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auf d»r Konferenz war eine sehr loyale. Unser Verhältnis zu England kann nur ein freundliche« sein, weil es auf den Frieden gerichtet sein muß! Beide Mächte haben durch einen Krieg nicht« zu gewinnen, wohl aber viel zu verlieren. (Beifall.) Die Lattung Rußland» aber hat un« verstimmt: diese Instruktion war sehr un erfreulich, ich muß sagen, da« haben wir un» um Rußland nicht verdient. (Gehr richtig!) Wir sind stet» ein treuer wohlwollender Freund Rußland» geblieben. Wir hoffen, daß Rußland dt» Krisl« «berwindet und in die Reihen der Kulturnationen einrücken möge. <Mn dauernd geschwächte» Rußland ist für den Frieden in Europa nicht dienlich: aber unser Interesse in Rußland geht doch nicht so wett, daß es durch deutsche« Kapital saniert werde. (Sehr richtig!) Mir den Vereinigten Staaten verbinden un» viele Bande: man mSge sich verstehen und verständigen und von diesem Standpunkte au« begrüße ich auch den Pr»fessorenau»tausch! Für die Wissen schaft wird zwar nicht viel heraustommen (Heiterkeit), aber e« btta-t die Völker sich näher. Woher kommt es, daß Deutschland so unfreundlich und mißgünstig beurteilt wird? Einmal au» un serem Aufschwung im Innern, der Neid ist erregt. Wir sind aber da« stärkste Bollwerk gegen den revolutionären Vorstoß, da ist Deutschland eine Macht, die die christlichen und die konservativen Kräfte fördert. Ich verteidige nicht alle unsere Maß nahmen, das persönliche Moment, die Reden. Telegramme und Geschenk«, aber zu unserem vertretenden Leiter der Politik haben wir alle» Zutrauen, daß er unsere Politik leitet, ohne alle« Durch- gehen leitet, selbständig und im Bewußtsein der inneren Kraft und zum Wohle der Völker. (Lebh. Beifall im Zentrum, Recht» und bei den Nationalliberalen.) Abg. Bebel (Sd.) bespricht den ge-- samten Gang der Marokko-Konferenz recht ausführlich und geht dann recht breit auf die russische Revolution ein. (Während der Rede de» Abg. Bebel wird der Reichskanzler immer bleicher; er sinkt auf seinem Stuhle immer mehr nach links. Da winkt Prä sident Graf Stolberg den vorn sitzenden Abgeordneten zu und deutet auf den Reichskanzler. Dr. Bachem und Dr. Becker eilen auf die BundeSratSestrade und machen die Minister auf den mit geschlossenen Augen dasitzenden Reichskanzler anfmerksam. Nun erst wird doS ganze Hau» auf den Zustand aufmerksam; Bebel unterbricht seine Rede. Man holt ein Glas Wasser. daS der Reichs kanzler mit Mühe trinkt: Bogalla v. Biberstein holt aus dem ReichStagSrestaurant ein Gläschen Whisky: auch dies nimmt der Reichskanzler zu sich. Aber er erholt sich nur langsam und behält seine bleiche, geldliche Farbe bei. Mehrere Minister suchen ihn zum Verlassen deS Saales zu bewegen, aber Fürst Bülow harrt aus. Da wird die Sitzung auf 18 Minuten unterbrochen. Die Abgeordneten verlassen den Saal. Fürst Bülow wird auf sein Zimmer getragen; Dr. Becker umschlingt den Reichskanzler und dringt ihn dorthin; der Reichskanzler hängt sich an diesen. Im Reichskanzlerzimmer wird er auf das Ruhebett gelegt und von den Aerzten Mugdan und Becker umstanden.) Eine Viertelstunde später wird die Sitzung wieder fortgesetzt. Abg. Bebel (Sd.) vollendet seine Rede in ganz gedämpftem Tone in ein paar Minuten. Abg. Graf Limburg-Stirum (Kons.): Es fällt mir sehr schwer, jetzt zu reden. Was ich zu sagen habe bezieht sich auch nur auf die Gesamtheit der verbündeten Regie rungen. Mit der Haltung der Regierung in der Marokkofrage bin ich ganz einverstanden: wir haben erreicht, was wir wollten. Die Tätigkeit des Botschafters v. Radowitz muß ich ganz besonders lobend hervorheben. Abg-Bassermann (Natl.). Wir bedauern auf da» lebhafteste das Unwohlsein des Reichskanzlers und wün> scheu seine baldige Wiederherstellung. (Beifall.) Die Politik des Reichskanzlers genießt in den weitesten Kreisen volles Vertrauen. Wir sind von dem Ergebnis der Marokko-Konferenz befriedigt. Eine Eroberungspolitik wollen wir in Marokko nicht treiben. Präsident Graf Ballcstrem: Der Herr Reichskanzler war erkältet und stark überarbeitet. Gegen den ärztlichen Rat ist er hierher gekommen, hier hat ihn ein tiefer Ohnmachtsanfall erreicht. Sein Arzt. Professor Renwers. hofft, daß er in 1 — 2 Stunden ganz hergestellt ist. um sich nach Hause begeben zu können. Wir wollen gossen, daß er dann mit gewohnter Frische seines Amtes walte. (Beifall im ganzen Hause.) Nach kurzen Bemerkungen einiger Abgeordneten wird der Gehalt des Reichskanzlers bewilligt. Es folgt der Erat des Auswärtigen Amts, der nach kurzer Debatte angenommen wird. Ueber das Etatsgesetz referiert Abg. Erz- berg er: das H ms stimmt allen Beschlüssen der Budgetkommission zu und nimmt auch die Resolution an, welche eine engere Gestal tung deS außerordentlichen Etats wünscht. Damit ist die zweite Lesung des Etats beendigt. Nächste Sitzung Dienstag. 24. April, 2 Uhr. Tagesordnung: Kleinere Vorlagen. Schluß 5 Uhr. Politische Rundschau. Dresden, den 6. April 1906. — Der Kaiser langte gestern um 3 Uhr mit Gefolge Im Reichstag an, um persönlich nach dem Befinden deS Fürsten Bülow sich zu erkundigen. — Der Reichskanzler Fürst von Bülow fuhr vom Reichstage gegen vier Uhr in seinem Wagen nach dem Reichskanzler-Palais und begab sich alsbald zu Bett. Er hatte zwei Stunden lang einen ruhigen Schlaf, von dem er erholt erwachte. Die Erholung hielt an. Das Be- finden ist durchaus zufriedenstellend. Die Erkrankung hat ln den weitesten Kreisen große Teilnahme hervorgerufen, wie auch im Reichskanzlerpalais ausgelegte Listen be kunden. — Nach dem Berl. Tagebl. beabsichtigte der Reichs kanzler, wenn er nicht von dem Unwohlsein betroffen wor den wäre, in Erwiderung auf die Reden der Abgeordneten Bebel und Hertling auch auf die Frage der russischen An- leihe einzugehen. — Eilt unter der Führung der Neickdbank beziehungs- weise der Königlichen Seehandlung gebildete- Bankkonsor« rium übernahm 260 Millionen Mark 3'/„prozentiger preu ßischer Staatsanleihe. Die Beträge werden am 11. April zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt. Der ZeichnungspreiS beträgt mit Sperrnerpflicbtung bis 15. Oktober 100 "/g, für die übrigen Stücke 100 10°/„ — Die Budgetkommission deS Reichstages sehte am 5. d. M. die Beratung des Militärpensionsgesetzes fort. Erzbergcr (Ztr.) referierte über den 8 24, betreffend die Belassnng der Militärpension neben dein Zivildienstein komnien; bisher habe die Pension geruht, sofern dos Zivil- diensteinkomincn über 4000 Mk. betrage: der Entwurf schlage 6000 Mk. als Höchstgrenze vor, für die Zengoffizierc 5000 Mk. Diese Differenzierung erscheine nicht bcgründ.t. Eine regelmäßige Zivilversorgnng zu schaffen, sei nicht an gängig: wohl aber sei zu wünschen, daß hier ctivas mehr ge- schehen könne durch die Landesregierungen. Redner zählt die Stellen auf, welche jetzt sck-on den Offizieren zugänglich sind. Wenn ein Offizier aber in Privatdicnst trete, so müsse er sich eine Kürzung seiner Pension auch gefallen lassen: höhere Offiziere gehen immer mehr in Direktorstellen bei großen Unternehmen, beziehen große Gehälter und daneben läuft ihre Militärpension weiter: eine solche Ungleichheit zwischen Zivildienst und Privatdienst lasse sich nicht mehr halten: er bringe einen entsprechenden Antrag ein, falls er Unterstützung finde. Graf Oriola (nat.-lib.) stellt sich auf den entgegengesetzten Standpunkt. General de Barre 8: Die Skala schließt sich dem Gehalte der entsprechenden Offiziersstelle an: stelle man beide Offiziere gleich, so ent- stehen 4000 Mk. Mehrkosten. Bei Fortfall der Kürzung de- Pension entsteht ein Gesamtmehrbedarf von IlsH Mill. Mk. (Hört I) Horn (Ztr.) wendet sich gegen die Einrechnung der Bezüge auS dem Privatdienst und will den Kommunal- beamten die Militärpension ganz belassen. Unterstaats, sekretär Twele wendet sich ganz bestimmt dagegen, sonst entsteht Unzufriedenheit. Erzberger (Ztr.): Wenn der Antrag des Grafen Oriola auf Streichung der Kürzung der Militärpensionen angenommen wird, so fällt das gesamte Gesetz, darüber muß man sich klar sein. Dü die Anstellung im Privatdienst sehr lohnend ist, beantrage er, daß die Mili tärpension in Wegfall kommen soll, wenn das Einkommen aus dem Privatdienst 7000 Mk. übersteigt. Die Kommission beschloß mit 12 gegen 9 Stimmen die Kürzung der Militär- Pension nach den Vorschlägen der Negierung bei Anstellung im Zivildienst. Der Antrag Erzbcrgcr auf Kürzung der Militärpension bei Beschäftigung im Privatdienst wurde abgelehnt. Die nächste Sitzung findet am 26. April statt. — Der bayrische Geschäftsträger in Paris Graf Karl von Moy ist, wie wir erfahren, zum Nachfolger des zum Gesandten am Vatikan ernannten Freiherrn von Gutten- bcrg als bayrischer Gesandter in Petersburg ausersehen. — Die Diätenfrage ist den Vorständen der größeren Fraktionen zugegangen, die nun ihre Wünsche noch an- bringen können. Allgemein wird gefordert, daß die Frei- fahrt der Abgeordneten für die ganze Legislaturperiode gelten möge. Ob der Reichskanzler hierauf eingeht, ist noch nickü sicher. Schivierigkeiten bereitet jetzt noch die Art der Kontrolle der Anwesenheit. — Eine Sympathiekundgebung für Tivisionspfarrer Bnchstein. Die unerhörten Beschimpfungen der kath. Kirche durch den protestantischen Militärpfarrer Bachstein, welche bereits viermal die Gerichte beschäftigten, sind bekannt, und es gibt kaum einen vom Religionshaß noch nicht ge- blendeten Menschen, der diese maßlosen Ausfälle eines ab- gefallenen tatholisckxm Priesters billigen könnte. Er könnte darum den Protestanten nur zur Ehre gereichen, wenn sie einen solchen Mann ganz energisch von ihren Rockschößen ab- schütteln würden. Doch dieses Gefühl scheint leider man- chen Protestanten abzugehen. So lesen lvir soeben im „Reichsboten" (Nr. 48) folgendes Schreiben, das der Evan gelische Pfarrverein für die Provinz Westfalen, dem zur Zeit etwa fünf Sechstel der gesamten Pfarrerschaft der Pro- vinz angehören, von seiner Provinzialverslammlnng aus am 20. Februar in Hamm an den Pfarrer Dachstein in Minden gerichtet hat: „Der Evangelische Pfarrverein für die Provinz Westfalen hat die sckMeren Kämpfe, in denen Sie seit Jahresfrist stehen, mit innerer Bewegung verfolgt und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß Ihre gute Sache den Sieg behält." Dazu braucht man lvahrl-astig nichts zu sagen. Diese Sätze sind bezeichnend für den „friedlichen" Geist, der in jenen Kreisen herrscht. Die maßloseste kon- fessionelle Hetze und die denkbar rohesten Bcsckssmpfungen der katholisck>cn Kirche sind in den Augen protestantischer Pfarrer eine „gute Sache"! — Was man von den Rcichstagsdiäten „befürchtet", sagt ein Berliner liberales Blatt offen heraus, indem es schreibt: „Trifft cs nun zu, was glaubwürdig verlautet, daß diese Frühjahrssession als eine halbe Session mit 1500 Mark entschädigt werden soll, dann wird ja nach Ostern der Reichstag wahrscheinlich ein ganz anderes Aussehen habeil. Die süddeutschen Mitglieder des Zentrums werden dann allerdings auch, wenn sie regelmäßig und nahezu vollzählig am Platze sind, ein ganz anderes Gewicht bei den Parla mentarischen Entsckzeidungen bedeuten: wir fürchten, daß dies zum ersten Male bei der Abstimmung in dritter Lesung über das Reichskolonialamt sich bemerkbar machen könnte. Auf alle Fälle aber wird die dauernde starke Beschlußfähig keit in Ansehung des Pauschalquantums eine Abkürzung der Debatten herbeiführen, die von allen denen wie eine Erlösung begrüßt werden mag, die bisher in ihrer beschei denen Zahl, „den Reichstag" zu repräsentieren, in der wenig beneidenswerten Lage waren." Gewiß wird dies cintrc- tcn, aber die süddeutschen Abgeordneten haben dasselbe Recht, ihre Stimme zur Geltung zu bringen, wie die ande ren Abgeordneten. Ta sie das jetzt nicht können, entstehen sehr oft Gesetze, die nickst gerade für alle Teile des Reiches ersprießlich sind. — Ein Lob anö protestantischem Munde. Jüngst hat der protestantische Dogmenhistoriker Professor G. Krüger in Gießen ein Buck herausgegeben unter dem Titel: „Das Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit." Darin gesteht er ohne weiteres ein, daß die beiden Grunddogmen des Christentums, mit denen alles steht und fällt,, nämlich der Glaube an den dreieinigcn persönlichen Gott und an die Gottheit Jesu Christi „in völlig ungebrochener Kraft" von der katholischen Kirche und zwar nur von dieser heute so wie in der Urkirche vorgetragcn wird. Daß Krüger selbst an diese Grunddogmen nicht glaubt und dennoch Professor der protestantischen Theologie bleiben darf, mag ja zur Bezeichnung des „Christentums" im Protestantismus wich tig sein: an der Bedeutung dieser Erklärung ändert das aber nichts. Mit Dank akzeptieren wir das Zugeständnis, daß die Lehre der katholischen Kirche von der Dreieinigkeit Gottes und der Gottheit Jesu Christi heute noch dieselbe ist wie in der Urkirche. Dieses Urteil aus protestantischem Munde ist doppelt wichtig. — Rosa« Reklame ist mißglückt. Der „Vorwärts" hatte gemeldet, daß sein RedaktionSmitglt'd, wie sie selbst sagte, in sich ein „makkabäischeS Drängen" fühle, am Befreiung«- kämpfe ihre« Volkes teilzunebmen und sie sich daber in den „Rachen des Zarismus" begeben habe. Und nun er- zählt un« die „Voss. Zeitg.": „Nach ihrer Ankunft in Warschau logierte Rosa sich unter fremdem Namen im Pensionat der Frau WalewSka ein. wo sie sich mit schrift- stellerischer Arbeit beschäftigte. An der Propaganda der hiesigen Sozialdemokratie nahm sie keinen Anteil und be- suchte keine einzige ihrer Versammlungen. Von ihrer An- Wesenheit in Warschau wußten nur vier oder fünf Partei- Mitglieder. Die Polizei wurde erst später durch eine Denunziation aufmerksam auf sie gemacht." >l« sie ab- reisen wollte, verhaftete sie die Polt,ei. Mit den Helden taten de« Rosa kann also der „Vorwärts" nicht« anfangen, die Reklame war umsonst. O*sterrei»knUnae»rn. — Zur ungarischen Krise. DaS Ereignis deS Tage? ist die zweistündige Unterredung des ungarischen Minister präsidenten Baron Fejervary mit dem Führer der Uuab- l-ängigkeitSpartei Kossuth in der Wohnung des radikalen Kossuthisten Barabas und das Erscheinen des jüdischen Frei maurers Polonyi als Geschäftsträger der Koalition in Wien und die durch ihn und Fejervary vermittelte abermaM» Berufung Andrassys und Kosfuths zum Kaiser. Man u«r nach den Vorfällen der letzten Tage auf alles mögliche ge faßt, aber daß jetzt noch auS dem ungarischen Ministerium ein Weg hinüber zu Kossuth leiten könnte, das stand nir- gends auf der Liste der angenommenen Möglichkeiten. — Und wie soll entwirrt werden? Nach den Mitteilungen der „Eingeweihten" sind die Vorschläge wesentlich folgende: Fejervary tritt vor dem kritischen 11. April zurück: eS folgr ein Kabinett, das zlvar unter Führung eines Politikers der 67er Grundlage stehen, aber auch drei Mitglieder der Un- abhängigkeitspartci umfassen würde: dieses neue Mini sterium hätte die Neuwahlen auszuschreiben mit der Ver pflichtung, daS allgemeine Stimmrecht zur ausschließlichen Wahlparole zu machen. Die Unabhängigkeitspartei, mi: deren Sieg man rechne, hätte Garantien zu bieten, daß da? neugewählte Parlament für die Erledigung der StaatSnot- Wendigkeiten (Budget. Rckrutenkontingent, . militärisch« Mehrforderungen, Ratifikation der Handelsverträge) sorgt und die militärischen Streitfragen bis auf weiteres aus- schaltct. Ferner hätte dieses Kabinett für die eheste Er ledigung der Wahlresorm zu sorgen und dann sofort Neu wahlen auf Grund dieser Reform auszuschreiben. Wenn das der Entwirrungsplan ist, dann hätten sich gewisse Kreise die Aufregungen der langen Krise ersparen können. Diese Selbstausliefcrung an die Koalition hätte vor einem Jahre mit mehr Anstand erfolgen können. Spürt man denn maß- gebendenorts nicht, welche Farce sich die Herren Kossuth, Barabas im Einvernehmen mit Kristoffy erlauben, wenn sie sich „verpflichten", die Wahlreform-Neuwahlen und die „Wahlreform" selbst zu machen? — Und das soll Wirklich keit werden? Freilich, um kurze Fristen für wichtigere Entscheidungen zu gewinnen, ward in Oestereich schon öfters das Unglaublichste Ereignis. Frankreich. — Der ..Radikal" schreibt über die Ansprache de» Kaiser« a« die westfälischen Bergleute: Am Tage nach dem Abschluß der Konferenz darf man diesen Worten des Kaiser- ohne optimistische Uebertreibungen einen besonder- herzlichen Charakter beimeffen. Man kann in dieser Kund gebung einen lebendigen und ergreifend!n Kcmmentar zu dem soeben in AlgeciraS Unterzeichneten Schriftstück erblicken. Dieser Konferenz hatte ein bewegter Ton und eine beredt zu den Herzen aller sprechende Gebärde gemangelt. Nun ist dieser Ton und diese Gebärde unerwartet und höchst eindrucks- voll auf einem Umwege zu uns gelangt. Allen sichtbar schwebt an dem vom Feuerschein geröteten Himmel vou Courriöres die Friedenriaube mit dem Oelzweig. — Aus Courridres wird gemeldet, daß sich dort di« turbulenten Szenen vom letzten Montag nachts, sowie die Bedrohung der Ingenieure wiederholt haben, doch gelang es, Gewalttätigkeiten Pl verhindern. Der Beschluß der Kammer gegen die Courridres - Kompagnie eine Untrr- suchung einzuleiten, wurde mit großem Beifall aufge- nominen und hat einen guten Einfluß auf die Stimmung der Bevölkerung ausgeübt. Die Meldung von Bertons Auffindung hat unzählige Gerüchte in Umlauf gesetzt, aber all Ort und Stelle auf Schacht 4 erhält sich die Gewißheit, daß er der einzige Ueberlebende ist, den die Grube von Sallaumincs herausgegeben hat. — In Roubaise, wo Ribot in einer Versammlung das Prograinm der gemäßigt republikanischen Partei dargelegt lxltte, wurde der Senator und ehemalige Ministerpräsident Mckline, als er im Wagen nach dem Bahnhofe fuhr, von einem Haufen Revolutionärer überfallen. Eine Glasscheibe und eine Laterne des Wagens wurden zertrümmert, doch konnte sich Mckline noch rechtzeitig in die Amtsstllbe des Bahnhofes flüchten und dann unbehelligt nach Lille ab- reisen. — Die Bergleute Nckmy und Pruvost, welche auf der Fahrt durch Paris Gegenstand lebhafter Sympathiekund gebungen waren, wohnten in Anteil den zu Gunsten der Opfer von Courridres veranstalteten Pferderennen bei und wurden daselbst dem Präsidenten Fallidres vorgestellt, der sie herzlich beglückwünschte. — Nach Fressennevillc wurden zur Wiederherstellung der Ruhe 700 Mann, Infanteristen und Kavalleristen, abgesandt. — Die Nachforschungen find lvährend der ganzeil Nacht in Schacht ll bei Billy Montigny fortgesetzt worden. Der Untersuchungsrichter in Bethune. dem der Auftrag erteilt worden ist, Untersuchungen über die Katastrophe vorzunehmen, hat am 6. d. M. die Delegierten der Minenarbeiter beauftragt, die Leichen derjenigen Berg arbeiter zu bezeichnen, die nach ihrer Ansicht nach dem 10. März gestorben sind. Diese Leichen werden einer Unter suchung unterzogen werden, um annähernd den Todestag festzustcllen, da vorkommenden Falles das Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen die Ingenieure eingeleitet werden soll. Als groteske Illustration der auch nach den» Erscheinen Bertons am Mittwoch wiederholten feierlichen Versicherung der Ingenieure, daß aber nunmehr bestimmt nichts Lebendes in der Mne sei, kommt die Meldung, daß spät abend im Stollen, 384 Meter unter Tag, in seinem Stall zwei Pferde gefunden wurden, die scheinbar in bestem Wohlsein waren. Sie standen in 30 Zentimeter Wasser und hatten sich seit 25 Tagen von etwas Stroh. Baumrinde und Holz genährt. Großbritannien. — Wie eine Depesche aus Greytown meldet, haben die Rebellen einen Angriff gemacht und einen Teil der gegen sie fechtenden Truppen abgeschnitten. Auf englischer Sette sind fünf Mann verwundet worden. — Die Truppen, die bei Jmpanza gezwungen wurden, ihr Lager aufzugeben, haben noch einem heftigen Kampfe Greytown wieder erreicht. Ein« andere Abteilung, die Frauen imd Kinder zurückfü-rte, die bei KoateSdrift abgeschnitten worden waren, wurde ange- griffen, gelangte aber, indem sie Kehrt machte und sich aus eine Entfernung von sechs Meilen den Rückßug erkämpfte, nach Greytown. Drei Konstabler wurden getötet und zwei verwundet. Nußlanb. — Die Dumawahleu vollziehen sich in schätzenswerter