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rn). » Uhr iluilg ten. estmitz. Veil«fte zu Rr. 77 der „Sächsischen Bokkszeituna" vom 4 April >»»«« rre» tp. r 8373. ir t» liefert zuficherrd. 474 Irvr. kcon! — SIL Zeutrumsideale. Nrde des LandtagSabgeord. Landgerichtsrat vr. Marx aus Köln auf der BKkSveretaS-Bersammluug im »Keglerhrim" zu Dresden am 1. Spril lvOv. Hochverehrte Versammlung! Die Ideale des Zen- trums, getragen von der Liebe und Hochachtung zwar der Minorität, aber dem zielbcwußten Teile unseres deutsch'» Vaterlandes, verkannt und gering geschätzt von vielen, haben es verstanden, sich eine Position zu erringen, wie sie sich die Bewunderung nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen Welt errungen haben. Zwar macht man dem Zen trum den Vorwurf, daß es kein Programm besitze. Andere Parteien besitzen wohl Programme, sind aber häufig ge nötigt, sie umzuändern oder Gefahr zu lausen, daß sie durch die Zeitverhältnisse überholt und unmodern werden. Wir erinnern nur an die Sozialdemokratie. Sie hat das Er furter Programm. Aber die einzelnen Grundprinzipien desselben werden nur noch von einem ganz kleinen Teil als richtig gehalten, die Mehrzahl aber, besonders die wissenschaftlichen Vertreter der Partei, lehnen sie als falsch ab. Ta ist die Krisen- und Vcrelendungstheorie, welche längst als Irrtum erkannt wurde, denn die Tatsachen zei gen, daß die großen Vermögen nicht immer größer werden und die kleinen immer mehr verschwinden. Von den Pro phezeiungen unseres lieben Freundes Bebel über den groß'n Kladderadatsch hört man nichts mehr; an diesen schwachen Punkt — er hat deren viele — will er nur ungern erinnert werden. Ta ist weiter die Theorie des ehernen Lohnge setzes und die Konzentrationstheorie', beide hat die Sozial demokratie bereits aufgegeben. Für ein solches Programm danken wir. Wo der feste Grund fehlt, da vermag kein Programm zu bestehen. Statt des Programms hat das Zentrum seine Prin zipien, seine Ideale, die niemals wechseln, die ewig und unvergänglich sind: Wahrheit, Freiheit, Recht. Denn diese Grundsätze sind in letzter Linie zurückzuführen auf unseren allmächtigen und weisen Herrgott selbst. Wahrheit! Es sind 1900 Jahre her, da stand vor dem stolzen Landpsleger ein armer Gefangener, angeklagt des Hochverrates. Und dieser wagte es, von Wahrheit zu sprechen. Es Nxir Christus, der dieses tat. Pilatus aber fragte: „Was ist Wahrheit?" Er wußte nicht, wer es war, der da vor ihm stand. Wir aber bekennen mit dem Apostel Petrus: „Tu bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" Seine Lehre muß daher die Grundlage der Politik sein. Wenn wir das sagen, so werden wir verdächtigt, daß wir die Politik nnt der Religion verquicken. Wenn das Christentum der Sauerteig ist, der alles durchdringen soll, so muß es auch die Norm des öffentlichen Lebens sein. Das müßte ein schlechter Christ sein, der die christlichen Prin zipien ablegt, wenn er an die Lösung der öffentlichen Fra gen herantritt. Vor einigen Wochen anerkannte der Staats sekretär Graf Posadowsky dies, indem er sagte: „Die bür gerliche Gesellschaft trifft in der materialistischen Weltan schauung mit der Sozialdemokratie zusammen. Ohne ein größeres Maß sittlichen Ernstes wird sie nie im stände sein, den sozialdemokratischen Ansturm zurllckzuschlagen." — ES ist also ganz besonders in heutiger Zeit notwendig, am Fundament des Christentums festzuhallen, dessen sämtliche Wahrheiten jetzt bestritten und geleugnet werden. Ange- sichts dieser Gefahr wäre ein Zusammenschluß aller Christ- gläubigen gegen den Unglauben dringend erwünscht. Leider ist gerade das Gegenteil der Fall. Wir sehen den Unfrieden immer mehr zunehmen, zur Entschuldigung dieser Leute wollen wir annehmen, daß sie die Tragweite ihres Handelns nicht kennen. Sie, meine Herren, wissen cs hier in Sachsen durch die tägliche Erfahrung sehr wohl, wen ich meine. Ich brauche nur hinzuweiscn auf die Gene ralversammlung des Ev. Bundes — lneus a non lueencko. Wenn sich dieser Bund evangelisch nennt, so müßte man annehmen, daß er einen Bund mit dem Evangelium ge- schlossen bat, er hat aber statt dessen nichts weiter zu tun, als sich mit uns zu besck)ästigen. Es ist das gewissermaßen eine Ehre fiir uns. Aber als Rheinländer sage ich, daß die Herren etloas liebenswürdiger sein könnten. Auf der Gene ralversammlung zri Hamburg wurde belxmptct, das Zen trum könne nicht deutsch und patriotisch sein, denn im Her zen sei es welsch und bleibe welsch. Ter Rheinländer ist liebenswürdig, aber er kann auch grob werden. Wir haben ein Recht uns zu verbitten, daß unsere Königs- und Reich-Z- treue und unser Patriotismus verdächtigt wird! (Leb hafter Beifall!) Wo sind die Beweise für solche Behaup tungen? Diese sind einfach untvahr. Wir betonen mit allem Nachdruck, daß wir die eigentlichen Patrioten und Vatcrlandsfreunde sind. Unser Ideal ist der konfessionelle Frieden, die konfessionelle Versöhnlichkeit. Kardinal Fisck)er tat den wahren Ausspruch, daß der, welcher zu einer Zeit, wie der jetzigen, den konfessionellen Frieden stört, Landes- nnd Hochverrat an unserem Vaterlande begeht. Wer aber die gehässige und umvahre Behauptung aufstellt, wir Ka tholiken seien, denken und fühlen nicht deutsch, sondern welsch, rüttelt an dem konfessionellen Frieden des Reiches — und dieses Rütteln ist Landes- und Hochverrat! (Stür mischer Beifall.) Wir Katholiken bekämpfen nur den Irr- tum, aber nicht den Irrenden. Wir wollen keinen Kampf mit unseren christlichen Brüdern, sondern den Kampf mit dem Unglauben, aber bis aufs Messer! Tie Geschichte der Katholikenvcrsainmlungen Deutschlands ist ein Beweis für unsere friedfertige .Haltung. Nie fällt ein beleidigendes Wort gegen andere Konfessionen. Ter Abgeordnete Hacken- berg gestand offen, daß sich kein Satz finden lasse, der eine Beleidigung der Protestanten enthalte. Aber das Zusam- menströmcn so großer Massen auf den Katholikenversamm- lnngen sei eine schwere Störung des konfessionellen Frie dens. Sie dursten also, meine Herren, nicht zusammen- strömen zur heutigen Versammlung, schon das ist eine Pro vokation. Wir kommen unseren Gegnern sehr weit ent gegen, aber uns aufzulösen und zu verduften, weil sie in unserer Existenz bereits eine Gefahr für den konfessionellen Frieden sehen, das können wir mit dem besten Willen nicht tun. Wir sind da und bleiben da! (Stürmischer Beifall.) Und schon deshalb bleibt das Zentrum da, weil wir stark genug sein müssen, wenn einmal gewisse Klopffechter an die Regierung kommen, diese mit Nachdruck zurückweisen zu können. Wir haben vorhin auf den Evangelischen Bund hin- gewiesen. In seinen Augen sind wir die schlechtesten Laute; darin ist er einig. Wie sicht cs aber sonst mit seiner Ge schlossenheit und Einigkeit aus? Man hat der „Kreuzzcitg." den Vorwurf gemacht, daß sie das Apostolikum als Eris- Apfel in den Bund hineingeworfen habe. Die Frage: „Was dünkt euch um Christum" — daS ist der Zankapfel, der sofort heftigen Streit entfacht. Tomprediger Mauritz predigt: „Weg mit dein Christentum! Das ist für uns eine abgemachte Sache. Weg mit dieser Jenseitsreligion, weg mit diesen Jenseitsromanen! Dem Christentum haben wir den Rücken gekehrt. Wir haben unsere eigene Religion. Vom Christentum haben wir manche alte Tapete mitgenom men. Eine solck» alte Tapete ist das Vaterunser. Wir wer den es gleich beten. Aber jeder kann sich dabei denken, was er will!" — Wenn sich folck-e Herren zum Evangelischen Bund bekennen, so sage ich, protestantisch mag das sein, aber evangelisch ist es nicht! Die Wahrheit ist unser Ideal. Ob wir nach Schlesien oder Bayern, oder sonst wohin gehen, nirgends ist das Apostolikum für uns ein Zankapfel. Wir sieben treu und fest auf dem Boden desselben. — Es ist ein altes Sprichwort: Mein Frennd, du hast unrecht, denn dir wirst grob! Man verteidigt keine Wahrheiten durch Be schimpfung Andersdenkender, besonders in wissenschaftlichen Fragen. Indem inan den Gegner herunterreißt, beweist man. wie schwach das Fundament ist, ans das man sich stützt. Unsere Friedfertigkeit ist ein Beweis unserer Stärke! Freiheit heißt das zweite Zentrnmsideal! Wir ver langen sie in erster Linie für die Kirche, der wir angehören, und für den Bürger. Freiheit fordert daS Zentrum >«a- mentlich für die Geistlichen und für die Orden. Kraft der Staatsgrundgesetze sollten wir sie haben, und es schmerzt uns, daß wir sie nicht lmben. Ein Franziskanerbruder, der über die Straße geht, ist ein Programm vom Kopf bis zur Fußsohle. Er wirkt durch sein Erscheinen mehr als die stolzen Worte eines Predigers über die Vergänglichkeit des irdischen TaseinS, gegen den Stolz, die Habsucht und die Leidenschaften unserer Zeit. Im Interesse des Staates liegt es, daß die Orden Freiheit erhalten. Wir wollen nicht von Jesuiten — viele bekommen sofort eine Gänsehaut, wenn sie den Namen hören — sondern von unseren Kran kenpflegern reden. Wenn Schwestern in Preußen eine KinderbeNmhranstalt errichten wollen, so kann kein Bürger meister dazu die Erlaubnis geben, auch nickst der Regie rungspräsident, nickt einmal ein Minister ist dazu im stände — dazu gehören zwei Minister, der Minister des Innern und des Kultus. Und erst in den kleinen Staaten — Tas sind die Fußfesseln der Kirche. So lange unseren Orden die Freiheit nicht gegeben ist, so lange wollen wir kämpfen um diese Freiheit. (Beifall.) Um des konfessionellen Friedens willen brachte das Zentrum den Toleranzantrag ein. Man kann gegen den selben nichts anderes einwendeu, als daß das Zentrum ihn ciugebracht lmt. Hätten die Herren vom Ermngclischen Bund einen solchen Antrag gestellt, so wäre cs eine hervor- !<*>«. — 8 — bereitwillig versprochen, schon um der nachgelassenen Hiebe willen. Aber wenn dann am anderen Tage Karin von irgend einem dummen und groben Jungen beleidigt wurde, so vergaß er sein Versprechen und schrieb dem Fischerbuben seine Meinung mit den Fäusten auf Kopf und Rücken. Schließlich gewann diese Meinung die Oberhand im Fischerdorfe, inan betrachtete Niels als geschworenen Feind aller Widersacher Karins und als ihren Beschützer und ließ Karin in Ruhe, sobald man Niels in der Nähe wußte. War dies aber nicht der Fall, sah man seinen Weißkopf nirgends auf- tauchen, dann ging's mit doppelter Wut über die arme Karin her; freilich hatten dann hinterher die Missetäter auch doppelt unter Niels Fäusten zu leiden. Als Niels der Schule cntNxlchsen war, hörte das tägliche Zusammen gehen auf, aber sie trafen sich doch fast jeden Tag und ohne daß Niels zu fragen brauchte, wußte er, wenn man sie gekränkt oder beschimpft hatte. Er verstand in ihren Mienen zu lesen, er gewahrte cs aus der Art ihres Be nehmens, ob es ihr gut ging oder schlimm. Und meistens ging es ihr übel. Dann suchte er sie mit ein paar freundlichen Worten zu trösten und nahm sich vor, diejenigen, die sie beleidigt hatten, in anderer Weise als bisher zu strafen. Er tvar strenger gegen sie, wenn sie ihre Fische ablieferten, machte ihnen Ab züge und drohte ihnen mit Kündigung der Lieferungen, aber da er an seinem Vater keinen festen Hinterhalt hatte, kam er fast nie zum Ziele und Karins Feinde blieben ihr nach wie vor. Als er älter und vernünftiger wurde und Karins Unglück recht zu würdigen verstand, fühlte er tiefes Mitleid mit ihr, aber er sah auch die Un möglichkeit ein, das traurige Los ganz von ihr zu nehmen, denn er wußte wohl, daß sich jahrelanger Haß nicht über Nacht in Liebe verwandelt, zumal Karin durch ihr trotziges und abstoßendes Wesen den Haß der Leute geradezu berausfordcrtc. Er war ihr aber darum nicht minder zugetan, nur zeigte er seine Zuneigung nicht offen und niemals wagte er, Karin vor seinem Vater zu verteidigen, weil er dessen Haß kannte und den heißblütigen, jähzornigen Mann fürchtete. So oft cs aber ging, lief er zur Hütte Karins und sagte ihr ein freundliches Wort, weil er wußte, wie ihr das Wohltat, wenn sie cs auch nicht eingestehcn mochte. So tvar er auch heute gekommen; ihr Schmerz tat ihm weh, er hätte gern ihr Helles Lachen gehört, denn er liebte dieses Lachen des schönen Mäd chens, vielleicht eben weil es so selten von ihren Lippen klang. Aber heute wollte cs ihm nicht gelingen, ihren Trübsinn zu verscheuchen; sie blieb düster und immerfort klang ihr das Lied im Ohr: Wer sanft will schlafen in dem Grab, Der tilge seine Schuld vorab . . . Da setzte er sich an ihre Seite, strich ihr mit der rauhen Hand übers .Haar und sagte ihr Schmeichelnamen, wie man Wohl einem trotzigen Kinde tut, das inan gern hat. „Karin, Liebe," sagte er, „sei nur still. Wenn ich wieder hinllberfahre zum Festland, in die große Stadt, bringe ich dir eine Kette von Korallen mit um deinen schönen Hals! Und ein silbern Kettlein fürs Sonntagsmieder und zlvei schöne Stiefelchen an deine braunen Füße. Du sollst wie eine Prinzessin aussehen, Karin, und alle werden dich drum neiden. Und —" Und an der Klippe, dicht bei Karins Hütte, wo die Brandung rauschte, sprangen die Wellen an dem schtvarzen, feuchten Felsen hinauf, weißer Meer- sck-auin sprühte in dichten Kaskaden zur Sonne empor, wie feiner, zischender Schnee. Tie Sonne entzündete in Karins dunklem Haar, das von dem leichten Sprühregen wie mit Perlen besät tuar. silberne Funken, ihre rosigbraunen Wangen erglühten und die zierlichen Füße kühlten sich im Mcertvasser. Sie saß nun ganz still. Tie Gerte hatte sic weggelegt. Die Hände ruhten im Schoß und die Augen blickten hinaus aufs Meer, auf dem der Wind mit einer leichten Brise einsetzte und mit den kleinen, leichten, Weißen Wellen sein neckisches Spiel trieb. Nun Hub sie an zu singen, wie sie immer tat, wenn sie allein Unr und nicht wußte, womit sic die Zeit ausfüllen sollte. Sie hatte eine wunderbare Stimme und sie saug mit dein tiefen Gefühl ihrer heißen Seele, das in ein samen Menschen stärker und mächtiger ist, als bei solchen, die ihre Gefühle andern gegenüber aussprechen können. Karins Gesang war ihre einzige Er holung, ihre Freude; er N'ar eine Zwiesprache mit sich selber, mit dem Meer, mit dem Wind, mit der Luft . . .. er klang bald laut wie zorniger Trotz, bald leise wie süße Sehnsucht und stille Klage. Wenn die Leute der Insel sie singen hörcken, so schlugen sie den Taumel« ein, gingen wegab und glaubten, die sckiwarze Karin rufe die Geister des Meeres an oder schreie Zaubersprüche iu den ziehenden Wind. Aber Karin tat nichts dergleichen; da sie mit niemanden reden konnte, weil sie niemanden hatte und weil ihr alle aus dem Wege gingen, so lieh sie ihren Gedanken in Tönen Ausdruck. Es waren fremde Weisen, die sie sang, niemand im Torfe kannte sie, cs waren Lieder, die sie in alten Büchern gelesen lmttc und zu denen sie die Melodie selber gestaltete, darum klangen sie auch so seltsam und absonderlich — cs war ihre Seele, die aus ihnen klang. Karin legte das schöne Köpfckxm zurück, lehnte sich an die Klippenrvano und öffnete die Lippen zu einein Liede, zu dem die Wellen die Begleitung rauschten, wie auf einer zitternden Ricsenbarfe. Und also klang cs, jauckrzend und wild wie eine feurige Weise ans fernem Süden: Rosig ist der Lenz erstanden, Lieblich lacht des Himmels Blau. Ach, da naht auch sckxui den Landen Herbstlich trübcS Dolkengrau. Und dann schmerzlich, wie eine tiefe Klage: Also kreist das Leben immer. Das Gefühl läßt Sual zurück, Auf das Leid folgt Hoffnungsschimmer. Auf die Hoffnung — selten Glück! Karin lachte laut auf. ihr Lachen tönte fast unheimlich in Wind und Wellen hinein, die lauter an die Klippe schlugen. Ihr Gesicht verdüsterte sich; wie brennende Scham stieg cs in ihre Wangen, wie eine tiefe, schmerzliche Klage tönte ihr Gesang, rvie ein Aufschrei eines wunden, gemarterten Her- zens in tiefer Not, aus heißer Sual: «> „Tie Mccresbraut."