährdet oder vereitelt werde, wenn die staatlichen Organe danach Verfahren. WeingntSbesitzer Nacke-Mainz erörterte dann in großen Zügen und nicht selten ergreifenden Bildern das Familien- und Gesellschaftsleben. Die Zeichen der Zeit deuteten hier ans die Periode des Niederganges. Selbst katholische Schriftsteller bekundeten in öffentlicher Behand lung gewisser heikler Fragen nicht mehr jenen sicheren Takt, der eine Frucht gesunden, religiös-sittlichen instinktiven Empfindens sei. Ungesunde Prüderie sclzade gewiß, aber nicht solle man ans einem Extrem ins andere fallen! die brave christliche Mutter sei hier beste Beraterin, von der Schwelle deS Hauses sei alle Gemeinheit, alles was Gefahr für Religion und Sittlichkeit der hrranv>achsenden Jugend bringt, verbannt! Möge insbesondere der Arbeiter — und wenn seine Verhältnisse noch so traurig sind alles auf bieten, daß sein Heim bleibt: eine Oase des Friedens und ein Abglanz der trotz der Armut so glückseligen Stätte Bethlehem. Tie 2ösnng in der Frage der Ehereform kann nur lauten: zurück znm praktischen Christentum. Politische Rundschau. Dresden, den 2l. August 1806. — Der Fall PodbielSki. Der Kaiser hat die Ent scheidung über die Frage des Rücktrittes deS Ministers v. PodbielSki vorläufig noch vertagt, wie sich aus folgender neuen offiziösen Meldung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" ergibt: „Wie mir hören, hat der Reichskanzler und Ministerpräsident Fürst Bülow das von uns bereits erwähnte Schreiben des Herrn 2aiidwir1schafts,ninisters v. PodbielSki vom 13. August zum Gegenstand eines ein gehenden Vortrages bei Sr. Majestät dem.Kaiser und König gemacht. Se. Majestät der Kaiser haben darauf in Ueber- einstimmung mit einem Anträge des Fürsten Bülow erklärt, daß er anf Grund der Ausführungen des Hcrrn Ministers vom 13. August zurzeit nicht in der Lage sei, über die Frage der Entlassung von Exzellenz v. PodbielSki aus dem Staatsdienst eine definitive Entschließung zu fassen." — Die Deutsche Tageszeitung, die sich bekanntlich mit verdächtige» Eifer für die Monopolfirmcn inS Zeug legt, meldet: Die beschlagnahmten Geschäftsbücher der Firma Tippelskirch sind der Firma am 13. August zurück gegeben worden. Gutem Vernehmen »ach hat sich aus den Büchern kein Anhalt dafür ergeben, daß seitens der Firma zu unlauteren Zwecken Gelder außgegebrn sind. — Der hl. Vater hat an den Grzbischof v. StadlewSki ein Dankschreiben für die Ueb.rsendung des Peterpfennigs gerichtet und ihm dabei die innigsten Glückwünsche aus gesprochen ob des ausgezeichneten Eifers, mit dem er so musterhaft seine Diözese leitet. Es heißt dann weiter in dem Schreiben: „Wir sind uns dessen wohl bewußt, daß Du in der Ausübung Deines bischöflichen Amtes, wie cs ja der Weltlouf ist. von Schwierigkeiten umringt wirst. Möge aber dessenungeachtet Dein Eifer hierdurch keine Ein buße erleiden, indnn Du Dir beständig vor Augen hältst jenes Wort des Apostels: Alles vermag ich in dem, der mich stark macht." — Auf den erledigten Posten des gemeinschaftlichen Gesandten der beiden Großherzogft'»ne: Mecklenburg in Berlin ist zum 1. Oktober der Ministerialrat Baron von Brandenstein berufen worden. — Maximilian Harden hat in der letzten Nummer der „Zukunft" unter Berufung auf die Person deS llnterstaatS- sekretärS Twete wieder die Behauptung aufgrstellt, der Leiter des Kolonialamtes Erprinz zu Hohenlohe-Langen- bürg beziehe neben seinem etatmäßigen Gehalt eine Zulage ans dem Kaiserlichen Dispositionsfonds. Dem gegenüber teilen Berliner Blätter auf Grund zuverlässiger Informa tionen mit, daß diese Behauptung in ihrem ganzen Um fange jeder tatsächlichen Unterlage entbehrt. — Gegen die Beteiligung deS Papstes auf der Haager Konferenz macht die „Korrespondenz" des Evangelisch» Bundes und die in ihrer Gefolgschaft stehende national- liberale Presse bereits mobil. Peru und Kolumbien lzaben, ui» einen Krieg zu verhüten, ihre Streitigkeiten vor den Papst gebracht und ihm den Schiedsspruch übertragen. Hier ist also der Weg gezeichnet, dein mörderischen Kampf, und Geiiietzel der Nationen vorzubengen. Der „Osservatore Romano" knüpft hieran die Betrachtung: „Wenn der Papst als Jnlzaber der höchsten geistlichen und religiösen Mach, der Souverän über größte Reich auf Erden und als ge borener Friedensfürst nicht geeignet sein soll zur Friedens- stiftling, dann möge man überlzaupt alle Hoffnungen auf unblutigen Frieden aufgeben. Das Resultat der letzten Haager Konferenz konnte deshalb auch nicht befremden." Obivohl niemand hiergegen ettvas einwenden kann, ist schon diese Betrachtung dem Evangelisch» Bunde auf die Nerven gefallen und er scheibt: „Was will das Beispiel der beiden südanierilanischil Republiken besagen! Für die euro päischen Kulturstaaten, insbesondere für Teutschland, liegt jedenfalls ganz und gar keine Veranlassung vor, unter sich Mißtrauen lind Verstimmung zu säen, bloß um das Prestige der ans ihre „Weltherrsclzaft" pockcenden Kurie zu heben." Tie Herren von: Eciangelischen Bunde scheinen Angst zu lxiben, daß Tentschlaud eine Einladung des Papstes anregen will »nd lärmen deshalb jetzt schon; sie vergessen aber, daß nicht nur sndamerikanische Republiken, sondern selbst das deutsch Kaiserreich, selbst ein Fürst Bismarck den Papst als Schiedsrichter angerusen hat. Wenn ein Diplomat von der Grösze des ersten, Reichskanzlers zu einem solchen Schütt übergeht, so nimmt sich das Gezerre der kleinen Geister des Evangelischen Bundes nur lächrlich aus. Tie Bevölkerung Bayerns betrug am 1. Dezember 1005 in Oberbayern l 414 224 Personen (Zlinahme seit 1000 in absoluter Zahl 00 330 Personen), in Niederbahern 707 307 (Zlinahme 20 001), in der Pfalz 885 833 (54 155). in der Oberpfalz 574 003 (20 372), in Oberfranken 037 700 >20 578), Mittelfranken 808 840 (52 051), Unterfranken 082 532 (31 700) und in Sclstvaben 753 177 (Zunahme 30 400). Man zählte 3 100 047 zuin männlichen und 3 327 725 znm weiblich» Gescksteckst; die weiblich Be- pölkerung übersteigt also die männliche um 131 078 Per sonen gegen 110 857 bei der Zählung im Jahre 1000. Dem Familienstand nach vertritt sich die Bevölkerung Bayerns folgendermaßen: Ledige 3 005 758 — 00,8 Prozent (1000: 00,0 Prozent), Verheiratete 2 188 804-^33,0 Prozent (33,3 Prozent), Verwitwete 301 075 — 5,5 Prozent (5,7 Prozent). Geschiedene 7482 — 0,1 Prozent (0,1 Prozent) ohne Berücksichtigung von 503 Personen, deren Janiilien- stand in den Volkszählnngslisten nickst angegeben und auch durch Rückfragen nicht zn ermitteln ivar. — 4 008 400 Per sonen oder 70.0 Prozent der Gesaintbcvölkerung sind Katho liken (d. h. Römisch-Katholisch ohne Einrechnnng der Alt- tatholiken), l 843 123 oder 28,3 Prozent Protestanten (ein schließlich der Reformierten), 55 341 oder 0,85 Prozent Israeliten; die übrigen 17 430 (0,27 Prozent) sind teils Religionslose oder solche, deren Religion nnermittelt blieb. Die (»Zahl der bayrisch» Staatsangehörigen beträgt (i 202 105 oder 05,1 Prozent der Gesanitbevölkerniig (1000: 05,3 Prozent), die Zahl der übrigen dentschen Staatsange- hörigen 202 071 oder 3,1 Prozent (1000: 2,0 Prozent); die Bayern und die übrigen Deutsch» zusammen zählen 0 405 070 oder 08.2 Prozent (1000; 08,2 Prozent); 18 700 Personen oder 1,8 Prozent (1000: 1,8 Prozent) sind Ausländer: bei 500 Personen ist die Staatsangehörigkeit »»ermittelt geblieben Frankreich. — Das Sonntagsruhrgesetz in Frankreich. Das Gesetz, welches die Kammer kurz vor Sessionssckluß angenommen hat, enthält soviel Ausnahmen, daß eine Kontrolle fast unmöglich ist. Nach H 2 des Gesetzes „soll" die Arbeit«- ruhe auf einen Sonntag fallen, aber der Rnhemg kann auch, wenn daL gleichzeitige Feiern des Personals das Publikum oder den Betrieb schädigt, auf einen anderen Tag verlegt werden odcr von Sonntag mittag bis Montag mittag dauern. Für eine ganze Reihe von Gewerben ist der wöchentliche Ruhetag durch Personenwechsel vorgesehen. Die Erlaubnis zn all diesen Ausnahmen gibt der Präfekt, der vorher ein Gutachten des Gemeinderats der Handels kammer und der interessielten Unternehmer- und Arbeiter organisation einholen muß. Schon jetzt werden die Ge meinderäte von Petitionen der Unternehmer bestürmt, die alle Ausnahme für ihre Betriebe fordern. So liegen dem Pariser Gemeinderat nicht weniger als 2000 solcher Pe titionen vor. Am zahlreichsten waren die ans dein Friseur- gewerbc vertreten. Von 2500 Unternehmern verlangten hier 1040 eine Ausnahme. Die Petenten wichen in ihrem Ver langen aber weit von einander ab. Außerdem lagen Petitionen vor von Warenhäusern, Inhabern von Verkaufs läden aller Art. die alle eine Aufhebung oder doch eine mehr oder weniger weitgehende Einschränkung der Sonn tagsruhe forderten. Der Pariser Gemeinderat lehnte alle diese Petitionen bis anf eine einzige ab; die meisten schon deswegen, weil die Zahl der Petenten im Verhältnis zu den übrigen Gewerbetreibenden der betreffenden Branchen zu klein war. Aber nicht überall wird der Gemeinderat diesen Standpunkt einnehmen und die Unternchmerorgani- sationen und Handelskammern werden wahrscheinlich in vielen Fällen die Ausnahme befürworten, so daß zu be fürchten steht, daß Ausnahmen so zahlreich werden, daß jede wirksame Kontrolle zur Unmögftchkeit wird. Anf der anderen Seite bereiten sich die Arbeiter vor, diesen Ver suchen, das neue Gesetz illusorisch zu machen, energisch ent gegenzutreten. So haben die Angestellten der Markthallen in einer großen Versammlnng beschlossen, alle legalen Mittel anzuwenden, um den GeschäftSschlntz am Sonntag dnrchzusetzen. Ebenso haben sich die Angestellten der Mol kereien, Milch- und Buttergeschäfte für eine vollständige Sonntagsruhe ausgesprochen. Im ganzen wird noch ein sehr harter und dauernder Kampf um die Durchführung dieses Gesetzes zu führen sein. Bezeichnend bleibt aber die Tatsache, daß die so einflußreichen französischen Sozial demokraten nicht einmal ein so gutes Gesetz fertig brachten wie bei un» das Zentrum in Verbindung mit anderen Parteien inr Jahre 1891.