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Beilage z« Nr. 13S der „Sächsischen Volkszeitung" vom 16. Juni 1VV«. Gkundfteiulegu«g der kaih. Kirche in Marienberg. Heber die feierliche Grundsteinlegung zu unserer Kirche schreibt das Lokalblatt, welches einen Berichterstatter ge sandt hatte: AmTreifaltigkeitssonntage wurde in feierlicher Weise der Grundstein zu dem Neubau der hiesigen katho lischen Kirche gelegt. Schon lange war es ein inniger Wuirsch der hiesigen katholischen Glaubensgenossen, ein größeres und würdigeres Gotteshaus zu besitzen. Dieser sehr berechtigte Wunsch geht nunmehr in Erfüllung, nach dem die hiesige katholische Glaubensgcmeinde zu ihrer leb haften Freude in Herrn Kaplan Kneschk aus Zittau einen eigenen Seelsorger erhalten hat, einen Seelsorger, der sich bei der Einwohnerschaft unserer Stadt allgemeiner Beliebt heit erfreut. Der gestern stottgefundencn Feier der Grund steinlegung, die durch den strömenden Regen stark beein trächtigt wurde, wohnten zahlreiche katholische Glaubens genossen von hier und der Umgegend, sowie viele andere Zu schauer bei: auch Herr Amtshauptmann Freiherr v. Oer war erschienen. Herr Pfarrer Grohmann aus Zwickau, der frühere Seelsorger der hiesigen katholischen Gemeinde, legte in einer lvarmempfundenen, zu Herzen gehenden Rede die Bedeutung der Feier dar. Er erinnerte an die Errichtung der hiesigen katholischen Kapelle im Jahre 1849 und an das sehnende Verlangen in den letzten Jahren, ein größeres Gotteshaus zu haben. Herr Pfarrer Hottenrott aus Anna- berg nahm im Aufträge des Herrn Bischofs die Weihe der Grundsteinlegung vor, die er im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes vollzog. Hieraus folgten die üblichen Hammerschläge. Tie Feier wurde durch Gesänge verschönt, wobei der Annaberger Cäcilien verein mitwirkte. Mit der Erteilung des heiligen Segens und einen Schlußgesang wurde der feierliche Akt geschlossen der wegen des ungünstigen Wetters vorzeitig zu Ende ge führt werden mußte. Die Teilnehmer an der Feier ver sammelten sich danach im „Ratskeller" hier zu einem ge selligen Beisammensein. — Der Neubau der katholischen .Kirche, der bekanntlich von Herrn Baumeister Krninbiegel hier geleitet wird, erhebt sich gegenüber dein städtischen Krankehanso rechts des Weges nach der Fabianhalde. Wir werden später noch ausführlicher darauf zurückkommen. Dieser Bericht ist sehr erfreulich, weil man daraus er sieht, daß die evangelischen Mitbürger ein rechtes Ver ständnis unserer Sache entgegenbringen. Einen gleichen Eindruck hatte man auch von der Feierlichkeit selbst. Ob wohl es den ganzen Tag fast regnete, so war doch alles be setzt, was in einem Bau, wo das Gerüst schon hoch geht, nicht gerade angenehm ist, weil leicht ein Unglücksfall eintreten kann. Von besonderer Bedeutung lnar es für die junge Gemeinde, daß die Vereine von Annaberg, besonders den Cäcilienverein unter der vorzüglicheil Leitung des Kantor Thaett trotz des schlechten Wetters in starker Zahl erschienen waren. Es war das ein Beispiel für die Marienbcrger Katholiken, wie man kein Opfer scheuen darf, um für die katlwlische Sache zu arbeiten. Den Annabergern ist cs vor allem auch zu verdanken, daß die Nachfeier im „Ratskeller" fo anregend verlaufen ist. Der Besuch übertraf weit die Erwartungen des Komitees, folgedessen tvar das Lokal viel zu klein. Aber in Geduld saß einer dicht neben dem anderen. Der Ortsgeistliche be grüßte die Versammlung herzlichst und schloß mit einem Hoch auf Pfarrer Grohinann, der zuerst einen Neubau an geregt hat, und auf die Herren vom Komitee, welche den Gedanken zu verwirklichen halfen. Herr Amtshauptmann Freiherr v. Oer gedächte in tiefster Rührung des hochver dienten verstorbenen Bischofs Dr. G. Wuschanski, der sicher unter uns wäre, wenn er noch lebte, und brachte ein Hoch der Geistlichkeit. Hierauf dankte er den Annabergern für ihr Erscheinen trotz des schlechten Wetters. Herr Pfarrer Grohmann feierte die christliche Liebe und Herr Pfarrer Hottenrott den festen Glauben, indem er auf all die Trug schlüsse und die Folgen der Glaubcnslosigkeit hinweist. Herr Pfarrer Röttig aus Brandau gedenkt der Organisation in Vereinen und begrüßt unseren jungen Elisabethverein. Der Ortsgeistliche dankt herzlich allen für ihre Mitwirkung und gedenkt des neuen hochwürdigsten Herrn Bischofs; Herr- Pfarrer Hottenroti läßt Se. Majestät den König hochleben, rüdem er betonte, daß gute Katholiken immer treue Unter- taire sind. Tie Herren Geistlichen und die Herren von: Komitee folgen einer freundlichen Einladung, rvährend die anderen Teilnehmer noch lange versammelt bleiben. Die Grundsteinlegung ist für die junge Gemeinde in jeder Be ziehung von höchster Bedeutung. Leider konnte die geistliche Behörde keinen Vertreter schicken. Herzlichsten Tank alleir, welche an dem Gelingen der Feier mitgearbeitet haben, mit der innigen Bitte, der armen Gemeinde auch ferner zu gedenken. Ter Grundstein ist ge legt und verewigt sind unsere größten Wohltäter, vor allem auch unser Gönner Freiherr v. Lehrer aus Zittau, welcher beim Einzuge des hochwürdigsten Herrn Bischofs znm dritten Male Marienbcrgs in hochherziger Weise gedacht. Aber noch fehlt ein großer Teil der Bausunime und die ganze innere Einrichtung. Deshalb möge der Leser dieses Berichtes auch Marienberg sein Wohlwollen zuwenden. AuS Stadt und Land. — * Theologisches Kuriosum. In einem Lausitzer Amtsblatte ist am 18. Juni cr. folgendes zu leien: das Fronleichnamsfest wird morgen Donnerstag von der katholischen Christenheit aller Länder begangen. Dieses Fest führt auch noch den Namen Sakrainentstag, heiliger Vlutstag. Kreuztag u. a. m. Seine Bedeutung ist darauf zurückzuführrn, daß an diesem Tage die TranSsub- stantion, d. h. die Verwrndlnng der heil. Hostie in den Leib Christi vor sich gegangen sein soll." — Wenn man etwas nicht versteht, soll man lieber schweigen, um sich nicht lächerlich zu machen. —* Die Ausstellungßleitung hat beschlossen, eine Reihe von Vorträgen halten zu lassen, um wichtige mit der Ausstellung im Zusammenhang stehende Fragen sach- kundig zu beleuchten. Herrn. Muthcsius und Friede. Naumann haben bereits für den Juli Vorträge zugesagt, welche vor allem die erzieherische und wirtschaftliche Seite der Ausstellung behandeln werden. Den einleitenden Vor trag über die Ziele der 3. deutschen Kunstgcwerbe- AuSstellung wird Fritz Schumacher am kommenden Sonntag, den 17. Juni, mittags 12 Uhr, im Protestan tischen Kirchensale der Ausstellung halten. Radrberg, 11. Juni. Der Kaiser hat eine von Herrn Stadtmusikdtrektor Otto Eckeubrecht komponierte und ihm gewidmete Hofballpolonaise für großes Orchester ange nommen. Dem Komponisten ist von der Kgl. Preußischen Gesandtschaft in Dresden dcS Kaisers Tank übermittelt worden. Sebnitz, 13. Juni. Sein so oft bewährtes Interesse für die Schule uud das materielle Wohl ihrer Lehrer be wies der hiesige katholische Schulvorstand auss neue in seiner letzten Sitzung vom 13. dss. Mts., indem er ein stimmig die von dem dirigierend«« Lehrer P. Hahn aus- gearbeitet«-« GehaUkstoffel auni al ur und vom I.Juli a. c. gelten zu lassen beschloß. Die Vorzüge der ucuen Stoffel beruhen ncbeu einer wesentlicken Erhöhung des Endgr- Haltes vor allem in einer raschen Steigerung der mit:leien Stufen, von d-r richtigen Elkentuis ausgehend, daß gerade hier die Anforderungen für Lebensbaltung am höhsten sind. Es sei darum auch an dieser Stelle den beteiligten Herren deS Schulvorstandes beizliäst grdcnlt, besonders aber dem stets für Sä ule uud Lehrer eintreten- den Ortsschulinspektor, Herrn Pfarrer Nenne, sowie dem unermüdlichen Vorsitzenden, Herrn Franz Rösler sen.. der seit Bestehen der Schule unablässig bemüht ist. die sä Nieren finanziellen Listen unserer kleinen Greuzgemeiude zi« er- leichtern." ! Leipzig, 14. Juni. Einen guten Fang machte vor gestern abend die hiesige Polizei. Sie verbaftete auf der Lampestraße den am 8. Oktober 1888 in Sondersbansen ge borenen Müllergeselleu Josef Theodor Steiubeiß, der am 8. Mai d. I. iu Freiroda die Ehefrau seines Arbeitgebers, des Müblenbesitzers Verudors, durch drei Beilhiebe zu er morden versucht batte. — In dem bekannten Hiberuiaprozeß wurde gestern vom 1. Zivilsenat des Reichsgerichtes das Urteil gefällt. Darnach wurde die Klage des Fiskus aus Anfechtung der in der Generalversammlung vom 27. August 1904 gefaßten Beschlüsse iu vollem Umfange zurückgewiesen. Sonach bestellt das Aktienkapital mit 00 Millionen Mark zu Recht und die (Uch, Millionen Mark junge Aktien sind gültig. -- Bei der Königlichen Prüfungskommission der Universität Leipzig begannen vorgestern die mündlichen Prüfungen für das erste juristische Staatseraiiien. Es sind dazu 130 Rechtskandidaten geladen worden. Professor Tr. Friedrich Leo in Göttingen lwt einen Ruf an die Uni versität Leipzig als Nachfolger von Professor Dr. Friedrich Marr ans den Lehrstuhl für Mossische Philologie abgelehnt. Professor Tr. Marr geht bekanntlich am l. Oktober als Ordinarius für klassische Philologie nach Bonn. — Am 1. September 1900 ist das Leipziger Elektrizitätswerk in städtischen Besitz übergegangen. Die Stadt Leipzig befinde: — 108 105 — „Besser." „Hast du ihn gesehen?" „Nein, morgen. In seinen Fieberphantasien sprach cr stets von dir, Dolores." Leichte Befangenheit huscht über Dolores Züge. Bittend hebt sie die Hände. „Lassen wir das, Brnnhilde! Ich habe soeben mit Doktor Labriola, meinem Rechtsbeistand, gesprochen. Auch er meint, ich passe nicht zu Günters Frau, so weit er ans den Erzählungen des Professors Wallhoff den Charakter meines Erbräutigams beurteilen könne. Also, rvcshalb deinen Günter un glücklich machen? .Er wird sich eine Frau aus seinen Kreisen suchen — eine blondlockige, kühle, pflichtgekrcne Nordländerin, so wie du. Die paßt zu ihm." Sie sieht nicht die heiße Blntwelle, die in Brnnhildes Wangen steigt. Lebhaft schwatzt sie weiter: „Uebrigens — wenn ich ein Mann wäre — ich würde niemand anders heiraten als dich, Brnnhilde!" „Das Kompliment kann ich dir nicht ziirückgeben," erwidert diese, indes ohne ihren Willen ein leises Lächeln ihre Lippen umspielt. „Ich würde dich — niemals heiraten!" „Das glaube ich gern," lacht Dolres heiter. „Ich weiß gar nicht, was die Männer an mir finden, daß sie immer hinter mir her sind. Ich finde mich einfach gräulich." Wieder muß Brnnhilde lächeln über die naive Offenheit dieses eigen artigen Geschöpfes und der Friede zwisckx'n den beiden so grundverschiedenen Mädchen ist wieder einmal hergestellt. — Inzwischen durchlebt Vernardo Nosso die schrecklichste Stunde seines Lebens. Er begreift selbst nicht, wie Rechtsanwalt Labriola ihn, den sonst so vor sichtigen, pfiffigen alten Fuchs, zu jenem kompromittierenden Geständnis ge- bracht bat. Wie konnte er sich nur derart übertölpeln lassen! Finster blickt er sich um in dem eleganten Herrenzimmer. Wer wird die hohe Miete bezahlen, jetzt, da er kein Anrecht mehr ans Miß Harrisons Geldbeutel l)at? Wer seine Garderobe und die eleganten Kostüme seiner Töchter? Wer die teuren Stunden seines Sohnes? Nur noch ein Ansiveg bleibt ihm — der Marchese Antonelli. Als er bald darnach die Treppe zur Jnnggescllenwohnnng des Marchese emporsteigt, trifft er dessen Diener. „Herr Marchese schon ans?" „Ja. Gerade bei der Toilette. Gestern abend ist sein Herr Onkel ge- storben. Hinterläßk riesige Erbsck-aft!" Um einen Sck)atten bleicher schreitet Bernardo Rosso die Treppe vollends hinauf. Doch der Marchese nimmt kaum Notiz von dem Besucher. „Aeh, hm — muß sofort nach Neapel, um Erbschaftsangelcgcnhcitcu zu regulieren. Sie entschuldigen mich!" „Uud meine Nichte?" preßt Bernardo Rosso zwischen den Zähnen hervor. „Ali — Fräulein Arevallo! Es geht ihr doch gut?" Bernardo Rosso kocht vor Grimm. „Du wn-st dort Günter sehen — und Brnnhilde! Sie wird alles ins richtige Gkeis bringeil. Sie ist so klug, so gut - " „Schon wieder dieses schreckliche Wort — gut! gut! -- o. wie ich cs hasse! Wenn ich es doch nicht mehr zu hören brauchte!" Und Dolores lwlt sich in komischem Entsetzen die Obren zu, um gleich darauf in stehendem Tone fortziifahren: „Liebe, liebe Trndi, hilf mir, den Koffer packen! Ja? Selbst das krieg ich nicht fertig. Ach, was für ein erbärmliches Geschöpf bin ieb doch! Hilf mir, Trndi! Hilf mir!" Trndi denkt einige Augenblicke nach. Ihr Mutterwitz sagt ihr, daß es unter den obwaltenden Umständen das beste wäre, wenn Dolores abreisie. So packt sic ihr rasch den kleinen Koffer, und nach einer halben Stunde schon fährt der Blickt) mit Dolores und Trndi nach Langenbeim, wo Trndi vor dew Hotel „Zinn roten Ochsen" Dolores samt ihrem Koffer absetzt und wie der Wind nach „Waldriihc" ziirückkntschiert. 10. Müde, lolmüde, nur wie ein Scl-atlen ihres früheren Selbst, trifft Do lores in Gesellschaft ihres Onkels und des Marchese Antonelli in Rom ein. Tie beiden Herren wollten wiederholt unterwegs Aufenthalt nehmen - wie sie sagte», um Dolores Ruhe zu gönnen. In Wirklichleit jedoeb, nin sich ei» wenig zu amüsieren. Denn die Reise zu dreien ist nichts weniger als amüsant. Nach der erstell lebhaften Begrüßung mit ihrem Onkel - lebhaft aller dings hauptsächlich von seiner Seite — spricht Dolores mir »oeb das Not wendigste und benimmt sich überliaiipt so niiliebenswürdig, ja abstoßend, daß die späte Liebesslannne in dem Herzen des Marchese bedenklich abgeküblt wird. Es interessiert sie nicht einmal, zu erfahren, wie Onkel Bernardo plötz- Uch ans den Gedanken kam, die weike Reise von Rom nach Norddentscklaiid zu nnteriiebmeil. Noch weniger ahnt sü. welcher Künste und Schliche es be durfte, nm die Adresse der Horsts ans dem braven Professor Wallbosf herans- znkriegen. Mit dem ihr eigenen Egoismus benutzt sie ciiisacb die Anweseiibeit deS Onkels, um zurück nach Rom zu kommen Alles übrige ist ihr böckrst gleich gültig. Auf dem Zcntralbahilbes in Rom werden drei verschiedene Wagen ge- ocnommen. Verstimmt und mit sich unzich-rn-deii karioll der Marchese Antonelli nach leiiler Ji'nggeselleilwohii"ng. wählend Delores den zweiten Wagen be steigt und ihr -Onkel den drillen. Bernardo Rosso bat diesem Wunsche seiner Nichte gern zugestimnit. Er selbst empfindet seit der letzten Unterredung mit Bruw ilde Isenburg eine höllische Scheu vor der „Villa Romiiliis" und ibien Blwohneril. Es ist schon spät am Abend, als Dolon-ö ans den elektrischren Knopf am Eiiisabrtstor der „Villa Romnl-is" drückt. Der öffnende Diener sühn bei ihrem Anblick erschrocken znriick. Doch rennt er sofort diensteifrig davon, um «ü: Ankunft des gnädigen FränleinS zn melden. „Ich brauche keine Anmeldung!" rmt Dolores hochmütig. Und der Diener zieht sich mit tief-nn Kratzfuß zurück. Miß Harrison hat sich bere'.ts zur Ruhe begeben. Brnnhilde sietzl, den „Bruiihilde Isenburg." 27